Tollense 1973 (Krüger)

Aus Faltbootwiki

Wechseln zu: Navigation, Suche

Fünf außerplanmäßige freie Tage und die Möglichkeit, auf bequeme Art mit dem Boot nach Neubrandenburg zu gelangen, brachten mich zu dem Entschluss, abseits von den mecklenburgischen Urlaubsgebieten die Strecke von Neubrandenburg bis Wolgast zu befahren. Ich möchte nicht über die gesamte Fahrt berichten, sondern nur über den ersten Abschnitt, die Tollense, wie ich sie Mitte Juli 1973 antraf.

Die Tollense (Gesamtlänge etwa 72 km) fließt aus der nördlichen Bucht des gleichnamigen Sees in ebenfalls nördlicher Richtung, zunächst durch das westliche Randgebiet Neubrandenburgs. Da sich in der Stadt aber ein Wehr befindet, das sich schlecht umtragen lässt, habe ich nicht schon im Tollense-See, sondern erst nach diesem Wehr eingesetzt. Ich fuhr zur Einsatzstelle von Neubrandenburg (Ring) auf der B 104 in Richtung Weitin. Hinter einer Kleingartenanlage geht ein befestigter Weg rechts ab. Er verliert sich zwar bald in den Wiesen, aber von dort sind es nur noch etwa 50 m bis zur Tollense. Man hätte das Flüsschen glatt übersehen können, so verkrautet war es hier.

Im schönsten Sonnenschein wurde der E 65 aufgebaut und die Fahrt begann. Nach einigen hundert Metern weitet sich die Tollense fast seenartig aus, und bereits hier kommt ein Naturfreund voll auf seine Kosten. Etliche Hindernisse (meist Baumreste) umfahrend, traf ich auf zahlreiche Arten von Wasservögeln, die bei vorsichtigem Verhalten aus nächster Nähe gut beobachtet werden konnten. Auch mit Wasserrosen geizte die Natur nicht. Kurz nach dem Weiterfluss der Tollense muss ein kleines Wiesenwehr, nur aus einigen Balkenlagen bestehend, überwunden werden. Hinter diesem Wehr beginnt nun meiner Meinung nach die richtige Tollense. Als schmaler Wiesenfluss, stark verkrautet und verschilft, schlängelt sie sich in zahlreichen Windungen durch eine Niederung in Richtung Altentreptow. Gräser, Wasserrosen und Schilf ließen jetzt eine schmale Fahrrinne frei, der man sich beruhigt anvertrauen konnte.

Nach gut zwei Drittel der Strecke Neubrandenburg - Altentreptow trifft man auf eine massivere Wehranlage. Sie lässt sich links sehr gut umtragen. Links vor dem Wehr geht ein Mühlgraben in Richtung Altentreptow ab. Ich bin aber die Tollense weitergefahren.

Von der Stadt sieht man zunächst die etwas hochgelegene, klobig wirkende Kirche und die Neubaublöcke. Etwa 300 m vor der Wehranlage Altentreptow gabelt sich die Tollense. Ich fuhr den rechten Arm, hatte Pech und stocherte in einer dicken Wasserlinsensuppe herum. Zu guter Letzt musste ich noch ein Netz entfernen und selbstverständlich wieder befestigen. Wahrscheinlich ist das Befahren des linken Wasserarms ratsam. Das Umtragen der Wehranlage ist nicht schwierig. Von jetzt ab verbreitert sich die Tollense, und eine ausgeprägte Fahrrinne ist vorhanden. Auf Grund der zahlreichen Windungen des Flüsschens konnte man die Kirchturmspitzen von Klatzow, und später die etwas weiter entferntere von Kessin aus jeder möglichen Richtung bewundern. Mehreren Kindern, die an einigen Stellen selbstvergessen angelten, habe ich durch mein Auftauchen einen schönen Schrecken eingejagt. Sie konnten es nicht fassen, dass ich auf ihrer Tollense mutterseelenallein angepaddelt kam, und fragten mich immer wieder nach Beginn und Ziel meiner Fahrt. Die Dorfbewohner haben hier an geeigneten Stellen kleine Stege angelegt, die zum Baden und Angeln genutzt werden.

In Klempenow ist die Fahrt durch die idyllische Tollenseniederung zu Ende. Zwei Wehrneubauten versperren erst einmal den Weg. Das erste Wehr befindet sich unmittelbar vor der Mündung des Großen Landgrabens. Etwa 300 m danach, nachdem man unter der Straßenbrücke der B 96 durchgefahren ist, trifft man auf das nächste. Beide Wehre sind ohne Schwierigkeiten rechts oder links zu umtragen.

Von Klempenow bis Broock ist die Tollense begradigt worden. Das Flussbett ist durch die Kanalisation ungewöhnlich breit, aber sehr flach. Auf der ganzen Breite war keine Fahrrinne zu finden, und sehr häufig habe ich fast den Atem angehalten, weil es auf "Tuchfühlung" ging.

Wer die Tollense befahren sollte, kann aufatmen, wenn der kleine Ort Broock auftaucht. Hier beginnt wieder die unveränderte Tollense, allerdings verläuft sie jetzt auch von Natur aus gradliniger als von Neubrandenburg bis Klempenow. Ein Hindernis hatte die Tollense noch parat. Etwa 10 km vor Demmin, ich vermute, es war an der Mündung des Au-Grabens, hatte man einen Damm aufgeschüttet. Er konnte jedoch gut auf einem kleinen, schmalen Kanal rechts umfahren werden. Überall standen noch Baugeräte, aber es waren keine Arbeiter zu sehen, die mir hätten Auskunft geben können, welchem Zweck dieser Damm dienen soll. Ab jetzt hat man eine ruhige Fahrt bis zur Mündung in die Peene (Peene-km 31,6). Eine Tollense-Befahrung ist durchaus zu empfehlen (evtl. Tollense - Peene - Boddengewässer). "Wilde Zeltplätze" gibt es unterwegs genügend. Auch die Ergänzung der Trinkwasservorräte ist kein Problem. Die besten Einkaufsmöglichkeiten bestehen in Neubrandenburg, Altentreptow und Demmin. Alle drei Städte sind auch für Freunde der norddeutschen Baukunst sehr interessant, ein Stadtbummel lohnt in jedem Falle.


Weitere Artikel


Quelle

Dieser Artikel stammt von Rolf Krüger, Leipzig, und erschien in der Zeitschrift "Der Kanusport, Mitteilungsblatt des Deutschen Kanu-Sport-Verbandes der Deutschen Demokratischen Republik", 21. Jahrgang Nr. 1/Januar 1974, S. 11 f.

Der Text wurde aus der Zeitschrift unverändert übertragen, lediglich die neue deutsche Rechtschreibung wurde berücksichtigt und aus der alten F 104 die heutige B 104 gemacht (heute setzt man bevorzugt an einer anderen Stelle als der Autor ein).

Vielen Dank an Rolf Krüger für seine Genehmigung zur Veröffentlichung im Faltbootwiki.


Bild-Rot-C.png Dieser Artikel unterliegt dem ausschließlichen Urheberrecht des angegebenen Autors.

Wenn es Interesse an seiner Nutzung gibt, wenden Sie sich bitte an den Autor.
Bei Kontaktschwierigkeiten und Fragen kann man sich an den SysOp GeorgS wenden.

Wir bedanken uns beim Autor für die Nutzungsgenehmigung.