Urlaub auf der Wisla (Henschke 1972)

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Urlaub auf der Wisla

Endlich war es soweit! Wir saßen im durchgehenden D-Zug Erfurt - Kraków. Wir - das heißt - fünf Sportfreunde der BSG Motor Schott Jena und zwei Sportfreunde der BSG Lok Cottbus. Ein Teil der Boote war als Reisegepäck im Packwagen, der Rest im Abteil untergebracht worden. In Katowice mussten wir umsteigen und unsere Boote holen, um weiter nach Goczałkowice-Zdrój (noch eine Stunde Bahnfahrt) am Oberlauf der Wisła zu gelangen.

Endlich, nach insgesamt 15 Stunden Fahrzeit, kamen wir bei sengender Hitze an unserem Ziel am Fuße der Beskiden an und bauten die Zelte auf einer schönen Uferwiese der Wisła (an der Straßenbrücke Pszczyna - Czechowice) auf. Geeignete Zeltplätze zu finden, war kein Problem. Wir zelteten an der Wisła, überhaupt nie auf einem öffentlichen Zeltplatz, sondern übernachteten, wo es uns gefiel. Wenn sich jemand um uns kümmerte, so geschah dies nur aus Interesse. Es war überall recht ruhig.

Der Entschluss, eine Wanderfahrt in der Volksrepublik Polen zu unternehmen, reifte in uns schon im Winter, und zwar, wegen der allgemeinen Wasserknappheit im Sommer auf kleinen Flüssen, auf dem Oberlauf der Wisła. Uns schwebte dabei etwas Wildwasserähnliches vor. Doch woher die Informationen nehmen? Vom Vorsitzenden der Kommission Kanutouristik des DKSV, Reiner Buhl, erhielten wir dann eine Streckenbeschreibung und die notwendigen Daten. An dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank.

Warum begann unsere Urlaubsfahrt gerade in Goczałkowice-Zdrój? Dieser Ort liegt an der Eisenbahnstrecke Katowice - Czechowice und ist somit sehr gut zu erreichen (Züge fahren bis Bielsko-Biała). Die Wisła kann zwar schon ab Drogomyśl immer befahren werden, aber der sich ein Stück unterhalb befindende Goczałkowickie-See ist für Wasserfahrzeuge gesperrt.


1. Tag

Die Strecke des ersten Fahrtages betrug ca. 40 km. Es ging bis kurz vor die Mündung der Soła. Die Landschaft ist recht flach und fast ausschließlich landwirtschaftliche Nutzfläche. Wald gibt es nicht viel. Die Wisła fanden wir als typischen Flachlandfluss vor, anfangs so schmal und kurvenreich wie die Unstrut vor Artern (vor der Regulierung), aber rasch breiter werdend, so dass sie dann mit der Elbe bei Torgau zu vergleichen ist. Dieser Charakter hat sich bis Kraków im Wesentlichen nicht verändert.

An den hohen Ufern liegen Baumreste, Geäst, aber nur sehr selten befinden sich ein paar Geröll- bzw. Kiesbänke im Flussbett. Zuerst war das Wasser sehr sauber. Das nutzte die Landbevölkerung und auch wir rege zum Baden aus. Nachdem die ersten linksseitigen Nebenflüsse einmündeten, vergrößerte sich die Breite rasch und vor allem das Wasser wurde schmutziger (Zeltplatz: zweite Straßen- und Eisenbahnbrücke, Oświęcim - Katowice).

Dazu sei aber noch zu bemerken, dass wir den niedrigen Sommerwasserstand vorfanden. Der Zeltplatz war recht ordentlich, und Trinkwasser gab es ganz in der Nähe. Günstiger wäre es gewesen, bis zur Mündung der Soła zu fahren, da diese wider Erwarten sauberes Wasser führte.

Die einzigen Schwierigkeiten auf dieser Etappe können die Brückendurchfahrten bilden, da zumindest bei flachem Wasserstand die Fahrrinne durch Gesteinsbrocken sehr eingeengt wird (Vorsicht, vorher anschauen!) Es herrschte immer eine zügige Strömung.


2. Tag

Heute hatten wir nicht viel zu tun. Es waren nur 22 km zu paddeln. Der Fluss wurde noch breiter und bot nun keinerlei Schwierigkeiten mehr. Trotzdem in das Flussbett Buhnen ragen, ist die Strömung nur mäßig. Die Ufer sind sehr hoch und schlammig, von den vielen spitzen Steinen ganz zu schweigen. In der Nähe des Dorfes Jankowice am Fluss-km 21,5 fanden wir kurz vor der Straßenbrücke wieder einen schönen Zeltplatz. Links (zirka 5-6 km vom Ufer entfernt) zieht sich eine Hügelkette parallel zur Wisła. Während die Frauen einkaufen gingen, liefen wir Männer zu einer Burg (beim Ort Wygiezłów), die wir schon vom Boot aus auf einem der Hügel entdeckt hatten.

An der Burg war vom 13. bis zum 16. Jhd. gebaut worden. Sie besteht aus einem zweistöckigen Gebäudekomplex mit einem ca. 30 m hohen Eckturm. Die Anlage diente lange Zeit als bischöfliches Gefängnis. Zur Zeit wird diese weiter freigelegt und erneuert. Ein sehr freundlicher Herr führte uns und erklärte uns einige interessante Ereignisse aus der Historie.


3. Tag

Um 8.00 Uhr saßen wir wieder in den Booten. Die Hügel entfernten sich immer mehr von der Wisła, die sich ständig verbreiterte und träger wurde. Das hatte auch seine Ursache, denn ca. am km 40 versperrte uns eine Sperrmauer den Weg. Sie war, wie auch der Umgehungskanal, der am km 37 auf der rechten Seite abzweigt, auf keiner Karte und auch nicht in unserer Streckenbeschreibung enthalten. Ab Umgehungskanal ist der weitere Flussverlauf durch Schifffahrtszeichen versperrt. Wir befuhren den Kanal. Der Kanal ist 17 km lang (eigene Kilometrierung) und verläuft schnurgerade entlang der Bahnlinie und Straße Zator - Brzeźnica - Skawina. Kurz vor dem Ort Skawina macht er einen scharfen Knick nach links und führt zur Wisła zurück. Dort steht auch die die einzige Schleuse. Diese überwindet einen Höhenunterschied von 12,5 m. Ohne Schwierigkeiten wurden wir für 9 Złoty pro Boot geschleust. Der Kanal liegt über eine weite Strecke über dem Niveau des übrigen Gebietes. Deshalb macht sich evtl. auftretender Gegenwind, wir ihn hatten, sehr stark bemerkbar. Am km 58 kommt man wieder auf die Wisła. Am linken Ufer gegenüber der Einmündung des Kanals zelteten wir. Das Flussbett ist verhältnismäßig schmal und das Wasser so sauber, dass das Baden große Freude bereitete. Trinkwasser bekommt man im Dorf.


4. Tag

Dieser Tag brachte uns bis Kraków. Die Wisła wird schnell wieder breiter und kurvenreicher. In den Innenkurven befinden sich Kiesbänke. Vor Tyniec tauchten an beiden Ufern des Flusses wieder Hügel auf, die sich bis Kraków hinziehen. Wir besuchten die auf einer Anhöhe am rechten Ufer liegende Benediktiner-Abtei Tyniec (11. bis 18. Jhd.). Von hier oben hat man einen schönen Ausblick auf das Flusstal.

Schon von weitem sieht man links die Kirche und das Kamaldulenserkloster Bielany, das auf einem bewaldeten Höhenrücken liegt und bereits zu Kraków gehört. Dieser herrliche Baukomplex ist im Barockstil erbaut. Leider kann das Kloster nur von Männern besichtigt werden.

Im Bootshaus des "Kolejowy Klub Wodny" in Kraków fanden wir gastfreundliche Aufnahme. Dieses Bootshaus liegt ca. 1 - 2 km vor dem Wawel am linken Ufer. Hier zelteten wir fünf Tage.

Über Kraków, diese sehenswerte Stadt, ist ja schon viel geschrieben worden, so dass ich nicht weiter darauf eingehen möchte. Auf eine Sehenswürdigkeit, auf das Salzbergwerk in Wieliczka, möchte ich aber noch hinweisen. Dieser Ort liegt ca. 13 km in südöstlicher Richtung von Kraków entfernt und ist mit der elektrischen Bahn vom Hauptbahnhof gut zu erreichen.

Dieses Steinsalzbergwerk ist das älteste der bis in die Gegenwart tätigen in Europa. Schon Goethe besuchte diese Stätte. Der älteste Teil kann in Führungen (auch in deutscher Sprache) täglich von 9 - 17 Uhr besichtigt werden. Der Rundgang führt durch stillgelegte Schächte, in salzgehauene Kammern und Kapellen (St. Antonius-Kapelle, St. Kinga-Kapelle) bis in eine Tiefe von ca. 300 m. Von einer Galerie hat man einen herrlichen Anblick von der von vielen Kronleuchtern erhellten St. Kinga-Kapelle. Die Wände sind mit in Salzstein gehauenen Skulpturen reich geschmückt. Diese vielen Bildwerke wurden von einfachen Menschen, von Bergleuten, geschaffen. In anderen Hohlräumen befinden sich ein Tennisplatz, ein unterirdischer See, eine Imbissstube und in 135 m Tiefe ein sehenswertes Museum.

Ursprünglich sollte unsere Fahrt auf der Wisła bis Sandomierz am km 268 fortgeführt werden. Da an den letzten Fahrtagen ein starker Gegenwind, der auch weiter anhielt, herrschte, die Landschaft flach blieb und der Fluss immer träger und breiter wurde, packten wir in Kraków unsere Ausrüstung ein und fuhren mit der Bahn nach Nowy Targ an den Dunajec. Die Strecke bis Nowy Sącz sollte in vier Etappen zurückgelegt werden. Doch, O weh! Infolge der langanhaltenden Schönwetterperiode und entgegen aller erhaltenen Informationen durch polnische Sportfreunde hatte man uns das Wasser geklaut. Wir kamen nur bis Czorsztyn. Um die Boote zu erleichtern, mussten die Frauen gleich nach Fahrbeginn aussteigen. Auf diesen 24 km löste eine Schwallstrecke die andere ab. Es war eine Steinschlacht! Dabei holperten die Kähne über Geröll und Steine und saßen oft fest. Die herrliche Landschaft entschädigte uns aber für vieles. Die Hohe Tatra stand wie eine Filmkulisse im Hintergrund. Da der Wasserstand an den darauffolgenden Tagen noch schlechter wurde, schlugen wir auf dem öffentlichen Zeltplatz (billig) in Czorsztyn ein Standquartier auf und erschlossen uns einen Teil des Pieniny-Gebirges zu Fuß. Der Ort liegt sehr zentral, und man kann von dort herrliche Touren unternehmen, z. B. auf den Trzy Korony (Dreikronen, 982 m) und weiter nach Krościenko, auch auf die Sokolica und genießt den Ausblick auf das romantische Durchbruchstal des Dunajec. Auch Zakopane, der Morski Oko usw. sind sehr schnell mit dem Bus zu erreichen.

Viel zu schnell gingen noch die restlichen Tage des Urlaubs zu Ende. Unsere drei Zweier-Faltboote mit dem gesamten Urlaubsgepäck transportierte ein Linienbus des polnischen Kraftverkehrs reibungslos und alles gegen ein geringes Entgelt nach Nowy Targ. Wo wäre so etwas bei uns möglich? Hier und auch dann in Kraków verstauten wir alles im Abteil unseres Zuges (an der Grenze in den Packwagen umgeladen) und kamen nach längerer Fahrzeit ohne Zwischenfälle wieder zu Hause an. Es ist für uns immer wieder erstaunlich, wie unbürokratisch alles gehen kann.

Zusammenfassend muss gesagt werden, dass wir einen herrlichen Urlaub in der VR Polen verleben konnten. Wir haben viel gesehen und erlebt. Die polnische Bevölkerung war zu uns immer sehr freundlich und hilfsbereit. Wenn auch nicht alles wie geplant verlief, so wurde doch aus jeder Situation das Beste herausgeholt und in den Tagen der Zwangspause Wanderungen, Busfahrten und Besichtigungen durchgeführt. Uns allen hat es sehr gut gefallen, und wir können sagen:

"Eine Reise in die VR Polen ist lohnenswert."


Streckenbeschreibung

(an Hand des polnischen Wasserwanderbuches von 1960)

  • Goczałkowice-Zdrój (Einkaufsmöglichkeit)
    die Wisła liegt 1 km südlich vom Bahnhof
  • 40,5 km Mündung der Przemsza, Anfang der Kilometrierung, Beginn der Schifffahrt (Vorsicht bei Brückendurchfahrten)
  • km 1,8 Mündung der Soła, 3 km vor der Mündung in die Wisła liegt Oświęcim
  • km 3,8 rechts Dwory, chemische Industrie, Fluss stark verunreinigt
  • km 21,5 links Dorf Jankowice, Blick auf Krakówer Hügelkette, Burgruine
  • km 33,0 rechts Spytkowice (3 km vom Fluss entfernt), Einkaufsmöglichkeit
  • km 37,0 rechts Abzweigung Umgehungskanal
    • km16 Schleuse
    • km17 Einmündung in die Wisła
  • km 40,0 Sperrmauer
  • km 58,0 rechts Einmündung des Umgehungskanals, Dorf
  • km 60,3 rechts Mündung der Skawina, höhere Ufer, Durchbruch
  • km 63,6 rechts Tyniec, Benediktinerkloster, links Piekary, Kalkfelsen, Höhle
  • km 67,8 erste Vororte Krakóws
  • km 71,0 links Przegorzały, Waldreservat, Kalksteinfelsen
  • km 73,8 Pychowice, Reservat Krakówer Jura
  • km 76,0 Kraków


Quelle

Dieser Artikel vom Weichsel-Oberlauf stammt von Uwe Henschke, Jena, und erschien in der Zeitschrift "Der Kanusport. Mitteilungsblatt des Deutschen Kanu-Sport-Verbandes der Deutschen Demokratischen Republik", 19. Jahrgang, 2/1972, S. 22-24. Der Text wurde (ohne die Fotos H. Schufts) aus der Zeitschrift übertragen, lediglich die neue deutsche Rechtschreibung wurde berücksichtigt und die Schreibweise der Ortsnamen dem polnischen Schriftbild angeglichen. Offenkundige Tippfehler wurden stillschweigend berichtigt. Eine Aktualisierung der Fakten auf heutigen Stand (andere Zugverbindungen, Verschiebung der Sprachkenntnisse, Wiederaufbau usw.) wurde nicht durchgeführt. Neue Fahrtberichte der letzten Jahre werden gerne entgegengenommen!

Vielen Dank an Uwe Henschke für seine Genehmigung zur Veröffentlichung im Faltbootwiki.


Weitere Artikel

  • weitere Infos zum Land stehen im Artikel Polen.


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