Paddeln im Eis

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Ich versuche mal zusammenzufassen, was ich so weiß:

  • Wind und Nässe können Kälte gefährlicher machen! Da kann es auch bei +10°C schon gefährlich werden.
  • Keine Transpiration im Winter! Auch Neopren hat seine Grenzen, feucht geschwitzter Neopren kann sehr kalt werden, wenn man für eine Weile mit der Bewegung aufhört. (Ich selbst vertrage Neopren nicht besonders gut.)
    - Ich habe diesen Punkt mit hinein genommen, da es geschehen kann, dass der Rückweg durch Eis blockiert sein kann und man mehrere Stunden auf Hilfe warten muss. Ist man vom Paddeln kräftig durchgeschwitzt und ausgepowert, wird es trotzdem unangenehm. Dies soll keine Hetze gegen Neopren werden! Es ist wie mit dem Airbag beim Auto, er ist gut und sinnvoll. Er nützt aber nur wenig, wenn man nicht richtig angeschnallt ist oder der Beifahrer die Beine auf den Amaturenbrett geparkt hat. ...
    Unter Neopren kann der Schweiß nicht richtig trocknen, deshalb wurde ja Aquashell entwickelt. Da es ein Kompromiss ist, dürfte es unter Wasser nicht so stark wärmen wie Neopren gleicher Stärke. Was ich von Aquashell gesehen habe, war durch die Reihe recht dünn. Das Beste wäre ein atmungsaktiver Trockenanzug, dummerweise habe ich noch nie ein brauchbares Teil gesehen. (Stand 2004)
    Zu Neopren- und Trockenanzügen siehe auch den Artikel Kälteschutz!
  • Kleidung zieht niemanden in die Tiefe (mit Kettenhemd oder Ritterrüstung sitzt wohl niemand im Boot?!), sie kann lediglich beim Schwimmen stören. Es unterkühlen viel mehr Menschen im Wasser als wirklich ertrinken! Kleidung sollte möglichst anliegen und einen beim Schwimmen nicht behindern. Jeder kleinste Schutz kann die Überlebenszeit um die entscheidenden Augenblicke verlängern. Auch könnte der Kälteschock beim Fall ins Wasser verhindert oder wenigstens vermindert werden. Kann man kein Neopren verwenden, sind mehrere Schichten Kleidung besser als nur ein dickes warmes Teil. Das Wasser kann dann nur in einem begrenzten Raum zirkulieren und erwärmt sich dann etwas. Rettungsweste nicht vergessen!
  • Eis ist nicht gleich Eis, es gibt Unterschiede, und daher sind keine pauschalen Tipps möglich.
  • Gewässer frieren und schmelzen vom flachen Ufer aus, bei Flüssen kann es auf Grund der Strömung auch Abweichungen geben, Farbe des Gewässergrundes kann bei Flachwasser auch Einfluss haben.
  • Bei stehenden Gewässern kann sich beim Schmelzen eine riesige freischwimmende Eisfläche bilden. Ggf. auf Windrichtung achten, damit man nicht eingequetscht wird. Und bei Minustemperaturen auf den Rückweg achten. Wenn die Temperaturen unter den Gefrierpunkt sinken, möglichst bald das Gewässer verlassen.
  • Fließende Gewässer frieren langsamer zu, sie sind aber bei der Eisschmelze um so gefährlicher. Eisschollen können auf fließenden Gewässern einen beim Paddeln behindern und ggf. zu Kenterungen führen.
    Eisschollen können auch eine Art temporären Damm bilden -> Überschwemmungsgefahr. Unterhalb der Barriere kann es schon eisfrei sein. In Sibirien müssen gelegentlich derartige Eis-Barrieren bombardiert werden. Wenn die Barriere bricht, wird es katastrophal: was auf einen zukommt, ist dann nicht mehr zu beherrschen.
  • Freigebrochene Fahrrinnen meiden. Erstens können die Schiffe ggf. nicht mehr ausweichen, zweitens schließen sich die Rinnen nach einer gewissen Zeit wieder. Sind die Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, kann der Eisbruch sich wieder zu Schollen vereinen und den Rückweg abschneiden (schlammiges Eis). Auch kann ein Teil der Eisfläche freischwimmend sein und durch Strömung oder Winddrift die Rinne schließen, dann wird das Boot zerquetscht (festes Eis).
  • Faltboote sind keine Eisbrecher: Auf keinen Fall probieren, mit dem Bootsrumpf die Schollen zu brechen! Zwar ist die Angst vor scharfen Eiskanten ein wenig übertrieben, aber sie ist berechtigt. Denn auf die Dauer schafft das Eis jede Bootshaut. Dünne Eisschollen, welche am Ufer festgefroren sind, gehören zu den gefährlichen Klingen. Dicke freischwimmende Eisschollen können eher je nach Größe das Boot eher zerquetschen.
  • Schlauchboote sind gegen scharfe Eiskanten unempfindlicher als schlauchlose Faltboote. Das ist in etwa so, daß ein luftgefüllter Gummiball deutlich schwerer zu zerschneiden ist, als die pure Haut des gleichen Gummiballes aufgespannt oder auf einen Brett liegend. Deshalb sind Schlauchboote meist robuster, als man auf den ersten Blick meinen mag.
  • Bei Eisgefahr benutze ich lieber kurze Boote.
  • Eis nicht neben dem Boot zerschlagen. Kentergefahr.
  • Nach meiner Erfahrung vom letzten Winter benutze ich einen leichten Hammer mit einem auf 2,20 m verlängerbaren Stiel. Ich schlage lediglich auf das Eis vor den Bug. Dabei nutze ich lediglich die Schwerkraft. Durch Stampfbewegung des Bootes kann das angeschlagene Eis gebrochen werden. Durch schaukelnde Bewegung des Oberkörpers nach vorn und hinten erzeuge ich Wellen, welche dünnen oder ausreichend vorgeschädigten Eisschollen den Rest geben. Das Paddel war mir leider etwas zu kurz und bot keinen ausreichenden Halt.
  • Kann man selbst nicht das Eis zerschlagen, lieber per Handy Hilfe holen. Nur erfahrene Schlittenhunde könnten einen sicheren Weg über das Eis finden. Ist auch dies nicht möglich, nicht vom Boot trennen! Ich würde mich über das Boot stellen, dann das Boot anheben und ein Stück weiter vorn wieder absetzen (nicht schleifen!), um dann selbst einen Schritt zu machen. Allerdings habe ich dies nie auf Eis ausprobiert. Ich benutzte die Technik bislang nur, wenn ich mir des Untergrundes nicht sicher sein konnte (Untiefen, Schlamm).
  • Zusätzliches Risiko beim Ein- und Aussteigen: ist das Ufer vereist, kann man ins Wasser rutschen. Geht es gleich am Ufer steil abwärts, besteht auch Ertrinkungsgefahr!
  • Zur weiteren Ausrüstung gehört neben viel Leine auch ein kleiner Anker oder Wurfsack, um im Notfall auch steile Ufer oder niedrige Brücken zum Aussteigen nutzen zu können. (noch nie gebraucht)
  • Ich benutze mittlerweile Carbon-Paddel und fürs Paddeln und Radeln 2 Paar Handschuhe, gestrickte als Innenfutter und eine Nummer größer darüber Lederhandschuhe. Gestrickte Wolle kann man nicht ganz zusammendrücken, daher entstehen keine Kältebrücken. Schurwolle nehmen, da sie auch im feuchten Zustand wärmt; Wolle mit hohem Polyacrylzusatz tut das nicht. Handschuhe fürs Skifahren hatten sich nicht bewährt.
  • Da ich mit einem Alu-Boot unterwegs bin, sind alle Teile, mit denen ich in Kontakt komme, speziell isoliert, ich sitze auch noch auf einer kleinen Iso-Matte. Spritzdecke nicht vergessen!

Da es gefährlich ist, will ich niemanden zum Winterpaddeln überreden. Die Tipps sind für all diejenigen, welche es trotzdem nicht lassen können. Am gefährlichsten empfinde ich persönlich den Weg zum Wasser, auf Radfahrer ohne Licht und Autofahrer mit Sommerreifen habe ich keinen Einfluß. Ob, wo und wann ich ein- und aussetze, liegt in meiner Entscheidung. Es kommt auch vor, daß ich, ohne das Paddel zu befeuchten, wieder nach Hause fahre. Die Tipps entsprechen meiner Erfahrung und auch teilweise meiner Ausbildung bei der Volksmarine. Jeder kann und soll hier seine Meinung abgeben, ergänzen oder auch, wenn nötig, widersprechen.


Die Originaltexte von Guido Hoffmann stehen in

Vielen Dank an Guido Hoffmann für die Genehmigung zur Veröffentlichung im Faltbootwiki.



Aus den vielen Winterdiskussionen seien herausgegriffen:

  • Erfahrungen, wie man sich AUF dem Eis bewegen sollte, hat Münze 2018 hier kenntnisreich festgehalten. (Siehe dazu auch den Wikipedia-Artikel Eisrettung!)


  • "Wintertour auf dem Fluß Snow. Solo-Tour im Faltboot 'Ileksa'" (Зимний cплaв пo рeкe Снов. Coлопoхoд нa бaйдapкe "Илeкca"), 2-Stunden-Film mit russischen Kommentaren: https://youtu.be/F4sHuVT-8nU ("Solotour bei hohem Wasserstand durch toll verschneite Auenlandschaft, eisige Temperaturen von -1 bis -7 oder -10° C, gerade noch genug flüssiges Wasser zum Paddeln, 3 kalte Übernachtungen, 4 lange Paddeltage. Ab und zu zeigt er den Gearfreaks unter uns seine Ausrüstung und wie er sie benutzt, zB das Zelt mit Warmwasserheizung :)" (Zitat Spartaner im Outdoorseitenforum vom 24.1. 2021; er kennt den Autor ganz gut ..."))



  • "Auch auf der Oberfläche eines Trockenanzugs oder eine Paddeljacke kann Spritzwasser gefrieren und Schaden anrichten. Man mag es nicht glauben, aber genau dieses ist einem Freund vor einigen Jahren tatsächlich passiert." Eckart Pfeffer 2011 [1]


Wie man auf heimischen Gewässern unversehens in gefährliche Situationen geraten kann, zeigt eine Meldung "Zwischen Eis gefangen" in "Fluß und Zelt, Zeitschrift für Flußwandern, Freiluftleben und Kleinbootsegeln", 3. Jahrgang 1928/29, Heft 1 (1. Aprilheft 1928), S. 294, aus dem Winter 1928/29, der zu den fünf kältesten Wintern des 20. Jh. zählt:

"Vor einigen Wochen unternahmen zwei junge Leute in einem leichten Paddelboot eine Fahrt über den noch mit einer 3 Zentimeter starken Eisschicht bedeckten Müggelsee und benutzten dazu die durch Dampfer geschaffene Fahrtrinne. Als sie sich mitten auf dem Gewässer befanden, gerieten sie zwischen die in ständiger Bewegung befindlichen Eisschollen, die sich infolge der Strömung übereinander geschoben hatten. Das Paddelboot wurde emporgehoben und konnte nicht mehr vor- noch rückwärts. Vom Ufer aus hatte man die jungen Leute beobachtet, konnte ihnen aber nicht zu Hilfe kommen, da das Eis für Menschen ausreichende Tragfähigkeit nicht mehr hatte. In dieser gefährlichen Lage - das Boot war inzwischen voll Wasser geschlagen und die beiden Insassen waren bis auf die Haut durchnäßt - erschien, nachdem die beiden jungen Leute bereits zwei Stunden in ihrer schwierigen Lage ausgehalten hatten, der Dampfer 'Wintermärchen', der sich auf der Fahrt von Berlin nach der Woltersdorfer Schleuse befand. Mit aller Vorsicht und unter den äußersten Schwierigkeiten gelang es der Dampferbesatzung, an die Unfallstelle heranzukommen und die beiden vollständig erstarrten Paddler mit Leinen an Bord zu holen."


Literatur


Artikel in Paddelzeitschriften

Kanu-Sport

  • Häger, W.: Risiken beim Winterpaddeln. "Kanu-Sport" 24/1986, S. 556-559
  • Juschkus, Ulrich: Risiken beim Paddeln unter winterlichen Bedingungen. "Kanu-Sport" 2/1997, S. 44-47
  • Grimpe, Sven: Fast wie in der Arktis. Winter-Paddeltour auf der Unterelbe. "Kanu-Sport" 2/1997 (Hanskalbsand, Neßsand und Jork im Seayak, quer durch das Elbe-Packeis.)
  • Bredow, Dirk: Paddler vermißt. "Kanu-Sport" 2/1999, S. 69 (Ende Dezember 1998 bauten zwei Paddler am winterlichen Grienericksee ihren RZ auf und starteten. Mitte Januar fand man das Boot am Ufer des Rheinsberger Sees, mit verstauten Packsäcken und mit dicht unter der Wasserlinie beidseitig zerschnittener Haut. Vermutlich hatten die beiden versucht, von der eisfreien Seemitte aus das Eis des Ufers zu durchbrechen, und sich dabei am messerscharfen Neueis die Bootshaut aufgeschlitzt. Sie wurden nie gefunden. Siehe dazu auch die Artikel im "Seekajak" Nr. 67 (Februar 1999), S. 20, und Nr. 68 (Mai 1999), S. 23!)
  • Schirmacher, Dietrich: Gefahren beim winterlichen Paddeln. "Kanu-Sport" 11/2001, S. 26-27
  • Beier, Udo: Kaltwasserpaddeln: 10 Punkte, die einen nicht "kalt" lassen sollten! "Kanu-Sport" 12/2010, S. 24-25
  • Stümges, Sabine: Paddeln hat auch im Winter Saison. Tips zum Winterpaddeln. "Kanu-Sport" 1/2016, S. 42-45
  • Schnellbächer-Bühler, Antje: Wasservögel im Winter – sensible Wintergäste. "Kanu-Sport" 1/2021, S. 46 (Stört Vogelansammlungen nicht!)


Kanumagazin

  • Eis am Kiel: Winterpaddeln. "Kanumagazin" 2/1997, S. 12
  • Nehrhoff v. Holderberg, Björn: Heiß auf Kalt. So geht Winterpaddeln. "Kanumagazin" 8/2014 (Dezember 2014), S. 52-56 (Mit Hinweisen "Umgang mit dem Eis")
  • Huber, Lisa: Paddeln im Winter - Trainingstips für die "stade Zeit". "Kanumagazin" 1/2017, S. 62 f.
  • Knorr, Jörg: Frostiges Vergnügen. Die Warnow im Winter. "Kanumagazin" 1/2018, S. 26-32 (Bei klirrender Kälte von Sternberg durch das Durchbruchstal, bis an der Brücke von Bützow das Eis die Paddler stoppt. Durchsetzt mit vielen Infos zum Eispaddeln.)


Kajak-Magazin

  • Knorr, Jörg: Paddeln im Winter. Was zieh' ich an? "Kajak-Magazin" 1/2011, S. 46-51 (Vorstellung von Trockenanzug, Paddeljacke und -hose, Neopren, Schuhe/Stiefel, Kopfschutz und Handschuhen)
  • Norddeutsches Wintermärchen. Auf der Suche nach "Eislöchern" auf der Warnow. "Kajak-Magazin" 1/2012
  • Nehrhoff v. Holderberg, Björn: Heiß auf kalt. Workshop: So geht Winterpaddeln. "Kajak-Magazin" 8/2014, S. 52-56


Seekajak

  • Nicolai, P.: Sicherheit im Winter. "Seekajak" 23/1990, S. 13-14
  • Beier, Udo: Paddeln im Winter. "Seekajak" 31/1991, S. 51-53
  • Schagen, Carlo: Tod im Eis. "Seekajak" Nr. 67 (Februar 1999), S. 20, mit Ergänzung in Heft 68 (Mai 1999), S. 23 (Ende Dezember 1998 bauten zwei Paddler am winterlichen Grienericksee ihren RZ auf und starteten. Mitte Januar fand man das Boot am Ufer des Rheinsberger Sees, mit verstauten Packsäcken und mit dicht unter der Wasserlinie beidseitig zerschnittener Haut. Vermutlich hatten die beiden versucht, von der eisfreien Seemitte aus das Eis des Ufers zu durchbrechen, und sich dabei am messerscharfen Neueis die Bootshaut aufgeschlitzt. Sie wurden nie gefunden. Siehe dazu auch den Artikel im "Kanu-Sport" 2/1999, S. 69!)
  • Beier, Udo: Fit fürs winterliche Rauwasserpaddeln? Risiken, Anforderungen und Tipps. "Seekajak" 161 (Dezember 2019), S. 10-13 (Was gilt es bei solchen Bedingungen zu beachten? – Sind Solo-Touren ein "No Go"!? – 2. "Life-Line" – 3. Wassereinbruch – 4. Seenotsignalmittel – 5. Kälteschutzbekleidung – 6. Schwimmhilfe oder Rettungsweste? – 7. Schwimmen oder Warten? – 8. Nach Sonnenuntergang – 9. Unvollständige Ausrüstung – Fazit.)


Sea Kayaker

  • Bertrand, Nicolas: Breaking the Ice: Winter Paddling. "Sea Kayaker", Vol. 19 No. 5, December 2002, S. 8-14, mit ausführlicher Rezension von Udo Beier im Seekajakforum 2002
  • Brooks, Chris: Cold Shock and Swimming Failure. "Sea Kayaker", Vol. 24 No. 6, February 2008, S. 24-28, mit Leserbriefen in Heft April 2008, S. 6 f., und Heft June 2008, S. 7 ("The real danger of cold water is not in the slow descent into hypothermia, but in the sudden symptoms of cold shock.")
  • Morgart, Randy: Cold and Alone on an Icy River. "Sea Kayaker", Vol. 27 No. 3, August 2010, S. 19-23 (Ein erfahrener Paddler fährt auf dem vereisten Mississippi. Zwischen den Eisschollen kentert er und muß wieder einsteigen - das heißt, er versucht es. Erst beim dritten Versuch sitzt er wieder im Boot und bemerkt verwundert, wie rasch das Eiswasser ihn auskühlt: er trägt zwar eine Schwimmweste, aber weder Trockenanzug noch Neo...)


Quellen

  1. Eckart Pfeffer: Kaltwasserpaddeln. "Seekajak" 125 (März 2011), S. 8 f.