Keine empfehlenswerte Expedition (Kussatz 1980)

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Inhaltsverzeichnis

Keine empfehlenswerte Expedition


Jungfernfahrt auf Schwarzer Elster und Grödelner Kanal


Den vorliegenden Artikel verfasste Wolfgang Kussatz, Dresden, im Jahre 1980. Er ist in der Zeitschrift "Rudersport der DDR" erschienen.


Dass es in der DDR keine gängigen Wanderrouten mehr zu entdecken gibt, bewies unsere Fahrt im Sommer 1979 auf der Schwarzen Elster, der Großen Röder, der Geißnitz und dem Elsterwerda-Grödelner Floßkanal.

Die Idee, eine Route zu finden, auf der wir ohne aufwendigen Bootstransport von Meißen aus eine "Runde" drehen können, geisterte schon lange in unseren Köpfen. Im Sommer nun fuhren wir kurz entschlossen von einem Tag zum anderen einfach los, da noch ein paar freie Tage "verrudert" werden konnten. Wir hatten vor, die Schwarze Elster von der Mündung in die Elbe bis zur Einmündung der Großen Röder zu fahren und von dieser über den Grödelner Floßkanal bei Riesa wieder die Elbe zu erreichen.

Zunächst ruderten wir, im Doppelzweier o. Stm., von Meißen nach Torgau (74 km). Mein Partner musste wegen Regattaverpflichtungen wieder nach Hause fahren. Ich übernachtete bei den stets gastfreundlichen Torgauern.


Beginn des Abenteuers

Am nächsten Morgen kam ein frischer Mann, und wir konnten unser Abenteuer, das vorerst noch keins war, fortsetzen.

Nach 44 km erreichten wir zu Mittag die Mündung der Schwarzen Elster (Elbe-km 198,5 rechts).

Nun ging es bei mäßiger Strömung stromauf. Nach zwei Stunden war Jessen erreicht (14 km). Bis dahin ist die Elster jederzeit ohne Risiko befahrbar, auch im Vierer. (Ihr Unterlauf zwischen der Mündung der Landlache bei Listerfehrda und der Mündung ist heute gesperrt - d. Abtipper.) Die Elster ist so breit (bis Elsterwerda mindestens), dass zwei Boote geradeso nebeneinander passen. Das Wasser allerdings macht dem Namen des Flusses alle Ehre. Wer die untere Saale kennt, weiß sofort Bescheid, nur dass die Elster nicht ganz so streng riecht.

Auf diesem Flussstück sind einige scharfe Kurven, weiter oben ist dann alles begradigt.

Am Kilometer 20 (die Elster ist nicht kilometriert. km-Angaben sind von mir ausgemessen) liegt Schweinitz. Die Elster wird jetzt streckenweise flach, so dass wir ganz schön an unserer Heckwelle zu ziehen hatten.

Von hier aus noch weiterzurudern, können wir jedem nur abraten. Erst recht ist es unratsam, die Elster stromab zu befahren, da die vielen kleinen Hindernisse unter fast jeder Brücke nur stromauf sicher zu erkennen sind. So war es auch in Schweinitz. Hier ist, wie später noch sehr oft, neben bzw. an Stelle der alten Brücke eine neue errichtet worden. Eisenstäbe und Steine liegen unter der Brücke, bilden Schwälle und lassen die sichere Durchfahrt nur bei genauem Hinsehen erkennen. Stromab hätte ich fast überall getreidelt. Der Wasserstand, den wir erwischt hatten, schien der Normalwasserstand zu sein. Bei Hochwasser sind die Hindernisse sicher besser zu befahren, dafür dürfte dann die Strömung zu stark sein.


Stromschnellen und Schlamm

Kurz nach Schweinitz wurde es dann lustig. Auf einer Strecke von etwa 4 km folgten in regelmäßigen Abständen neun Stromschnellen, gebildet aus Steinwällen quer zum Strom. Die Ufer sind auf beiden Seiten der Elster ziemlich hoch und steil und mit Brennnesseln, Brombeergestrüpp und hohem Gras bewachsen, so dass ein Anlegen nur selten auch mit gutem Ausstieg verbunden ist.

An den Stromschnellen mussten wir aussteigen, im Wasser auf den lockeren Steinen bzw. im schwarzen Schlamm am Ufer entlanggehen, das Boot an der langen Leine halten und in die Strömung drücken. Manchmal waren fast 50 cm Höhenunterschied zu bewältigen. Hier musste das Boot gegen das herunterschießende Wasser behauptet werden. Nach der neunten Stromschnelle kamen endlich keine Blasen mehr angeschwommen, die uns immer die nächste angezeigt hatten. Wir ruderten noch eine Weile und fanden am Kilometer 30 einen ganz passablen Zeltplatz.

Oberhalb Jessen ist die Landschaft nicht mehr so eintönig wie in der Elbaue. Wiesen und Kiefernwälder bzw. Birkenreihen lösen sich ab. Menschen waren an der ganzen Elster der rarste Artikel. Wesentlich häufiger sahen wir Wasservögel, Greifvögel und als Krönung einen Fischotter.


Zur Röder "durchgekämpft"

Am nächsten Morgen ruderten wir sehr zeitig los. Bis zur Rödermündung wollten wir mindestens kommen.

Doch erst kam einmal ein Wehr, das wir umtragen mussten. Das ging noch ganz leidlich. Das nächste Wehr war offen. Hier wurde getreidelt. Das dritte war der schwerste Brocken überhaupt. Eine steile Böschung aus lockeren Wackersteinen, die bei jedem Tritt nachrutschten, mussten wir das Boot hinauftragen. Das Einsetzen war bei allen Wehren einfach. Bis kurz hinter Bad Liebenwerda (km 59) hatten wir noch vier Wehre zu umtragen. Einmal (bei Herzberg, km 36) mussten wir durch ganz dichtes Brombeergestrüpp, das uns die Beine total zerkratzte. Ins Wasser muss man jedes Mal, um das Boot herauszuheben. Bei dem schwarzen Schlamm ist das kein Vergnügen. Ungefähr einen Kilometer vor den Wehren war der Wasserstand immer sehr niedrig, so dass wir dort nur mühsam vorwärtskamen. Bei Würdenhain am km 67 (6 km vor Elsterwerda) hatten wir endlich die Mündung der Großen Röder erreicht. Zuvor war unter der Brücke noch eine der beliebten Stromschnellen zu überwinden.

Die Röder ist der Breite nach gerade so zu befahren. Gleich an der Mündung liegt unter der Brücke ein Balken, danach kommt ein Wehr, das umtragen werden muss. Beide Male mussten wir ins Wasser, und das war sehr unangenehm. Die Röder fließt durch das Zellstoffwerk Gröditz (1991 stillgelegt, d. Abtipper), und dort wird die Kochsäure hineingeleitet ; eine stark riechende und ätzende Flüssigkeit. Nach einem Kilometer konnten wir diesen ungastlichsten aller mir bekannten Flüsse verlassen und fuhren in die Geißnitz ein. Hier war das Wasser sauber. Wir scheuerten sofort gründlich unsere Beine ab und "retteten" sie somit für den Rudersport.


Karten stimmten nicht

Auf der Geißnitz waren bis Gröditz noch drei Wehre und vier kleine Stromschnellen zu überwinden. An einer davon ist ein Wehr im Bau. Die Geißnitz wird kanalisiert und ist breit genug zum Rudern. Wir hatten allerdings Grundberührung auf dem Sand. Ein Mann lief dann nebenher, der andere quälte sich mit einer riesigen Heckwelle ab.

Nach 10 km von der Rödermündung hatten wir den westlichen Ortsrand von Gröditz erreicht. Hier kreuzt der Elsterwerda-Grödelner-Floßkanal die Geißnitz.

Die Bezirkskarten von Dresden vom Tourist- Verlag stimmen hier allesamt nicht. Hier sind die Verläufe von Röder und Geißnitz falsch eingezeichnet. Die Gröditzer Einwohner und ein Messtischblatt wissen da besser Bescheid.

Der Floßkanal hatte auf jeder Seite der Geißnitz eine Schleuse. Die linke ist noch zum Teil erhalten und dient als Abschottung des Kanals gegen die Geißnitz.


Auf dem Floßkanal

Zwischen Gröditz und Elsterwerda ist der Kanal nicht zu befahren. Er verläuft, seinem ursprünglichen Zweck entsprechend, durch das Stahlwerk Gröditz und ist dort zum größten Teil zugeschüttet und durch Rohre ersetzt. Doch wir wollten das andere Stück zur Elbe befahren.

Ein freundlicher Angler half uns beim Umsetzen, was hier besonders schwierig war, da das gesamte Bad umtragen werden musste. Alles zusammen 400 m.

Der Kanal ist dann breit genug zum Rudern und sehr sauber. Hier fanden wir einen schönen Zeltplatz, denn die Sonne wollte gerade untergehen. Wir hatten in 14 Stunden immerhin 47 km stromauf bewältigt, dabei 11mal umgetragen und 5mal getreidelt.

Wiederum mit dem ersten Hahnenschrei ruderten wir weiter. Noch waren 12 km bis zur Elbe zurückzulegen.

Der Kanal war seinerzeit angelegt worden, das Stahlwerk Gröditz mit der Elbe zu verbinden. Flöße und Lastkähne wurden von der Elbe und Flöße wahrscheinlich auch von der Elster herübergezogen. Nach zwei Kilometern, bei Tiefenau, mussten wir wieder umtragen, was allerdings sehr leicht ging. Hier kreuzt die Kleine Röder, die das östliche Teilstück mit Wasser versorgt. Durch eine Bohlenwand ist das westliche Stück abgetrennt, das durch die Elbe mit Wasser versorgt wird. Der Kanal wird heute zur Melioration verwendet. Fünf große Pumpstationen sind über die ganze Länge verteilt.

Bis Glaubitz (9 km) kamen wir sehr flott voran, nur gelegentlich durch treibende Bäume und Astwerk gestört. An der Straßenbrücke in Glaubitz wird der Kanal plötzlich eng. Das Stechpaddel musste zu Hilfe genommen werden. Die Büsche und Bäume hingen weit herein, so dass es die nächsten 1,5 km nur langsam vorwärts ging.


Elbe wieder erreicht

Am Bahnhof Glaubitz, an der Hauptstrecke Dresden - Leipzig, war plötzlich Schluss. Der Kanal ist am Bahndamm und an einer dahinterliegenden Straßenbrücke zweimal zugeschüttet. Verbindungsrohre liegen unter der Wasseroberfläche.

Also mussten wir den Bahnhof umtragen, über den Bahnübergang hinweg. Dann paddelten wir noch einmal 1,5 km bis zur Elbe. Die einstmals hier befindliche Schleuse ist zugeschüttet. Eine große Pumpstation pumpt das Elbwasser in den Kanal. Wir hatten die Elbe am Elbe-Kilometer 103,8 erreicht. Was uns drei Tage vorher noch längst nicht sicher war, hatten wir geschafft!

Die restlichen 23 km stromauf bis Meißen waren noch einmal eine ganz schöne Schinderei. Das viele Umtragen zu zweit hatte in Armen und Rücken doch seine Spuren hinterlassen.

Nachmittags um 15.00 Uhr waren wir dann wieder zu Hause.

Wir haben zwar bewiesen, dass man durchkommt, und viel jungfräuliches Gewässer befahren, aber eine neue Tour für häufigere Fahrten ist es leider absolut nicht.


Quelle

Dieser Artikel stammt von Wolfgang Kussatz, Dresden, und erschien in der Zeitschrift "Rudersport der DDR, Organ des Deutschen Ruder-Sport-Verbandes der DDR" 26. Jahrgang Nr. 1/1980, S. 11 f. Der Text wurde aus der Zeitschrift übertragen, lediglich die neue deutsche Rechtschreibung wurde berücksichtigt und die Namen der Orte mit dem Autoatlas verglichen. Eine weitere Aktualisierung der Fakten auf heutigen Stand (verbesserte Wasserqualität, Kanalisierung der Geißnitz usw.) wurde nicht durchgeführt. Neue Fahrtberichte der letzten Jahre werden gerne entgegengenommen!

Vielen Dank an Wolfgang Kussatz für seine Genehmigung zur Veröffentlichung im Faltbootwiki.


Weitere Links zu dieser Tour

  • Schwarze Elster ab Elsterwerda, Beschreibung von Ruderern (Achtung, das letzte Stück des Unterlaufs ist gesperrt!)


Forumsdiskussionen

In den Waldgebieten an der Schwarzen Elster sollte man seinen Hund nicht frei herumlaufen lassen, da es hier inzwischen freilebende Wölfe gibt. Im November 2014 wurde ein Hund bei Steinhöfel (6 km südlich des Oberuckersees) nur wenige Meter außerhalb seines Hofes von einem Wolf angegriffen und schwer verletzt. Nur das beherzte Eingreifen des Halters rettete dem Tier das Leben (Märkische Allgemeine Zeitung, 7. 11. 2014).



Hinweis für den Sommer 2019

Die seit 2018 herrschende Dürre hat dazu geführt, daß der Mittellauf der Schwarzen Elster derzeit nicht befahrbar ist. Im Juli 2019 war der Abschnitt zwischen Klein Koschen und Senftenberg (die "Umfließung" des Senftenberger Sees) auf 4 km ausgetrocknet: https://www.rbb24.de/studiocottbus/panorama/2019/07/auswirkungen-trockenheit-lausitz.html


Literatur

  • Floßkanal von Elsterwerda nach Grödel. In: Jüngel, Karl: "Die Elbe. Geschichte um einen Fluss." Anita Tykve Verlag Böblingen 1993, ISBN 3-925434-61-5, S. 134
  • Flügel, Herbert: Zur Baugeschichte des Floßkanals Elsterwerda-Grödel. In: "Sächsische Heimatblätter" 2/1987, S. 72-77
  • Grundmann, Luise (Hrsg.): Der Schraden. Eine landeskundliche Bestandsaufnahme im Raum Elsterwerda, Lauchhammer, Hirschfeld und Ortrand. (= Landschaften in Deutschland - Werte der deutschen Heimat Band. 63), Böhlau Verlag Wien-Köln-Weimar 2005, ISBN 3-412-10900-2 (Wer den Dingen auf den Grund gehen will)
  • Richter, Gerhard: 250 Jahre Floßkanal Grödel-Elsterwerda. In: "Mitteilungen des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz e.V." 3/1997, S. 49-54


Historisches

"Der Grödel-Elsterwerdaer Kanal führt aus der Schwarzen Elster und Pulsnitz unterhalb Elsterwerda südwestlich zur Elbe bei Grödel. Er ist 21,097 Kilometer lang, über 6 Meter breit, 1 Meter tief; die Schiffe dürfen bei einem Maximal-Tiefgang von 0,7 Meter höchstens 500 Ctr. laden [1]. An der Elster liegt der Wasserspiegel 94,745 Meter, an der Elbe 97,469 Meter über dem Ostsee-Spiegel, es ist also eine Steigung von 2,744 Meter (= 1:1365) vorhanden, die durch zwei Schleusen überwunden wird. An der Mündung des Kanals in die Elster befindet sich wohl eine Schleuse, allein die Elster wird von Schiffen nicht befahren. Mit der Elbe steht der Kanal nicht in unmittelbarer Verbindung, sondern ist des Hochwassers wegen durch einen Damm von derselben abgeschnitten, so dass die Güter in andere Fahrzeuge umgeladen werden müssen. Der Kanal ist neuerdings wieder aufgeräumt worden und hat namentlich für die Eisengiessereien von Lauchhammer und Langenberg schwer wiegende Bedeutung. Sollte das Projekt eines Elbe-Spree-Kanals zur Ausführung kommen, so würde der Grödeler Kanal jedenfalls mit zu dieser Anlage benutzt werden. 1874 wurden auf dem Kanal bewegt: in der Richtung nach der Elster 300.673 Ctr., meist Verhüttungsmaterial und Braunkohlen, in der Richtung nach der Elbe 72.327 Ctr. [2], fast ausschliesslich Eisengusswaaren." (SCHUNKE 1877 [3])


Artikel in Paddelzeitschriften

Siehe auch


  • Befahrungsregelung Kleine Röder / Große Röder in Sachsen. "Kanu-Sport" 5/2002, S. 37


  • Rotte, Lutz, und Koll, Martin: Kanutour Schwarze Elster. Reportage im "Kanumagazin" 2009, im Netz hier zu lesen.


  • Kozerski, Hans-Peter: Expeditionsfahrt in die Unterlausitz. In: "Rudersport, Organ des Deutschen Ruder-Sport-Verbandes der DDR", 29. Jahrgang Heft 7/1985, S. 8 f. (Wanderruderer erkunden den Senftenberger See, den Knappensee und die Talsperre Spremberg. Siehe dazu auch den Artikel von Edgar Pardy: "Im Kajak über geflutetem Braunkohletagebau. Auf dem Senftenberger See in der Lausitz" in "Kanu-Sport" 5/2007, S. 16 f.!)


Quellen

  1. 1 Zentner = 50 Kilogramm; 500 Zentner = 25 t.
  2. 300.673 Zentner = 15.034 t; 72.327 Zentner = 3616 t.
  3. Th. H. Schunke, "Die Schifffahrts-Kanäle im Deutschen Reiche", in "Petermanns Geographische Mitteilungen" 1877, S. 285-293 (hier: S. 291), im Netz unter https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=mdp.39015035583213&view=1up&seq=9 .



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