MTW

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Dieser Artikel ist ein Überbleibsel des Versuchs, eine Sammlung von historischen und aktuellen Faltbootwerften und -modellen im Wiki aufzubauen. Der Artikel sollte möglichst nicht bearbeitet werden, da unsere Typen-Datenbank der geeignetere Ort für diese Informationen ist.


Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Aufnäher auf dem Oberdeck eines Kolibri IV
Gerüst eines MTW Kolibri IV

1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht als reiner Reparaturbetrieb gegründet, entwickelte sich die Mathias-Thesen-Werft (MTW) bis Anfang der fünfziger Jahre zu einem vollwertigen Schiffbauunternehmen in Wismar. Entsprechend der 1954 von SED und Staatsführung beschlossenen Ausweitung der Konsumgüterproduktion in der DDR forcierte die MTW wie andere Großbetriebe die Herstellung von Massenbedarfsartikeln. Neben zahlreichen anderen Produkten fertigten die Schiffbauer in Wismar seit 1954 Faltboote, zunächst das Kajak Delphin 85 und das Mehrzweckboot Delphin 110. Im Folgejahr erweiterte der VEB MTW sein Angebot um einen kompakten Kajak-Zweier namens Kolibri.

Auf der Leipziger Messe 1961 stellte MTW zwei innovative Neuheiten vor, die sich aber beide nicht durchzusetzen vermochten: Der Export des Katamarans Scalare 250 - des größten jemals gefertigten Serienfaltboots - verlief nicht annähernd so erfolgreich wie erhofft. Die Produktion eines Tragflächenboots auf Basis des Delphin 110 hatte MTW nicht zuletzt auf Intervention der Staatssicherheit gar nicht erst begonnen. Die Geschichte dieses Bootes, das mit einem Außenborder eine Geschwindigkeit von 50 km/h erreicht haben soll, wird ausgiebig in den Diskussionen 2003, 2004 und 2017 behandelt.

1963 wurde die Produktion des Delphin 85 eingestellt, so dass als einziges Kajak die bis 1990 hergestellte Kolibri-Serie verblieb. Dem vor allem als Motorboot geeigneten Delphin 110 stellte MTW 1964 den Delphin Pirat (oder auch Delphin 130) zur Seite, der über verbesserte Segelfähigkeiten verfügte. Dem Pirat folgten 1966 der Delphin 140 und 1987 der Delphin 150, die jeweils besser als ihr Vorgänger zu segeln waren.

1990 endete der Faltbootbau in der Wismarer Kanalstrasse, insgesamt sind dort deutlich mehr als 70.000 Faltboote hergestellt worden.


Delphin 85

Im Gegensatz zum Ur-Kolibri, den man als den Kleinen Badezweier bezeichnen kann, handelt es sich beim Delphin 85 um ein bequemes Wanderboot für zwei. Der Delphin 85 wurde in den 50er Jahren bis Mitte der 60er Jahre hergestellt. Die Beschläge der beiden Bootstypen sind weitgehend identisch. Während der Kolibri über eine Bordwand mit einfachen Bordträgerleisten(auch Balkweger genannt) verfügt, sind sie beim Delphin 85 doppelt. Die Befestigung der Spanten auf dem Kielmittelstück(Bodenleiter) ist beim Zusammenbau etwas kompliziert, ergibt aber einen einwandfreien Halt. Zusammen mit dem geschlossenen Spant 4 in der Mitte des Bootes ergibt sich eine Stabilität, die weitaus höher als beispielsweise beim RZ85 ist. Die Spanten sind aus mehreren Schichten Holz wasserfest miteinander formverleimt und behindern dadurch den Stauraum nicht. Der Delphin 85 verfügt nicht über Vorsatzsteven(Tothölzer) zur Befestigung der Beschläge. Die sehr massiven Beschläge sind gegen ein Aluminium-U-Profil im Inneren der Bootshaut genietet. Im Delphin 85 befinden sich vor beiden Sitzen, vorne und hinten, Befestigungen für die Steueranlage. Dort, wo sich die Steueranlage nicht befindet, wird eine Stemmleite für die Füße montiert.

Vom D85 sind mir 2 unterschiedliche Varianten bekannt:

50er Jahre

Waschbordleisten aus zwei Leisten zusammengenietet; kleinere Waschbordkappe mit Aluminiumkanten; Sentenverbindung mit Drehriegelbeschlägen; Typenschild aus Aluminium

Materialien: PVC-Unterschiff 3 oder 5-fach grau Oberverdeck rot, blau oder orange

60er Jahre

Bei den neueren Booten sind die hinteren Waschbordleisten aus einem Stück gefräst, die vorderen Formverleimt und haben eine rote oder blaue Ziernut an der Außenseite; Größere Waschbordkappe mit Kunststoffrändern, Sentenverbindung wie mit Stech-Klapp-Beschlägen wie beim Kolibri; Typenschilder aus Plastik; dünnere Spanten;

Einige ganz späte Boote mit blauer Ziernut haben einen verstellbare Steven zur Regelung der Hautspannung.

Materialien: PVC-Unterschiff 5-fach in Gelb oder Grau, Oberverdeck rot, blau oder grün

Weitere Materialkombinationen sind möglich. Laut Anleitung würde der Delphin 85 auch mit Gummihaut hergestellt.

Nach Aussage von Zeitzeugen war der Delphin 85 ein Faltboot für die leitenden Kader der DDR. Die Boote wurden zugeteilt und persönlich in Wismar abgeholt. Laut Aussage lag der Preis über 1000,-MDN, also mehr als 3 mal so hoch wie beim Kolibri.

Baujahr 55-63

Länge 5,50 m

Breite 0,85 m

Seitenhöhe 0,27 m

Tiefgang 0,11 m

Spantenzahl 8

Tragfähigkeit 250 kg

Gesamtmasse 31 kg


Autor: Piet


"Für mich ist der Delphin 85 das am meisten unterschätzte Zweier-Faltboot überhaupt. Zum einen wohl, weil er vielen kaum bekannt sein dürfte, zum anderen, weil er von MTW stammt, deren Massenprodukte kaum mit außerordentlicher Qualität glänzten. Wer noch nie einen selbst aufgebaut hat, MUSS quasi von Vorurteilen so überquellen.
Der D85 ist leichter, stabiler und problemloser aufzubauen als ein RZ85. Das Befestigungsprinzip völlig ohne Flügelmuttern ist ähnlich genial wie das von Klepper und trotzdem anders. Außerdem machen die formverleimten Spanten und oft rötlich lackierten Senten optisch einiges her. Ich finde ihn schmuck. Wenn man Glück hat, kriegt man eine Farb-Version jenseits des Einheits-Grau/Blau. Platzmäßig dürfte er dem RZ85 trotz je 10 cm kürzer an Bug und Heck, sogar etwas überlegen sein, da keine sperrigen Spanten stören. Fahrtechnisch nehmen sich die beiden nichts.
Und schlußendlich - er ist schon eher eine Rarität. Man hat damit was, was nicht jeder hat.
Ich finde, kurz gesagt, die D85's sind fast immer zu gering ausgepreist. Bzw. werden bei adäquatem Preisniveau einfach ignoriert. Schade irgendwie, aber is wie's is." (Zitat Caspar im Faltbootforum vom 3.8. 2018)


Testbericht eines Kolibri 3

Ein MTW (Mathias-Thesen-Werft Wismar) Kolibri dagegen ist das absolute Pummelchen unter den Faltpaddelbooten. Es ist das ganze Gegenteil von andächtiger Eleganz. Es sieht auf dem Wasser in etwa so aus wie ein auf dem Rücken liegender Kartoffelkäfer; kurz, dick, einfach lächerlich. Wenn es leer und leicht ist, kippelt es wie eine Nußschale auf dem Wasser, kippt aber eigenartigerweise fast nie um, man muss es schon arg provozieren. Ist es schwer und voll, kann es kaum etwas aus der Ruhe bringen, schon das Schrägstellen fällt dann schwer. Das gilt dann aber auch für den Vortrieb. Ruhiger Geradeauslauf ist ein Fremdwort, die Wendigkeit kann aber auch seine Vorteile haben. Das Kolibri hat einen recht bauchigen Körper und eine vergleichsweise hohe Bordwand, die aus massiven, dicken Kanthölzern besteht und sich gut als Armlehne, Zigarettendrehtischchen oder Schreibunterlage eignet. Man sitzt in etwa wie in einer Badewanne, das trifft es wohl am meisten. Sitzt man zu zweit in einem Kolibri, geht man sich nur auf den Sack. Der Hintermann kann sich mit den Knien die Ohren zu halten, oder man hat die Füße neben den Oberschenkeln des Vordermannes, weil es für einen Zweier einfach viel zu kurz ist. Trotz der offensichtlichen Breite auch nicht wirklich ein Vergnügen, weil es dann beim Lenken mit dieser albernen Fehlkonstruktion von Fußschlaufen Probleme gibt. Dass man sich dann auch ständig mit den Paddeln ins Gehege kommt, dürfte auch klar sein. Dazu kommt die vordere Rückenlehne, die einem auch wirklich immer im Weg ist; während die hintere ständig von selbst umklappt und sich dann für quer in den Rücken rammt.

Vorteile hat das Kolibri beim Bepacken - es ist ein absolutes Raumwunder und Lastkahn. Obwohl es so kurz ist, man kann reinpacken, was man will, es passt immer nochwas und nochwas rein. Hier kommen die größere Breite und Höhe des Bootskörpers zum Tragen. Auch schwer genug kann es eigentlich nicht sein, wenn ich es grob überschlage, hatte ich z.B. in Polen etwa 150 kg Zuladung, problemlos. Es passte auch nochwas rein. Sehr gutmütig verhält es sich beim Segeln, es verzeiht so manchen Fehler, bei dem man in einem RZ wohl schon im Wasser gelegen hätte. Aber das geht nun wirklich nur allein.

Der Aufbau ist eigentlich genial gelöst, es sind nicht so viele Einzelteile wie bei anderen Typen. Bug und Heck sind fast komplett klappbare Teile, in die man nur noch die Spanten einsetzen muss. Wenn da nicht diese nervenaufreibenden Verschlüsse wären, an denen man sich ständig die Pfoten einklemmt und die nur mit viel Fummelei UND Kraftaufwand zusammenzukriegen sind. Hat man das aber im Griff, steht ein Kolibri aber viel schneller als ein Pouch, Klepper oder Pionier. Die gesamte Konstruktion wirkt eher robust als filigran, man kann dem Ding wohl einiges zumuten. Einer der größten Vorteile ist m.E. das Packmaß: mit Haut, Paddeln und Zubehör ein Seesack von ca. 120x70x50cm. Da kann alles andere "einpacken".

So, genug dazu, beim nächsten mal erfahrt ihr etwas zum MTW "Delphin 110", welches auch noch hier rumsteht.

Hier noch ein Bild meines Kolibris (im Vordergrund), wo man ganz gut sieht, was ich mit dem Kartoffelkäfer meine. Man muss sich nur noch die drehenden Paddel dazu vorstellen:

Autor: Jens Klötzer

Kolibri 3 am Ufer der Masurischen Seen

Ergänzung zum Kolibri 3 - Test:

Im Gegensatz zum Vor-Autor würde ich den Kolibri nicht als das absolute Pummelchen bezeichnen, ich finde, daß andere Boote da doch zumindest gleichziehen. Ansonsten pflichte ich ihm in vollem Umfang bei. Eine Schwachstelle ist der Spant 3, der gerne links oder rechts unten bricht. Bevorzugt tut er das, wenn man das ganze Boot schon fast fertig aufgebaut hat und nur noch dieser eine Beschlag partout nicht in die Halterung im Waschbord will.

Zumindest die Kolibris mit den Klappscharnieren neigen aufgrund der Anbringung derselben oben auf dem Waschbord zur Annahme einer Bananenform.

Genial ist der Koli als "Rentner"-Einer, bei dem der Sitz einen Spant nach vorne versetzt wird. Bei der Riesenluke kommt auch der steifste Mensch in das Boot und wieder heraus.

Autor: Helmut Wentzel


Erfahrungen

"Das Problem beim Kolibri ist, dass er aus nicht-wasserfest-verleimten Sperrholz besteht. Dringt Wasser ein, zerfällt es in die einzelnen Schichten. Das passiert nicht plötzlich, aber man muss das im Auge behalten. Wenn sich mal eine Schicht löst, kann man sie einfach wieder kleben. Ist der Lack noch gut bei deinem Boot, kannst du ohne Sorgen fahren, solltest aber ab und zu abbauen und die Teile anschauen. Gelöste Stellen !wasserfest! kleben und lackieren und gut. Es muss nicht unbedingt die Totallackierung sein. Leider habe ich schon viele 'fahrbare' Kolibris in den Anzeigen gesehen, die nie einen Pinselstrich neuen Lack gesehen haben. Werden diese einfach benutzt, sind sie in kürzester Zeit Brennholz." (Zitat TRolf im Faltbootforum vom 28.6. 2022)


Weblinks


Forumsdiskussionen


Artikel zu MTW-Booten

Siehe auch


  • Münzberger, Thomas: Die Tücke des Objekts - ein Faltboot wird erstaufgebaut. In: "Spantenbruch", Informationsblatt des Historischen Faltbootkabinettes, Vol. 1 Nr. 1, Januar 2000 (Brutale Tricks, wie man ein neues Kolibri-Gestell in eine ebenso neue Haut bekommt.)
  • Aufbauanleitung für Delphin 2 und Delphin 140, Hersteller VEB Mathias-Thesen-Werft Wismar, Abt. Faltbotbau. Mitgeteilt in "Spantenbruch", Informationsblatt des Historischen Faltbootkabinettes, Vol. 1 Nr. 1 (Januar 2000)
  • Scalar 250. Auf der Jagd nach einem Phantom. In: "Spantenbruch", Informationsblatt des Historischen Faltbootkabinettes. Vol. 1 Nr. 4 (November 2000), S. 20 f.


  • Bartusel, Rolf: Delphin, Kolibri und Scalare. Die turbulente erste Dekade des MTW-Faltbootbaus. In: "Zeitgeschichte Regional", Nr. 2/2010 (14. Jg.), S. 34-38. (Artikel in einem Magazin aus Rostock. "Ein extrem kurzer historischer Abriss nordostdeutscher Faltbootproduktion auf denkbar dünnster Quellenbasis (da nach 89 vom Nachfolger alles zum Thema entsorgt wurde...)." Zitat robart in http://www.faltboot.org/forum/read.php?14,202482,203870#msg-203870 vom 08.03. 2013)