Sind Faltboote die besseren Seekajaks

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Faltboote - die besseren Seekajaks?

von Carlo Schagen, Hamburg


Bei meiner letzten Reise zur Baja California (Mexico) erregte in San Diego ein Buch meine Aufmerksamkeit, das nun auch schon seit einiger Zeit auf dem deutschen Markt in englischer Sprache verkauft wird: COMPLETE FOLDING KAYAKER, von RALPH DIAZ, Herausgeber des Magazins FOLDING KAYAKER. In diesem komplexen Werk vertritt der Autor sehr leidenschaftlich die Behauptung, daß Faltboote nicht nur in jeder Hinsicht äußerst seegangstüchtig sind, sondern im Vergleich zu den weit in der Mehrheit auf dem Markt befindlichen Kunststoff-Seekajaks sogar über die besseren Eigenschaften verfügen. Wie das? Ralph Diaz nennt dafür sechs Gründe. So behauptet er:

Faltboote sind die eigentlichen Nachkommen der Eskimo-Kajaks mit ihrer jahrtausendealten Tradition. Bei der großen Vielfalt der Kajaks unserer nördlichen Vorfahren waren stets drei Konstruktionsmerkmale bestimmend. Die Bootshülle wurde aus biegsamem, stoffähnlichem Material gefertigt. Das Gerüst bestand aus Quer- und Längsverbindungen, und es war mit der biegsamen Haut äußerst geschmeidig für Wind und Welle.

Auch unsere modernen Faltboote entsprechen noch diesen Prinzipien, obwohl damals die Kajak-Haut aus Tierfellen und das Gerüst aus zusammengebundenen Knochen und Treibholz gefertigt wurden. Wenn daher ein Eskimo, der mit seinem Kajak vor 2000 Jahren Seelöwen jagte, in unsere heutige Kajak-Welt versetzt würde, würde sein Gefühl und seine Vertrautheit dem Faltboot gelten, obwohl sich die schmale Form und das kleine Cockpit unserer heutigen Kunststoff-Seekajaks stark an der traditionellen Eski-Bauweise orientiert haben.

Faltboote sind den Kunststoff-Eskis auch deshalb überlegen, weil sie sich aufgrund ihres flexiblen Materials dem auf sie einwirkenden Wasser viel besser anpassen können. Faltboote sind einmal ihrer Länge nach flexibel, d.h. in der See-Dünung oder im von anderen Schiffen aufgeworfenen Schwall paßt sich das Kajak der jeweiligen Form des Wassers flexibel an. Die gleiche Wirkung entsteht als Seitwärts-Flexibilität, wenn Wellen aus verschiedenen Richtungen auf das Boot einwirken. Diese Kräfte werden von den weichen Seiten der Haut quasi eingedämmt oder gemildert.

Im Gegensatz zum Kunststoff-Eski wird es deshalb dabei auch nicht so stark hin- und hergeworfen. Darüber hinaus werden durch den von unten auf die Bootshaut einwirkenden Wasserdruck kleine Rinnen entlang der Haut und des Gerüsts gebildet, die die Geradeausfahrt stabilisieren und das seitliche Abgleiten und Rollen des Faltboots verhindern. Zur großen Stabilität des Faltboots trägt jedoch vor allem seine Breite im Zusammenspiel mit den überwiegend eingebauten Luftschläuchen bei. Wenn sich ein Faltboot auf die Seite legt, stellen die Luftschläuche vor dem endgültigen Eintauchen des Bootes einen erheblichen Widerstand dar. Sie verhalten sich widerstrebend, wie ein Ballon, der untergetaucht werden soll, und helfen dabei letztlich, das Boot vor einer Kenterung zu bewahren. Diese äußerst seetüchtigen Eigenschaften haben Faltboote bei abenteuerlichen Fahrten auf den Weltmeeren immer wieder bewiesen. Unter schwierigen Verhältnissen kann sich der Faltbootfahrer immer noch ausschließlich auf die effektive Kraft seines Vorwärtsschlages konzentrieren, während ein Eski-Fahrer mehr damit zu tun hat, sein Boot durch ständiges Stützen aufrecht zu erhalten. Ein Eski-Fahrer muß dabei immer das ganze Repertoire seines technischen Könnens entfalten, während das Faltboot seinem Fahrer eher Fehler verzeiht.

Die Haut- und Gerüstkonstruktion eines Faltbootes ist mindestens so stabil wie die eines Kunststoffbootes und hat letztlich eine längere Lebensdauer. Weder ein Faltboot noch ein Eski-Fahrer wird sein Boot über scharfe Steine oder Gegenstände ziehen. Auch die Bedingungen für einen Materialbruch sind vollkommen gleich, wenn etwa große, sich überschlagende Wellen das Kajak auf den Strand oder an eine felsige Küste werfen.

Aber die Häute von Faltbooten halten länger (Hypalon ca. 30 Jahre, Gummi ca. 20 Jahre), und manche Gerüste, wie die aus Holz von Klepper, sind auch nach 80 Jahren noch sehr gebrauchsfähig.

Faltboote sind in ihrem Gebrauch vielseitiger. Sie können beliebig auf- und abgebaut, verstaut und transportiert werden. Die auf dem Markt befindlichen Kunststoffboote erreichen diese Flexibilität nicht. Aufgrund der höheren Stabilität können Faltboote auch gut besegelt werden. Von ihnen aus kann ebenso leicht gefischt und getaucht werden, sogar mit Preßluftflaschen. Sie bieten ihrem Benutzer ein weitaus höheres Packvolumen.

Faltboote sind leichter zu reparieren. Dazu genügt schon ein gutes Tape, das sogar bei Temperaturen unter Null für Monate angebracht werden kann. Auf Plastik- oder GFK- Konstruktionen sind Tapes dagegen nicht so wirksam. Für weitergehende Reparaturen braucht das Material dieser Boote auch eine Verarbeitungstemperatur von mindestens 7 bis 8 Grad Celsius. Mit Tapes lassen sich bei Faltbooten auch leicht gebrochene Spanten oder Längsstücke vorübergehend reparieren. Außerdem besteht aufgrund der austauschbaren Komponenten immer die Möglichkeit, ein defektes Teil gegen ein neues Ersatzstück auszutauschen. Nicht dagegen bei Kunststoffbooten. Nach Auffassung einiger Experten können zudem Plastik-Kajaks nach einem Alter von 5 - 6 Jahren nicht mehr zuverlässig repariert werden. GfK-Boote bleiben dagegen sicher reparabel, solange es dafür noch genügend Oberfläche gibt.

Faltboote sind in jeder Hinsicht sicherer auf See als Kunststoff-Kajaks. Diese Sicherheit ist der größte Gewinn, den ein Paddler von Faltbooten erreichen kann. Das Kenterrisiko eines Kunststoff-Eskis ist im Vergleich zu einem Faltboot um etliches größer. Sogar unter schwierigen Bedingungen wird ein Faltboot-Paddler mit mäßigen Fähigkeiten für eine Paddelstütze das Boot aufrecht halten können. Unter den gleichen Bedingungen muß ein Eski-Fahrer dagegen ausgezeichnete Stütztechniken und andere fortgeschrittene Techniken einsetzen. Vor allem muß er die Eskimorolle beherrschen. Nach einer Kenterung ist es auch schließlich sehr viel leichter, wieder in ein Faltboot zu kommen als in ein Kunststoff-Eski. Das Faltboot bietet aufgrund seiner breiteren Konstruktion für den Wiedereinstieg auch ohne Paddelfloat eine sichere Plattform, während diese beim Eski undenkbar ist.

Auch die Einwände, Faltboote seien zu langsam und könnten nicht eskimotiert werden, hält Ralph Diaz für unberechtigt. Er behauptet: Faltboot-Einer sind mindestens so schnell wie 80% der entsprechenden Kunststoffboote. Er erwähnt ein 8-Meilen-Rennen bei San Francisco, bei dem ein Klepper-Aerius in einem Feld von 80 überwiegenden Kunststoffbooten den dritten Platz belegte. Er gesteht jedoch zu, daß Faltboote aufgrund ihrer Breite schwieriger zu eskimotieren seien. Die dadurch erhöhte Stabilität erfordere jedoch auch in schwierigen Situationen weder eine Eskimorolle noch andere extreme Stütztechniken (s. oben).

Das Echo auf die provokanten Thesen von Ralph Diaz ließ nicht lange auf sich warten. In einer ausführlichen Rezension von Robert Holtzman im amerikanischen Magazin "SEAKAYAKER" wurde Ralph Diaz als religiöser Eiferer beschuldigt, der kleinkariert und sorglos mit der Wahrheit umgehe. Robert Holtzman stellt sich dabei als Paddler vor, der beide Bootstypen besitzt und ihre Vor- und Nachteile zu schätzen weiß, insbesondere auch die hervorzuhebenden Qualitäten des besseren Transports, der einfachen Lagerung und der größeren Stabilität des Faltbootes. Kunststoffboote ziehe er jedoch aus ästhetischen Gründen vor. Für ihn seien sie eben geschmeidiger und schöner. Darüber hinaus ließen sie sich viel wirkungsvoller paddeln, verlangten dagegen jedoch auch größere Anforderungen und Fähigkeiten für ein sicheres Paddeln. Daraus resultiere letztlich auch der bessere und schnellere Paddler. Insgesamt wirft er Ralph Diaz vor, die Vorzüge von Faltbooten völlig einseitig zu proklamieren. Diaz´ Behauptung, Faltboote seien ebenso schnell, wenn nicht schneller als Kunststoff-Kajaks, sei sogar offenkundiger Unsinn. Insgesamt setzt sich Robert Holtzman für eine sehr differenzierte Betrachtung der Vor- und Nachteile der beiden Bootstypen ein (vgl. SEAKAYAKER 1995, VOL. 12, NO 1).

Steht man damit bei dem Versuch der Erkenntnis tieferer Paddel-Wahrheiten wieder am Anfang aller Dinge? Sicher nicht, denn die eigene intensive Erfahrung langjähriger Paddelei im Wechselbad von Erfolg und Niederlage erlaubt zwar keinen Anspruch auf eine absolute Wahrheit, doch schon auf ein vorsichtiges vorläufiges Urteil, mit dem es sich im Kajaksport, vor allem im Seekajakbereich, recht gut leben läßt.

Zunächst glaube ich mit Robert Holtzman, daß die Entscheidung für den einen oder anderen Bootstyp auch stark nach subjektiven ästhetischen Kriterien getroffen wird. Manche haben eine Vorliebe für die schlanke, schnittige Form des Kunststoff-Eskis, andere schwärmen für ein breiteres Boot aus Holz, Gummi und Stoff nach alter Tradition. Die jeweilige subjektive Präferenz entzieht sich damit natürlich einer objektiven Beurteilung. Die unterschiedlichen Konstruktionsweisen der Boote und die vorliegenden Erfahrungswerte erlauben dagegen ein objektiveres Urteil zur Schnelligkeit unserer Kajaks. Es ist klar, daß der relativ breite und schwere Klepper-Aerius ein größeres Wasservolumen bei der Fortbewegung verdrängen muß und damit mehr Kraftaufwand erfordert als ein schmaler und leichter Eski, der durch den hochgezogenen Bug- und Hecksteven zudem noch viel widerstandsloser durch/über die Wellen geht. Ein sehr gut trainierter und kräftiger Faltbootfahrer wird diesen Mangel vielleicht über eine kurze Distanz ausgleichen können. Bei dem von Ralph Diaz erwähnten und durchaus glaubhaften Beispiel handelte es sich auch nur um ein 8-Meilen-Rennen (ca. 14,8 km). Bei meinem eigenen Versuch, als einziger Faltbootfahrer ca. 70 km in der deutschen Bucht durchgehend in einem Feld von Kunststoff-Eskis zu absolvieren, konnte ich die von diesen vorgelegte Geschwindigkeit knapp 3 Stunden lang halten. Danach fiel ich unweigerlich zurück. Andere Versuche brachten immer wieder das gleiche Ergebnis: Während die Eskis mit durchschnittlicher Kraftentfaltung rasch und leicht dahinglitten, konnte ich an der Obergrenze meiner Möglichkeiten die gleiche Höhe und Geschwindigkeit nur für 2-3 Stunden behaupten. Auf längeren Distanzen wird ein Faltboot daher gegenüber einem Kunststoff-Eski immer das Nachsehen haben. Ein durchschnittlicher Fahrer wird mit einem Klepper-Aerius bei schwachem Wind und Strom ca. 5-6 km in der Stunde erreichen können, ein Kunststoff-Eski bringt es dagegen ohne Mühe auf ca. 7-8 km in der gleichen Zeit.

Diese Aussage kann wiederum nicht ohne weiteres auf andere Faltboote übertragen werden. Ein Feathercraft K 1 und ein Pouch E 65 laufen ersichtlich schneller als der Aerius I, wiederum bedingt durch die andere Bauweise und das geringere Gewicht. Abgesehen davon befinden sich mit dem Kathsalano von Feathercraft und dem Poucher FaltEski auch reine Faltboot-Eskis auf dem Markt, die bezüglich ihrer Schnelligkeit keinen Vergleich mit Kunststoff-Eskis scheuen müssen. Es ist daher wenig hilfreich, sich in dieser Frage mit angeblichen absoluten Wahrheiten gegenseitig zu bombardieren. Diese gibt es nicht; allein die differenzierende, relativierende Betrachtung führt zu besserer Erkenntnis.

Das empfindlichste und wichtigste Kriterium einer vergleichenden Betrachtung aber ist die Sicherheit auf See. Mehrfach bin ich mit Eski-Fahrern bei Sturm und schwerer Brandung in der Nord- und Ostsee unterwegs gewesen und habe regelmäßig an Brandungspaddel-Übungen teilgenommen. Außer bei den Brandungs-Übungen habe ich mit dem Klepper-Aerius I keine Kenterung erlebt. Zweimal wurden jedoch Eski-Fahrer neben mir von plötzlichen Sturmböen (Flensburger Förde) und wilder Brandung (Spiekeroog, Seeseite) gefällt wie der Baum vom Blitz, während der Aerius noch aufrecht zu fahren war. Zaghafte Eskimotierversuche der Eski-Fahrer waren schnell zum Scheitern verurteilt. An Rettungs- und Wiedereinstiegstechniken war in der bewegten See nicht zu denken. In beiden Fällen retteten sich die Fahrer, indem sie mit ihrem gekenterten Eski an Land schwammen. Brandungspaddelversuche mit anderen Eskis, insbesondere dem Kathsalano, machten zudem sehr deutlich: Unter schwierigen Bedingungen muß ein Eski früher und besser gestützt werden als ein stabiles Faltboot wie der Aerius. Im Allgemeinen haben Eskis eine geringere Anfangsstabilität als Faltboote. Sie wirken dadurch kippliger und legen sich auch schneller auf die Seite. Dagegen wird bei den Eskis trotz ihrer Kippligkeit eine größere Endstabilität erreicht. Wenn ein Faltboot einen bestimmten Winkel bei der Schräglage zur Wasseroberfläche überschritten hat, wird es schnell und unaufhaltsam kentern. Eskis können dagegen auch in extremer Schräglage gehalten werden, ohne durchzukentern. Voraussetzung ist jedoch, daß die flache und hohe Paddelstütze zum Einsatz kommen. Unter schwierigen Bedingen (ab ca. 5 Windstärken aufwärts, insbesondere bei der Konstellation von Wind gegen Strömung!) ist auf offener See auch die sichere Beherrschung der Kenterrolle erforderlich, denn letztlich können auch Eskis kentern, und bei hohem Wellengang, Sturm und wilder Brandung kann man als Eski-Fahrer auf die erfolgreiche Anwendung von Rettungs- und Wiedereinstiegstechniken unter der Hilfe von Kameraden nicht mehr vertrauen, ebensowenig auf den Einsatz eines Paddelfloats. Unter solchen Bedingungen wird der Wiedereinstieg in ein gekentertes Kajak ohne Rolle oder andere Hilfsmittel überhaupt nicht gelingen.

Dagegen kann man in ein Faltboot nach einer Kenterung grundsätzlich wegen der von Ralph Diaz beschriebenen Plattform-Funktion auch in schwerer See leichter wieder einsteigen. Daß alle in Frage kommenden Rettungs- und Fahrtechniken für Faltboote von Ralph Diaz erstmalig ausführlich dargestellt wurden, muß man ihm als Verdienst anrechnen. Aber Vorsicht ist geboten! Nur im Klepper-Aerius I würde ich den sofortigen Wiedereinstieg aus der seitlichen Schwimmlage durch Aufschwingen auf das Heck und das rückwärtige Hineinwinden des Körpers in das Cockpit wagen. Aufgrund seiner konstruktiven Breite und außerordentlich hohen Anfangsstabilität erfüllt eigentlich nur dieses Boot die von Ralph Diaz beschriebene Plattform-Funktion. Der Feathercraft K 1 und auch der Pouch-Einer haben eine deutlich geringere Anfangsstabilität. In schwerer See wird sich beim oben beschriebenen Wiedereinstieg auch hier schnell der Effekt einstellen, der in diesen Fällen für Eskis typisch ist: Kaum ist man auf das Heck auf der einen Seite erfolgreich aufgeschwungen, fliegt man über die andere Seite schon wieder ins Wasser. Da Faltboote nicht oder nur schwer eskimotiert werden können (Ausnahme: die Falteskis als Seekajak), bleibt in vielen Fällen nur der Wiedereinstieg mit dem Paddelfloat. Im Falle einer Kenterung ist dieses Hilfsmittel und die Technik für seine erfolgreiche Anwendung sehr viel bedeutender als etwa eine Schwimmweste. In jedem Fall ist das Paddelfloat die letzte und sicherste Option für den Wiedereinstieg. Es gehört zu den absoluten Ausstattungsmerkmalen eines Seekajaks, und zwar sowohl für Faltboote als auch für Eskis. Leider haben die Hersteller von Faltbooten diesem Erfordernis bisher nicht genügend Rechnung getragen. Ein Paddelfloat kann nur dann erfolgreich eingesetzt werden, wenn der dem Paddelfloat gegenüberliegende Paddelschaft auf dem Heck des Bootes so stark fixiert wird, daß er auch in bewegter See nicht wegrutscht.

Eigentlich völlig unverständlich, daß bisher nur die kanadische Firma Feathercraft dieses Erfordernis durch Aufnähen einer Lasche auf das Verdeck im Heckbereich, in die der Paddelschaft geschoben werden kann, erkannt hat.

Eski-Seekajaks definieren sich ganz wesentlich durch die in die Boote eingebauten Schotts, die im Kenterfall das Eindringen von Wasser in den Bootskörper und damit dessen Sinken verhindern. Keines der auf dem Markt befindlichen Faltboote verfügt über ein solches Ausstattungsmerkmal, mit Ausnahme der behelfsmäßigen "Sea-Sock" von Feathercraft. Bei einer Kenterung oder offenen Spritzdecke bzw. Sitzluke kann daher das überkommende Wasser ungehindert in das ganze Faltboot eindringen. Fehlt der notwendige Auftrieb durch Seitenschläuche oder Spitzenbeutel, kann das Boot im Extremfall entweder sinken oder manövrierunfähig werden. Bei einer normalen Kenterung wird jedoch auch ein Faltboot nicht sofort vollaufen. In der Regel ist es danach nur zu 1/3 bis 1/4 mit Wasser gefüllt. Überkommende Brecher können dagegen sehr schnell das Boot vollständig abfüllen. Abgesehen davon, daß dann die Unsicherheit bleibt, über wieviel Auftrieb das Boot tatsächlich verfügen muß, damit es nicht sinkt, kann es so tief eintauchen, daß es nicht manövrierfähig mehr ist. Abhilfe bringt nur ein perfekt funktionierendes Lenzsystem, manuell oder elektrisch betrieben, wie es bereits von Hans-Jürgen Staude ausführlich beschrieben wurde. Ich persönlich ziehe die im Handel befindliche batteriebetriebene Pumpe von Attwood vor, die leicht auf dem Bodenbrett hinter dem Sitz mit einem kleinen Zurrgurt befestigt werden kann. Die Nachteile eines auf diese Weise zu lenzenden, vollgelaufenen Faltbootes sind gegenüber den Vorteilen eines doppelt abgeschotteten Eskis relativ gering. Das in ein Faltboot eindringende Wasser verteilt sich nämlich über den gesamten Hohlraum des Bootes und stabilisiert es damit zusätzlich, sofern genügend Auftriebskörper vorhanden sind. Im Eski bleiben zwar die abgeschotteten Hohlräume dicht, dafür dringt jedoch das Wasser ungehindert in das Cockpit des Bootes ein, wo es einen Schwerpunkt setzt. Wird dieser beim Einsteigen oder während der Fahrt zu der einen oder anderen Seite hin verlagert, was aufgrund der geringeren Anfangsstabilität von Eskis sehr leicht passieren kann, wirkt er zusätzlich äußerst destabilisierend. Eine schnelle, erneute Kenterung des Fahrers ist dann häufig die unvermeidbare Folge. Auch das Kriterium der doppelten Abschottung steht daher nicht für ein entscheidend höheres Maß an Sicherheit auf See bei den Kunststoff-Eskis.

Die Frage, welches Kajak auf See die größte Stabilität und Sicherheit erreicht, läßt sich damit ebenfalls nicht an absoluten und meßbaren objektiven Kriterien bewerten. Sehr entscheidend ist dabei die Ausstattung des Bootes und vor allem die Fähigkeit des Fahrers, damit umzugehen. Allerdings habe ich persönlich in Übereinstimmung mit Ralph Diaz ein höheres Maß an Sicherheit im Faltboot gefunden, insbesondere im Klepper-Aerius Exped. I . Dieses Kajak verfügt über eine so hohe Anfangsstabilität, daß die unvermeidliche Kenterlage erst sehr spät und nur unter extremen Bedingungen eintritt. Die Möglichkeit, das Boot nach einer Kenterung auch ohne Hilfsmittel allein wieder besteigen zu können, gibt mir zusätzlich ein hohes Maß an Sicherheit. Dieses würde mir im Eski fehlen, da ich letztlich nicht erfolgreich eskimotieren könnte und der Wiedereinstieg ohne fremde Hilfe oder Hilfsmittel kaum gelänge. Für mich ist daher das Faltboot das stabilere Kajak auf See. Es ist für mich weiter keine Frage, daß Eskis auf dem Meer schneller sind und über die besseren Fahreigenschaften verfügen. Ich habe mich jedoch bisher immer dafür entschieden, diesen Gesichtspunkt hinter der überragenden Bedeutung der für mich maßgeblichen Sicherheits- und Stabilitäts-Erfordernisse zurücktreten zu lassen.

Insgesamt sind die Thesen von Ralph Diaz sicher kritisch zu hinterfragen, zu vertiefen und zu differenzieren. Es bleibt jedoch sein großer Verdienst, als einziger und erstmalig die wichtigsten Faltboote des Weltmarktes dargestellt, die spezifischen Fahr- und Rettungstechniken ausführlich beschrieben und viel Information zum reichhaltigen Zubehör gegeben zu haben. Ebenso wichtig ist sein Versuch, das Faltboot vom häufig belächelten Image eines verstaubten Dinosauriers zu befreien und es in jeder Hinsicht gegenüber den modernen Kunststoffeskis zu emanzipieren. Für den Faltbootfahrer ist damit die Lücke zur ebenso verdienstvollen historischen Dokumentation von Ursula und Christian Altenhofer im "Hadernkahn" geschlossen.


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Links


Literatur

  • Foster, Nigel: Seekajak. Ausrüstung - Fahrtechnik - Sicherheit. Pollner Verlag Oberschleißheim 2001, ISBN 978-3925660-31-3 (Die deutsche Übersetzung des englischen Standardwerks "Sea Kayaking", bei Fernhurst Books, Brighton, East Sussex (GB) erscheinend. Wer sein Faltboot seefest machen will, hat hier eine Fundgrube von Tips! Dazu gibt's Paddeltechniken und Hinweise zu Gezeiten, Wellengang und Strömungen im Meer. In dieser Diskussion werden der 1. Auflage 1996 Übersetzungsfehler angekreidet - vielleicht sind sie in der Nachauflage korrigiert worden.)
  • Nehrhoff v. Holderberg, Björn: Seekajak: Ausrüstung, Techniken, Navigation. Conrad Stein Verlag Welver 2008, ISBN 978-3-86686-065-0
  • Schmidt, Karl: Faltboot in Seenot. "Kanu-Sport", ca. 1932, S. 27-30 (Schwieriges Nordseepaddeln in Sturm und Brandung vor der niederländischen Küste um 1930.)
  • Stritzky, Otto v., und de Pree, Marja: Wandern auf Salz- und Süßwasser. Verlag Otto v. Stritzky Kelkheim-Eppenhain 2009, ISBN 3-980-8142-0-3 ("Seit 15 Jahren ist das Paddel-Handbuch 'Wandern auf Salz- und Süßwasser' von Otto v. Stritzky und Marja de Pree das vermutlich meistgelesene Einsteigerbuch zum Kanuwandern. Es enthält Basis-Infos und Praxistipps zu allen relevanten Bereichen: Von der Bootsauswahl bis hin zur Ausrüstung, Paddeltechnik und Informationsbeschaffung." Zitat "Kanu Sport" 12/2002)


Artikel in Paddelzeitschriften

Siehe auch


Kanu-Sport

  • Stoeckler, Uwe: Kollosionsgefahr auf Großgewässern. "Kanu-Sport" 4/1992, S. 176 (Erfahrungen eines Schiffers zur Sichtbarkeit von Paddlern)
  • Signale für den Seekajak-Bereich. Ergebnis einer internationalen Abstimmung zur Zeichengebung im Bereich See und Küste. "Kanu-Sport" 6/1998, S. 254 f.
  • Schirmer, Eckehard: Sichtbarkeit kann Sicherheit fördern. DKV-Praxistip Sicherheit. "Kanu-Sport" 3/2009, S. 32-34
  • Schmidt, Erik: Safety first - auch auf Großgewässertouren im Urlaub. "Kanu-Sport" 5/2010, S. 34 f.
  • Schagen, Carlo: 100 Jahre DKV - Ein kleines Faltbootabenteuer. "Kanu-Sport" 5/2014, S. 12-17 (Der Faltbootverantwortliche des DKV erinnert sich einer Faltbootfahrt durch das ostfriesische Watt Mitte 1990, die er zusammen mit Festbootfahrern unternimmt und dabei Vor- und Nachteile des Kleppers spürt.)


Kanumagazin

  • Zicke, Christian: Was macht eigentlich ein Seekajak aus? (= Seekajakserie, Teil 1) "Kanumagazin" 2/2017, S. 44-49
  • Zicke, Christian: Ausrüstung - am Kajak und Körper; Paddel, unterwegs auf Tour u. a. (= Seekajakserie, Teil 2) "Kanumagazin" 3/2017, S. 48-51
  • Zicke, Christian: Grundtechniken – Paddelschlag- und Fahrtechniken. (= Seekajakserie, Teil 3) "Kanumagazin" 4/2017
  • Zicke, Christian: Sicherheit – Lenz- und Wiedereinstiegsmethoden; Paddelfloat; Schleppen u. a. (= Seekajakserie, Teil 4) "Kanumagazin" 5/2017
  • Zicke, Christian: Strömung und Tide – Großflüsse, Meer, Brandung, Seegang. (= Seekajakserie, Teil 5) "Kanumagazin" 6/2017


Kajak-Magazin

  • Nehrhoff von Holderberg, Björn: Seekajak ausstatten. Tips für die individuelle Anpassung. "Kajak-Magazin" 5/2012, S. 40-43


Seekajak

  • Bepler, Roland: Liebe Seekajaker... Eine Lanze und eine Menge guter Argumente für das Falt-Seekajak. In: "Seekajak" 19/1989
  • Harbisch, Herrmann: Seetaugliche Faltboote: eher in Amerika als in Europa zu finden. In: "Seekajak" 32/1992


Quelle

Dieser Text Carlo Schagens erschien im "Seekajak" 54/1996, S. 62-65. Vielen Dank an Carlo Schagen für seine Genehmigung zur Veröffentlichung im Faltbootwiki.