Fahrt XI: Spandau - Potsdam - Brandenburg - Plaue - Havelmündung (Elbe) (Keller 1929)

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Historische Gewässerbeschreibungen von Friedrich Eduard Keller (zwischen 1919 und 1929):
Friedrich Eduard Keller (1859-1929), Autor des ersten deutschen Wassersportführers
Von Berlin zur Löcknitz (1929)
Berlin und seine Wasserstraßen bis Spandau plus Teltowkanal (1929)
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Unterhavel: Spandau - Potsdam - Brandenburg - Havelmündung (1929)
Müggelspree (1929)
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Donau vom Schwarzwald bis zum Schwarzen Meer (Protzen 1917)
Der Inn als Kajakfluss (Keller 1922)
Dange ( = Dangė / Akmena) (Keller 1922)



Inhaltsverzeichnis

Fahrt XI: Spandau - Potsdam - Brandenburg - Plaue - Havelmündung (Elbe)



Dieser Text wurde von Friedrich Eduard Keller verfasst und erschien 1929.
Eine Aktualisierung auf heutigen Stand wurde nicht durchgeführt.


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Karten 3, 4, 5, 11, 12, 13, 14, 15 u. 20 aus "Hip Hip Hurra"


Wenn des Winters Hauch die Flüsse

Hält in starren Eises Bann,

Sendet Frühjahr seine Grüße

Zu uns durch die Weihnachtstann'!

Hell im Kerzenglanz sie strahlet!

Hoffnung weckt der Zweige Grün!

Bald wird Winters Macht gebrochen,

Rud'rers Kunst aufs neu erblüh'n.



Spandau, Pichelsdorfer Havel und Kladower Seestrecke

Bei Spandau schlängelt sich die Spree stillschweigend in die Havel (km 170,2 [1]). Beide Flüsse - von Fabriken und engstirnigen hässlichen Häusern eingesäumt und von langen Hafenmauern begleitet - haben hier wenig freundlichen Charakter. Zahlreiche Dampfer warten auf ihre Schleppkundschaft. Doch bald hinter Pichelsdorf ändert sich das Bild vollständig. Die Havel erweitert sich bis weit hinter Potsdam und Ketzin hinaus zu einem abwechslungsreichen Seebecken mit hügeligen, waldbestandenen Ufern, das zu den schönsten Stellen deutscher Flussläufe gehören dürfte. Diese Seen sind stellenweise über 4 km breit und von ganz erheblicher Länge. Auch zwischen Ketzin und Brandenburg ist die Havel noch breit und wiederholt seenartig erweitert. Dann bildet sie von neuem große Seen und erst von Plaue ab bleibt sie bis zur Mündung verhältnismäßig schmal, dafür aber lebhafter fließend. Auch kurz vor Brandenburg macht sich schon der Strom bemerkbar.

  • Spandau, E., ist eine sehr alte Stadt und Festung [2]. Die Festungswerke sind seit 1872 mehr nach W und N hinausgeschoben, die inneren Befestigungen im Jahre 1903 zum Teil geschleift; seitdem hat die Stadt eine enorme Aufwärtsentwicklung als Industriestadt durchgemacht. Während des Krieges war es eine unserer größten Waffenschmieden. Vielleicht ist Spandau mit eine der ältesten Niederlassungen in der Mark [3]; denn schon Albrecht der Bär nahm diesen eroberten wendischen Ort (Zspandowe) mit in die Kette der befestigten Punkte auf, welche er zur Abwehr gegen die wiederkehrenden Einfälle der Wendenstämme errichtet hatte. Im Jahre 1232 erhielt Spandau Stadtrechte und wurde stark befestigt; die Burg lag damals an der Stelle der heutigen Zitadelle. Der runde, glatte Turm innerhalb der letzteren, dem gegenüber sich die Spree in die Havel ergießt, heißt der Juliusturm . In seinem Innern ruht des Deutschen Reiches Kriegsschatz, 120 Millionen Mark, und der Reichsinvalidenfonds. (So nach der 3. Auflage 1919, S. 186; in der 5. Auflage 1925, S. 201, bereits: "ruhte einst".) [4] Die Hauptkirche des Ortes ist die denkwürdige Nikolaikirche, ein ehrwürdiges Gebäude aus dem 14. Jahrhundert, mit einem Taufbecken vom Jahre 1398 und mehreren sehenswerten Denkmälern, hochbedeutsam in der Geschichte der Reformation, für deren Einführung in Brandenburg Spandau die erste Rolle einnimmt: denn in ihr trat am 1. November 1539 Joachim der Zweite zur evangelischen Kirche über. In früherer Zeit war überhaupt die Stadt zu wiederholten Malen die Residenz der brandenburgischen Kurfürsten aus dem hohenzollernschen Hause. Wer aber den Kirchturm besteigt, der ist verwundert über das herrliche Landschaftsbild, das sich vor seinen Blicken ausbreitet, und erkennt zudem, dass der Ort neben seiner geschichtlichen Beziehung auch in industrieller Hinsicht geradezu hervorragend ist. denn durch die Einrichtung immer neuer großartiger Werkstätten zur Herstellung von Kriegsmaterial aller Art hat er sich zu einer bedeutenden Fabrikstadt emporgeschwungen. Es befinden sich hier: Geschützgießerei und Geschützrohr-Bohranstalt, Gewehr-, Pulver- und Zündspiegelfabrik, Militärschießschule, Feuerwerkslaboratorium, Artilleriewerkstatt usw. (3. Auflage 1919, S. 186 f.) – Gute H. und Rest. sind: H. "Kaiserhof", Stresowplatz; H. "Ratskeller", Am Markt; H. "Roter Adler", Potsdamer Str. – Benzindepot: Max Böhnert, Götelstr. 78/80, Bootshaus "Alte Havel"; A. Semdner, Stresowplatz 15, Auto-Rep.-Werkst.; F.: 1984. Bootbauerei: Yacht-Werft Albert Zerna, Sedanstr. am Wasser, und Paul Fleischer, Bethkestr., direkt an der Havel. Elektr. Ladest.: Elektrizitätswerk Lindenufer. Yachttauwerk: Kipkas, Seilerei, Fischerstraße. Bootsartikel: Scholz, Eisenwarenhandlung, Am Markt. Schleppgelegenheit und Bootsverladung: Blaurock; F.: 179. (5. Auflage 1925, S. 202) – Autoverbindung nach Cladow. Spediteur Thomas mit Jachtverladekran.

Von dem Havelwasser stromabwärts nach Süden getragen, haben wir r. die Haltestelle der "Stern"-Gesellschaft am Lindenufer. Zurückblickend auf die Spreemündung sehen wir, dass diese erheblich breiter ist als die schmale Havel, die doch der Hauptfluss ist. Dann gleiten wir unter der Charlottenbr. (2,90), den beiden Eisenbahnbr. (3,67; 3,96) hindurch und kommen zu der Stelle, wo l. der Schlangengraben und r. der Bullengraben mündet. (Es ist ein Projekt ausgearbeitet worden, wonach Döberitz mit der Havel verbunden werden soll. Der Bullengraben, der von Staaken aus nach Spandau führt und in die Havel mündet, soll als Kanal ausgebaut, und von Staaken aus soll die Wasserstraße westwärts durch Dallgow-Döberitz geführt werden. (2. Auflage 1909, S. 146)) R. am Dampfschiffsrestaurant stehen im Bedarfsfalle stets Schlepper zur Verfügung. Es folgt die Schulenburgbrücke (4,00; km 168,7 [5]), an der Br. (Götelstr. 86/87). Etwa 1,5 km südlich von Spandau, kurz vor dem Fischerdörfchen Tiefwerder, ist ein neuer Haveldurchstich erfolgt, der den für die Schifffahrt gefährlichen Bogen des Flusses abkürzt (km 167,6 [6]). In dem totgelegten Havelarm, welcher im nördlichen Teile nicht mehr mit der Havel in Verbindung steht, sind nun ansehnliche Hafenanlagen angelegt und eine Ruderkolonie entstanden. Biegen wir in diesen toten Havelarm ein, so erreichen wir Tiefwerder (km 167,7 [7]). Hier haben wir die Bootshäuser folgender Vereine: R. - V. "Collegia" (1. IV. 1895); R.-Kl. "Normannia" (15. V. 1898); R.-Cl. Hevella (5. V. 1905; Dorfstr. 4, F.: 3194 inmitten herrlicher Obstbäume gelegen, der allen Tourenruderern jederzeit freundlichste Aufnahme gewährt (3. Auflage 1919, S. 187)); die alte, bekannte Bootsbauerei von Carl Sonnenschmidt (Dorfstr. 3; F.: Spandau 275) und die Sport-Werft von Roehl, F.: Spandau 670; Kanu-Club Preußen (1. I. 1923), Dorfstraße. In der Nähe des R.-Cl. Normannia hat die Ruderabteilung des Polizeisport-Vereins Berlin, Tiefenwerderweg 24, ihr Bootshaus. (In der 5. Auflage 1925, S. 202 f., war es noch die Vereinigung Märkischer Wanderpaddler, Gruppe Spandau.) Alle diese Bootshäuser sind vom Bhf. Spandau und von Berlin unmittelbar mit der Straßenbahnlinie 55 (Moritzplatz - Pichelsdorf) zu erreichen. Vom Bahnhof Zoo nach Pichelsdorf Autoverbindung, außerdem vom Alexanderplatz nach Pichelsdorf. Bootshaus "Alte Havel" gegenüber von Tiefwerder, Spandau, Götelstr. 78/80; F.: Spandau 2080. Hinter diesem Arme liegt nach weiteren 900 m auf dem r. Ufer in Pichelsdorf das idyllische Bootshaus des Spandauer R.-Cl. (5. VI. 1890), zu erreichen ist dasselbe vom Bhf. Spandau mit der elektr. Bahn nach Pichelsdorf, dann in ca. 5 Min. durch die Hauptstraße l. über den Dorfplatz, am äußersten Ende desselben. In Pichelsdorf, Hornstr. 22, haben wir l. Rest. "Zum Kaiserpavillon"; Anlegestelle der "Stern"-Gesellschaft. Kurz dahinter überspannt die mächtige Br. der Heerstraße, die Freybr. (4,00; km 166,9 [8]), mit einer Stromöffnung und vier Landöffnungen in einer Gesamtlänge von 163,8 m und in 24 m Breite die Havel. Auf dem l. Ufer folgt Pichelswerder, wo wir das Bootshaus der Akad. R.-G. zu Berlin (13. II. 1905) vor dem Terrassen-Rest. Pichelswerder, F.: Spandau 2209, mit einem Bootsschuppen der Hochschule für Leibesübungen, Post-Sp.-V. Berlin sehen. Gegenüber ist eine Bootswerft mit R.-G. Sirius mit Kanu-Abt., Straße am Pichelsee 50. Weiter l. haben wir das Rest. "Zum Freund" und das große Wassersportheim Pichelswerder "Wapi", F.: 1695 (nur Bootsunterkunft). In Pichelsdorf haben wir noch den Akad. R.-Cl. (26. VII. 1895), Klubhaus: Charlottenburg, Englische Straße 18; F.: Steinplatz 15 132. R. befindet sich der "Pichelsdorfer Garten", Besitzer: A. Zimma (5. Auflage 1925, S. 203), F.: Spandau 66, mit Haltestelle der Dampfer des "Märkischen Lloyd" und das große Bootshaus von Angermann und Wilms am Pichelsee. Dahinter mit der Front zur Scharfen Lanke die Werkstatt des Segelmachers Wilh. Mählitz (Spandau-Pichelsdorf), die bedeutendste Segelmacherei Deutschlands, besonders für Segelyachten (Anlegesteg und Firma an der Scharfen Lanke, von wo aus ein Weg neben der Bootsbauerei von Zimmermann nach dem Grundstücke über die Straße führt.) (2. Auflage 1909, S. 147) [9] Noch ein kurzes Stück, und an dem durch Ball und Leuchtfeuer kenntlich gemachten Gemünde vorüber (km 165,9) gleiten wir in die mächtigen Flächen der Havel hinaus. Die blaue Havel! Sie ist natürlich nicht von jener durchsichtigen bezaubernden Bläue des Berchtesgadener, Königssees oder des Achensees. Die blaue Farbe hat sie vom Widerschein des märkischen Himmels. Doch uns nicht verwöhnten Berlinern genügt auch dieses schwere, schwärzliche Dunkelblau, das zum Grün wird, soweit das hochgelegene Waldufer darin widerscheint. (2. Auflage 1909, S. 147) Das Leuchtfeuer r. auf der Molenspitze (km 165,9) ist ein elektrisches Blinkfeuer, 2 Sekunden hell und 2 Sekunden dunkel, es zeigt nach dem See zu weißes Licht, nach den Seiten hat es roten und blauen Sektor. Beim Anfahren von der Kladower Seestrecke her bleibt man im weißen Sektor.

  • "Blaue Havel, Grunewald, Grüß' mir alle beide, Grüß' und sag', ich käme bald," so singt unser märkischer Dichter Fontane. Hat er uns Wassersportleute gemeint? So dann: "Hip Hip Hurra!" Frisch auf zu fröhlicher Fahrt!
        In der Chronik der Sassen von 1492 wird sie Havele genannt und ihre wendischen Anwohner Haveli, später Haveller. Diese sind aber wohl nur nach dem Flusse so benannt, nicht der Fluss nach ihnen. Erklären lässt sich das Wort nur vom altd. hewe, hawen, hauwe, ist gleich Heu, Gras, Abgehauenes, weil an ihr viel Wiesenland war und noch ist.
        Jedoch wir können noch nicht weitereilen; denn r. und l erstrecken sich wieder nach N zurück zwei große Einbuchtungen, denen wir noch einen Besuch abstatten müssen. R. befindet sich die Scharfe Lanke (km 165,9). Man gelangt dahin, wenn man um die Landzunge, auf welcher der Leuchtturm steht, r. herum am vorlandigen Schlosspark Pichelsdorf entlang fährt; bleibt man am r. Ufer, so treffen wir an das Bootshaus der R.-Vg. "Wanderer" (1903) mit Waldow's Motorbootverkehr nach Weinmeisterhorn, Gatow und Schildhorn, Anlegesteg. S.-V. "Neptun" (15. IV. 21). Bocksfelde säumt den nördl. Rand ein, und, uns nach l. wieder wendend, haben wir die Bootshäuser oder Schuppen folgender Vereine: Segler-V. Charlottenburger Akademiker (S. V. C. A.) (4. V. 1906); S.-Cl. "Marchia" (6. VIII. 1907); Akad. S.-Cl. zu Berlin (A. S. C.) (13. VII. 1913); R.-V. "Neo Alemannia" (8. VIII. 1903), R.-Cl. "Nord-West 1906" (31. V. 1906), S.-Cl. "Tegel-See" (2. VIII. 1885), den Ankerplatz des Akad. Seglervereins (7. I. 1886, F.: Spandau 1897); Klubhaus: Charlottenburg, Englische Str. 19, F.: Steinplatz 9570); das Bootshaus des R. - Cl. "Titania" (1. VIII. 1892, F.: Spandau 1357), R.-Riege der Akad. Turn-Vg., R.-Cl. "Arminia" (1. V. 1896), F.: Spandau 2661, und R.-V. "Arkona" (20. VI. 1903; F.: Spandau 3136). Verbindung für alle Bootshäuser an der Scharfen Lanke ist die elektr. Straßenbahn (Linie 53, 55, 75) von Berlin und Charlottenburg nach Pichelsdorf, dann r. durch Bocksfelde und l. den Fahrweg nach Weinmeisterhorn. Verfolgen wir unsere Rundfahrt weiter, so kommen wir an die hervorspringende Ecke Weinmeisterhorn mit Rest. Weinmeisterhorn bei Pichelsdorf-Spandau; herrliche Lage, gute Anlegestege, ausgezeichnete Küche (Inh. Otto Gehrt) (5. Auflage 1925, S. 204) [10] mit dem Klubheim und Ankerplatz des S.-Cl. "Gothia" (31. XII. 1909); auch Kleinsegler-Verein Havel ist hier. Die S.-V. Unterhavel hat jetzt ebenfalls Klubheim und Ankerplatz hierher verlegt. Neu hat der Kanu-Klub "Preußen" hier ein Bootshausgelände erworben. Wir befinden uns damit wieder auf der Havel, wo etwas weiter stromab die Naglo-Werft ihre Pforten aufgeschlagen hat.
        Unsere Umfahrt in der r. Ecke ist beendet; wenden wir uns nun l. vom Gemünde, so umfahren wir südlich die Insel Pichelswerder (der nördl. Graben nach Tiefwerder ist unbefahrbar), [11] in der Ecke hat sich ein Freibad entwickelt, und gelangen in den Stößensee (km 165,9) [12]. Hier hat sich der R.-V. Siemens (21. IX. 1912, F.: Spandau 3089) ein Bootshaus errichtet. Es folgt S.-Kl. "Stößensee", eine Siedlung und Bootsvermietung, die Heerstraßenbr., Rest. Wilhelmshöhe, Wassersportheim am Stößensee, "Piewa", hier liegt der C.-Kl. "Preußen". Ungefähr 50 m r. ist der Tiefwerder Graben, der Verbindung mit dem großen Faulen See hat. Uns wieder nach Süden wendend, treffen wir Rest. "Seeschloss", die Heerstraßenbr., D.-St. und Kl. am Rupenhorn. Es besteht ein städtisches Projekt, einen Segel-, Ruder- und Sporthafen im Stößensee anzulegen.

Verfolgen wir unseren Weg auf den schönen Havelseen weiter! Die Kladower Seestrecke liegt vor uns. Würden wir unser Boot geradeaus steuern, so gelangen wir zu jener merkwürdigen Uferstelle, welche den Namen Schildhorn führt (km 165,3); sie ist eine l. weit in die Havel hineinspringende, schmale Landzunge, von der man einen schönen Blick auf die Landschaft genießt.

  • Nach der Landzunge - Schildhorn - soll sich der Wendenfürst Jaczow (Jaczko) nach einer 1157 bei Groß-Glienicke (zwischen Potsdam und Spandau) verlorenen dreitägigen Schlacht auf der Flucht vor Albrecht dem Bären durch eine längere Schwimmpartie in der Havel gerettet haben, wobei er dem Christengotte gelobte, sich taufen zu lassen, wenn er mit dem Leben davonkäme. Zum Andenken an die Sage ließ König Friedrich Wilhelm IV. im Jahre 1844 eine Steinsäule mit Kreuz und Schild an dieser Stelle errichten. Dahinter in der Bucht liegen die Rest., daneben S.-Vg. "Unterhavel". [13]

Je mehr wir südwärts steuern, um so weiter rücken die waldigen Ufer auseinander, und während wir an den grünumwogten Häusern des Ortes Gatow (km 164,4; "Gasth. zur Linde", F.: Spandau 466; D.-St.) [14], Autoverkehr Spandau – Gatow – Cladow, am Clubhause des Märkischen Jacht-Clubs (14. I. 1902) mit großem Bootshafen und am Rest. Gatow, F.: Spandau 1713; gleich dahinter Gatower S.-Kl. und die 60 m hohen Hügelreihen, welche meist mit dunklen Kiefernwäldern geschmückt sind. Weiter folgt der Kl. für Motorjacht-Sport.

Die aufgestellten 5 Bakenpaare zwischen dem Kuhhorn (auf der l. Seite etwas hinter dem "Märkischen Yacht-Klub" und dem Großen Fenster) können zum Abfahren einer gemessenen Meile genutzt werden. Den Kurs gibt die Deckpeilung des Bakenpaares am Großen Fenster sowie am Kuhhorn an. (3. Auflage 1919, S. 189) "

  • Auf der r. Seite sind es die Hügelreihen des Havellandes, die den Fluss bis Potsdam hin und weiter begleiten und die in reichem Wechsel Dörfer, Wiesen, Felder und Gehölz bedecken; auf der l. Seite ist es die Bergplatte des Teltow, von deren Höhen und aus dessen Tälern dunkle Kiefern, knorrige Eichen herübergrüßen und sich in unendlicher Ferne mit sanft geschwungenen Linien verlieren; es ist der von unsern Lokaldichtern so eifrig besungene Grunewald mit seinem höchsten Berge, dem 97 m hohen Havelberg. Im schönsten Teile des Grunewaldes, auf der Höhe des 79 m hohen Karlsberges, liegt der Kaiser-Wilhelm-Turm, Rest. Wilhelm-Turm, F.: Spandau 2570; D.-St. Von der rund 100 m über der Havel befindlichen Plattform des Turmes genießt man eine herrliche Aussicht über die Havel und die angrenzenden Havelseen. Der Turm selbst ist aus rotem Sandstein in gefälligen Formen erbaut und mit kunstvoller Architektur geschmückt. In seinem Unterbau befindet sich eine Gedächtnishalle, in deren Mitte ein von Menzels Meisterhand geschaffenes Marmorbildnis steht. Auf der der Havel zugekehrten Seite ist die Inschrift angebracht: "Der Kreis Teltow erbaute mich 1897". Auf der entgegengesetzten Seite, nach dem Walde zu, wird die Inschrift fortgesetzt und geschlossen mit den Worten: "König Wilhelm I. Zum Gedächtnis". Rechts am Ufer haben wir eine Badewiese mit D.-St.

Auf der l. Seite der Havel sehen wir noch hart am Lande die Insel Gatower Lindwerder (km 161,7; D.-St.; Rest.; Vorsicht flach!) mit Sturmwarnungsstation; hinter der Insel die Kleine Steinlanke und weiter die Große Steinlanke (km 160,5) mit Rettungsstation vom Roten Kreuz in einem als Rest. dienenden Hausboot, das sogen. Große Fenster, von dessen Steilufer man einen der herrlichsten Ausblicke hat. Ganz in der Bucht am Großen Fenster, dicht am Ufer die stärkste Eiche des Grunewalds mit mächtigem Umfange. Die von den Ufern des Grunewalds und dem Schwanenwerder gebildete Bucht heißt Klare Lanke. Am Rande dieser stillen Bucht, vor mächtigen alten Kiefern, liegen die Häuschen des Y.-Cl. Wannsee (11. XII. 1909) und daneben das Haus der S.-Vg. von 1903 (4. III. 1903); F.: Wannsee 153). Die Durchfahrt unter der Br. am Schwanenwerder ist für Ruderboote nur bei hohem Wasserstande und mit Vorsicht ausführbar. Nach allen Seiten hin sichtbar, erhebt sich auf einer weit vorspringenden Landzunge, dem Schwanenwerder (km 159,5), auf dem man Spuren alter germanischer Besiedelung gefunden hat, der Wasserturm der dortigen reizenden, vornehmen Villenkolonie. Die Insel ist durch einen Damm und eine Br. mit dem Festlande verbunden. Auf der Insel gleich r. von der Br. steht eine efeuumrankte Säule von den durch die Pariser Commune 1871 zerstörten Tuilerien mit einigen Bruchstücken. Auf der Rückseite der Säule eine Bank und Inschrift:


Dieser Stein vom Seinestrande

Hergepflanzt in deutsche Lande,

Ruft dir, Wandrer, mahnend zu:

Glück, wie wandelbar bist du!



Auf Schwanenwerder Wassersport-Vereinigung alter Korpsstudenten, F.: Wannsee 850.

Auf der r. Havelseite hinter der vorspringenden Ecke, dem sogenannten Breitehorn (gute Lagerstelle), erscheint Neu-Cladow (D.-St.) und l. hinter dem Schwanenwerder der "Große Wannsee". Den Ruderbooten macht er bei Wind und Welle, namentlich wenn sie aus dem Wannsee heraussteht, viel zu schaffen; darum Vorsicht!

  • Wir fahren l. um den Schwanenwerder herum, bei tiefergehenden Booten Vorsicht; namentlich nach dem Wannsee hinein, etwa 500 m vom Schwanenwerder abbleiben. Rote Tonne beachten! Der Große Wannsee (km 158,5; s. Karte 11), dieses größte Becken der Havel vor Potsdam, liegt in seiner majestätischen Größe vor uns; das fröhliche, mövenhafte Gewimmel der weißen Segel ist das Zeichen des stolzen Wannsees.
  • Rettungsdienst an und auf dem Wannsee.
    Die Rettungsboote stehen jeden Sonnabend von mittags an bis zum Einbruch der Dunkelheit und an Sonntagen von morgens bis abends fahrbereit. Es kann die örtliche Freiwillige Sanitätskolonne vom Roten Kreuz, Nikolassee-Wannsee, durch Vermittelung der Polizeiwache Nikolassee (Rathaus) jederzeit alarmiert werden. F.: Wannsee 76.
    Die "Arbeitsgemeinschaft für den Rettungsdienst an und auf dem Wannsee" nimmt ihren Dienst im Sommer wieder auf. Außer der örtlichen Sanitätskolonne vom Roten Kreuz Nikolassee-Wannsee, sind am Rettungsdienst die Sanitätskolonnen Schöneberg und Grunewald und die Genossenschaft freiwilliger Krankenpfleger vom Roten Kreuz Berlin-West beteiligt. Jeden Sonntag sind Rettungswachen geöffnet in den Seebädern am Nordflug, im Beelitzhof, Rathaus Nikolassee, Dampfersteg am Bahnhof Wannsee Teloswerke, Seglerhaus am Wannsee und Pfaueninsel. Ferner sind nach Bedarf die Sterndampfer mit Sanitätspersonal besetzt; endlich sind Patrouillen zwischen Schwanenwerder und Lindwerder und das Rettungsmotorboot der Sanitätskolonne Nikolassee-Wannsee in Tätigkeit.
        An der Breite zwischen Heckeshorn und kleinem Tiefehorn steht Sonnabend und Sonntag ein Rotes-Kreuz-Zelt. Alle Wachen sind telephonisch erreichbar.
  • Auf beiden Seiten bedeckt schöner Wald die hohen Ufer des Wannsees, denen am westlichen auf weite Strecken hin ein breiter Schilfgürtel vorgelagert ist. Wohl haben Eisenbahn und Baulust diesem Orte viel von seiner einstigen frischen Ursprünglichkeit und Abgeschiedenheit geraubt; aber der schmucke Villenkranz, der sich um die blaue, hügelumschlossene Bucht legte, hat durch die Vermählung der Küste mit diesem stillen Winkel einen neuen Zauber gezeitigt. (1. Auflage 1897, S. 85) L. ist ein Streifen des Ufers bis zur Höhe eingezäunt, große Zelte erheben sich vor dem Walde. Hier ist das weitberühmte Freibad Wannsee, das sein Entstehen dem früheren Landrat Herrn v. Stubenrauch verdankt. Hier herrscht an schönen Sommertagen im Sande und im Wasser ein fröhliches Getümmel; es wimmelt der Strand wie ein Ameisenhaufen, und der Jubel schallt weit über den See. Boote dürfen aber nicht anlegen! Die Wirtschaftsbetriebe werden auch für den Wintersport geöffnet sein. Etwas weiter folgt die gut eingerichtete Badeanstalt des V. für Gesundheitspflege und Seebad Wannsee. Am ganzen Strande entlang ziehen sich die Tiefbrunnen der Wasserwerke in Beelitzhof hin, die die sämtlichen südlichen Vororte von Berlin bis Neukölln mit Wasser versorgen. Anlegestelle des Märkischen Lloyd Bhf. Nikolassee. Neben den Werken liegt Rest. Schloss Wannsee, F.: Wannsee G 4, 6258, mit großem Garten und Rest., hinter der ersten Dampferlandungsbr. an der Berliner Chaussee die Lokale Beelitzhof und Wilhelmshöhe. Auch der Segelei und Ruderei ist hier eine Stätte bereitet. Auf dem Grundstück des Rest. "Schloss Wannsee", neben den Wasserwerken, haben wir die Zweigniederlassung des in Stralau beheimateten Touren-R.-Cl. v. 1892 [15] und den S.-Cl. "Aeolus" (2. VI. 1918; F.: Wannsee 58). Das imposante Klubheim des R.-Cl. am Wannsee (13. IX. 1906), Robertstr. 8; F.: Wannsee 195 folgt. Das Grundstück hat 30 m Wasserfront und eine Tiefe von 64 m; das Haus ist, nach dem Entwurfe des Architekten Hackbarth, vom Baumeister Schirmer-Zehlendorf ausgeführt und kann etwa 60 Booten Raum bieten (3. Auflage 1919, S. 191); es ist mit Einrechnung von Grundstück (33.000 M) und Einrichtung mit einem Kostenaufwande von 125.000 M hergestellt (2. Auflage 1909, S. 149). Es kommt das Nordflug-Kanu-Haus; es soll von der Stadt Berlin angekauft sein. (In der 5. Auflage 1925, S. 208, war das Haus "noch unvollendet; es sollte 5000 Kanus beherbergen.") Es sind zwei Bootsstege mit Rollstegen vorhanden. Die Boote werden mittels Bootswagen auf einer festen Bretterbahn ins Bootsh. gefahren. Das Bootsh. ist 10 Min. vom Bhf. Nikolassee entfernt. Hier liegt auch der Kanu-Club am Wannsee (X. 1922); dann folgt ein Motor-Yacht-Kl. In der Höhe von Beelitzhof hört auf beiden Seiten der Uferweg auf, und die eigentliche Villenkolonie Wannsee, [16] drüben Alsen genannt, begleitet jetzt mit einem Kranz vornehmer Landhäuser und reicher, geschmackvoller, oft mit prächtigen Bilderwerken geschmückter Gärten den blauen See. Hier haben sich seit 1863 Großkaufleute und Industrielle, Künstler und Gelehrte vereinigt, um auf den Hügeln über dem Wannsee eine Siedelung entstehen zu lassen, die sich glücklich von jeder geschmacklosen Überladung fernhält. Meist sind die Besitzer Sportsleute, das verraten schon die vielen Bootshäuser vor den Grundstücken und die zahlreichen Yachten und Motorboote, die sich an ihren Bojen schaukeln. Neben dem Müggelsee und der Dahme ist ja der Wannsee ein Hauptsegelrevier der Berliner. Das erste Heim der Sportsleute war das Seglerhaus am Wannsee, dessen Gebäude am Westufer liegen.
  • Nahe dem Bahnhof das hochgelegene, mit wunderbarer Aussicht über den See versehene Rest. Kaiserpavillon "Zum Schultheiß" (F.: Wannsee 35). D.-St. Der Pavillon stand 1873 auf der Wiener Weltausstellung und hat daher seinen Namen, dass in ihm die Kaiser von Deutschland, Österreich und Russland frühstückten. [17] Unweit davon eine Kolossalbüste des Fürsten Bismarck (v. Reinh. Begas). Einen entzückenden Ausblick über den ganzen See hat man von dieser Südostecke des Sees. Am Fuße des Rest. sind die Anlegebr. der "Stern"-Gesellschaft; F.: Wannsee 201; Sonntags herrscht hier ein riesiger Verkehr; auch Motorboote gleiten von einem Lokal zum andern. An den Haltestellen hat der "Deutsche Yacht-Club" (26. 11. 1906; F.: Wannsee 673) sein Häuschen. Einfacher sind "Reichsadler" an der Potsdamer Chaussee und "Lindenhof" im ehemaligen Stolpe. (5. Auflage 1925, S. 209)
  • Die Fahrt durch den Prinz-Friedrich-Leopold-Kanal haben wir schon beschrieben. Hier möchten wir nur nochmals erwähnen, dass das Fahrwasser gut ausgetonnt ist und von Motorbooten nur mit Erlaubnis der Kanalmeisterei Klein-Glienicke befahren werden darf. Gebühren für das Befahren werden von allen Fahrzeugen erhoben bei der Hebestelle Landebr. Königstraße-Kl. Wannsee oder bei der Kanalmeisterei Klein-Glienicke. Motorboote dürfen in den Seestrecken 12 km, in den Kanalstrecken 4 km pro Stunde fahren.
  • Kehren wir zur Prinz-Friedrich-Leopold-Br. zurück und vollenden unsere Rundfahrt, so treffen wir neben der neuen Einfahrt in den Kleinen Wannsee an der Potsdamer Chaussee die Teloswerke, daneben das Klubhaus des Potsdamer Yacht-Cl. (März 1891; Königstr. 3a; F.: Wannsee 218) und weiterhin eine Badeanstalt und das vornehme Rest. "Haus am See", neben dem das schon oben erwähnte prächtige Haus des Vereins Seglerhaus am Wannsee (1881; F.: Wannsee 24 und 206), welches vom Regierungsbaumeister a. D. Otto Stahn (dem Zeichner der Oberbaumbrücke und des Bootshauses des Vereins der Touren-Ruderer, Treptow), erbaut ist. Manches gute Boot, das schon den Wettstreit mit den Seestädtern in Stettin, Kiel und Hamburg wagte und siegreich zu Ende führte, ist daselbst stationiert. (1. Auflage 1897, S. 85) [18] Hart daneben liegt der vornehme "Schwedische Pavillon" [19] , Besitzer "Kaiserhof"-Akt.-Gesellschaft, Pächter Fr. Eberlein. Dahinter Kolonie Alsen – mit Wannsee vereinigt – und der "Flensburger Löwe". Das Denkmal ist eine Kopie des in der Hauptkadettenanstalt zu Groß-Lichterfelde befindlichen Originals, das von den Dänen nach ihrem Siege bei Idstedt 1850 auf dem alten Kirchhofe in Flensburg errichtet und 1864 nach Berlin gebracht wurde. Das Original des Flensburger Löwen soll nach Dänemark zurückgehen, befindet sich aber noch an Ort und Stelle. Vom Bahnhof Wannsee nach Wannsee Wilhelmplatz Autobus. Das Denkmal in Wannsee ist dem Andenken des siegreichen Führers im dänischen Kriege, dem Prinzen Friedrich Karl, dessen Medaillon in den Sockel eingelassen und dessen Name mit der Umgebung innig verwoben ist, gewidmet. (5. Auflage 1925, S. 209) Vom "Kaiserpavillon", "Schwedischen Pavillon" und "Beelitzhof" verkehren regelmäßig Dampfer nach Cladow, Pfaueninsel, Potsdam und Spandau der "Stern"-Gesellschaft, Fahrzeuge der Teltowkanal-Schifffahrt durch den Friedrich-Leopold-Kanal nach Neu-Babelsberg und Potsdam, wie nach Klein-Machnow. Außerdem verkehren zahlreiche Motorboote und kleine Dampfer zwischen beiden Ufern. Richten wir weiter unsern Kurs der Havel zu, so treffen wir auf Heckeshorn, wo der Deutsche Yachtclub (20. II. 1906) ein neues Klubheim bauen will (2. Auflage 1909, S. 151), und weiter hinter der schwarzen Tonne auf das sogenannte Kleine und Große Tiefehorn. Benzinstation: Georg Frantz jun., Drogerie, Königstr. 54; F.: 767. Reparatur-Werkstatt: Albert Voigtländer, Charlottenstr.; Bootswerft: Bruno Gundermann, Wannsee; F.: (874). (5. Auflage 1925, S. 210) Die Zugverbindungen mit der Hauptstadt sind sehr gut, da zwei Bahnen, die Wannseebahn (nach dem Potsdamer Bahnhof) und die Stadtbahn zur Verfügung stehen. Wer in Beelitzhof landet, geht nach dem näheren Bahnhof Nikolassee. Im Sommer besteht außerdem eine Autobusverbindung durch den Grunewald nach Berlin. Hier in Beelitzhof endet die Automobilstraße "Avus" durch den Grunewald mit einer großen Wendekurve. Für Rennen sind große Tribünen vorhanden.

Wir kehren zu dem r. Ufer der Havel, welches bei stürmischem Wetter vorzuziehen ist, nach dieser Abschweifung zurück und kommen bei dem zwischen Neu-Cladow (km 158,4; Rittergut Neu-Cladow ist von der Stadt Berlin angekauft) und Cladow liegenden lnselchen Imchen, Naturschutzpark, zu dem hochgelegenen Dorfe Cladow.

  • Die Insel Imchen bei Cladow ist bekanntlich auf Vorschlag des Spandauer Bezirksamtes zum Naturschutzgebiet erklärt worden. Die Insel befand sich vorher in Privatbesitz und wurde von der Stadt erworben.
        Die etwa zwei Morgen große Insel hat einen weiten Schilfgürtel und eignet sich ausgezeichnet zu einer Vogelfreistätte. Bei einer jetzt erfolgten Besichtigung der Insel durch das Spandauer Bezirksamt zusammen mit dem Naturschutzkommissar Dr. Hilzheimer wurden verschiedene interessante Wasservögel entdeckt, so dass anzunehmen ist, dass sich mit der Zeit die Zahl der Sumpf- und Wasservögel stark vermehren wird. (Heute mit Reiher- und Kormorankolonie, Eisvogelbrutgebiet; Anmerkung d. Bearbeiters) Die Insel ist auch gut geeignet zur Anlage eines Schwanenhäuschens, wodurch die Wiedereinbürgerungsversuche der Havelschwäne eine wesentliche Stütze erhalten würden. [20] Auch Landvögel dürften sich auf der Insel ansiedeln, sobald Vogelschutzgehölz angelegt würde, wie Brombeeren, Ebereschen, wilde Rosen und Holunder. Vor allem würde die Nachtigall, die immer seltener wird, hier sicheren Schutz finden.
        Infolge der Erklärung der Insel zum Naturschutzgebiet dürfen Ruderer und Segler leider dort nicht mehr anlegen, sie müssen sich mit den wenigen Plätzen zwischen Gatow und Cladow begnügen. Wie das Bezirksamt Spandau mitteilt, sind Gerüchte, dass das Bezirksamt die Insel bebauen wolle, falsch.

Unten am Strande Terrassen-Rest. "Helgoland", Rest. "Schloss Seglerheim", F.: Wannsee 6808, von den Terrassen herrliche Aussicht auf den Wannsee und die Havel, D.-St.; Bootswerft Cladow, F.: Potsdam 1301. Personenautobus Spandau – Gatow – Cladow. [21] Etwas weiter westlich das Quastenhorn, gegenüber der Kälberwerder (Vorsicht flach! Tonnen beachten) [22]. In der Ecke zwischen Quastenhorn und Schwemmhorn die Bootsbauerei von W. Prüssing, Post Spandau, F.: Potsdam 1480, weiter gelangen wir l. zur Pfaueninsel, früher Kaninchenwerder genannt. In der Höhe der Nordspitze der Insel beginnen auf dem r. Havelufer der Luisenberg und die 78,4 m hohen, steilen, hingestreckten Fuchsberge, welche sich bis Sakrow hinziehen. Das Anlegen an der Pfaueninsel ist streng untersagt! Ruderer usw., welche dieses liebliche Juwel unserer Havel besuchen wollen, müssen gegenüber der Südostseite der Insel l. am Festlande anlegen und dann die Fähre (unentgeltlich) benutzen.

Segler gehen r. von der Insel vorbei; die Durchfahrt l. ist Dampfern und Motorbooten nur mit halber Geschwindigkeit bei der Fähre gestattet, sie müssen außerdem 300 m vor der Fährstelle ein langes Signal geben. Kommt man r. von der Insel herum, so ist auf die Bucht l. an der Insel, die sehr flach ist, sowie auf die vor der Sakrower Spitze, die mit dem Festlande die Sakrower Lanke, von welcher uns der Schiffgraben zum Sakrower See bringt. Am r. Ufer zwischen Cladow und Sakrow haben die Ecken die Namen: Stupe-Ecke, Kleines Hämphorn und Großes Hämphorn.

Bei dem nun folgenden Meedehorn ist besonders auf die bis zur Südspitze der Pfaueninsel sich erstreckenden Untiefen zu achten. Also stets Tonnen beachten! In einem Bogen nach r. und dann langsam nach l. wendend, steuern wir dem l. Ufer zu.

  • In der Bucht, am sogenannten Kessel, befindet sich die Durchfahrt (Schiffs-Graben) nach dem idyllisch gelegenen, sehr schönen Sakrower See. Die Einfahrt ist bei einiger Aufmerksamkeit bald zu finden, doch etwas beschwerlich.
    Für Motorjachten verboten. Zum Befahren des Sakrower Sees ist seit einigen Jahren die Erlaubnis der Forstverwaltung notwendig. Erlaubnisscheine, für ein Jahr gültig (1. April bis 31. März des nächsten Jahres) stellt die Oberförsterei in Potsdam, Alte Königstr. 9-13, F.: 2612, aus. Der Bezug der Scheine und die Preise sind genau dieselben wie für die Zeltscheine. Auch Einzelpersonen erhalten die Scheine ohne besondere Legitimation [23]. Ein Besuch des ganz wunderbaren, bis zu 36 m tiefen, glasklaren Sakrower Sees ist sehr zu empfehlen; er ist hochromantisch. Der nördliche Teil darf aber nicht befahren werden. (3. Auflage 1919, S. 194; in späteren Auflagen fehlt dieser Satz.) Landen ist nur l. im Jagen 181 erlaubt (Forsthaus Zedlitz in der Nähe), und Baden ist verboten.
        Streifen vom Wasserschutz befahren häufig am Wochenende mit großen Motorbooten den See, weisen mit Gewalt Ruderer und ein paar Badende vom See. Bisher wurden für RM. 2,- für die Saison vom Forstfiskus in Potsdam Erlaubnisscheine für das Befahren ausgegeben; aber auch dieses soll nicht mehr erlaubt werden, sondern es soll die Benutzung des Sees, der rings von fiskalischen Wäldern umgeben ist, überhaupt verboten werden. [24]


Die Pfaueninsel


Die Pfaueninsel, in deren Dunkel

Rubinglas glühte Johannes Kunkel,

Schloss Babelsberg und "Schlösschen Tegel",

Nymphäen, Schwäne, blinkende Segel,

Ob rote Ziegel, ob steinernes Grau,

Du verklärst es, Havel, in deinem Blau.

                                                                                                                        (Th. Fontane, Havelland.)


Die Pfaueninsel (km 156,0) muss den Funden nach lange vor der Wendenzeit als Zufluchtsort gedient haben. Den Fürsten diente sie als Ziel der Wasserfahrten und war auch in ihrer wundervollen Lage zwischen den waldumkränzten Ufern der Havel mit dem Ausblick havelaufwärts in der Zeit der romantischen Naturschwärmerei die gegebene Stätte.

Der Herr Regierungspräsident zu Potsdam macht darauf aufmerksam, dass das Befahren der Ufergewässer an der Pfaueninsel innerhalb des Schilfgürtels, das Baden, Angeln und Fischen, sowie das Anlegen außerhalb der Fähr-Anlegestelle allen Unbefugten verboten ist. Gleichzeitig verboten ist das unbefugte Einfahren in den an der Westseite der Nordspitze der Insel gelegenen Parschenkessel. Hinter der Pfaueninsel, an der Überfahrtstelle ist das Wirtsh. "Zur Pfaueninsel" (km 155,1), F.: Wannsee 5270, D.-St., herrlicher schattiger Garten an der Havel und am Walde.

  • Die Pfaueninsel (Naturschutzgebiet) hatte im Jahre 1683 der Große Kurfürst seinem Leibalchimisten Kunkel von Löwenstein geschenkt. Später besuchte König Friedrich Wilhelm II. die Insel oft, um zu jagen; er baute dann das schöne Schloss am Südende und die Meierei am Nordende der Insel und legte eine Menagerie an, besonders auch ein Haus für Pfauen, wonach die Insel ihren Namen hat. Nach den Befreiungskriegen wählte Friedrich Wilhelm III. die Insel zu seinem ständigen Sommeraufenthalt, die er schon vorher mit der Königin Luise oft zu Schiffe besucht hat. Die Insel ist ein 1 1/4 Stunde großer Park mit herrlichen Bäumen und einem schönen Schlösschen von burgartigem Aussehen. Wunderschöne, schattige Laubgänge, alte Eichen, schimmernde Rosengärten, samtweicher Rasen gestalten den Ort zu einem kleinen Paradiese. Ein Freundschaftstempel enthält eine Büste der Königin Luise von Rauch. Im Revolutionsjahr 1848 bildete das noch schwer erreichbare und wieder halb verschollene Fleckchen Erde einige Zeit den verborgenen Aufenthalt des späteren Kaisers Wilhelm I. [25] Jetzt verbindet eine Fähre die Pfaueninsel mit dem l. Ufer. Am Landungsplatz derselben auf der Insel befindet sich die Hofgärtner-Wohnung und weiterhin das Schloss in Gestalt einer verfallenen Ritterburg mit zwei Türmen, die durch eine über 10 m lange eiserne Br. verbunden sind und im Innern mit geschmackvoll dekorierten Zimmern (schöne Schnitzereien in Elfenbein; Perlmutter, Achat usw. vom Maschinenmeister Friedrich) ausgestattet ist. Vor dem Schlosse steht auf hohem Postamente, inmitten eines Rasenfleckes, die künstlerisch vollendete Marmorstatue der berühmten französischen Tragödin Rachel, zum Andenken an eine dort durch den Geh. Rat Schneider (3. Auflage 1919, S. 193) veranstaltete Vorstellung (13. Juli 1852) vor versammeltem Hofe in Gegenwart des Kaisers Nikolaus von Russland. [26] In der Nähe des Schlosses liegt die Küche im holländischen Stil. Das Kavalierhaus, dessen Fassade vom Jahre 1360 stammt und einst in Danzig stand, ist nach Schinkels Plan erbaut. Am äußersten Ende der Insel bemerkt man die im Ruinenstil erbaute Meierei, der Lieblingsaufenthalt der Königin Luise; weiter südlich ein Gedenkstein für Kunkel und die Dampfmaschine zur Bewässerung der Insel und Speisung einer Wasserkunst. Das schöne Palmenhaus brannte im Jahre 1880 nieder. (3. Auflage 1919, S. 193) Am Schlosse noch zwei Zedern vom Libanon, vom Kaiser Wilhelm II. mitgebracht. [27] L. bei der Fähre auf dem Festlande ehem. Marstallgebäude, jetzt Rest.
        Wer seinen Fuß auf die 200 Morgen große Insel setzt [28], betritt Märchenland; denn märchenhaft muten die tausendjährigen Eichen an, in deren Schatten wir treten. (Eine knorrige und imponierende Eiche von seltenem Umfang. Man schätzt, dass über ihren Wipfel 1000 Jahre deutscher Geschichte hinweggerauscht sind. "Priestereiche".) [29] Märchenhaft die Schlingpflanzengewächse, die an den tropischen Urwald erinnern, und märchenhaft die botanischen Seltenheiten, die aus aller Herren Länder hierher verpflanzt worden sind: Zedern vom Libanon, Mammutbäume aus Kalifornien, Gingkos aus dem Urwald Südamerikas (Nadelbäume, die Blätter zu tragen scheinen, weil die Nadeln zu blattartigen Gebilden zusammengewachsen sind), Taxotien, Pappeln mit Laub wie Kürbisblätter und viele andere. So seltsam wie mit der Pflanzenwelt war es einst auch mit der Tierwelt auf der Insel bestellt. Es war früher üblich, dass die Fürstlichkeiten sich Aufmerksamkeiten dadurch erwiesen, dass sie sich exotische Tiere schenkten. Dadurch ist auf der Insel eine derartige Sammlung von ausländischem Viehzeug zusammengekommen, dass seine Unterbringung Schwierigkeiten zu machen begann. Schließlich übernahm eine Gesellschaft den ganzen Bestand, und auf diese Weise wurde der Grund gelegt für den heutigen Berliner Zoologischen Garten. Zurückgeblieben sind auf der Insel allein die Pfauen, mehrere Dutzend, die ihr ein charakteristisches Gepräge von hohem Reiz geben und denen die Insel auch ihren Namen verdankt. Und an Dornröschens Schloss erinnern auch die Bauten des Eilandes, nicht zuletzt das Häuschen des Obergärtners in seinem Hortensienschmuck. Heute ist die Pfaueninsel Naturschutzgebiet. Teils aus diesem Grunde, teils wegen ihrer sonstigen Vorzüge haben die märkischen Imkervereine dort eine ganz neuzeitliche Institution geschaffen: eine Bienenköniginnenbelegstation, d. h. eine Zuchtanstalt für Edelmaterial behufs Hebung der einheimischen Bienenwirtschaft.
        Von der vorhistorischen Zeit der Insel zeugen weder Lied noch Sage. In das Zwielicht der Geschichte tritt das Ländchen mit dem Zeitalter des Großen Kurfürsten. Der fürstliche Hofalchimist Johann Kunkel befasste sich hier mit der Goldmacherei. Und er kam tatsächlich zu Gold, allerdings durch den kleinen Umweg über den Phosphor und das Rubinglas, die beide in seinem Laboratorium das Licht der Welt erblickten [30]. Bis in die neueste Zeit hinein zeugte ein Scherbenhaufen von der damaligen Industrie, wie sie auf der Insel in Blüte stand. Noch immer findet man namentlich Glasperlen, mit denen die vom Kurfürsten gegründete Kompagnie einen schwunghaften Handel nach der afrikanischen Kolonie führte. Mit Friedrich Wilhelm II. bricht das sogenannte galante Zeitalter für die Pfaueninsel an, das Zeitalter der Lustbauten und des Theaterspielens. Hier zeigte die französische Tragödin Rachel vor einer Korona von Fürsten ihre große Kunst. Als Kleinod landschaftlicher Schönheit und angenehmen Aufenthalt wusste auch Königin Luise die Insel zu schätzen.

Nach der Pfaueninsel, auf der Höhe des Waldufers, der weithin sichtbare Turm der 1835-37 erbauten Peter-Pauls-Kirche (km 155,0), in welcher Prinz Karl von Preußen (gest. 1883), dessen Gemahlin (gest. 1877), Prinz Friedrich Karl (gest. 1885), Prinz Friedrich Sigismund (gefallen im Weltkrieg [31]) und die Leiche des als Flieger im Felde gefallenen Prinz Friedrich Karl von Preußen beigesetzt sind. Ganz in der Nähe, gleichfalls in hübscher aussichtsreicher Lage, ist das 1819 von Friedrich Wilhelm III. errichtete russische Blockhaus Nikolskoe [32] mit Rest. und herrlicher Aussicht auf Sakrow und den Königswald. Die Aussicht von Kirche und Blockhaus ist geradezu klassisch zu nennen.

Die beiden l. vorspringenden Ecken sind das Appelhorn und weiter südlich das Krughorn.

Am jenseitigen Ufer nach r. weiter erstreckt sich hinter dem Großen Hämphorn die Sakrower Bucht mit der E. Klugeschen Bootswerft, F.: Potsdam 2014. Auf einer langgestreckten Halbinsel befindet sich das ehemals königl. Schlösschen und Park, sowie das Dorf Sakrow.

  • Ganz in der Nähe befindet sich bei dem Jagdschloss Sakrow ebenfalls eine reichen Schatten spendende und ihre Umgebung überragende Eiche. Unter ihr spielte als Knabe der Dichter de la Mottefouque. Später gewährte Friedrich Wilhelm IV. ihm dort Aufenthalt. Der Lieblingsplatz des Freiherrn blieb aber die alte Eiche, unter der er unter anderem den Text zum Märchen "Undine" dichtete.

Am l. Havelufer, dem wir uns jetzt nähern, so dass das Meedehorn r. und das Appelhorn l. bleibt, lugt weiterhin aus schattigem Grün, hinter einschneidender Bucht, Moorlake (Moorlanke, km 153,9), Gasth. Moorlake, F.: Potsdam 3607, D.-St., Autobusverbindung, hervor. Von nun ab eröffnet jede Wendung einen neuen Blick auf die Baulust hohenzollernscher Herrscher und Prinzen. Vor uns geben der Pfingstberg mit seinen weitglänzenden Säulenhallen und der Ruinenberg der Landschaft einen effektvollen Hintergrund.

Haben wir die Ecke umfahren, so bemerken wir r. das empfehlenswerte Wirtsh. "Zum Dr. Faust" F.: 3049, D.-St., so von Friedrich Wilhelm IV. nach einem früheren Pächter benannt. Inh. C. Fiebig, sorgfältige, vorzügliche Zubereitung von Speisen, reiche Auswahl, solide Preise, gut gepflegte Biere; Dampfersteg. (2. Auflage 1909, S. 152) [33] Vorsicht in der schmalen Durchfahrt bei der Fähre Sakrow (km 153,6). Viel Dampfer-, Schlepp- und anderer Verkehr! Dampfer und Motorboote müssen langsam fahren und 300 m vor der Fährstelle ein langes Signal geben. Halt, wenn die Seilfähre unterwegs ist! Die l. vorspringende Ecke (km 153,6) wird Krughorn genannt. Die Enge soll verschwinden, die Durchfahrt durch das Fortbaggern der Ecken breiter gemacht werden. R. hinter der Fähre am Strande die Kirche St. Salvator zum Port (d. h. Bucht, in welcher die Schiffer beim Sturme Zuflucht suchen; Heilandskirche), ist im Basilikenstil, mit freistehendem Turm, von Persius unter Friedrich Wilhelm IV. erbaut und innen mit einem Freskobilde nach Begas (Christus und die Evangelisten) geschmückt. Vom freistehenden Turme hat man eine reizende Aussicht. [34] Auch ein Besuch des Schlossparkes von Sakrow, von welchem aus man herrliche Durchblicke auf die Havel und ihre Seen sowie auf Potsdam hat, ist lohnend.

Sobald wir die Sakrower Enge passiert haben, grüßt von l. herüber die schöne Glienicker Br., die mit ihren stolzen Eisenbogen sich prächtig in das großzügige Landschaftsbild einfügt. Wir sind auf dem Jungfernsee und haben die Wahl, ob wir zur Weiterfahrt r. den See und den Sakrow-Paretzer Kanal (km 30,0 [35]), den direkten Weg nach Ketzin-Brandenburg, oder l. die Potsdamer Havel benutzen und dabei der Stadt Potsdam einen Besuch abstatten wollen. Wir wollen erst die Potsdamer Havel (Alte Havelwasserstraße) befahren.


Die alte Havelwasserstraße (Potsdamer Havel)

Auf dem Jungfernsee l. steuernd, die Türme und Kuppeln der Stadt vor uns und zur Linken den Park von Glienicke, [36] nähern wir uns der Glienicker Br. (4,70 m; km 28,6[37]). Kein Wanderfahrer versäume, den prächtigen Blick von ihr zu genießen. Vier waldumrandete Seen geben sich hier ein Stelldichein und offenbaren eine Schönheit, vor der auch der Einheimische immer wieder staunend steht. Drüben Schloss Babelsberg (km 28,6 [38]) mit seinem Park (Motorschiffs-Fährverkehr von der Glienicker Br. aus), Glienicke, hier die Heilandskirche am Port, Schiffszüge kommen und gehen, alles ist Harmonie. Die Br., die "Prunkpforte am östlichen Eingange der Insel Potsdam", die Pfeiler und schönen Uferbauten sind aus Sandstein, im übrigen zeigt sie schön geschwungene Eisenbogen. [39] Anlegen kann man r. und l. am Ende der Ufermauern, aber Vorsicht wegen der Dampferanlegestellen unter der Br. R. hinter der Br. liegt das Bootshaus des R.-Cl. "Vineta" (3. V. 1883), Neue Königstr. 59, F.: 1371; vom Bahnhof: Straßenbahnlinie B), daneben Rest., F.: 3831, mit Garten am Wasser. Vor uns grüßt Schloss Babelsberg von der Höhe, der Lieblingsaufenthalt Kaiser Wilhelms I. In der schmalen Durchfahrt nach Potsdam zu erscheint das Panorama der Stadt, im Vordergrunde mit der altehrwürdigen Heiligengeistkirche und hinten abgeschlossen durch die Wand des Brauhausberges mit dem Turm der burgähnlichen Kriegsschule (Reichsarchiv). L. die Glienicker Laake (Lanke, Bucht) zwischen den Parkufern von Babelsberg und Glienicke, sie verengt sich zum Durchstich nach dem Griebnitzsee, Beginn des Teltowkanals (km 28,4 [40]). An ihr l. Jagdschloss Glienicke, danach Rest. "Havelschlösschen", F.: Potsdam 1549, und Rest. "Bürgershof", F.: 3128, beide mit Anlegestellen. [41]Daneben Schild "Bäckerei". (5. Auflage 1925, S. 213) Danach beginnt l. der Teltowkanal (Erlaubnis nötig).

Wir setzen unsere Fahrt geradeaus weiter fort. Durch die Glienicker Br. kommen wir auf den Tiefen See vor Potsdam, l. das Babelsberger Parkufer; Anlegen und Lagern verboten, nur bei der Fährstelle (Treppe) darf man landen.

  • Park und Schloss Babelsberg sind im Privatbesitz des ehemaligen Kaisers. [42] Das Schloss wurde im Jahre 1835 nach Schinkels Plänen durch Persius im Stil englischer Gotik (Tudorstil) mit zahlreichen Erkern und Türmen erbaut. Hier dienen die Türme teilweise auch zur Maskierung der Schornsteine. Das Schloss war bekanntlich der Lieblingsplatz Kaiser Wilhelms I. Das Innere desselben wird dem Publikum gezeigt, es ist elegant eingerichtet und enthält viele Kunstwerke. Herrlicher Ausblick aus den Fenstern der Zimmer. Der Park (1 Meile im Umfang), mit herrlichen Anlagen und Wasserkünsten aller Art, gewährt einen reizenden Aufenthalt. Von der Höhe grüßt der Flatowturm. Merkwürdig romantisch ist auch die Form des 1856 errichteten Flatowturmes, in seinem oberen Teil eine Nachbildung des Eschenheimer Torturmes zu Frankfurt am Main, im Unterbau mit Bastionen, Wassergraben, mit Zugbrücke und Kanonen versehen. Ferner die alte Berliner Gerichtslaube, 1872 von der Stelle des jetzigen Berliner Rathauses hierher verpflanzt. Am Wasser das "Damenhäuschen" im englisch-gotischen Stil.

Über den Tiefen See geht unsere Fahrt nach Potsdam weiter, r. haben wir das Bootshaus des R.-Cl. "Vineta", dann die "Havelwerft" Potsdam, Neue Königstr. 49, F.: 334; vom Bahnh.: Straßenb.-Linie B; und weiterhin vor uns auf einem Landvorsprung die Gasanst., die das Stadtbild hier wahrlich nicht verschönert. Am r. Ufer folgt dann die ehemalige Husaren-Kaserne (Leib-Garde-Husaren-Regiment (5. Auflage 1925, S. 214)), die Mündung der Holzmarktstr. (Fähre nach Babelsberg), Türk'sche Badeanstalt, der Hof der Wasserbau-Inspektion (Türkstr. 4, F.: 2805) mit Bootsschuppen (Liegestelle des großen Bereisungsdampfers "Mark" der Regierung [43]), das Proviantamt und unmittelbar daran die Abzweigung des Potsdamer Stadtkanals (km 26,6).

  • Den Potsdamer Stadtkanal zur Durchfahrt durch Potsdam zu benutzen, kann nur dem geraten werden, der über ein Boot mit ganz geringem Tiefgang verfügt und selbst gegen landwirtschaftliche und ähnliche Gerüche etwas abgestumpft ist. Er ist befahrbar, 2 km lang, 10 Br. (5. Auflage 1925, S. 214) Der Kanal zweigt schon vor der Heiligengeistkirche, beim Wasserbauamt, rechts ab und erreicht die Havel wieder bei der Planitzinsel. Der Kanal zieht sich geradlinig durch den älteren Teil der Stadt, er ist etwa 10 m breit. Wassertiefe auch im Sommer noch etwa 50 cm, und beiderseits von alten Ufermauern und Uferstraßen mit schönen alten Bäumen eingefasst. Geringer Strom, krautfrei. Anlegen überall an den Ufertreppen möglich. Das Befahren ist nur Kanus und flachgehenden Motorbooten anzuraten, Ruderboote werden durch die Brückendurchfahrten und besonders durch Mietsboote sehr behindert, da im Kanal mehrere Bootsverleiher. (Die Potsdamer Mietsboote sind meist mit Rollsitzen ausgestattet! (5. Auflage 1925, S. 214) [44]) Auf dem Kanal passieren wir gleich bei der Einfahrt r. Proviantspeicher, l. das Kellertor (quer zum Kanal stehend, Front nach der Stadt zu) und die malerische, an italienische Vorbilder erinnernde Kellertorbr., l. neue Kaserne und r. Kasino (v. 1752) des ehemaligen Gardes du Corps, Berlinerbr., r. dabei das Schauspielhaus (1793/95) mit der drolligen Inschrift "Dem Vergnügen der Einwohner" und das Berliner Tor (1752). Grüne Br., r. Hauptpostamt und Oberpostdirektion am Wilhelmplatz (anschließend das "Holländische Viertel", 1739-42) und Kaiserbrücke, Nauener Br., Ladenbergsteg, l. Preuß. Oberrechnungskammer, r. Am Kanal Nr. 24 a Ernst Haeckels Geburtshaus, l. der Lange Stall (Exerzierhaus) an der Plantage (Platz mit schönen Anlagen und Denkmal Friedrichs des Großen), Waisenbr. und am Ende der Plantage die Garnisonkirche, Ruhestätte Friedrichs d. Gr. und Friedrich Wilhelms I. Auf dem Turm der Kirche das berühmte Glockenspiel (spielt halbstündlich), r. Rechnungshof d. Dt. Reiches und Militär-Waisenhaus, die hübsche Breite Br. (1765), l. ehem. Kaserne des 1. Garde-Rgts. (Gewehrfabrik, 1755) (5. Auflage 1925, S. 215)) Kiezbr. und Eisenbahnbr. Damit mündet der Kanal an der Insel Oberplanitz wieder in die Havel unterhalb der Stadt. [45]

Am l. Ufer, etwa der Abzweigung des Stadtkanals gegenüber, liegt auf einem kleinen Vorsprung die Bootsb. von Tübbeke mit vielen Bojen für die Segelboote davor. Der Besitzer derselben übernimmt stets in liebenswürdiger Weise die Sorge für unser Boot oder die Verladung desselben auf einen vorüberziehenden Schlepper. (1. Auflage 1897, S. 87) Die roten Spierentonnen der Fahrstraße sind zu beachten. Es folgt die große Badeanstalt der Stadt Nowawes, J.-H. auf den Städt. Sportplätzen am Ende der Priesterstr., die l. durch die Schornsteine der großen Spinnereien sich bemerkbar macht, danach Bootsbauerei und die Werft der "Stern"-Dampfer-Gesellschaft. R. gegenüber die Heiligengeistkirche, vorher am r. Ufer noch die Militärbadeanstalt, Fischerstände und Speditions- und Lagerplätze. An der Heiligengeistkirche zweigt sich r. die Alte Fahrt ab (km 25.4), geradeaus geht die zum Schifffahrtskanal sich verengende Fahrstraße weiter, zwischen beiden die schmale Freundschaftsinsel; von l. her mündet unmittelbar neben der Sternwerft die Nuthe. In der Nuthe (Strömung) Bootsbauerei von Marchol mit vielen Bootsständen und Arbeiter-S.-Kl. Nowawes.


Im Boot rund um den Teltow

Die Nuthe, ein kleines Flüsschen mit ziemlich starker Strömung, mündet bei Potsdam-Nowawes in die Havel (km 26,1). Sie ist bei gutem Wasserstand für Kanus befahrbar und bietet auf Grund einer Anzahl von Wehren und Untiefen allerhand Hindernisse.

Herr W. Angrick, Berlin-Lichterfelde, teilt mir über Nuthe, Nieplitz und Dahme folgendes mit:

Es ist noch verhältnismäßig wenig bekannt, dass die vom nördlichen Fläming herabeilende und bei Potsdam in die Havel mündende Nuthe für kleine Ruderboote und Kanus die Möglichkeit einer Reihe interessanter Fahrten bietet. So kann man z. B. von der Nuthe über die Plane in den Plauer See bei Brandenburg oder über den Rangsdorfer See nach Königs Wusterhausen oder schließlich über Baruth in die obere Dahme gelangen, so dass man die durchfahrene Strecke auf der Rückfahrt nicht wieder zu berühren braucht.

Mit einem 1,25 m breiten Ausleger-Doppelskuller unternahmen wir im Frühjahr 1909 den ersten Vorstoß. Wir kamen etwa 10 km aufwärts bis zum Dorfe Saarmund. Hier trafen wir auf ein Wehr. Bei der Schwere unseres Bootes erschien ein Umgehen unmöglich, und bedrippt traten wir den Rückzug an.
    Die Rückfahrt ging mit Hilfe des Stromes sehr schnell. Das Bergholzer Wehr wurde in der Rekordzeit von zwei Minuten genommen, und am selben Abend konnten wir in Potsdam von dieser Fahrt unser Bündel zur Heimreise schnüren. Aber wir machen die Fahrt bei mehr Zeit wieder.

Hinter der Nieplitzmündung begann die terra incognita. Die bald erreichte l. abzweigende Zufahrt zum Siethener See [46] hatte bei der Größe unseres Ziels kein Interesse für uns, ebensowenig auch die darauffolgende Abzweigung nach dem Rangsdorfer See. Auf dieser wären wir schließlich in den Zülowkanal und bei Königs Wusterhausen in die Dahme gekommen, hätten also den Teltow durchquert, eine Fahrt, die schon mehrfach ausgeführt wurde. Wie gesagt, uns ließ das kalt, wir strebten gen Süden zu den Höhen des Fläming. Bei Kl. Beuthen trafen wir das zweite Wehr. Vernünftigerweise hatte man ein Schütz aufgelassen, so dass wir glatt hindurch kamen. Allmählich näherten wir uns bewaldeten Hügeln und kamen endlich in Trebbin, einem Städtchen an der Anhalter Bahn, an. Im Nu war die gesamte Jugend zur Kritik versammelt, kargte aber auch nicht mit Anerkennung über unsere Übung im Boottransport um das Wehr. Dahinter entdeckten wir zu unserer Überraschung einen auf der Karte nicht verzeichneten langen See, aus dessen Mitte sich eine kleine hohe Insel, der Burgwall, erhob. Später hörten wir dann, dass der See in seiner ganzen Größe nur bei hochgestautem Wasser besteht. Auf dem Burgwall bereiteten wir ungestört im Schein der Abendsonne unser "Mittag"essen. Als der Mond aufging, ruderten wir weiter, bis wir in dem etwas abseits liegenden Dorf Märtensmühle Unterkunft fanden.
    Am Morgen ging es bei sehr schönem Wetter früh weiter, das immer anmutiger werdende, von bewaldeten Höhen begrenzte Wiesental aufwärts. Bald erreichten wir die Mündung des von Osten kommenden schnellströmenden, klaren Hammerfließes. Die Nuthe selbst hätte uns zu dem nicht mehr fernen Luckenwalde, vielleicht gar bis Jüterbog, zwei Städten an der Anhalter Bahn, gebracht. Wir verzichteten auf eine Erforschung und bogen in das Hammerfließ ein. Dieses war stellenweise ziemlich eng und gewunden, so dass wir mehrfach nur durch Staken vorwärts kamen. Als wir gegen 1/2 1 Uhr nicht mehr weit von Scharfenbrück waren, wurde es zudem noch so flach, dass an ein Vorwärtskommen nicht zu denken war. Wir hielten Kriegsrat und waren nahe daran, die Weiterfahrt für unmöglich zu erklären, als ein Bauer uns dahin aufklärte, dass eine oberhalb liegende Fabrik das Wasser während der Mittagpause abgestellt habe. Wirklich stieg auch nach 1 Uhr der Wasserspiegel zusehends. Wir kamen nun glatt weiter und befanden uns plötzlich mitten im Fabrikhof, von der gesamten Arbeiterschaft mit Hallo begrüßt. Mein Bruder wollte hier bei einem kleinen Holzgebäude an Land springen – wurde aber gerade noch durch warnende Rufe und den eigenen Geruchssinn vor einem Unglück bewahrt. Darob große Heiterkeit allenthalben – alle Mann griffen zu, und im Handumdrehen war das Boot über den Fabrikhof und die Straße in den Staudeich befördert. Das war ja flott gegangen, da konnten wir uns erst mal im Gasth. am Teichufer eine Mittagpause leisten.
    Frisch gestärkt traten wir die Weiterfahrt an. Schwierig war die Überwindung einiger niedriger Brücken, die wir nur mit "Alle Mann voraus"- "Alle Mann achteraus" passieren konnten. Die Hauptsache sollte aber noch kommen. An einer Stelle kreuzte nämlich ein sehr fester und tief reichender Wildzaun das Fließ. Es blieb uns nichts anderes übrig, als das schwere Boot bis zu einem ca. 300 m entfernten Tor und auf der anderen Seite des Zaunes zurückzuschleifen. Glücklicherweise erleichterte eine dicke Schicht glatter Kiefernadeln auf dem Boden die Schlittenfahrt.
    Wir hatten gehofft, abends noch bis Baruth zu kommen. Infolge der verschiedenen Hindernisse war es aber 10 Uhr geworden und Baruth kam immer noch nicht. Auf den Wiesen lag dichter Nebel, durch den der Mond kaum durchdrang. Wir waren redlich müde; so machten wir das Boot an einem Busch fest, ergriffen den Rucksack und tappten durch den Nebel in Richtung Baruth. Wir kamen aber stattdessen nach Paplitz, einem kleinen Dorfe vor Baruth. Im Gasth. schlief natürlich schon alles. Als wir genügend Krach gemacht hatten, erschien jemand, behauptete aber auf unsere Frage nach Nachtquartier, wir wollten ihn nur uzen, und verschwand. Ratlos standen wir im kühlen Mondenschein - siehe, da trat als rettender Engel der Nachtwächter auf. Das war ein ordentlicher Mann mit langem weißem Schnauzbart, Spieß, Horn und Hund - wie sich's für einen zünftigen Nachtwächter schickt. Er überzeugte sich bald von unserer Unbescholtenheit und bot uns Quartier in seiner Scheune.
    Die Nacht war ehrlich kalt. Um 5 Uhr waren wir daher schon munter und besuchten unseren Nachtwächter beim Morgenkaffee. Dort heckten wir auch einen neuen Plan aus und beschlossen mit Rücksicht auf die vielen Verkehrshindernisse, für unser großes Boot die Wasser- mit der Landstraße zu vertauschen, d. h. also das Boot per Achse nach der nahen Dahme zu bringen. Wir besorgten uns in Baruth einen Wagen, wobei wir allerdings keinen Glauben fanden, als wir als Transportgegenstand ein Boot angaben. Unser Fuhrmann hegte den Verdacht, dass es sich um einen Luftballon handle. Erst der Augenschein überzeugte ihn. Das Aufladen gestaltete sich etwas schwierig, dann aber konnten wir, aller Sorgen ledig, vergnügt hinter unserer Fuhre hertraben. In Baruth gab es natürlich großen Aufstand - köstlich waren die Aufklärungen, die unser schnell sachverständig gewordener Rosselenker dem Volke gab.
    In Rietz erreichten wir die Dahme. Sie hat hier schon eine ganz hübsche Breite, ihre Befahrbarkeit fängt also schon weiter oberhalb an. Freudig griffen wir zu den Riemen, ging es doch jetzt stromab. So sehr schnell kamen wir aber doch nicht vorwärts, da der Fluss viele Windungen macht. Bei Staakow mündet er in einen Teich und bald erblickten wir eine Mühle. Das Unterwasser lag in einer tiefen, steilen Schlucht. Der Stapellauf gestaltete sich daher trotz der Hilfe des freundlichen Müllers recht schwierig. In der Schlucht waren einige umgefallene Bäume der Weiterfahrt hinderlich. Zu allem Überfluss fiel ich beim Freimachen der Fahrrinne auch noch bis zur Brust ins Wasser. Das war wenig erfreulich, da das Wetter schlecht geworden war und sich ein kalter Wind aufgemacht hatte. Als es bald darauf mit Dunkelwerden auch noch zu schneien anfing, hatten wir genug und banden das Boot im Walde an einen Baum an. Im Schutz einer Schonung konnten wir beim Schein einiger Zündhölzer ein Dorf (Freidorf) auf der Karte entdecken. Im Galopp ging es weiter, und bald waren wir da. Im Gasthaus begann die Gegenoffensive gegen den anziehenden Schnupfen. System "Vorm Schnaps 'n Schnaps und nach 'm Schnaps 'n Schnaps, un denn immer orrnlich Grog!"
    11 Uhr war es, als wir am nächsten Tag erwachten und uns der wiedererschienenen Sonne freuen konnten. Wir frühstückten gut und stark, stellten das Ausbleiben eines Schnupfens mit Genugtuung fest und wanderten dann zum Boot. Die Weiterfahrt bot keine Schwierigkeiten. Bei Teurow kamen wir an eine verlassene Mühle mit niedrigem Wehr. Wir aßen zu Mittag und setzten dann die Fahrt unter der Görlitzer Bahn hindurch fort. Hinter Wendisch-Buchholz benutzten wir den Umflutkanal und erreichten gerade noch vor Feierabend die Schleuse Prieros und schleusten durch. Nachts blieben wir in einem Gasthaus in Prieros.
    Der fünfte und letzte Reisetag erfreute uns durch schönes Wetter. Wir waren nun wieder auf bekanntem Boden - will sagen Wasser. Über Neue Mühle-Grünau-Teltowkanal sollte es nach Potsdam gehen. Am Abend hatten wir diese 80 km wirklich hinter uns gebracht, trotz der Schwere des Bootes, des Aufenthalts durch zwei Schleusen und eine 1 1/2 stündige Mittagpause und trotz des tüchtigen Gegenwindes im Kanal, der uns den letzten Teil der Fahrt sehr erschwerte. Unser Ziel, die Umfahrt um den Teltow, war damit erreicht und befriedigt. Wenn auch redlich müde, bestiegen wir das Zügle zur Heimfahrt.


Nieplitz - Nuthe - Fahrt

Nieplitz

Die Nieplitz-Nuthe-Fahrt ist eine schöne Fahrt für Klepper-Faltboote in der Mark. Vom Bahnhof Beelitz Heilstätten (ab Berlin, Bhf. Friedrichstraße, sonst über Vorortbahn und Wannsee nach Beelitz: für Faltbootfahrer, die keinen Wagen haben, ist diese Möglichkeit sehr zu empfehlen, auf dem glatten, etwa 5 km langen Wege auf Beelitz-Stadt zu.) An der Mühle bei Herrn Grunack (Beelitz i. M., Mühlenstr. 34) findet man auch Unterkommen. Nach ca. 500 m Weg findet man an der Nieplitz einen herrlichen Aufbauplatz dicht an der Straße nach Elsholz. Gleich unterhalb der Br. packen wir aus, und die starke Strömung genügt vollkommen, um uns ohne Paddelschlag vorwärts zu bringen.
    Die Nieplitz selbst, aus dem Fläming kommend, zieht hier als gepflegter Graben, stellenweise schnurgerade, zwischen der Zauche und den allerletzten Ausläufern des Fläming dahin. Die Stadt Beelitz engt als große Insel die Niederung ein, so dass unser Flüsslein dicht unterhalb des "Markendorfer Hufen" unsere Boote vorbeiführt. Trotzig recken sich die auf dem Berge stehenden Windmühlen über den Horizont hinaus, ein prächtiges Bild bietend. Einige Br. kommen, manche sind recht niedrig. Die Landschaft bekommt nun allmählich ein durchaus typisches Gepräge. Die Straßenbr. bei Stangenhagen ist passiert, bald sind wir auf dem sehr verkrauteten Blankensee. Als wir drüben in den Ort Blankensee einfuhren, waren wir nicht wenig erstaunt über die Schönheit und Ruhe, die sich uns im Park bei dem Schloss bietet. Aussteigen und ein kleiner Spaziergang lohnt sich auf alle Fälle.
    Der Grössin-See hat bei Wind eine harte, kurze Welle. Der Schiaßer See hat im hohen Schilf nur eine schmale Durchfahrt, und wir sind in kurzer Zeit an der Kietzer Br. auf der Nuthe.


In der vorhergehenden 5. Auflage 1925 hatte die "Nuthe-Nieplitz-Fahrt" noch so geklungen:

Für Boote bis zum Doppelskuller und Kanuisten schließt sich die Nuthe aufwärts eine anstrengende, aber immerhin reizvolle Tour an; Gegenstrom, Ufer zuerst etwas eintönig. Stromab machen die niedrigen überfluteten Wehre viel Spaß. Man fährt die Nuthemündung hinein, unter der Eisenbahnbr. große Steinbrocken, r. fahren; am Ende der Brücke Wehr, meist nur niedrig überflutet und aufwärts zu nehmen. Umtragen nur über den Fußgängersteg über die Bahn möglich, sonst mit Wagen durch die Stadt bis zur Nuthebrücke an der Straße nach Nowawes. Kleine Rest. v. Freye hier. Nachdem das Wehr genommen ist, gehts durch freundliches Wiesengrün, vorbei am Brauhausberge und Neuendorf. Die Nuthe hat, da sie in den letzten Jahren der Regierung Friedrichs des Großen kanalisiert wurde, hier nur wenig Krümmungen. Vor der Wetzlarer Bahn ein Wehr, Boot seitwärts durchziehen, auch Umtragen bequem. Windmühle an der Faulen Br. bei Drewitz, Gasthaus l. Hinter der Burgfischerei bei Rehbrücke geht (Wehr im Anfang) die schmale Stöcker oder Saar ab, die oberhalb von Saarmund von der Nuthe abzweigt, nicht zu empfehlen. Sodann in der Nuthe Wehr mit nicht mehr intakter Schleuse, aufwärts befahren oder umtragen. Hinter der Voigtbr. Saarmund Stauwehr, umtragen. Das Wiesental wird breiter. Teilung in drei Arme: l. Saugraben zum Gröbener-Siethener See, r. Nieplitz (Königsgraben) - 16 km ab Potsdam - zum kl. Schiaßer See, unter Br. hindurch zum Grössinsee, Fließ durch herrlichen Gutspark Blankensee ausgebaggert. Blankensee groß, kreisrund. Gegenüber der Einfahrt münden drei Wasserläufe: l. Pfefferfließ, reguliert, 1 km Dorf Stangenhagen, Fließ vermutlich ab Gottsdorf (10 km) für Kanus befahrbar. R. enger Graben zum schon genannten Neuen Königsgraben, in diesen mündet ein Fließ vom Gr. Seddiner See (E. Seddin 2500 m) - Besitzer Frau Randeweg, Seddin, Pächter Fischermeister Georg Rust, Seddin - Stau bei Kähnsdorf, Kl. Seddiner See, Mühlenfließ, Schafgr. über Stücken, selten für Faltboote befahrbar. (Im Anhang, S. 13, heißt es: "... da fast immer abgestaut, nicht fahrbar.") Wir nehmen das mittlere, breite Fließ, das uns nach Beelitz bringt, für Doppelskuller befahrbar. In Beelitz (34 km) r. Mühle, l. Wehr. Nach 4 km Gabelung: r. Neuer Graben, an Wendisch Bork vorbei, als Brück-Neuendorfer Gr. - Kleine Plane zur Plane bei Trebitz und diese weiter, l. Nieplitz weiter aufwärts, schön ausgebaggert, bis hinter Salzbrunn, Mühle, E. Buchholz-Zauche 1000 m. Weiter oberhalb für Faltboote, wohl ab Treuenbrietzen, E., fahrbar, jedoch nur im Frühjahr. Man kann dort 600 m vom Bhf., am Anfange der Stadt, einsetzen, hat aber in den Anlagen um die Stadt herum ca. 10 ganz flache Stege, die aber leicht zu umtragen sind. Besser 2 1/2 km ab Fabrik fahrbar, Wasser verunreinigt. 50 km bis zur Havel.


Hinweis 2013: 1962 wurde die Nieplitz, wie vorgeschlagen, ab Treuenbrietzen befahren ( "Vorfrühlingsfahrt auf Nieplitz und Nuthe"). Für Hammerfließ, Nieplitz, Nuthe und Pfefferfließ gibt es weitere Nachweise von Befahrungen zu DDR-Zeiten. Mit dem Errichten des Naturparks "Nuthe-Nieplitz" 1999 und seiner Ausweisung als Europäisches Vogelschutzgebiet (SPA) 2004 ist die Befahrung des Nieplitz-Unterlaufs ab Zauchwitz einschl. des Pfefferfließes, des Königsgrabens, des Neuen Königsgrabens, des Blankensees, des Grössinsees, des Schiaßer Sees sowie des von der Nuthe aus erreichbaren Gröbener Sees verboten und auch wegen zahlreicher Wiedervernässungen nicht mehr möglich. Das weiter oben erwähnte Hammerfließ ist nicht ausdrücklich gesperrt, aber in der Sumpfniederung zwischen Dümde und Paplitz gleichfalls unter Schutz gestellt und wohl auch nicht mehr geräumt. Um nicht eine offizielle Sperrung zu provozieren, sollte seine Befahrung im Sinne einer "Freiwilligen Selbstbeschränkung" unterbleiben. (Anmerkung d. Bearbeiters)


Nuthe

Nuthe. Das Wehr bei Saarmund gebietet Halt. Der Wasserstand ist günstig und wir wagen die Durchfahrt. Zwischen der Mauer und dem ersten Eisenträger ganz links fahren durch die schmale Öffnung. Kurz vor der Burgfischerei engt eine Brücke das Wasser so stark ein, dass die Boote wie durch eine Schnelle dahinschießen. Die Schönheit der Landschaft steigert sich. Wunderschön heben sich einzelne hohe Bäume vom stark bewölkten Himmel ab. Trauerweiden stehen einsam am Ufer. Sonst auf beiden Seiten weite Wiesen, in der Ferne steigen immer wieder bewaldete Hügel auf. Die Strömung ist noch stärker geworden und die Fahrt geht schneller den Türmen Potsdams zu. 300 m hinter der nun zu durchfahrenden Eisenbahnbr. kommt eine kleine Gefällstufe unter dem eisernen Steg, den wir schon von weitem sehen. 50 m hinter dieser Stufe schaut je nach Wasserstand zuweilen eine Pfahlreihe aus dem Wasser. Bei Niedrigwasser gestatten die Pfähle nur ganz rechts am Ufer die Durchfahrt. Auf dem Schlaatz, einem flachen Hügel am linken Ufer, machen wir noch einmal Rast. Dann geht's wieder unter Trauerweiden entlang bis zu den Eisenbahnbr. zwischen Nowawes und Potsdam. Noch ein kurzes Stück, dann finden wir auf der linken Seite bei der Fähre einen guten grasbewachsenen Abbauplatz. Wie mit einem Ruck ist man aus der Einsamkeit der Nuthe in das Treiben der Potsdamer Gewässer gekommen.

Den märkischen Faltbootfahrern sei dringend geraten, diese schöne Fahrt zu unternehmen. Die Strömung ist so stark, dass man die ganze Strecke sehr bequem an einem Tage schafft! Beim Wehr in Saarmund muss jedoch von Fall zu Fall die Durchfahrtsmöglichkeit geprüft werden. - Im Allgemeinen beginnt man eine Nuthefahrt in Trebbin; ich rate jedoch die kleine Mühe, die durch Benutzung der Nebenbahn über Wildpark (von Berlin) oder durch den Landweg von Beelitz Heilstätten entsteht, nicht zu scheuen. Durch die Nieplitz und noch viel mehr durch die dazwischenliegenden drei Seen gewinnt eine Befahrung dieser herrlichen Gewässer ungemein an Wert.

Nach einer Beschreibung des Herrn Fr. Bräutigam, E.-M., Mark Brandenburg: – Herr H. Maschke (Berl. Faltboot-Klub) schreibt mir: Für Faltboote zu empfehlen: Sonntagstour, stromab Trebbin-Potsdam; Aufbau. Br. über Neue Nuthe. Wehr südlich Burgfischerei zur Not fahrbar, Wehr Wetzlarer Bahn gut fahrbar; Eisenbahnbr. Potsdam, Wehr links fahren; Schleuse Alt-Beuthen [47] und Wehr Voigtbr. umtragen: Wehr südlich Burgfischerei ansehen! –


In der vorhergehenden 5. Auflage 1925 hatte die Nuthe oberhalb der Nieplitzmündung mit ihren Variationen noch so geklungen:

Nuthe weiter aufwärts, nicht r. Nieplitz zum Schiaßer See wie oben, bei Klein Beuthen l. Mühle, r. Wehr. Vor Trebbin mündet l. Haupt-Nuthe-Graben (Großbeerener Graben) s. w. u. In Trebbin Mühle. Von Trebbin, E., (2000 m) abwärts stets ausreichendes Wasser. Oberhalb Mühle Stausee mit Insel (Burgwall). (...) Nutheaufwärts Luckenwalde, weiterhin Jüterbog, E., beide ungünstig, ab besten ab Kloster Zinna. (...) Fährt man vor Trebbin l. den Haupt-Nuthe-Graben (reguliert, bei Thyrow Stau geplant), so gelangt man über Thyrow, E., (600 m, besser als Trebbin), Wietstock (Denkmäler 1813) nach Löwenbruch, hier können Kanus durch Wiesengräben, sonst über Land zum Rangsdorfer See geschafft werden. Kurz vor Jühnsdorf führt die Chaussee über den Wasserarm, der uns zum Rangsdorfer See bringt. Ist genügend Wasser vorhanden, so kann man schon hier einsetzen. Die Wasserstraße ist aber stark verkrautet. Vom Rangsdorfer See Zülowkanal (nur für kl. Boote) zur Notte. – Großbeerener Graben weiter reguliert und ausgebaggert, schon vor Heinersdorf (E. Teltow, 2500 m) oberhalb Großbeerens ab für Kanus befahrbar. Großbeeren, E., 2000 m (Denkmäler 1813), hier heißt der Gr. Lilo-Bach. 2 Stauwerke.
    Die Nuthe mit Nebenflüssen eignet sich besonders für Oster- und Pfingstfahrten, dann reichlich Wasser, herrliches Wiesengrün. Auch für Sonntags-Faltbootfahrten sehr geeignet. Nuthe selbst das ganze Jahr hindurch gut befahrbar, ebenso die Nieplitz. (...)
    Erforscher: W. Angrick, 1910, Barby, Dr. Stelzer 1924, außerdem noch früher öfter befahren. [48]
    Unter Benutzung der Nuthe ist ein Kanal geplant, der die Stadt Leipzig mit der Havel (Potsdam) verbinden soll. Der Kanal soll an Saarmund vorbei über Trebbin, Luckenwalde, Jüterbog nach Seyda führen. Er soll die Elbe ungefähr an der Mündung der Schwarzen Elster schneiden, der Elbe bis Torgau folgen, bei Eilenburg die Mulde kreuzen und über Taucha nach Leipzig führen.


Hinweis 2013: Obwohl der 1999 eingerichtete "Naturparks Nuthe-Nieplitz" den Lauf der Nuthe zwischen Jütchendorf und der Brücke der Autobahn A 10 (Berliner Ring) einschließt, ist bisher keine Sperrung ausgerufen worden. Paddler werden gebeten, sich verantwortungsbewusst zu verhalten. Der weitere Unterlauf ist durch verschärfte Regulierungen der 50er bis 70er Jahre des 20. Jh. zwar hochwasserfrei gemacht, aber in den 70er bis 80er Jahren mit Plattenbauvierteln und einer uferparallel verlaufenden Schnellstraße völlig verändert worden. (Anmerkung d. Bearbeiters)


Hammer-Fließ

Mit Dresdener Bahn vom Anhalter Bahnhof bis Baruth. Fließ in Baruth hinter Häusern versteckt, Straßenunterführung vermauert, ca. 10 Minuten zum Aufbau am Wiesenrand. Das schmale Wasser gleich an der Chaussee ist nicht das Hammer-Fließ! Durch Wiesen noch schmal, aber tief. Steg und überhängende Zweige bis zur Brückmühle bei Paplitz (l. umtragen), dann immer anmutigere Wiesenlandschaften, an der flachen Furt jetzt auch unterfahrbare Br. Bald darauf Eintritt in einen herrlichen alten Erlenhochwald **). Der Neuhofer, Schöbendorfer und Schönefelder Busch bilden einen zum Gut Neuhof gehörenden Wildpark. Die Wildparkstrecke ist bester Spreewaldersatz! Einfahrt schwierig, halb versperrt. Innerhalb 3 Staue, die nur bei hohem Wasserstande offen, im Sommer fast immer geschlossen sind, so dass dann weite Strecken des Fließbetts fast trocken liegen. Dem Gutsforstbeamten äußerst höflich gegenübertreten! Ausfahrt aus dem Wildpark unmöglich; hoher Gatterzaun auf ununterfahrbarer Waldwegbr. Falls Gattertor links von der Brücke verschlossen, Boot rechts über den hohen Drahtzaun heben und nachklettern. Ein Hochgenuss für Alleinfahrer! Bald nach Austritt aus dem Walde rechts Schönefeld (Gasth. im Dorf).

Unter der ehemaligen Militärbahn hindurch bis zur Mündung der von links kommenden vereinigten Biebert- und Wollertgraben [49]. Unbedingt dort hinein, gegen starken Strom 500 m durch sehr lohnende Waldstrecke **) fahren. Diese Gräben sind bis etwas oberhalb der Rummelbrücke fahrbar. Überall im Walde gute Lagerplätze. In Gottow Mühle l. umtragen. Gasth. am Wasser. Unterhammer-Stau rechts umtragen. Dahinter mit stärkerem Strom und Baumhindernissen nach Mühle Scharfenbrück; dort Abbau. 3 1/2 km zum Bahnhof Woltersdorf bei Luckenwalde. Baruth bis Scharfenbrück ohne Pausen ca. 7-8 Stunden. Falls mehrere Tage zur Verfügung stehen, von Mühle Scharfenbrück weiter zur Nuthe und diese abwärts. Faltbooterstfahrt: Dr. St. (= Dr. Rudolf Stelzer, Berlin-Pankow, Wollankstraße 1, vor 1925 (Anmerkung d. Bearbeiters))


Hinweis 2013: Das bereits oben erwähnte Hammerfließ ist nicht ausdrücklich gesperrt, aber mitsamt dem Sumpfwald zwischen Dümde und Paplitz ("Neuhofer, Schöbendorfer und Schönefelder Busch") unter Naturschutz gestellt und wohl auch nicht mehr geräumt. Deshalb sollte eine Befahrung oberhalb der Brücke Schönefeld - Stülpe im Sinne einer "Freiwilligen Selbstbeschränkung" unterbleiben. (Anmerkung d. Bearbeiters)


Fahrt auf der Havel weiter

Biegen wir mit Ruderbooten an der Freundschaftsinsel r. in die Alte Fahrt ein (km 26,2), so offenbart sich uns ein idyllisches Stück Alt-Potsdam , malerisch drängen sich die Hinterhäuser und Speicher der Burgstraße, des ältesten Teiles der Stadt, ans Wasser, über sie grüßt der mächtige Kuppelbau der Nikolaikirche herüber. Es lohnt sich wohl, dieses "Klein-Venedig" in Augenschein zu nehmen. Wir finden hier gleich vorn l. den sehr großen Bootsschuppen der Bootswerft "Nixe", r. den Speditionshof von F. Brose (5. Auflage 1925, S. 217), Burgstr. 28/29, F.: 3657 und 3658. Wer sein Boot auf dem Wasserwege verfrachten will, hat hier die beste Gelegenheit. Der Spediteur hat mit eigenen und fremden Schiffen wöchentlich zweimal Verbindung nach Magdeburg, Berlin und weiter nach allen Plätzen am Wasser. Sachgemäßer Verladung sind wir gewiss. Ruderboote und Jollen bis 20 Zentner Gewicht können direkt mit dem Kran verladen werden. Dahinter r. das einfache Gartenrest. von Pius Ludwig, F.: 1578. (5. Auflage 1925, S. 218) Das l. Ufer bildet die Freundschaftsinsel. Hier haben wir gleich am Anfang die Bootsbauereien von Kuhlbrodt und von Georg Ebel, wo sich der Berl. C.-Kl. "Havelbrüder" befindet; weiter hinten wird ein großes Bootshaus der Gesellschaft zur Förderung des Schülerruderns an den höheren Lehranstalten in Potsdam entstehen, das 5 Potsdamer Schülerrudervereine (der 5 höheren Knaben- und Mädchenschulen) unter Beihilfe der Stadt errichten. [50] Vor der dann folgenden Kaiser-Wilhelm-Br. (Langen Br.) (km 25.6), die den Schifffahrtskanal, die schmale Freundschaftsinsel und die "Alte Fahrt" übersetzt, haben wir noch Hotel "Stadt Königsberg" und Palast-Hotel "Potsdam"; Wein- und Bierstuben; beide mit vornehmer Terrasse am Wasser. Die Bittschriftenlinde vor dem Stadtschloss am Ende der Langen Br. Hinter der Br. r. Stadtschloss und Lustgarten, l. schöne Anlagen, danach vereinigen sich beide Havelarme wieder, dicht vor der Eisenbahnbr.

Die Durchfahrt durch die Lange Br. (Mitte 1,70 m) ist nur Ruderbooten gestattet. Alle anderen Boote müssen an der Heiligegeistkirche geradeaus den "Schifffahrtskanal" benutzen. (Anlegen in ihm verboten, zwischen den beiden Br. auch das Segeln.) Am Schifffahrtskanal haben wir erst l. die Nuthemündung (km 26,1), dann einen Eisenbahnkran und passieren auch auf ihm die Lange- oder Kaiser-Wilhelm-Br. (km 25.6; r. 3,61 m, 1. 3,96 m) mit dem Denkmal Kaiser Wilhelm I., in beiden Fahrtrichtungen ist die jetzt r. liegende Durchfahrt (die nördliche) zu benutzen, die l. ist für die Sterndampfer vorbehalten, die dicht hinter der Br. ihre D.-St. haben. Sie stützen sich auf das Rest. "Der Havelhof", Saarmunderstr. 1/2, F.: Potsd. 3944. An dieser vorbei schwimmen wir auf die Eisenbahnbr. (km 25,4; 5,24 m) zu. Unmittelbar vor ihr mündet r. die "alte Fahrt" wieder ein. Hineinblickend sehen wir das Stadtschloss, überragt von der mächtigen Kuppel der Nikolaikirche, r. davon die vergoldete Figur des Atlas mit der Weltkugel auf dem Turm des Rathauses von 1753. Vor dem Stadtschloss die historische Bittschriften-Linde. Die Eisenbahnbrücke ist im Umbau, wegen der zurzeit sehr engen Durchfahrt ist größte Vorsicht am Platze, rechtzeitig stoppen! Je nach der Erfordernis der Bauarbeiten ist die entsprechend bezeichnete rechte oder linke Durchfahrt zu nutzen. Die kleineren Landjoche sind nicht fahrbar. Die Br. mit ihren beiden für die Schifffahrt nicht sehr günstigen Öffnungen wird durch eine neue von 61 m Durchfahrtbreite ersetzt, der mittlere Strompfeiler fällt dann fort. (5. Auflage 1925, S. 128) Potsdam bietet fremden Booten nicht viel Gelegenheit zum Anlegen, Rest. liegen in der Stadt auch nicht recht geeignet am Wasser. Ruderboote legen bei den ansässigen Vereinen an, Segelboote usw. ebenfalls bei den Vereinen oder bei einer der Bootsbauereien. (Von den Bootsbauereien auf der Freundschaftsinsel setzt man nach der Burgstr. über.) Eine Boje oder ein Platz am Steg ist noch immer frei. Zu kurzem Aufenthalt, um in der Stadt einzukaufen, kann man auch an der Holzmarktstr. mit kleineren Booten am Steg der Fährstelle an Land gehen, Ruderboote können auch unmittelbar unterhalb der Langen Br. an deren Steinstufen anlegen, Vorsicht aber wegen der an- und abfahrenden Sterndampfer, ferner auch in der Alten Fahrt an der Langen Br. dicht am Stadtschloss; Straßenbahn, Post und Bahnhof nahebei, ebenfalls am Alten Markt. Am Alten Markt (Stadtschloss, Nikolaikirche, Rathaus) alle Geschäfte; Bootsartikel und Eisenwaren: F. G. Selle, F.: 2922, Wassersporthaus Potsdam (Fritz Krüger), Burgstr. 1; Seilerwaren, Blöcke; H. Leiter (Inh. Thiesen), Alter Markt 9, F.: 3429. Auskunftsstelle des Verkehrsvereins im Palast Barberini, Alter Markt, F.: 4201. Benzindepot: Kiez 14 und Wall am Kiez, Alfred Ebel, Bootsplatz und Neue Königstr. 7, August Schließmann, F.: 1586. (5. Auflage 1925, S. 219)

  • Potsdam, die Perle des schönen Havellandes [51], war bis zum Jahre 1918 die Residenz der Fürsten aus dem Hause Hohenzollern. Wenn auch der Glanz des Kaiserlichen Hofes verschwunden ist, die künstlerischen Schöpfungen des Herrschergeschlechtes, das hier seinen Ruhesitz hatte, sind geblieben und machen die Stadt innerhalb des Rahmens reizvoller Umgebungen zu einer europäischen Sehenswürdigkeit ersten Ranges. Potsdam liegt in der anmutigsten Gegend der Mark Brandenburg. Sowohl die Havel, welche den südlichen Teil der Stadt umspült und dort weite Wasserbecken bildet, wie die rings aufsteigenden Hügel verleihen der Landschaft einen überaus malerischen Charakter, dessen Reiz seitdem noch durch die Hand der Kultur und Kunst außerordentlich gehoben wurde und nun in der Ferne von prächtigen Schlössern mit ihren Kunstschätzen und herrlichen Parkanlagen neue Schönheiten entfaltet. Die Wenden, welche sich bis gegen 800 n. Chr. als unbestrittene Herren des Havellandes betrachten konnten, gründeten wahrscheinlich schon in früher Zeit ein besonderes Fischerdorf, einen sogenannten Kietz, wie solche Siedlungen, von dem wendischen Ausdruck abgeleitet, genannt werden. Die erste Erwähnung Potsdams, allerdings in der wendischen Form Pozdupimi, findet sich bereits in einer Urkunde Kaiser Ottos III. von 993 mit dem Namen Potsdubéni (Potzdupéni oder Potsdemp, d. h. unter den Eichen (2. Auflage 1909, S. 154)). Die Gegend um Potsdam war, wie man jetzt besonders nach den in den letzten Jahren gemachten Funden behaupten kann, wohl vor 4000 Jahren schon bewohnt gewesen. Diese Bewohner waren ein germanischer Volksstamm. Sie verließen bis auf kleine Reste etwa in der Zeit um 200 nach Chr. Geb. ihre Wohnsitze, den in großer Zahl von Osten her vordringenden Slawenstämmen weichend, und zogen nach dem deutschen Süden. Der Große Kurfürst begann 1660 den Bau des Stadtschlosses, und seitdem haben alle Hohenzollernfürsten etwas hinzugefügt. So ist Potsdam zu dem geworden, was es heute ist, ein Heiligtum Preußens. Der eigentliche Begründer der Bürger- und Soldatenstadt Potsdam war der König Friedrich Wilhelm I. (1713-40), der "Soldatenkönig", dessen "große Grenadiere" die Pflanzschule der Armee darstellten. Als nach 1720 die Altstadt erneuert und ausgebaut war, begann die erste Stadterweiterung, welche die Stadt zunächst bis zur heutigen breiten Charlottenburger Straße ausdehnte. Im Jahre 1732 folgte dann die zweite Stadterweiterung. Der Stadtkanal wurde bis zum Kellertor, wo sich jetzt das Wasserbauamt befindet, verlängert und damit das Burgstraßenviertel als neues Stadtgebiet einbezogen. Ebenso wurde die neue Stadtmauer außerhalb des Kietzes errichtet. Sie folgte nun dem Zug der heutigen Kaiser-Wilhelm-Straße und enthielt die heute noch vorhandenen Tore: Brandenburger-, Jäger- und Berliner Tor. Unter seinen Nachfolgern war es besonders sein großer Sohn, Friedrich der Große (II., 1740-86), mit dem die Potsdamer Blütezeit beginnt. Er schuf die Stadt neu - sie ist heute noch die geschlossenste Barockstadt - baute das weltberühmte Schloss Sanssouci und das wahrhaft königliche Neue Palais und hob den Gewerbefleiß. Friedrich Wilhelm II. (1786-97) baute das Marmorpalais und schuf den herrlichen Neuen Garten und die Anlagen auf der Pfaueninsel, Friedrich Wilhelm III. (1797-1840) brachte die Stadt nach den schlimmen Kriegsjahren wieder hoch und schuf die Schlösser Charlottenhof, Glienicke und Babelsberg nebst ihren Parks. Den größten Anteil hat jedoch der kunstsinnigste aller Hohenzollernherrscher, Friedrich Wilhelm IV., der "Romantiker auf dem Thron", dessen künstlerische Schöpfungen die Schönheit der Stadt und besonders der Landschaft Potsdam vervollständigten und Stadt und Landschaft zu einem Ganzen zusammenfassten, wie wir es heute sehen. So schuf er viele neue Anlagen in Sanssouci, ließ den mächtigen Kuppelbau der Nikolaikirche entstehen, baute die Orangerie, errichtete die stimmungsvolle Friedenskirche (in der er auch beigesetzt ist), die Heilandskirche am Port in Sacrow und all die übrigen romantischen Bauten an der Wasserseite und in der Landschaft Potsdam, zu denen wir heute wallfahrten. In der Zeit Kaiser Wilhelms I. und II. entstanden dann die modernen Bauten: Lange Br., Glienicker Br., die Kriegsschule auf dem Brauhausberg und viele Bauten für Behörden, überhaupt wurde das Vorhandene vervollständigt, geschmückt und ausgebaut, besonders auch Sanssouci.
        Es ist außerordentlich schwer, der Bedeutung der Stadt in Worten gerecht zu werden, und es ist auf unserm beschränkten Raum ganz unmöglich. Die Stadt glänzt schon rein äußerlich durch die Schönheit ihrer Bauten - nicht nur der Schlösser, sondern auch der öffentlichen Gebäude und besonders der Bürgerhäuser, den Kranz der Schlösser mit ihren Parks und der Waldumgebung und, was für uns besonders in Betracht kommt, durch die nach allen Richtungen sich ausdehnenden Seen, die über 1000 ha Fläche ausmachen (1500 ha Park, 6000 ha Wald, 1000 ha Seen). Und über allem liegt der Hauch, den die Wirksamkeit tatkräftiger Hohenzollernfürsten über sie gebreitet hat. Mit den Herrschern Hand in Hand gingen die bedeutendsten Baukünstler ihrer Zeit, Schlüter, Gerlach, Schinkel, Knobelsdorff (Sanssouci), Gontard, Unger, Persius, Langhans, Schadow, Stüler, Hesse, Schwechten, als Gartenkünstler Lenné, aber auch Friedrich der Große und Friedrich Wilhelm IV. wirkten unmittelbar als schöpferischer Genius. So entstand das heutige "Schöne Potsdam". Den alten Charakter als Soldatenstadt hat Potsdam heute ganz verloren. Mit seinen 65.000 Einwohnern und als Kunststätte und vornehme Wohn- und Gartenstadt sowie mit seinem regen Fremdenverkehr behält es jedoch seine bedeutende Stelle unter allen deutschen Städten. [52]
        Am sehenswertesten ist Schloss Sanssouci, [53] das auch heute noch nichts von seiner Anziehungskraft eingebüßt hat, ferner das Neue Palais. Um Potsdam zu besichtigen, versieht man sich am besten mit einem gedruckten Führer, den man in jeder Buchhandlung und im Büro des Verkehrsvereins im Palast Barberini, F. (4201), erhält. Zum Besuch der Sehenswürdigkeiten ist folgender Weg vorzuschlagen: Lange Br., Besichtigung des Stadtschlosses und der Gebäude am Alten Markt, der Garnisonkirche, weiter über das Brandenburger Tor nach Sanssouci, am Eingang dazu die romantische Friedenskirche (1845-48) mit Gruft Friedrich Wilhelms IV. und seiner Gemahlin, dabei das ernste, wundervolle Mausoleum Kaiser Friedrichs, durch den Park, an der großen, 36 m hoch steigenden Fontäne vorbei und über die 6 Terrassen hinauf zum Schloss Sanssouci, daneben die Historische Mühle. Hinter dem Schloss Café-Rest. "Zur historischen Mühle". Möglichst besuche man auch den Ruinenberg mit dem Riesenbassin zur Speisung der Fontänen, von ihm aus hat man einen herrlichen Blick über die Stadt, ihre Schlösser und die sanft geschwungenen Höhenzüge. Weiter durch den Park zur Orangerie (1850-56) mit den prachtvollen Ergänzungen Wilhelms II., weiter immer im Park von Sanssouci zum Antikentempel, in dem die Kaiserin ihre Ruhestätte gefunden hat, und zum mächtigen Neuen Palais (1763-70), das über 200 Zimmer enthält und mit 428 Statuen geschmückt ist. Anschließend die Kommuns. Im Neuen Palais wohnte der Kaiser. [54] Weiter über die Römischen Bäder zum Schloss Charlottenhof und zum Parkausgang an der Viktoriastr., von wo man die Straßenbahn zur Rückfahrt benutzt. Damit ist ein sehr langer Vormittag ausgefüllt. Wer es sehr eilig hat und nur die Sehenswürdigkeiten von Sanssouci besuchen will, fahre gleich mit der Straßenbahn bis zum Brandenburger Tor, wo er an der Friedenskirche den Park betritt. Hervorragend schön ist auch der Neue Garten mit dem Marmorpalais am Heiligen See und der Meierei am Jungfernsee. Rest. Meierei; F.: Potsdam 1017, D.-St., einziges Lokal im neuen Garten am Jungfernsee. Zu Fuß durch die Stadt oder mit der Straßenbahn B bis Behlertstr. oder, wenn man die Glienicker Br. noch nicht besichtigt hat, bis zu dieser und von ihr an der "Matrosenstation" vorbei in den Garten, der nach dem Muster des Parks von Wörlitz angelegt ist. Im Marmorpalais wohnte der Kronprinz, auch der Kaiser als Prinz; jetzt wohnen die Söhne des Kronprinzen im großen Landhaus Cecilienhof dicht dabei im Park. Herrlich ist eine Kaffeerast in der Meierei mit ihrem wunderschönen Ausblick auf den Jungfernsee. Auch den Pfingstberg mit Schloss und unvergleichlich prächtiger Aussicht sollte man von hier noch besuchen. Sehr sehenswert ist ferner Park und Schloss Babelsberg, zu dem man von der Holzmarktstr. überfährt. Unmittelbar bei der Stadt bietet der Brauhausberg (am Bahnhof) vom Kaiser-Friedrich-Blick oder noch schöner von seinem alten Belvedere der Königin Luise aus herrliche Aussicht über die Stadt, den Kranz der Havelseen und die Hügelsäume der Wälder. Auf dem anschließenden Telegraphenberg das astrophysikalische Observatorium (nur Freitags Nachmittags zu besichtigen) mit dem größten Fernrohr Deutschlands, für die Forschungen Prof. Einsteins (Relativitätstheorie) ist hier ein besonderer Fernrohrturm erbaut, ferner das Geodätische Institut und Zentralbüro der internationalen Erdmessung und das Meteorologisch-Magnetische Observatorium. - Potsdam, das schon 1795 die erste preußische Kunststraße (Chaussee) erhielt, wurde 1838 durch die erste Eisenbahn in Preußen mit Berlin verbunden. Heute verkehren über 150 Züge täglich zwischen Berlin und Potsdam.
        Rest. und Hot. sind "Stadt Königsberg" (r. vor der Langen Br. unmittelbar vor dem Palast Barberini, Brauerstraße 1/2, F.: 229, "Zum Schwan", Waisenstr. 13, F.: 641; Café Sanssouci und Rest. "Zum Schultheiß", An der Langen Br., F.: 395, und viele andere. J.-H. Postautolinien nach Caputh, Nedlitz-Fahrland (Kartzow), Rehbrücke (Saarmund), Bornim (Alt-Töplitz), Stücken, Seddin, Luckenwalde, Baumgartenbrück (Glindow), Trebbin, Neubabelsberg; außerdem Gesellschafts - Rundfahrten ab Berlin, Unter den Linden (Elite-, Käse's Rundfahrten, Aboag, Reichspost u. a.), Straßenbahnen in der Stadt. Dampfer ab Berlin, in Potsdam ab Lange Br. nach Ferch, Werder, Nedlitz, Paretz, Wannsee, Spandau usw.
        In Potsdam hat der Havel-Regatta-Verein, dem Vereine von Werder bis hinauf nach Tegel angehören, seinen Sitz. Ferner Ruderkl. technischer Assistentinnen (1921), K.-Vg. "Potsdam", Potsd. C.-G.
        Wir dürfen Potsdam nicht verlassen, ohne das berühmte "Potsdamer Stangenbier", das in hohen Zylindergläsern ausgeschenkt wird, probiert zu haben, und Kranken wie Gesunden mundet der "Potsdamer Zwieback" aus der Hofbäckerei Rudolf Gericke, am Stadtschloss, vortrefflich. (5. Auflage 1925, S. 222)[55]

Wir setzen unsere Fahrt fort. Die Eisenbahnbr. (km 25.4 [56]; 3,93 m über M.-W.) liegt hinter uns, und r. an der Laubenkolonie vorbeifahrend, halten wir etwas l., da die Ecke flache Stellen hat. Die große Bucht vor uns führt den Namen Vorder-Kappe. L. haben wir den Brauhausberg mit den weißen Kuppeln des Observatoriums, davor am Wasser das Proviantamt, </span>den R.-Cl. "Westen 1910" (30. XI. 1910; Bootshaus: Leipziger Str. 9), eine Badeanstalt, die Städt. Wasserwerke, den Potsdamer Seglerklub "Wiking" und das Bootshaus der Potsdamer Kanu-Gesellschaft (26. VI. 1919, Leipziger Str. 10), kenntlich an den beiden stumpfen Türmchen, unmittelbar bei den Städt. Wasserwerken in der Teltower Vorstadt (F.: Potsd. 5326). Am Luisenhof (Mädchenpensionat) vorbei kommen wir zum schönen Judengraben.

  • Der Judengraben ist mit Weiden bestanden und hat fette Wiesen zu beiden Seiten, er ist für Ruderboote befahrbar (2 Br., 1,50 m) und bringt uns in die Hinter-Kappe und damit zum Templiner See (Havel), in dessen Hintergrund die Höhen des Obstdorfes Caputh aufragen. Auch bei Niedrigwasser ist die Durchfahrt möglich, nur in ganz außergewöhnlich trockenen Sommern fraglich. Unter der zweiten Br. Vorsicht, altes Brückenfundament unter Wasser! Die schöne Bucht Hinter-Kappe soll Wasserflughafen werden.

Wir wenden uns an der Laubenkolonie in einem großen Bogen nach r. (Tonnen beachten!) und sehen r. am Ufer den Potsdamer R.-Cl. (6. XI. 1883; F.: 1650, wo wir in dem 1908 neu erbauten Hause stets freundliche Aufnahme finden. Sitzungslokal im S. Bootshaus, im W. H. "Stadt Königsberg" (2. Auflage 1909, S. 154) Das Bootshaus liegt am Eisenbahndamm hinter dem Lustgarten; Teltower Vorstadt; es ist nur ganz flachen Booten zugänglich).

  • Dahinter ragt über das Grün des Lustgartens der 90 m hohe Turm der Garnisonkirche hervor, das Wahrzeichen der Stadt. Die Garnisonkirche ist die Ruhestätte Friedrichs des Großen und seines Vaters, Friedrich Wilhelms I., des "Soldatenkönigs". (Besichtigung der Kirche jederzeit.) Auf dem Holm des Turmes fällt die mächtige Wetterfahne auf, unter einer vergoldeten Sonne dreht sich ihr Balken, auf der einen Seite den kgl. Namenszug (F. W. R.) tragend, auf der anderen einen zur Sonne auffliegenden Adler. Auf dem Turm spielt seit 200 Jahren das berühmte Niederländische Glockenspiel, es erklingt alle halbe Stunde, außerdem zu jeder Viertelstunde ein kleiner Musiksatz und in der Mitte jeder Viertelstunde ein "Vorschlag". Wir können das Glockenspiel hier vom Wasser gut hören; zu jeder vollen Stunde spielt es "Lobe den Herren" und zu jeder halben Stunde "Üb' immer Treu' und Redlichkeit", erst die Melodie, dann eine Variation. Am schönsten ist es, wenn schöne Weisen durch die ehernen Stimmen der 40 Glocken über die Stadt schallen. (Professor Becker.)

Wir baden uns in Glockenklang und Sonnenschein und steuern hinaus in die sich wieder öffnenden Havelseen. [57] Zuerst müssen wir jedoch noch achtgeben in der schmalen Durchfahrt zwischen dem Tornow (l.) und den Inseln Ober- und Unter- (Kl. und Große) Planitz (Tonnen beachten, Raum geben!). R. hinter der Oberen Planitz mündet der Potsdamer Stadtkanal (km 24,5 [58]), der vom Tiefen See abzweigte. Auf der Unteren Planitz der V. Potsdamer Renn-Segler (1921) und Motorbootwerft; F.: 26.

  • R. hinter der Planitz Durchfahrt zur (im Sommer stark verkrauteten) Neustädter Havelbucht, hier an der Durchfahrt r. Ruderbund "Bismarck" (10. VIII. 1905; F.: 1423), weiterhin r. Bootsh. der"Paddler-Vg. Potsdam"(1923) imRest. Froschkasten, Wall am Kietz 3. L. auf der Bootswerft, Auf dem Kiewitt 7, hat die Wassersportgesellschaft "Spreestern" ihr Heim. Weiterhin fällt uns hier auf das Wasserwerk für Sanssouci, das in Gestalt einer Moschee erbaut ist (1841). Am r. festen Ufer vor der Planitz Bootswerften und Bootsverleihungen; F.: 3481.

Noch vorher, gleich hinter dem Bootsh. des Potsdamer Ruderklubs, Liegeplatz der Fahrzeuge des Wasserschutzes, Priesterstr.; F.: 2718. An der Ober-Planitz Bootsbauerei M. Schmager. (5. Auflage 1925, S. 224) Es folgt die zweite Einfahrt zur Neustädter Havelbucht (Floßholz), Charlottenhof, E. [59], mit der D.-St. Kiewitt, Bootswerft Charlottenhof und die Fähre nach Hermannswerder (Tornow).

Linker Hand liegt die Halbinsel Der Tornow. Ihr nördlicher Zipfel heißt der Küssel (km 22,2 [60]), der südliche Hermannswerder (Rest., D.-St. u. Kahnfähre); Wirtsh. "Alter Tornow", F.: Potsd. 1240, noch sehenswerte Friedericianische Räume.

Kranken- und Diakonissenhaus ("Hoffbauerstiftung"). R. Hand ist die Mündung des Schafgrabens, davor der Potsdamer Segler-Verein (24. II. 05); Mastenkran. Der Verein hat schon 1908 seine erste Wettfahrt auf dem Templiner See abgehalten. Die alten Havelfischer nannten den See "Triest". Es folgen das Proviantamt, das Elektrizitätswerk mit Ladekran zum Mastsetzen, die prinzlichen Villen Ingenheim (Wohnsitz des Prinzen Eitel Friedrich) [61] und der ehemalige Zeppelinhafen, jetzt Bootswerft (Potsdam-Wildpark; F.: 557) (5. Auflage 1925, S.224).

An dem geschützten Westufer hat die Stadt Potsdam eine Sportanlage, die das ganze Gelände des ehemaligen Luftschiffhafens umfasst, errichtet. Die 1000 m lange Wasserfront wird auch für die Wassersportindustrie zu Ausstellungszwecken verwendet. Außerdem sind Tribünen und Starteinrichtungen geschaffen worden, die zur Abhaltung von Wettfahrten geeignet sind. Im Anschluss an das Ausstellungsgelände sollen auch einige Grundstücke für Wassersportvereine bereitgestellt werden. Durch die Ausbaggerungen ist das bisher seichte und verkrautete Ufer zugänglich gemacht worden. Die Luftschiffhalle ist seinerzeit als Bahnhof nach Spanien verkauft. [62] Auf dem Sportplatz der Stadt Potsdam befindet sich auch das Bootshaus der Wassersport-Vg. des Vereins für Leibesübungen, Potsdamer Sportfreunde 04; Wirtshaus zum Luftschiffhafen; F.: Potsdam 185, neu eröffnet: Familien-Strandbad, Regatta-Haus (km 21,80), Potsdam, am Templiner See gegenüber.

  • Kommt man in umgekehrter Richtung und will nach Potsdam, so hält man auf den l. der Stadt sich zeigenden spitzen Kirchturm (bei den Schornsteinen) zu, die Fahrstraße schwenkt erst kurz vor der Stadt nach r. um. Ein kleinerer ähnlicher Kirchturm auf Hermannswerder bleibt vorher r. Ruderboote, die den näheren Weg durch den Judengraben nehmen wollen, halten auf dem Templiner See schräg nach r. herüber auf die breite Kuppel der Nikolaikirche, sie lassen Hermannswerder l. und gelangen durch den Judengraben sogleich in die Vorder-Kappe. [63] Vorsicht, im Judengraben unter der 1. Br. altes Fundament dicht unter Wasser; l. fahren.

Von den Bergen vor uns winken schon die ersten Häuser und Villen des Obstdorfes Caputh, E. ( Rest. u. D.-St, Lindenstr. 32; F.: Potsdam 343). Vor der Fähre l. in der Ecke die Bootswerft. Es folgt das Caputher Gemünde. Von Potsdam über Templin nach Caputh verkehren Postautos, Straßenbahn geplant. [64] Templin, D.-St. (km 20,3), Holzablage.

  • Ruderboote können am r. Ufer hart um den Espenhahn biegen (U. F. Gaisberg, Kaiserl. Badeanstalt (3. Auflage 1919, S. 198)) und gelangen unter der Br. der Eisenbahnstrecke Wildpark - Treuenbrietzen nahe am r. Ufer durch den Petzinsee. Bootswerft, Kanustation. Bhf. l., und den Wentorfgraben (Neuer Graben) mit der Wentorfbr. in den Schwielowsee – Karte 12 – (km 20,3; diese Strecke ist für Ruderboote auch zur Einfahrt in den Schwielowsee bei stürmischem Wetter vorzuziehen). Die Buchen, welche diese schmale Furt, dessen Wasser so klar ist, dass man bis auf den Grund sehen kann, an beiden Seiten umsäumen, vereinen ihre mächtigen Laubkronen zu einem herrlichen Dome, durch den nur gedämpft die Sonnenstrahlen dringen. Niedriges Erlengebüsch und ein saftiger Rasenteppich fassen die Ufer ein. Hier sind Lagerstellen, wie wir sie uns wünschen; hier in stiller Waldespracht, wo nur die zahlreichen gefiederten Sänger, welche ihre Lieder in den Zweigen erschallen lassen, unsere Beobachter sind, da findet der Wanderruderer sein Dorado. Im Sommer bei der Ausfahrt in den Schwielowsee sehr flach!
        Bis Caputh sind am Ufer keine historischen Stätten mehr zu sehen. Das Dorf Caputh erhielt der Baumeister Chieze vom Großen Kurfürsten als Geschenk und erbaute im Jahre 1660 dort mit dem Blick auf den Templiner See ein Schlösschen im französischen Barockstil, welches bis heute noch wohlerhalten, vor dem Kriege wiederhergestellt worden ist. Nach dem Tode des Baumeisters wurde es als Witwensitz der Kurfürstin Dorothea ausgebaut.

Die öffentliche Fahrstraße führt dagegen durch eine Eisenbahnbr. an Caputh, E., vorüber, welches l. bleibt (Vorsicht an der Kettenfähre (km 18,6)), der Bau einer Brücke ist beschlossen und wird bald begonnen (5. Auflage 1925, S. 225 [65]); daselbst Rest. "Zur Fähre" mit D.-St. unter langgestreckter Eisenbahnbr. (km 17,5; 4,09 m) (Caputh - Geltower Bahn) hinweg zur Ausfahrt aus dem Caputher Gemünde in den SchwielowseeKarte 12 – (km 16,8; bei Sturm Achtung am Gemünde vor W-Wind; bei SW-Wind hoher Wellengang auf der Strecke zwischen Caputh und Baumgartenbrück). Die r. vorspringende langgestreckte Mole ist mit Leuchtfeuer versehen; Vorsicht: flach! Das Feuer ist durch Blinke von 2 Sekunden Dauer mit Pausen von ebenfalls 2 Sekunden gekennzeichnet. Die Untiefe westlich der Schifffahrtsstraße nach der Baumgartenbr. hin wird durch einen roten Sektor von 30 Grad gedeckt; vgl. Karte 12. R. hinter der Mole: Freibad "Schwielowsee". L. am See haben wir die D.-St. mit Rest. "Schwielowsee" (Friedrichshöhe), am Fuße der 75 m hohen langgestreckten Krähenberge, von denen herrliche Aussicht ist. [66]

  • Der Schwielowsee (km 16,8) ist mit die größte Ausbuchtung der Havel. [67] Er ist 870 ha groß, 5,5 km lang, 2 km breit und bis 8,9 m tief. Jedoch hat er, namentlich an der Ostseite, flache Ufer und zwischen Caputh und Petzow in der Mitte flache Stellen, 1 m tief. Also Vorsicht und Karte 12 beachten! Wundervoller Hochwald bedeckt das Ufer. R. haben wir das Dorf Petzow (km 1,0 [68]) mit der 1841 nach Stülers Plänen erbauten Kirche (vom Turm prächtige Aussicht) und großem Rittergut (nicht anlegen!) [69] und Schloss am Haussee. An dem Gänsehorn vorbei finden wir in der tiefen Ausbuchtung (km 3,0 [70]) die Ziegelei Löcknitz, das Dorf und die Försterei Mittelbusch mit Gasth. Flach! Weiter folgt die Kolonie Neue Scheune (km 4,2 [71]) und Haus am See, D.-St. Bootsstege, F.: Werder 184; dahinter folgt Rest. "Zum Birkenwäldchen", F.: Werder 732, und Kurhaus Ferch, F.: Werder 147, D.-St. Bhf. Ferch-Lienewitz 35 Min.; Caputh - Schwielowsee 1 Std., und ganz am Südufer das malerisch schön gelegene Dorf Ferch, (km 4,6 [72]), E., Ferch - Lienewitz. Die an Hügelrücken zerstreut liegenden Häuser geben dem Ort das Gepräge eines kleinen Gebirgsdorfes. Von den Uferhöhen hübsche Ausblicke; beliebte, auch von Malern gern und viel besuchte Sommerfrische. Jetzt wenden wir unseren Kurs wieder nach Norden und kommen zu der kleinen Ansiedlung Flottstelle mit Forsthaus und dem Waldrest. Jedoch Vorsicht, da auch hier eine flache Stelle sich weit in den See hinzieht. Flottstelle ist erst anzusteuern, wenn man es querab hat! [73] Weiter nach Norden ziehend, kommen wir wieder nach Caputh zurück. Die Bewohner treiben viel Gemüse- und Obstbau (namentlich Erdbeeren); zur Zeit der Baumblüte bietet der Ort einen prächtigen Anblick.
        Für Segler und Motorbootfahrer hat der Schwielowsee drei Anlegeplätze, nämlich an der Ostseite des Sees die Anlegestelle Flottstelle. Sie liegt hinter einem Rohrkamp mit ganz flachem Wasser, doch kann man mit Booten von etwa 1 m Tiefgang an der dortigen Br. anlegen. Ferner in Ferch, auch hier kann man nur bei hohem Wasserstande an dem am Dampfersteg befindlichen Bootssteg anlegen. Bei Neue Scheune ist es besser. Hier kann man mit Jollen selbst bei niedrigem Wasser an Land kommen. Für tiefere Boote der übliche Kurs längs der roten Tonnen vom Caputher Gemünde in Richtung Baumgartenbrück, dann von der westlichen Tonne Kurs nahezu auf Petzow und weiter auf das Gänsehorn, dieses Steuerbord fast streifend und dann direkt auf Ferch oder Neue Scheune. Es gibt noch zwei weitere Wege. 1. Vom Caputher Gemünde zur zweiten, westlichen, roten Tonne und von dieser direkt auf Ferch oder Neue Scheune zu. Das Krautfeld von Friedrichshöhe bleibt dabei etwa 200 m auf Backbord. 2. Vom Gemünde aus am Schilfgürtel von Friedrichshöhe entlang streifend, bis Neue Scheune in Sicht kommt, und dann dicht Steuerbord darauf direkten Kurs nehmen. Das Krautfeld bleibt ziemlich dicht Steuerbord, ist aber in etwa 2 m Abstand vom Schilf am schüttersten.

Fahrzeuge, die von Baumgartenbrück her kommen, müssen im weißen Sektor bleiben, dürfen also das Licht nie rot sehen, die von Ferch her kommenden halten sich wie vorher beschrieben ganz auf der Petzower Seite mit Kurs auf Baumgartenbrück, durchqueren den roten Sektor und dürfen ihr Ruder zur Fahrt auf Caputh erst legen, wenn sie das Licht wieder weiß sehen. So werden sie bei Dunkelheit sicher die richtige Fahrstraße gewiesen, für welche Fürsorge unserer Wasserbauverwaltung Dank gebührt. (5. Auflage 1925, S. 226)

Unser Weg führt uns ein Stück auf den See hinaus, dann geht es in einem r. Winkel in nordwestl. Richtung um die Mole (Leuchtfeuer; r. Ufer flach; Seebad) herum nach Baumgartenbrück (km 14,7; Rest. "Baumgartenbrück"; F.: Werder 121; Anlegestege und D.-St; lohnender Blick vom Karlsturm [74]). Hinter der festen Br. (3,70 m) l., etwas versteckt, Anlegestelle für Wirtsh. "Zur Holländer Mühle", an der Magdeburger Chaussee; F.: Werder 207. Herrliche Rundsicht vom Mühlberg [75]. R. treffen wir das Dorf Alt-Geltow (km 14,0). Dieser Ort wurde schon 933 erwähnt. Die hübsche, 1886-88 von Kaiser Friedrich erbaute Kirche wurde von ihm noch am 6. VI. 1888, neun Tage vor seinem Tode, besucht, während seine Gemahlin Viktoria den Choral "Lobe den Herren" auf der Orgel spielte. [76] Der hohe Funkenturm (landeinwärts ein weiterer) ist die Empfangsstation der Gesellschaft für drahtlose Telegraphie, die ihre Sendestelle in Nauen hat. Die vorspringende Ecke, Grashorn, sowie das ganze nun kommende r. Ufer ist flach. Tonne beachten! Werder liegt vor uns. Jedoch haben wir l., dem Ende Alt-Geltows gegenüber, noch einen lohnenden Abstecher zu erwähnen; es ist der Glindow-See.

  • Unter der hohen Strengbr. (km 13,5; 5 m über M.-W.) mit Mastenklappe geht es in den herrlichen Glindowsee. Rest. Strengbrücke, Chausseestr. 5; F.: 208). Er weist malerisch schöne Waldufer und Berge auf. Die Ecken sind vorlandig. In die südliche Bucht (Grell- Bucht) zeigt uns das Kirchlein von Petzow den Weg; jedoch, da der See hier Privatbesitz, darf man dort nicht anlegen. Verbottafeln! Also Vorsicht; sehr scharf wird aufgepasst. [77] Nur an der Ziegelladestelle, nördlich, ist das Landen möglich. In der Mitte des Sees liegen Inseln; die Durchfahrt zwischen denselben ist flach. Im nördlichen Teile liegen Ziegeleien und l. der Ort Glindow, überragt von den Glindower Alpen mit dem Rest. "Glindower Alpen", welches am D.-St. kenntlich ist. Einzige Anlegestelle: Rest. Glindower Alpen, F.: Werder 157, D.-St., Postauto-Anschluss, Bhf. Werder-Glindow. Im nördlichsten Teile des Sees Tonnen beachten! R. haben wir die Rückansicht der Werderschen Obstgärten mit ihren verschiedenen "Bergen". Es ist möglich, Kanus hier etwa 400 m über Land nach dem Plessower See zu tragen, dessen Befahren gegen eine kleine Gebühr von dem Fischer an der Einsetzstelle gestattet wird (heute hingegen verboten ist (Anmerkung d. Bearbeiters)). Die Fahrt über den See ist lohnend, von seinem Nordende führt der Torfgraben nördlich von Phöben bei der Ziegelei in die Havel.

Die Hauptwasserstraße führt nach der Insel und dem Orte Werder, E. Gleich l. am Fuße der Obstberge, dicht hinter der Einfahrt zum Glindower See (Strengbrücke, km 13,5) liegt das Bootshaus des Märkischen R.-V., Abt. Werder. Die mit Obstplantagen überwachsenen Anhöhen überragen die Stadt im Westen, jede gekrönt mit burgähnlichen Bauten, Rest., von denen man eine wundervolle Aussicht über das Havelland hat. L. der Inselstadt haben wir eine Bucht, aus dieser können Ruderboote unter der schmalen Straßenbr. hindurch, die die Insel mit dem Festlande verbindet, in die jenseitige Havelbucht, die Föhse genannt, hinter der Stadt gelangen. Halten wir geradeaus, so erreichen wir die Insel mit dem eigentlichen Werder (km 13,4). Gleich hinter der Ecke haben wir die bekannte Bootswerft von Joh. Schramm, Fischerstr. 105; Unterkunft für Ruderboote und Ankerplatz für Segel- und Motorboote. Daneben befindet sich das alte, gutbekannte H. u. Rest. "Zum alten Fritz"; F.: Werder 277; mit schönem Garten, D.-St.; ferner Rest. an der Überfahrt, Fischerstraße 67, F.: 129, mit D.-St., und der Fähre, gleich dahinter im Rest. Schützenhaus das Bootsh. des R.-Cl. "Werder". Am r. Ufer gegenüber das Fährhaus (mit Gastwirtschaft). (2. Auflage 1909, S. 156) [78] Im Ort haben wir die Konditorei von Ad. Beerbaum", berühmt durch seine Baum- und Honigkuchenfabrik, Mühlenstr. 169; F.: 11; J. - H. Stadtschule, Unter den Linden 11. Werder gegenüber liegt der Wildpark und das Vorwerk Gallin. Der Schiffer Jul. Brose (Potsdam, Burgstr. 28, F.: 239, oder nach Spandau: 857) fährt sonnabends von Werder ab und ist Montags in Berlin am Kronprinzen-Ufer, Pfahl 11 (an der Alsenbr.); also Schleppgelegenheit. Auch vermittelt Bootsbauer Schramm das Schleppen. (3. Auflage 1919, S. 200; in der 5. Auflage 1925 "Papa Schramm" genannt.)

  • Werder, die ehemalige wendische Fischeransiedlung, welche geschichtlich 1317 als ein zu Lehnin gehöriger Flecken genannt wird, ist die Obstkammer Berlins und versieht auch noch die Märkte der Provinz mit Obst. In der Hauptzeit gehen täglich abends ganze Kahnladungen, von einem Frachtdampfer geschleppt, nach Berlin, wo sich in der Nähe des Bahnhofs Friedrichstraße (Schlütersteg) die Anlegestelle und der Verkauf befindet. Auch durch seine Fruchtweinkellereien ist Werder, welches zur Zeit der Baumblüte eine ungeheure Anziehungskraft besitzt, berühmt.
        Die Insel Werder ist zu Ende, und - weiße Tonne beachten - im großen Bogen können wir l. in der Bucht "die Föhse" an den verschiedenen D.-St. anlegen. Auf den Höhen haben wir auf dem 70 m hohen Kesselberge und dem Richterberge die verschiedenen Bergrestaurants, wie "Friedrichshöhe", Rest., Eisenbahnstr. 126; F.: 124, D.-St., "Bismarckhöhe", F.: 308, D.-St., und die 84 m hohe "Wachtelburg", Potsdamer Str., F.: 16. D.-St. Fernblick bietet sich uns von den Höhenrestaurants und belohnt reichlich die Mühe des Aufstiegs. Unter uns liegen die Stadt Werder und das freundliche Dorf Phöben; nach Norden und Süden zieht sich die blitzende Wasserfläche der Havel und über grüne Wiesen grüßt der dunkle Wald zu uns herüber; 26 Ortschaften erkennen wir von hier oben. Die Baumblüte in Werder ist zum Volksfest geworden [79].

Unsere Fahrt geht auf die Eisenbahnbr. zu. Die Ecke r. ist ziemlich flach, doch kann man links, in dem Winkel von Damm und Land, mit Booten bis 1,25 anlegen. Weiter unter der Eisenbahnbr. ((3,97 m; km 10,2), Berlin - Magdeburg; mit Fußgängersteg versehen) hindurch gelangen wir auf den Großen Zernsee. L. folgen Ziegeleien und weiter die altbekannte Elka-Werft, Werder a. d. Havel, Zernsee, F.: 94; während r. sich Golm und über ihn der kahle Gipfel des Reiherberges und im Hintergrunde der Ehrenpfortenberg erheben. An der Sägemühle ist der Golmer Holzhafen. Am Großen Zernsee hinter der Eisenbahnbr. ist l. das Anglerheim von Lorenz mit Kahn- und Bootsständen, ferner die Ladestelle der Frachtschiffe der Reederei Brose-Potsdam. Auf der Golmer Seite ist eine Gemeindeladestelle mit Hafen vorhanden [80]. Sonst ist das Ufer wieder überall recht flach; auf den Molen gute Lagerplätze.

  • Das r. sich dehnende Golmer Luch ist im Frühjahr ganz überschwemmt und bildet mit dem Gr. Zernsee zusammen eine Wasserfläche. Man kann mit Ruderbooten dann bis ans Dorf Golm heranfahren. Vom Reiherberg bei Golm bietet sich eine herrliche, umfassende Rundsicht: Am Westabhang des Reiherberges ist eine Sommer-Rodelbahn, man rodelt auf Brettern den weithin sichtbaren steilen Hang herunter. Fluggelände. Dem Golmer Luch droht die Vernichtung, es soll durch Aufschütten von Berliner Stadtmüll "verbessert" werden. [81]

Am nördlichen Ende des Großen Zernsees teilt sich die Wasserstraße, l. führt der Weg nach Ketzin, Brandenburg zur Elbe; während r. uns die Wublitz aufnimmt (km 9,0).

  • Die Wublitz hat eine ungefähre Tiefe von 1 m. Sie ist ein Dorado für Naturfreunde; Sumpfvegetation! Zwischen Schilfinseln hindurch gelangen wir in dem immer enger werdenden und oft verkrauteten Fahrwasser, an der Fähre bei der schmalen Stelle bei Einhaus vorbei, r. nach Nattwerder. Wir können hier stundenlang liegen und schauen dem leichten Flug der Libellen und den Wasserkäfern zu, beobachten das Leben und Treiben der Fische, Enten und Schnecken im grünen Gewirr der Wasserpflanzen, freuen uns an dem malerischen Durcheinander von alten halbversunkenen Fischerkähnen, Fischreusen und Wehren und wähnen uns weit, weit ab von aller Kultur, träumen uns Jahrhunderte zurück, wo die wendischen und germanischen Fischer in ihren Sumpfnestern hausten und meilenweite Schilfwälder sich ausdehnten und nur einzelne baumbestandene Inseln aus dem Bruchland sich erhoben. Ist dieser Ort vorüber, erweitert sich die Wublitz zum Wublitzsee (verkrautet; Seerosengarten) und nach r. haltend, treffen wir auf die zwischen Grube, E., r. (km 2,7 [82]; Bhf. der Bahn Wildpark - Nauen, "Rutschbahn", ihrer häufigen Dammrutsche wegen so genannt) und Leest l. (km 2,3 [83]; Rest. Zur Wublitzbr.; F.: Alt- Töplitz 11; Anlegestelle geradezu vor dem Dorfe, breite Wiese, Angler- und Wassersportler-Kolonie) an dort befindliche. Br., welche nur 1,93 m Durchfahrtshöhe hat. Hinter der Br. l. ein Wandervogelheim. Wieder wird die Fahrstraße enger; ist l. Eichholz hinter uns, so erweitert sich das Wasser zum Schlänitzsee. Die Mitte des Sees ist verschilft und flach; daher bei der Weiterfahrt mehr r. oder l. Ufer halten, je nach dem Ziele unserer Fahrt. Wir halten r., schneiden den Sakrow-Paretzer Schifffahrtskanal (km 4,8 [84]; ein Stückchen im Kanal an der Eisenbahnbr. am Schiffsgraben ist eine Kantine (besser einkaufen, als in Marquardt)) und halten auf Marquardt (km 5,6 [85]) zu. Landung ist bei der daselbst hinter der Badeanstalt befindlichen Laubenkolonie möglich. Da der Ort fast versteckt hinter hohen Pappeln liegt und der Park des Rittergutes an das Wasser grenzt, so kann man hier ein Boot ohne Aufsicht über Nacht liegen lassen und in das Gasth. gehen. Bald sehen wir l. hinter dem Hügel den roten Kirchturm von Uetz hervorlugen. Schmal wird das Fahrwasser, und die hohen Schilfwände treten immer näher an uns heran, so dass es manchmal Mühe macht, das Boot durch all die Schlingpflanzen zu bringen. Tausende von Wasserpflanzen blühen hier versteckt in dem Dickicht, zahlloses Getier wimmelt und kribbelt umher, man kommt sich vor wie in einem Urwald; Wasser, Rohr und Himmel ist alles, was man sieht. Das Dickicht lichtet sich auf einmal, und die Häuschen des Dörfchens Uetz (km 7,5 [86]) liegen vor uns, einsam abgeschieden von der Welt. (Der Nordteil des Schlänitzsees ist heute als NSG gesperrt. Die Durchfahrt nach Uetz ist daher verboten und wegen Verlandung auch nicht mehr möglich. Nur die "Uetzer Wublitzfischer e. V." dürfen auf schmalem Graben zu ihrem Gelände in dem Urwaldsumpf. (Anmerkung d. Bearbeiters)) Die einzige schilffreie Stelle ist hier l. vor der Br. Theodor Fontane schreibt von ihm in seinen "Wanderungen durch die Mark": "In Terrassen baut es sich auf: zu unterst der Fluss, tief und still mit den breiten Blättern der Teichrose überdeckt; dahinter ein Schilfgürtel, dann Obstgärten, dann über diese hoch hinaus die alten Ulmen der Dorfgasse, und wieder hinter den Ulmen, am Abhang aufsteigend, die weißen Häuschen des Dorfes. Das Ganze gekrönt von zwei altmodischen Windmühlen, die von dem bastionartigen, gründossierten Mühlenberge aus den Vordergrund überblicken und ihre Flügel so lustig drehen, als freuten sie sich der Umschau, die sie halten." Der märkische Poet Schmidt von Werneuchen sagt von dem Dörfchen Uetz: "Oh, schönster Ort im ganzen Havelland! Wer könnte je dich ungerührt verlassen"? So war es damals, so ist es noch heute! Es hat von seinen Reizen noch nichts eingebüßt. Platz zum Lagern Uetz gegenüber. Hier bei Uetz ist die Fahrt zu Ende; wir sehen den Chausseedamm; vor ihm ist der See ganz versandet, und Weidengestrüpp hat sich angesiedelt. Noch vor einem Jahrzehnt sah es hier anders aus, die Wublitz war bis hier ein freier See, der Damm hatte eine Brückendurchfahrt, hinter der der See sich weiterstreckte, allerdings schon stark verkrautet und mit schwimmenden Inseln. Seitdem die Brücke beseitigt und die Durchfahrt zugeschüttet ist, ist die vollständige Versandung jenes jenseits des Straßendammes liegenden Nordteils der Wublitz überraschend schnell vor sich gegangen; armdicke Weiden stehen da, wo vor Jahren noch Wasser war. Kanus können auch heute noch bis Paaren ans Ende der Wublitz durchdringen, nahe der Ostseite (r.) der Wublitz zieht sich eine stellenweise arg verkrautete schmale Fahrstraße. Schwierig ist das Überwinden des Dammes bei Uetz, man kommt wegen des Gestrüpps nicht längsseits ans feste Ufer, sondern nur mit dem Bug des Kanus, das Übertragen über den Damm ist leicht, drüben ist zuerst endlos viel Kraut. In einigen Jahren wird man überhaupt nicht mehr zu Wasser kommen. (5. Auflage 1925, S. 231) Überhaupt hat der Nauen-Paretzer Kanal hier (in seinem südlichen Teil) etwas von einem Urwaldflusse an sich. Sehr reizvoll dadurch! Aber kaum Lagerplätze, das Gehölz ist undurchdringlicher Dschungel. Wenn man von Paretz her kommt, ist kurz hinter Kl. Paaren, rechts, ehe das Gehölz anfängt, oben im Hochwalde, etwa 150 m vom Wasser entfernt, die letzte Möglichkeit, zu lagern.
        Die Einfahrt in den abgeschlossenen Teil der Wublitz ist vom Nauen-Paretzer Kanal so gut wie unauffindbar. Doch macht der Teil, vom Damm bei Uetz aus gesehen, den Eindruck, als könne seine Befahrung für Faltboote noch sehr reizvoll sein. Bei Paaren (km 9,5 [87]) fährt man geradezu ins "Schöpperloch" (Schifferloch), einer alten Anlegestelle der Kähne bei der ehemaligen Ziegelei am Anfang des Dorfes. Der vorher l. weiterführende alte Wublitzgraben ist nur bei hohem Wasserstande unter äußersten Schwierigkeiten zu passieren, auf ihm gelangt man hinter der Chausseebr. l. vom Dorf in den neuen Nauen-Paretzer Kanal. Besser ist es, man trägt von der ehem. Ziegelei durchs Dorf bis zur Kanalbr. (also nur für leichte Faltboote). Dorfkinder helfen beim Transport. Die Strecke von Uetz bis hier, die vor Jahren noch von großen Zillen befahren wurde, bietet heute schon für Kanus erhebliche Schwierigkeiten. Also etwas für Entdeckungsfahrer! [88]

In der 3. Auflage 1919 (S. 201), als die Wublitz noch schiffbar war, lautete der letzte Absatz lediglich: "So war es damals, so ist es noch heute! Es hat von seinen stillen Reizen noch nichts eingebüßt. Ein kurzes Stück weiter, hinter dem alten Weidengestrüpp, zieht sich ein schöner Laubwald hin und ein grüner Rasenteppich lacht uns entgegen; so recht eine Stelle zum Rasten. In ihrem oberen Teile ist die Wublitz stark verkrautet. Anlegestelle l. an der alten Fährstelle. Den Weg überquert eine Brücke. Vor derselben erheben sich kleine Anhöhen (l. der Mühlenberg, r. der Sandhaarberg). Die Häuser r. gehören noch zu Marquardt. Hinter der Br. befindet sich ein Damm, so dass die Fahrt von hier aus in den neuen Wublitzkanal nicht möglich ist." In der 5. Auflage 1925 steht bereits die Passage: "Noch vor einem Jahrzehnt sah es hier anders aus..."

Unser Boot hält l. Ufer des Großen Zernsees und kommt nun in den Kleinen Zernsee. Das r. Ufer ist flach; Tonnen 5,5 beachten! R. bleiben Alt-Töplitz (km 5,5) und der Töplitzer Werder. Im Orte haben wir interessante alte Bauernhäuser. Vom Windmühlenberg hübscher Ausblick auf Paretz und Ketzin, sowie auf die Götzer Berge; weiter kommt l. Phöben (km 4,3). Phöben hat zwei einfache Rest. in den dortigen Bäckereien; man kann daselbst auch über Nacht bleiben. Der 1. D.-St. gehört zum Rest. Albrecht, der 2. zum Rest. "Mutter Meyer". (3. Auflage 1919, S. 201 [89]) F.: Werder 102. Anlegestellen überall am See. Vor der Ziegelei Phöben stehen Stangen zum Aufhängen von Netzen. Der sagenumwobene Räuberberg (Burgwall) l. bleibt hinter uns. Hinter Phöben weist die Havel vielfach verkrautete Stellen auf. R. erweitert sich die Havel zum Göttinsee (km 0,8), während wir unseren Kurs zwischen der (Kanustation des D. K.-Vb., Göttin, Gasth. "Grüner Hecht") Insel l. "Breite Hatnow" vorgelagerten Mole und der r. Mole (Schild: Werder 12 km, Potsdam 26 km - Potsdam 17 km, Spandau 33 km). [90]. Diese Mole lassen wir also r. liegen und gelangen zu der westlichen Mündung des Sakrow-Paretzer Kanals, der sich bei Sakrow abzweigt und hier wieder in die alte Havel mündet. Am Ende der Mole weißer Ball (km 1,0; Blinkfeuer ist geplant). Der Schenkengraben, der die Insel "Breite Hatnow" l. vom Lande abteilt, ist vollständig verwachsen und nicht fahrbar, allenfalls bei Hochwasser. (Er fiel den Meliorationen der 70er Jahre des 20. Jh. zum Opfer. Nur bei Winterpegel zeichnet eine Wasserspur auf der Wiese den alten Graben nach. (Anmerkung d. Bearbeiters))


Die neue Havelwasserstraße oder der Sakrow-Paretzer Kanal

Die andere Verbindung zur Havel, eine bedeutende Abkürzung für die durchgehende Schifffahrt, führt uns durch den oben erwähnten Sakrow-Paretzer Kanal. Biegen wir bei Sakrow (km 153,7) auf dem Jungfernsee r. ab, an der Römerbank (am Parkufer dicht hinter der Heilandskirche [91]) Riesterhorn vorüber, so verengt sich das Fahrwasser. L. liegt die ehemalige Kaiserliche Matrosenstation "Kongsnäs"; Ankerplatz für Boote.

  • Obwohl die oben bei Potsdam genannten Sehenswürdigkeiten mit größter Berechtigung das Ziel unzähliger Scharen sind, so ist doch für uns Sportsleute die Kaiserliche Matrosenstation am Jungfernsee noch wichtiger und interessanter; besehen wir sie daher etwas ausführlicher. Früher bestand die Matrosenstation nur aus einer kleinen Bootsanlage mit altem Gebäude. Das alte Haus, dessen Vorgarten von einer wundervollen alten Linde beschattet wurde, diente dem Vorsteher der Station zur Wohnung; jetzt hat es einem neuen, in norwegischem Stile, Platz machen müssen. Hart am Wasser liegt mitten im Grünen das Empfangs- und Einsteigehaus der kaiserlichen Familie, ein in Norwegen gearbeitetes Blockhaus. Die norwegischen Häuser bei der Kaiserlichen Matrosenstation "Kongs - Naes" sind von dem Kaiserlichen Yacht-Kapitän und der Mannschaft bewohnt.
        Vom Wasser ist es durch eine Quaimauer mit Freitreppen getrennt. L. davon (vom Wasser aus) befindet sich eine Batterie von 6 kleinen Achtzentimeter-Geschützen, die zum Salutieren und zum Exerzitium für die Mannschaften dienen, und daneben ein Schuppen für eine Vierer Mahagoni-Gig und einen Einskuller. Daran schließt sich ein Hafen, in welchem unter anderem zwei norwegische Boote liegen, und ein Bootsschuppen für die Dampfpinasse, mit welcher sich Se. Majestät auf die Segelfahrzeuge übersetzen lässt. R. folgt wieder ein norwegischer Bau, es ist das Bootshaus für die schmucke Dampfyacht Alexandria. Im Hintergrunde, neben der alten Kaserne, bemerkt man ein großes norwegisches Haus, das die Wohnung des Maschinisten nebst den Werkstätten enthält. An der Straßenfront des Empfangsgebäudes sind Jagdtrophäen des Kaisers angebracht. Hier befinden sich auch ein lebender norwegischer Adler und ein russischer Geier. Vor der Station sind außer der Fregatte Royal-Louise die Segelyachten Angela und Elisabeth, S. K. H. des Kronprinzen und S. K. H. des Prinzen Eitel-Friedrich sowie die Yachten der in Potsdam beheimateten Mitglieder des Kaiserlichen Yachtclubs verankert. Vor allen Dingen ist noch die Dampfyacht Alexandria zu erwähnen.
        Die Alexandria ist ein langgestreckter, stattlicher Doppel-Schraubendampfer, welcher mit seinem weißen Anstrich recht elegant aussieht. Sein Hauptraum ist der in Hellgelb, Weiß und Gold gehaltene Decksalon. Oben auf dem Salon befindet sich das Promenadendeck. Die Küche und die Nebenräume liegen unter dem Maschinenraume. Der Monarch benutzt die Yacht viel zu Spazierfahrten mit seiner Familie; jedoch auch zu Dienstfahrten nach Spandau, Charlottenburg usw. Uns Ruderern ist die stolze Alexandria von den Regatten in Grünau her bekannt. Auch die auswärtigen Herren werden sich der Bilder in der Zeitschrift "Die Yacht" (Berlin S. 14, Dresdener Str. 43) erinnern, welche uns die schmucke Dampfyacht mit den Siegern im Kaiservierer usw. wiedergaben.
        Die Miniaturfregatte Royal-Louise ist ein vom englischen Hofe stammendes Geschenk. Aus der Ferne betrachtet, hat sie selbst in Bezug auf ihre Höhe das Aussehen eines echten Kriegsfahrzeuges; in der Nähe erst merkt man, dass sie nicht größer als eine mittlere seegehende Segeljacht ist, die durch vielen Ballast sehr steif gemacht wurde. Die aus den Pforten hervordrohenden Geschütze bestehen freilich nur aus Holz, aber die Takelage ist in allen Einzelheiten einer Vollschiffstakelage gleich. Unter dem geschlossenen Oberdeck befindet sich der Salon, ganz mit rotem Leder gepolstert. Vor ihm sieht man die Stoppervorrichtung für die Anker, hinter ihm eine niedrige Schlafkajüte nebst Kabinet, und ganz hinten, nur vom Oberdeck zugänglich, öffnet sich eine Luke, in der das Steuerrad sich dreht; hier steht auch derjenige, welcher das Radsteuer handhabt, also häufig der Kaiser selbst, der es liebt, mit der Fregatte nach allen Regeln der Kunst zu segeln. Auf diesen Ausflügen begleitet die "Royal-Louise" in der Regel ein Dampffahrzeug. Etwa 10-12 Matrosen bedienen die Takelage. Sie werden aus Wilhelmshaven oder Kiel den Sommer über auf die Potsdamer Station kommandiert und unterstehen einem Oberbootsmannsmaaten. Natürlich ist der Dienst meistens ein sehr leichter. (2. Auflage 1909, S. 157 f.) [92]

Die Havelfahrt Potsdam - Werder - Ketzin ist nicht so schön wie nachher; erst hinter Ketzin beginnt nach meinem Empfinden die Schönheit der Havelfahrt.

Vor der Matrosenstation befinden sich weiße Tonnen; es ist der Bojenplatz einer Zweigabteilung des Kaiserl. Jacht-Clubs. Inmitten des Jungfernsees eine flache Stelle; Tonnen beachten! (5. Auflage 1925, S. 232)

  • Hinter der Station führt durch die Schwanenbr. der Hasengraben auf den Heiligensee. An der Schwanenbr. liegt die S.-Vg. Jungfernsee (4. II. 1923). Die Einfahrt in den Hasengraben ist für Motorboote verboten [93], sonst aber zu empfehlen, da er herrliche Uferpartien aufweist; der See ist bis 15 m tief, und an seinem Ufer finden wir das Marmorpalais. Der Neue Garten. Am l. Ufer ist eine Villenkolonie entstanden; die Berliner Vorstadt von Potsdam.

Fahren wir auf dem Jungfernsee weiter, so kommen wir l. zum Quapphorn; r. zieht sich in reicher Baumpracht der Schlosspark mit der Römer-Schanze und der Königswald (Forst Potsdam) hin. [94]

  • Die letzte historische Stätte, am Lehnitzsee und Krampnitzsee gelegen, führt uns wieder in die graueste Vorzeit zurück. Es ist die alte Germanenburg, heute Römerschanze genannt, trotzdem sie mit Römern nie etwas zu tun hatte. Der irreführende Name ist wahrscheinlich aus Röwer (Räuber) entstanden und deutet wohl darauf hin, dass dieser alte Zufluchtsort außer bei Annäherung feindlicher Völkerstämme später auch zu weniger legitimen Zwecken benutzt worden ist.
        Die Römerschanze ist eine alte "Fliehburg" in Form eines Quadrates, deren Befestigung noch in dem vorhandenen Wall und Graben erkennbar ist.
        Die Pfostenlöcher eines altgermanischen Hauses sind hier festgestellt worden, und auch andere Funde deuten darauf hin, dass hier eine wichtige Burg bestanden hat. Die genaue Erforschung der Anlage musste aus Mangel an Geldmitteln bisher unterbleiben.
  • Wenn man die Glienicker Br. durchfahren hat, erscheint auf dem linken Havelufer das Schloss Babelsberg, wieder im Stil einer Normannenburg, welche von Schinkel 1834 projektiert und begonnen, von Strack in den Jahren 1844-49 erweitert und fertiggestellt wurde.

Durch das Riesterhorn verengt sich der See. L. ist die Fortsetzung des Neuen Gartens, aus welchem die Einsiedelei, der Prachtbau des Kronprinzlichen Schlosses (Landhaus Cecilienhof [95]), die romantische Muschelgrotte, am Ende die Meierei mit Rest. und von dem Schornsteine der Pumpstation für die Wasserkünste des Gartens überragt. Wieder wird es schmaler, wir fahren an reizenden Villen, an den Gartenanlagen der Villa Alexander vorbei (4 weiße Tonnen; Anlegen verboten [96]) zum neuen Durchstich (km 149,8; [97]), welcher uns unter der Nedlitzer Südbr. hindurch in den Sakrow-Paretzer Kanal führt.

  • Nördlich vom Kanal finden wir den Ort Nedlitz, welcher große Restaurationsgärten aufweist. Im Sommer von Bhf. Zoo täglich Autobusse, von 12 Uhr mittags an, stündlich. Park-Rest., Nedlitzerstr. 4, F.: Potsdam 3696, D.-St.; Zur Römerschanze, F.: Potsdam 778; Schweizerhaus, F.: Potsdam 1142, D.-St.; von allen Lokalen hat man prächtige Ausblicke auf Havel und Jungfernsee. R. sind Stangen zum Aufhängen von Netzen usw. Die Durchfahrt ist recht schmal, daher für Segelboote: Vorsicht! Hinter dem Großen Horn, r., Nedlitz gegenüber, findet man r. die Abzweigung nach dem Lehnitzsee, am südl. Ufer die Römerschanze, die etwa 540 m im Umfange messende genannte Umwallung fällt nach dem Lehnitzsee etwa 20 m steil ab. Nach den Ausgrabungen von Prof. Dr. Schuchhardt, wobei ein altgermanisches Haus freigelegt wurde, war der Wallbau ursprünglich eine 3 1/2 m starke und 6 m hohe Erdmauer, die an der Vorder- und Rückwand durch eine Bohlenwand gestützt wurde. Durch den Wall führten einst drei Tore in das Innere. Das Ganze war ein planvoll angelegtes Befestigungswerk der Wenden, wie die zahlreichen gefundenen Totenurnen und Waffen erkennen lassen. Beim Wiedereinrücken der Deutschen sind die Wallbefestigungen durch Feuer zerstört worden.
  • Der Römerschanze gegenüber haben wir das wundervolle v. Siemenssche Besitztum, den "Heinenhof" mit Schloss, Beamtenhäusern, Wasserturm und Bootshafen. [98] R. ist das Heinenholz, sein höchster Punkt, der Kirchberg, trug einst eine heidnische Opferstätte, heut noch finden wir dort Mauerschutt, Steine im Klosterformat. Die früher dort oben herrliche Aussicht wächst leider mehr und mehr zu. L. um das Stinthorn biegend, an Kolonie Neu-Fahrland l. vorbei kommen wir in den Krampnitzsee, wo wir r. aus Wald und Gärten den Ort Krampnitz mit Wirtsh. Krampnitzsee und D.-St. haben. Hier soll ein Gartenheimklub (Verbindung von Eigen- und Klubheim am Südwestufer) entstehen.

Hinter dem neuen Durchstich l. vorbei, kommen wir l. zur alten Durchfahrt, der sogenannten Nedlitzer Fähre (km 151,0 [99]) (malerische, mächtige alte Steinbrücke mit Brückentürmen; (4,16 m; 4,80 m), von Friedrich Wilhelm IV. im normannischen Stil 1854 erbaut). Das Mitteljoch dieser Nedlitzer Br. ist jetzt durch einen Balken im Wasser gesperrt, also Vorsicht! Für Motorboote ist die Durchfahrt überhaupt verboten. [100]

Kehren wir zur Nedlitzer Südbr. und demnach zum bedeutend erweiterten Sakrow-Paretzer Kanal zurück, der aber recht anmutig ist. Wiesen und Bäche, im Hintergrunde Wald.

Nach Durchfahren des kurzen Durchstiches sind wir auf dem Weißen See. R. haben wir die Robinson- oder Oster-Insel (km 149,0) mit schönen Lagerstellen und bald die Abzweigung der alten Durchfahrt und eine Badeanstalt. L. finden wir wieder Stangen und Pfähle. Laubenkolonien fangen an, sich am Kanal entlang anzusiedeln. R. treffen wir die Molen, welche den Fahrlander See vom Kanal trennen. Bei Nord- und Nordwestwind steht hier, bei der Molenöffnung (km 147,3), vom See heraus eine ziemlich heftige Seitenwelle, Vorsicht! Der Kanal hat 52 m Wasserspiegelbreite, flache steinige Unterwasserböschungen.

  • Der Fahrlander See, welcher ein großes Rechteck bildet, hat nur r. etwas Wald, das Heinenholz, die anderen Ufer sind Wiesen und Brüche; er ist stellenweise sehr flach (1 m) und vielfach verkrautet. [101] Wir durchqueren ihn halb l. haltend bis Fahrland, dem Geburtsort des Heimatdichters Schmidt, bekannter unter dem Namen Schmidt von Werneuchen, der im Jahre 1764 hier im Predigerhause das Licht der Welt erblickte. Bei der Einfahrt nach Fahrland verengt sich der See zur hübschen Einfahrt zwischen dem Weinberg r. und dem Hegehorn l.; Wassertiefe bis 1,40 m, sumpfiger Grund. In Fahrland Gasth. r. unweit der Chausseebr. Kanus können weiter den anschließenden Großen Graben (Satzkorner Graben) befahren durch den Jubelitzsee und weiter zur Sperre bei Satzkorn und anschließend bis zum Wublitzsee und damit zum Nauen-Paretzer Kanal, aber Wasserknappheit! Lagern an der rechten Seite, am Heinenholz, verboten, da Privateigentum! (3. Auflage 1919, S. 203) Postautoverkehr: Potsdam - Nedlitz - Fahrland. (Der Fahrlander See, von den Anwohnern "Fahrländer See" genannt, war als Fischerei-Intensivgewässer jahrzehntelang gesperrt und die zwischen den Molen verbleibende Zufahrt zum Kanal durch ein Gitter verschlossen. Der Lehmgrund sorgte dafür, dass man das damals sehr schmutzige Wasser heute naturtrüb nennen kann. Achtung beim Anlegen, die Molen sind von allen Seiten steinig! Auf dem Großen Graben kommt man heute mit Mühe bis zur Fahrlander Brücke; weiter aufwärts Richtung Kartzow schrumpft er zu einem nur 2 - 3 m breiten, verkrauteten Wasserlauf zusammen; Astwerk, das ins Wasser fällt, wird nicht mehr beräumt. Die Satzkorner Straßenbrücke ("Sperre bei Satzkorn") muss umtragen werden. (Anmerkung d. Bearbeiters))

L. gegenüber dem Fahrlander See liegt das Gut Bornim'sche Amt; Wiesen, Bruche begleiten den Kanal, welcher l. von einem Treidelwege und weiter im Hintergrunde von Lauben und Wald eingefasst ist. Zeltaufbauplätze sind auf den Dämmen und Molen zu finden. L., etwa 1 1/2 km hinter dem Ende des Fahrlander Sees, haben wir die Einmündung des Tyroler Grabens, den der Große Kurfürst ziehen ließ, um zu seinem heute verschwundenen Schloss im Dorf Bornim gelangen zu können (für Kanus bei gutem Wasserstande befahrbar). (5. Auflage 1925, S. 324) [102] Eine kleine Br. überspannt den Kanal. Dann haben wir die Chausseebr. (in der 2. Auflage 1909 noch eine "Zugbrücke") vor uns; vorher r. ein Hafen, ein altes Kanalstück, das beim letzten Umbau des Kanals durch Herstellung eines geraden Durchstichs überflüssig geworden ist (5. Auflage 1925, S. 234), (und) das Strommeister-Haus. Sodann kommt die Eisenbahnbr. der Strecke Nauen - Wildpark (km 143,7); l. direkt am Bahndamm zweigt ein Graben ab, Schiffsgraben genannt, Kantine, Bootsunterkunft des alten Kruges Bornim, der bei nicht zu schlechtem Wasserstand für Kanus auf etwa 1 3/4 km Länge fahrbar ist, bis in die Nähe des Bahnhofs Bornim-Grube; F.: Potsdam 3605 (der 2-3 m breite Graben existiert noch, ist aber nicht mehr paddelbar (Anmerkung d. Bearbeiters)). Dann haben wir die Chauseebr. (3,87 m), dann kommt die Eisenbahnbr. (4,99 m) und der Ort Marquardt. In den Schlänitzsee (km 142,1) biegen wir ein, der einen Teil der Wublitz bildet. Von diesem See aus können wir auch, uns nach Süden wendend, den Großen Zernsee (Erweiterung der Havel) und dann Werder, E., erreichen. Der Name Werder, welcher uns so oft begegnet, stammt von dem altdeutschen Werid oder Werd und bedeutet eine niedere Flussinsel. Der Ort erscheint uns wie ein einziger Wein- und Obstgarten, eine reizende Oase in der blauen Wasserwüste der Havel. Wählen wir diesen Weg, so beschreiben wir die sogenannte Kleine Umfahrt um Potsdam. (2. Auflage 1909, S. 159) Der See wird durchquert [103], die im Sommer bestehende Schilfinsel bleibt l. (Vorsicht, flach!) und drüben fahren wir geradeaus in die von Molen begrenzte Weiterführung des Kanals ein, l. Mole schöne Trauerweide. L. haben wir die Treidelbr. über den Abzugsgraben, welcher von Neu-Töplitz kommt. Der ganze Kanal ist mit Pappeln angepflanzt. (3. Auflage 1919, S. 204) Die schöner werdenden Ufer tragen Baumbestand. L. trennt uns eine lange Mole, die zwei flache Durchlässe hat (km 138,1), vom Göttin-See ab. Am Göttin-See im Gasth. "Zum grünen Hecht" Kanustation des Dt. K.-Vb. Nach der Einfahrt noch etwa 1500 Meter. Bei Vater Fleschner ist für jeden Wasserwanderer gesorgt, billiges Heulager, preiswertes, richtiges Mittagsbrot, Reparaturlager, Bootswagen usw. sind vorhanden [104]. Das etwas breitere Fahrwasser ist r. am Schilf flach. Hier mündet r. der neue Nauen - Paretzer Kanal, der rechtwinklig auf unsere Fahrstraße stößt.

  • Der Nauen-Paretzer Schifffahrtskanal zweigt kurz vorher rechts ab. Dieser Kanal wurde noch während des Krieges fertiggestellt und bildet den vorläufigen Abschluss eines Systems von Schifffahrtskanälen und Entwässerungsgräben im Havelländischen Luch, welches schon zur Zeit König Friedrich Wilhelms I. von 1718 ab in Angriff genommen wurde. Bei der Schleuse, welche wegen des wechselnd hohen Wasserstandes im Kanal und in der Havel statt mit den üblichen Flügeltoren mit Schiebetoren versehen ist, befindet sich noch ein Pumpwerk, welches den Wasserstand im Kanal und damit auch in dem Grabensystem nach landwirtschaftlichen Gesichtspunkten regelt. Der Kanal wurde vom Kreis Osthavelland ausgeführt, steht unter besonderer Verwaltung und kann daher auch ohne besondere Erlaubnis nicht befahren werden. Auch sind die Kanalböschungen nicht befestigt, so dass für Dampfer und Motorboote die Fahrerlaubnis nicht erteilt wird.
        Fährt man in den Nauen-Paretzer Kanal hinein, so hat man r. und l. Tafeln: Einfahrt in den Sakrow-Paretzer Kanal. Diese sollen uns bei Ausfahrt auf diesen, seines regen Schiffsverkehrs wegen, aufmerksam machen. Nach wenigen 100 m trifft man auf die Schleuse Paretz. Im Vorhafen der Schleuse sind D.-St., außerdem ist ein Aufzug mit Unterkunftshaus für Ruderboote angelegt. Die Fahrt bis hier ist bei den Potsdamern schon sehr beliebt. Eine zweimalige Bitte an den Kreisausschuss des Osthavellandes in Nauen, mir eine Karte der Havelländischen Luchmelioration p. Nachnahme zu übersenden, ist ohne Antwort geblieben.

    Es wird zwar eine kleine Anlegegebühr erhoben; diese beträgt:
  • für Ruderboote . . . . . . . . . . 25 Pf.
  • für Dampfer . . . . . . . . . . . . . 5 M.
  • für Motorboote über 8 PS. . . 2 M.
  • für Motorboote bis zu 8 PS. . 1 M.
  • Der freundliche und sehr zuvorkommende Schleusenmeister Puttkammer ist sehr entgegenkommend und nimmt unser Boot in Obhut, wenn wir ins Dorf Paretz gehen wollen, um die dortigen Erinnerungsstätten zu besuchen und uns zu stärken. Über die Weiterfahrt auf dem Kanal nach Nauen siehe unten.

In der 3. Auflage 1919 (S. 204) lautete die Passage noch folgendermaßen: "Bevor wir unsere Weiterfahrt antreten, müssen wir noch der Herstellung einer Wasserstr. von Paretz nach dem großen havelländischen Hauptkanal bei Nauen durch eine bedeutende Verbreiterung und Vertiefung des Hauptvorfluters, sowie in Verbindung hiermit um die Melioration der Paretzer und der Wublitz-Niederung und der sogenannten Königs- und Schlossgraben-Niederung, erwähnen, es ist der Wublitz-Kanal. Gegenüber der langgestreckten Mole im Göttinsee zweigt sich der Wublitz-Kanal ab. An der Chaussee Königsdamm, welche Paretz mit Uetz verbindet, ist eine Schleuse eingebaut. Es geht an Klein-Paaren über Falkenrehde, Karpzow, Buchow, Dyrotz, Wustermark, E., Zeestow, Bredow, E., in den Nieder-Neuendorfer Kanal, welcher zur Oberhavel führt, weiter. Der Wublitz-Kanal führt augenblicklich noch in unmittelbarer Nähe an Nauen, E., vorbei, den alten Nieder-Neuendorfer Kanal benutzend, über Utershorst und Rolandshorst bis in die Nähe von Hertefeld, wo ein Wehr vorläufig den Kanal abschließt. Die ganze Länge ist etwa 25 km. Da der Kanal noch nicht fertig ist, so sind Betriebsvorschriften noch nicht erlassen (an anderer Stelle heißt es: '...in den wir aber vorläufig noch nicht einbiegen können'). Voraussichtlich wird der Kanal im nächsten Jahre fertig, wenn nicht unerwartete Schwierigkeiten eintreten."

  • Paretz. "Paretz", Dorf und Schloss, bilden eine der reizvollsten Stellen der märkischen Heimat. Der Lieblingsaufenthalt der Königin Luise und Friedrich Wilhelms IV. lässt noch heute den Hauch seiner großen Vergangenheit spüren. Fontane hat dem Dorf und seinem Gut ein kleines Kapitel seiner "Wanderungen" gewidmet, indem er den letzten Tag der Königin auf ihrem Lieblingsgut schildert. Zur Erinnerung an den 20. Mai 1810, an dem sie zum letzten Male den Paretzer Boden betreten hatte, wurde an der Stelle ihrer Abfahrt ein Tor, die "Luisenpforte", errichtet, das leider der Zerstörungswut der Inflationszeit zum Opfer gefallen ist. Aber noch viel Sehenswertes bergen Schloss und Park. In Paretz, Potsdam, Göttin, Ketzin, Nauen und Nieder-Neuendorf sind K. Stationen des D. K.-Vb.

Bald hinter der Einmündung des Kanals, am Ende der Mole l. (km 136.9), vereinigt sich unsere Wasserstraße mit der Alten Havel-Wasserstr. oder Potsdamer Havel. Auf vereinter Wasserstr. geht es nun weiter nach Ketzin und Brandenburg.

  • Bevor wir unsere Weiterfahrt antreten, müssen wir noch des Nauen-Paretzer Kanals gedenken, dessen Einmündung wir soeben passiert haben. Der Kanal, der erst 1923 fertiggestellt ist, ist als Hauptvorfluter für die Wublitzniederung und die sich weiter bis zum Havelländischen Luch ziehende Niederung, die früher der Schöppengraben entwässerte, gebaut. Er ist ein Unternehmen des Kreises Osthavelland unter Beteiligung der Bodenverbesserungsgenossenschaften, also keine staatliche Wasserstraße. Die Kanalverwaltung ist in Nauen, Kreishaus; F.: 441. Erreicht wird die Entwässerung der Wublitzniederung durch Absperrung sämtlicher Zuflüsse zur und von der Havel, z. B. des Satzkorner Grabens (Sperre bei Satzkorn) und der Wublitz (durch den Damm bei Uetz). Der Wasserspiegel des Kanals wird künstlich niedriger gehalten als die Havel, und zwar bis zu 1/2 m. Zu diesem Zweck ist die Schleuse bei Paretz eingebaut, an der durch elektrisch betriebene Pumpen jederzeit Wasser aus dem Kanal in die Havel gefördert werden kann. Der Kanal ist 15 - 20 m breit. Das Frühjahrshochwasser, mit dem früher große Finowmaßkähne bis Buchow-Carpzow kamen, wird jetzt nicht mehr in die Niederung hereingelassen. So ist es möglich, die Sauergräser der Wiesen durch Süßgräser zu ersetzen, die wertvollen Ertrag liefern, und manches Stück früher schlechter Wiese ist in Ackerland umgewandelt. Früher entwässerte die ganze Gegend zur Wublitz; durch die Einrichtung des Kanals und Tiefhaltung des Wasserstandes ist eine Umkehrung der Verhältnisse eingetreten, der Nordteil der Wublitz entwässert jetzt nach Norden in den Kanal, dementsprechend ist auch die Stromrichtung im Wublitzgraben bei Paaren und im Satzkorner Graben, die beide früher vom Wublitz - See (nicht der Wublitz) in der Niederung zur Havel flossen, jetzt umgekehrt. Die Durchfahrt von der Wublitz in den Kanal kommt heute wegen der vorhandenen Hindernisse kaum noch in Betracht. Der Kanal streckt sich von Paretz bis hinauf nach Nauen (20 km), wo er an den Großen Graben (Havelländischer Großer Hauptkanal, Niederneuendorfer Kanal) anschließt; Nauener Paddel- u. R.-Cl. Poseidon. Rest. Blume. Kanustation d. D. K. V.[105]     Die Einmündung in diesen bei Nauen ist dicht an der Br. der Eisenbahn Nauen - Velten, weiterhin ist dann nach W an Nauen vorbei auf 10 km bis Hertefeld der Große Hauptkanal zum Schifffahrtskanal ausgebaut, so dass die schiffbare Strecke Paretz - Nauen - Hertefeld 30 km beträgt. Näheres über den großen Hauptkanal und die Weiterfahrt auf ihm nach Hohennauen bei Rathenow und Niederneuendorf. Der Nauen - Paretzer Kanal hat eine Wasserspiegelbreite von 21 m, eine Tiefe von ungefähr 2 m und ist stromfrei. Brücken 4 m über Mittelwasser. Die Scheuse Paretz ist für 300-t-Kähne gebaut. Von Dampfern und Motorbooten darf der Kanal nicht befahren werden! Wir beschreiben ihn in der Richtung der amtlichen Kilometerzählung, d. i. von Nauen zur Havel. Biegt man vom Niederneuendorfer Kanal (Havelländischer Kanal, zum Teil nur paddelbar) in den neuen Kanal ein, so hat man wie schon vorher auf dem schiffbaren Stück breites Fahrwasser. Vor der Hamburger Bahn biegt der Kanal l. um und läuft ein Stück parallel mit ihr, dann kreuzt er sie und nähert sich bei Bredow (E) der Bahn Nauen - Wildpark. Die Chausseebr. bei Bredow wird passiert und dicht dahinter das Bredower Hafenbecken. Weiterhin haben wir dann einen hohen Fußgängersteg und bei Zeestow wieder zwei Br. (Wege- und Chausseebr.), danach bald l. einen Hafen, aus ihm abzweigend den für Kanus 4 1/2 km bis Finkenkrug fahrbaren Schlag-Graben. Es folgt bei km 8,9 die Brücke der Lehrter Bahn (E. Wustermark 1000 m) und dann die Chausseebr. Wustermark-Dyrotz, kurz vor dieser kleiner Hafen. Weiter führt der Kanal im Tal des einstigen Schöppengrabens nach Buchow-Carpzow, dort eine Wegebr. und Hafen l. am Gut, sowie Chausseebr. Dann wendet sich der Kanal um den vorgelagerten Zierholter Berg und berührt den kleinen Wublitzsee an dessen Südende. Kurz vor dem Wublitzsee haben wir l. eine Grabeneinfahrt mit unterfahrbarer Fußstegbr. Kanus können hier (Ruderboote staken) eine schöne Grabenfahrt machen, sie treffen bald auf eine dreifache Grabenverzweigung, l. der alte Schöppengraben rückwärts nach Buchow-Carpzow, kaum noch fahrbar, endet tot vor diesem Ort am Kanaldamm, geradeaus der Priorter Graben, der zu jeder Jahreszeit fahrbar ist und durch den man in eine kurze Abzweigung r. unmittelbar bis an den Bahnhof Priort kommt, r. der Satzkorner Graben. Dieser mündete früher in das Nordende des Wublitzsees, ist aber jetzt ca. 60 m hinter dem See vorbeigelegt und vereinigt sich hier mit dem Priorter- und Schöppengr. Fährt man r. den Satzkorner Graben, so hat man bald einen flachen Überweg, an dem man das Boot herausnehmen muss, und gelangt auf dem nur 1 1/2 bis 2 m breiten Graben an die Eisenbahnbr. Nauen - Wildpark, die man gut unterfahren kann. Im Hochsommer aber viel loses Kraut! Weiter kommt man an Kartzow vorbei, muss sich aber u. U. auf ein trockenes Stück des Grabens gefasst machen, weil bei Satzkorn ein kleiner Damm den Graben absperrt, die künstliche Wasserscheide zwischen Havel und Kanalhaltung. Dahinter der Große Graben, passiert noch den kleinen verwachsenen Jubelitz-See und die Chausseebr. von Fahrland (Gasthof unweit) und mündet in den Nordwestzipfel des Fahrlander Sees. Strecke Wublitzsee bis hier 7 km. [106]
        Wir verfolgen aber vom Wublitzsee, der sehr verkrautet ist und viel Schilf hat, unsern Kanal weiter, er berührt nur den See und führt nach S, Gehölz bedeckt r. und l. seine z. T. sumpfigen Ufer, dann öffnet sich die Landschaft wieder und wir haben die hohe Chausseebr. Paaren - Falkenrehde vor uns. L. vor der Br. die Abzweigung des nur bei höchstem Wasserstande fahrbaren, viele Schwierigkeiten bietenden Wublitzgrabens zum abgeschlossenen Nordteil der Wublitz. Hinter der Br. wieder eine Ladestelle, danach die Schanzdamm-Br., das Wiesenland wird breiter, eine weitere Br. beim Vorwerk Stolp, und wir nähern uns der Paretzer Schleuse. Kurz vor dieser r. Einfahrt zu den jetzt mit Wasser gefüllten früheren Lehmgruben der Ziegeleien. Über das Unterhaupt der Schleuse führt die Königsdamm-Br. Die neue Schleuse ist sehr interessant, die Tore werden seitwärts in einen Einschnitt des Ufers geschoben. Neben der Schleusenkammer Pumpwerk. Umtragen über den Treidelsteg der Schleuse leicht. Von Nauen bis Rathenow 7 Wehre.

Wenige 100 m hinter der Schleuse mündet der Kanal in die Havel, s. oben, auch wegen Anlegen an der Schleuse.


Hinweis 2013: Der Nauen-Paretzer Schifffahrtskanal ist zum größten Teil im Havelkanal aufgegangen, der 1951/52 entlang seiner Trasse angelegt wurde, um 1000-Tonnen-Schiffen die Umfahrt um (West)Berlin zu ermöglichen, dessen Wasserstraßen damals nur für 600-Tonnen-Schiffe passierbar waren. Lediglich der 10 m breite alte Nordteil zwischen Zeestow und Nauen existiert noch und wird meist als Teilstück des Havelländischen Großen Hauptkanals angesehen. Da der jetzige Havelkanal mit Deichen abgesichert ist, muss man, um von ihm aus andere Gewässer zu erreichen, stets einen Deich oder ein Schöpfwerk umtragen - auch zum alten Nauen-Paretzer Kanal hin. – An der 1916 erbauten Schleuse Paretz mit den Schiebetoren steht noch das 2006 restaurierte Pumpwerk; die Schleuse selbst (techn. Denkmal) ist seit der Eröffnung des Havelkanals stillgelegt. Ihre eigenwillig entworfenen Schiebetore sind noch vorhanden, aber längst fixiert bzw. festgerostet, ihre seitlichen Einschnitte am Ufer mit Erde bzw. Beton zugeschüttet; schade, denn Schiebetore wurden sonst fast nur an Seeschifffahrtsschleusen eingebaut und sind an deutschen Binnenschleusen eine große Seltenheit! (Nach Hans-Joachim Uhlemann: Schleusen und Wehre. Technik und Geschichte. DSV-Verlag Hamburg 2002, ISBN 3-88412-349-1, S. 126) (Hier ein Blick auf das nördliche Schleusentor mit der alten, 2010 durch einen Neubau ersetzten Brücke.) Bis heute zeigt die Pegeldifferenz von einem halben Meter, wie stark der Kanal den Spiegel der umliegenden Fließe senkte. Da das Umtragen aus dem kleinen Bootshafen vor der Schleuse in den 700 m langen Kanalstummel dahinter mühsam ist (Bootsaufzug war einmal), bleibt Paddlern auch die urwaldartige Einfahrt zum NSG "Paretzer Erdlöcher" mit seiner Kormorankolonie verschlossen. (Anmerkung d. Bearbeiters)


Vereinigte Wasserstraße bis Brandenburg - Plaue - Havelmündung (Die Brandenburger Havel)

Nachdem wir nun einen der oben bezeichneten Wege wählen, nehmen wir unsere Fahrt die Untere-Havel-Wasserstraße abwärts wieder auf. Bald nach der Vereinigung beider Wasserstraßen (km 136,9) gelangen wir nach Paretz (km 136,3) und haben das historische Gasth. "Gothischen Haus" (Alte Dorfschmiede, erbaut von Friedr. Wilh. III.) F.: Ketzin 262; u. H. u. Rest. "Luisenquelle", Kanustation des D. K.-V. (km 135,4), F.: Ketzin 372 (km 135,4).

  • Das schöne Kirchdorf Paretz, r., malerisch an der breiten Havel gelegen, am Eingang durch ein Storchnest bewacht, ist ein königliches Schatullengut mit Schloss und altem Park. Friedrich Wilhelm III. kaufte es 1794 von dem Grafen Blumenthal, ließ das Schloss gänzlich niederreißen und 1796 massiv wieder aufbauen, so wurde Paretz der Lieblingsaufenthalt dieses anspruchslosen Fürsten, der mit den Bauern umging, als gehörten sie zu seiner Familie, und mit deren Kindern die jungen Prinzen spielten, als ob sie ihresgleichen wären. Beim Erntefest mischte sich der König, der sich hier am liebsten als den "Schulzen von Paretz" ansehen ließ, und seine Gemahlin Luise, die "gnädige Frau von Paretz", unter die lustigen Tänze der Bauernsöhne und Töchter, und bei Dorffesten kaufte die Königin Luise in den Buden für die Dorfjugend Geschenke, und oft rief ihr der eine oder der andere nach: "Mir auch was, Frau Königin!" Wer seine Freude am Einfachen und Schönen hat, sollte nicht versäumen, Schloss und Park mit ihren Erinnerungen an die Königin Luise aufzusuchen. Das Schloss kann besichtigt werden, verschiedene Räume sind gänzlich unverändert, man gewinnt so einen Einblick in das schlichte Leben, das hier das Königspaar geführt hat. Die Wohnräume bergen viele Erinnerungen an das Königspaar, u. a. Pastellbilder beider von Schröder, die 1800 entstanden sind, und von denen das der Königin das ähnlichste aller Porträts sein soll. Auch an die Kinderjahre Kaiser Wilhelms I. gibt es hier mannigfache Erinnerungen.
        An die Besichtigung des Schlosses schließt sich ein Rundgang durch den Park, der prachtvollen alten Baumbestand besitzt, an, und in dem wir uns nach Herzenslust ergehen dürfen. Ein chinesisches Teehäuschen bietet einen anmutigen Blick in die märkische Landschaft, und auch der Erinnerungsgrotte "Gedenke der Abgeschiedenen", die die Königin, wohl in einer Vorahnung ihres allzufrühen Todes, anlegen ließ, statten wir einen Besuch ab. Im Park ist der "Tempel" und das chinesische Häuschen am Parkrand bei der Infantenbr. sehenswert. Bei mittlerem Wasserstande kann man den Paretz im SO begrenzenden Schlossgraben bis zur Infantenbr. hinter dem Schloss im Ruderboot befahren (heute bestenfalls 3 m breit und kaum mehr fahrbar). Die Br. ist nur ein unfahrbares Rohr, dahinter weiter für Kanus in den Nauen - Paretzer Kanal. Von Potsdam verkehren Auto-Omnibusse nach Paretz [107].

Von Paretz aus erreichen wir, an Ziegeleien r. vorbei, die Insel Mittelbusch l. mit dem dahinter einmündenden Schenkengraben (km 131,5; kaum noch zu erkennen). R. dicht vor der Schmergower Fähre in dem ehemaligen Maschinenhause einer Ziegelei Bootsh. des R.-V. Ketzin, kenntlich am Flaggenmast. Bootsunterkunft. Bei km 134,5 - bei den Inseln Kreuzort und der Kleine und Lange Werder - teilt sich die Wasserstraße. Wir können den l. Arm, den Dammgraben, wählen und die Insel Burgwallkaveln r. lassen; jedoch stehen an dem zu durchfahrenden Arm Richtungstafeln. Nachts je ein weißes und rotes Licht. Wer dagegen nach Ketzin will, muss r. abbiegen. Das Städtchen Ketzin (km 133,5), dessen nahe Tonlager die großen Ziegeleien auszubeuten wissen, wird schon 1197 als ein Fischerdorf verzeichnet. J.-H. Königstr. 19, rechtes Seitengebäude.

  • Ketzin ist das Ziel vieler Ruderer. Für Ruderboote hat der Besitzer des H. "Zum schwarzen Adler", Plantagenstr. 3; F.: 9; guter Anlegeplatz für Segler und Motorbootfahrer ; am Bootsh. 1 m Wassertiefe, an der Havel ein Bootsh. für etwa 15 Boote errichtet. Von weitem kenntlich durch Flagge mit einem schwarzen Adler und Inschrift "Bootshaus". Kanustation des D. K. Vb. in Ketzin. Gasthaus "Zur Fähre", einfach und ländlich, gut. Hot. "Deutsches Haus", Else Pollähn, Königstr. 26; F.: 1; sehr gut Gasthof Heidepriem (Boote in der Badeanstalt lassen). Otto Schomburg, Bäckerei, Konditorei und Kaffee, Königstr. 28; F.: 47. Benzindepot: Paul Borries, Maschinenfabr., Nauener Str. 23; F.: 66. (5. Auflage 1925, S. 238) Anlegestelle in Ketzin bei der Schiffbauerei oder im alten Ziegeleihafen, sowie an der Strandpromenade bei der Badeanstalt. Wer ungestört sein will, kann auch am linken Havelufer gegenüber Ketzin anlegen, wo das tiefe Wasser meist bis ans Ufer heranreicht. [108]
  • Kennst du das breite, fast kreisrunde Becken unterhalb Ketzin, den Trebelsee (km 131,5)? Man könnte ihn, was Größe, Form und auch Gefährlichkeit für kleine Fahrzeuge anlangt, den Müggelsee der Havel nennen. Was Goethe auf dem Züricher See, das kannst du auch dort empfinden:


"Und frische Nahrung, neues Blut

Saug ich aus freier Welt;

Wie ist Natur so hold und gut,

Die mich am Busen hält!

Die Welle wieget unsern Kahn

Im Rudertakt hinauf,

Und Berge, wolkig, himmelan,

Begegnen unserm Lauf."



Es sind die Götzer Berge, wohl alte Kultstätten der Heveller, gekrönt durch einen Vermessungsturm, dessen Anblick dich lange auf der Fahrt stromab begleitet. [109]

Hinter Ketzin wendet sich die Havel westlich nach Brandenburg zu, indem sie sich bald zu Seen ausdehnt, bald sich teilt und mit ihren Armen Inseln umspannt. Stets ist sie auf beiden Seiten von grünem, üppigem Wiesenbruche begleitet. Diese Strecke bis Brandenburg ist von ganz eigenartigem Reiz für den, der gewohnt ist, dem Konzert der Grillen zu lauschen, dem das Säuseln und Weben des hohen Schilfes und das Flüstern und Rascheln der Riedgräser eine himmlisch-beruhigende Melodie ist [110]. Sind die Inseln Burgwallkaveln und Budüren passiert, so erreichen wir durch die Mittel-Havel auf höchst interessanter Fahrt am Mittelbruch entlang den Trebelsee; dieser ist rauh und hat oft eine stramme Welle, also Vorsicht! Halten wir den l. Arm, lassen also das Mittelbruch r., so benutzen wir die Schmergower Havel. Zwischen Ketzin und Trebelsee sind alle Arme schiffbar. Bald erweitert sich die Havel zu einer ziemlich bedeutenden Fläche, bald ist sie wieder schmal wie ein Kanal; an den Durchstichen hemmen hohe, mit Weiden bestandene Böschungen den Blick; doch gleich darauf zeigen sich uns weitgedehnte Wiesenflächen, auf denen die Landleute die reiche Heuernte einheimsen. Hügelketten mit fruchtbaren Feldern und Waldungen in angenehmem Wechsel säumen die Ufer, und zahlreiche Ziegeleien geben dem Ganzen einen belebteren Ausdruck. Hat die Havel den üblichen Wasserstand, so kann man nur am Trebelsee an Land gehen, da die Ufer an anderen Stellen sumpfig sind. Die Fahrstraße ist gut ausgetonnt und mit Lattenzeichen bei den Einfahrten versehen. Das eigentliche Fahrwasser wird von der Mittel-Havel gebildet. In den Seitenarmen gute Ankerplätze, ebenso wie in den Stichkanälen zu den Ziegeleien. Eine Stunde hinter Ketzin werden bereits Brandenburgs mächtige Türme in dunstiger Ferne gesichtet. Schmergow l. (km 131,5 [111]), Insel Krähenberg, Herrenmittelbusch r., Predigermittelbusch l. und Schilfort r. werden passiert, und Deetz l. (km 130,5) ist erreicht. Die Orte Zachow r. und Gutenpaaren r. (km 128,5) liegen etwas vom Wasser ab. Die Inseln Arkenbude r. und Schöllerbüsche r. sind hinter uns [112]. R. zweigt sich der Roskower Kanal [113] ab. Die Götzer Ziegeleien, die Insel Artisse l. [114], der Durchstich bei Weseram, die Inseln Lange Reihe r. und Köhninge l., die Saaringer Insel (auch "Großes Ohr" (Anmerkung d. Bearbeiters)) r., der Ort Saaringen und die Inseln Euen-Ufer l. [115] und Gollwitz (km 118,6) mit der l. abzweigenden Krummen Havel (Gollwitzer Havel; erste Einfahrt in die Emster Gewässer) werden passiert, und wir gelangen nach Klein-Kreutz r. (km 117,5), D.-St.; Gasth.; es lohnt sich, den nahen Panneberg zu besteigen [116]. Haben wir die Scheune und Kirche in einer Linie, so können wir l. abbiegen und kommen zu den malerisch stillen Emster Gewässern l. (km 117,5).

  • Die Emster Gewässer dürfen von Motorbooten nur mit Genehmigung des Wasserbauamts Rathenow befahren werden. Alle Fahrzeuge, auch Ruderboote, müssen ferner in Gollwitz an der Abgabenhebestelle beim Brückenwärter (Haus oben r. an. der Br.) eine Gebühr bezahlen, diese beträgt für Ruderboote 20 Pf. am Tag und einige Pfennige Formulargeld. (5. Auflage 1925, S. 239). An der Br. Gollwitz ist eine Kettensperre, sie darf nur nach Anmeldung und Erlegung der Abgaben passiert werden [117]. Es befinden sich 7 Br., die niedrigste feste ist 2,89 m über M.-W. Jollen kommen fünfmal in die Lage, den Mast zu legen. Der Kanal von Gollwitz bis zum Rietzer See hat eine Breite von 5-8 m, 1 1/2 m tief, für Lastkähne bis Lehnin, Ziegeleihafen, befahrbar, ist recht langweilig und 5 km lang. Gleich am Rietzer See liegt das Dorf Rietz. Der See ist verhältnismäßig groß, sehr flach und zeigt überall Binsenstellen mitten im Wasser. Die Fahrstraße nach Lehnin hin ist durch Ruten in Abständen von 150-250 m abgesteckt. (Wenn man etwas weiter l. von den Ruten hält, kommt man in den Moor-See, welcher seinen Namen durch den moorigen Untergrund hat, selbiger ist etwa 1/2 m tief. Für Motorboote also nicht befahrbar, da viel Kraut. Der Moor-See läuft nach Südsüdost in den Trechwitzer Streng aus, welcher immer enger, verkrauteter und verschilfter wird und keine Durchfahrt (auch bei hohem Wasserstand) nach dem Netzener See lässt; auch keine Anlegestellen, da Ufer tief verschilft sind; viele Wasservögel!) (Moorsee und Trechwitzer Streng sind heute als NSG gesperrt.)
        Wir fahren also an den Ruten entlang in den Kanal hinein, der wiederum recht langweilig ist, da man nicht über die Ufer sehen kann, bis wir am Ende des Kanals die Ziegelschornsteine und vordem schon rechts die Windmühle von Netzen erblicken. Wir halten uns weiter am rechten Ufer entlang, bis wir in die reizvolle Einfahrt von Nahmitz kommen. Nahmitz mit Schiffbauerei und Br. sind hinter uns. In den zu passierenden Dörfern findet man nur sehr bescheidene Unterkunft, dagegen ein gut gelegenes Rest. mit Gastw. und Anlegeplatz am südl. Ende des Klostersees bei der dortigen Schiffsbauerei; gegenüber geht r. ein Kanal bis zum Orte Lehnin, E.: Potsdamer Bhf. bis Groß-Kreutz von dort Kleinbahn nach Lehnin. Kloster Lehnin wird "die Wiege des Christentums in der Mark" genannt, mit seiner wunderbaren, alten, ehrwürdigen Klosterruine. In dem Ziegeleihafen ist keine empfehlenswerte Anlegestelle. Die beste ist im Kloster-See am Anfang von Lehnin auf dem Ostufer, unmittelbar hinter der Badeanstalt an Rest. und Pension am Klostersee, gegenüber der Einmündung des Ziegelei-Hafen-Kanals. Jugendherberge. Seinen Ruhm verdankt der Ort der alten ehrwürdigen Klosterruine, der Schwester von Chorin, deren ausgedehnte, großartige Räumlichkeiten, vom kunstsinnigen Könige Friedrich Wilhelm IV. vor dem Verfall bewahrt, noch heute von der Pracht und dem Reichtum des Klosters beredtes Zeugnis ablegen. Das Kloster, dem Cisterzienser-Orden gehörig, wurde um das Jahr 1180 durch Markgraf Otto I. gegründet (Annus millenus centenus et octuagenus quando fuit Christi, Lenyn fundata fuisti. - Elfhundertachtzig im Heilandsjahr, das Kloster Lehnin hier gegründet war), als eins der reichsten der Mark 1542 aufgehoben, und der Kirchenschmuck nach Berlin in die Domkirche gebracht. Mehrere brandenburgische Regenten fanden hier ihre letzte Ruhestätte, so: Otto I. 1184, Friedrich der Jüngere 1462, Johann Cicero 1499 und Joachim I. 1535. Wir haben auch hier in dem schönen Eichenwald, nahe der Oberförsterei, wo er als Gast seines Schwagers häufig geweilt hat, das Denkmal Willibald Alexis' (W. Häring); ein sinnvoller Denkstein aus granitenen Findlingssteinen mit den Worten: "Ein Dichter der Mark Brandenburg. An der Stätte seines Wirkens. Dankbare Touristen und Heimatfreunde", von dem Berliner Bildhauer Paul Matzdorf modelliert [118].
        Hot. "Zum preußischen Adler", F.: 7. Hot. und Rest. "Preußischer Hof" (Bes. Herm. Mewes, F.: 15). Wirtshaus und Café "Kloster-Cafe", Bäckerei u. Konditorei von Gustav Hölke, Hauptstr. 59, F.: 46, und "Klosterstuben", Hot., Konditorei u. Café v. Helmuth Pietschmann, Kaltenhausen 2a, F.: 87. (5. Auflage 1925, S. 240) Postautoverkehr Werder - Glindow - Lehnin - Brandenburg.
  • In der 3. Auflage 1919 begann der Absatz so: "Die Emster Gewässer sind für Motorboote und Dampfer polizeilich gesperrt. Die Erlaubnis zum Befahren wird in Ausnahmefällen erteilt. Zuständig ist der Herr Regierungspräsident in Potsdam als Chef der Verwaltung der Märkischen Wasserstraßen. Die Wassertiefe ist 1,50 m bei M.-N.-W. Es befinden sich 7 Br., die niedrigste, feste ist 2,89 m über M.-W. Die Absperrungskette befindet sich bei Gollwitz. Ruderboote brauchen keine Erlaubnis. Gebühren werden für Sportboote und Gondeln nicht erhoben. Jollen kommen fünfmal in die Lage, den Mast zu legen. ..."

Von diesem Abstecher kehren wir wieder nach Klein-Kreuz (km 117,5) an der Havel zurück, um unsere Fahrt fortzusetzen. Die Insel Katzenbusch r., Stein-Bruch r., Krähenberg r. lassend, ist Brandenburg (E.) und die Abzw. des Brandenburger Stadtkanals (km 114,9) erreicht. S. Karte 13.

  • Bei Brandenburg besteht für Ruderboote die Möglichkeit, ohne zu schleusen, zur Unter-Havel zu kommen. Man biegt noch vor der Stadt an der roten Tonne bei km 114,9 l. in die Ober-Havel ein, lässt also die Insel der große Mittelbruch r. Hier geht bald l. hinter Wust ein wasserreicher Graben, der Neujahrs-Graben, ab (also im Bogen östlich um die Stadt) und kommt dann zu einem Wehr unter der Straßenbr. Brandenburg - Lehnin. Wenn das Wehr offen ist, was meist der Fall ist, kann man hindurchfahren bzw. das Boot an der Leine hindurchtreiben lassen. Andernfalls trägt man das Boot über die Straße. Man verfolgt den Neujahrs-Graben bis zum Beginn des Bruch-Grabens (in der Nähe von Schmerzke) und biegt hier im rechten Winkel r. ab (also nach Brandenburg zu). Bald mündet er in den Flut-Graben; wir halten l. und gelangen unterhalb der Sportschleuse (Stadtschleuse) wieder in die Havel. Hierher gelangen wir auch mit Doppelskullern, wenn wir nicht in den Neujahrs-Graben einbiegen, sondern die Ober-Havel am Mittel-Bruch weiter fahren und vor dem Wehr-Mühlendamm l. abbiegen. R. kommen wir dann an einer Werft vorbei, lassen den r. abgehenden Arm, halten geradeaus in den schmalen Arm, kommen unter einer Br. und an den Brennabor-Werken vorbei und fahren unter den Eisenbahnbrücken hindurch und sind bald in der oben bezeichneten Stelle, wo der Flutgraben mündet (Untere Havel). Wir kommen ganz nahe an den Reichsbhf. Berlin - Magdeburg heran; unter der Reichsbahnbr. hindurch gelangen wir zur Eisenbahnbr. der Städte-Bahn (Bhf. gleich daneben). Den Jakobsgarten rechts weiterfahrend, gelangen wir unter zwei Br. Die angeführte Wasserverbindung besteht als Vorflut bei Hochwasser. Im Allgemeinen ist dieser Weg jedoch unbenutzbar und auch bei Hochwasser nur von Ortskundigen zu befahren, da mehrere sehr tief liegende Eisenbahnbr. zu passieren sind, unter denen sich unter dem Wasserspiegel große Stein- und Zementblöcke befinden, die ein gefährliches Hindernis auch für ganz flach gebaute Boote sind; also Vorsicht! Benutzen wir den Bruch-Graben mit Kanus - also l. von Brandenburg ab - weiter, so gelangen wir unter der Göttiner Br., Bruch-Graben-Br. in die Plane, welche uns unter der Eisenbahn- und Planebr. hindurch endlich zum Breitling-See (Plauer See) südlich von der Havelmündung führt.

Von weit her schon bemerkt man im Vordergrund des auftauchenden Stadtbildes den Kirchenturm des Domes, in der Gestalt einem "Zuckerhut" nicht unähnlich. Vor dem Mittelbruch bei km 114.9, an der roten Tonne, teilt sich wieder die Havel [119]. Benutzen wir den l. Arm, so kommen wir später in den Brandenburger Stadtkanal und zur Sport-(Stadt-)Schleuse. Der r. Arm bringt uns, an der Insel Haaken-Ufer l. vorbei, r. in die Vorstadt-Schleuse.

Die Vorstadt-Schleuse (Brandenburg I, km 113,8) ist nach Fertigstellung der Stadtschleuse (Sportschleuse) nur noch für Großschifffahrt bestimmt. Nur Sportboote, die die Beetzsee-Riewendsee-Wasserstraße oder zum Märkischen Segler-Verein wollen, dürfen die Vorstadt-Schleuse (Brandenburg I, km 113,8) benutzen.

(In der 5. Auflage 1925, S. 241 f., als die neue Stadtschleuse noch nicht eröffnet war, lautete der Absatz noch so: "Für Ruderer wird als bester Weg folgender vorgeschlagen: Wir halten Kurs, vom großen Mittelbruch (siehe Karte 13) immer r. bleibend, auf die Vorstadt-Schleuse Brandenburg I zu, biegen hier l. ab und gelangen dann 100 m weiter auf schifffahrtsfreier Straße zur Freiarche r. und sofort dahinter zum Anlegesteg. Dieser Schwimmsteg des Brandenburger R.-Cl. (25. IX. 1883; Krakauer Str. 13; F.: 491) erleichtert uns das Ein- und Aussteigen. Nun kann man entweder leer durch das Wehr der Freiarche fahren, oder man fährt das Boot ohne große Schwierigkeiten über die Straße hinweg zum Bootshause des Brandenburger R.-Cl., das etwa 150 m von der Anlegestelle entfernt ist. Der Club stellt Bootswagen, in dem das Boot an Gurten hängt, zur Verfügung. Das Klubhaus bietet Uebernachtenden stets Raum für das Boot und den müden Leib; jedoch ist vorherige Anmeldung per Karte nach dem Klubhause erwünscht, Krakauer Straße 13, F.: 491.")

Für Ruderer und Paddler schlagen wir folgenden Weg vor. Boote, welche abwärts fahren, nehmen am günstigsten folgenden Weg: Am Mittelbruch (siehe Karte 13) teilt sich die Havel (km 114,9, großes Schild des Gesellschaftshauses und rote Tonne), l. Arm benutzen. Immer am Backbordufer halten, nicht in den Neujahrsgraben einfahren. Am Mühlendamm backbord halten und man erreicht an Netzablagen vorüber den Stadtkanal, (den heutigen Schleusenkanal, Anmerkung d. Bearbeiters). Hinter der Lederfabrik von Jahn liegt die Bootsbauerei von Schumacher, wo auch Brand. Kanu-Cl. im Bootshaus liegt. Es können Gastboote untergebracht werden. Quartiere nicht möglich. Selbstquartier im Gasth. oder Hot., sonst Zeltplatz.

(In der 5. Auflage 1925, S. 242, als die neue Stadtschleuse noch nicht eröffnet war, lautete der Absatz noch so: "Segel- und Motorboote fahren am besten durch die neue Vorstadt-Doppelschleuse, l. (also wie die Ruderboote) um die weit in den Beetzsee vorspringenden Molenköpfe herum, wenden nach Süden und kommen l. zum Hafen des S.-V. 'Brandenburg' (1. X. 1893) am Grillendamm vor der Homeyenbrücke. Auch haben wir noch den Märkischen S.-V. (12. IV. 1907), gegenüber der Vorstadtschleuse hinter der Mole zum Kanal.")

Boote, welche aufwärts fahren, erreichen dasselbe durch die Sportschleuse, Steintor- und St.-Annen-Brücke.

In Brandenburg haben wir noch den R.-Cl. "Havel" (26. V. 1906) am Mühlengraben und die Schülervereine der vereinigten Gymnasien "S a l d r i a" (1908) an der Unter-Havel in der Nähe der Langen Br. und den Schülerverein der Ritter-Akademie (1908) am Dom-Graben. Gerade die Ritter-Akademie marschiert mit der Schüler-Ruderei in der Monarchie an der Spitze. (2. Auflage 1909, S. 162)

Fährt man durch Brandenburg, von der Havel aus gesehen, mit seinen rauchgeschwärzten, steil ins Wasser abfallenden Mauern und den allerorts aufgehängten Netzen und sonstigen Utensilien der edlen Fischerzunft, so gewährt es einen idyllischen Anblick. Am Dom scharf l. abbiegend – r. Abzweigung Mühlendamm mit Wehr, welches den Mühlengraben mit R.-Cl. "Havel" abschließt – an dem Rest. Gesellschaftsh. mit dem Brandenburger Kanu-Cl. vorbei zum Stadtkanal (km 1,4 [120]). Wir durchfahren dann auf diesem Wege die St.-Annen- (3,20 m) und Steintorbr. (2,80 m, Klappbr.) mit r. dem Steintorturm. Dahinter liegt die neue Stadtschleuse (Brandenburg II; Sportschleuse, km 0,6 [121]), eine Bassinschleuse, die gleichzeitig 6 Kähne mittlerer Größe und ein bis zwei Motorboote zugleich schleust. Hier ist wenig Verkehr, deshalb aber auch meistens 2 M. zu entrichten. Schleusenzeit: Im Sommer von 3 Uhr morgens bis 10 Uhr abends, an Sonntagen und den zweiten Feiertagen von 3-8 Uhr morgens und 2-6 Uhr nachmittags. An den ersten Feiertagen und am Karfreitag ruht der Betrieb. Abgaben: Allein 2,- M.; mit geeichtem Fahrzeug 0,50 M. Gebühren für Schleusengehilfen 60 Pf. (3. Auflage 1919, S. 208) Wegen Baufälligkeit seit 1920 gesperrt. 1925 soll an ihrer Stelle eine selbst zu bedienende Bootsschleuse für Sportboote eröffnet werden. (5. Auflage 1925, S. 243) Diese ist mit einem elektrisch betriebenen Hubtor versehen, die ein außerordentlich schnelles Durchschleusen ermöglicht und deren Gebühren sehr niedrig bemessen sind. Sportboote, die die Stadt- oder Sportschleuse benutzt haben, fahren den Schleusenkanal weiter, lassen den Mühlengraben l. und kurz hinter der Kanal-Br. treffen wir r. auf die Havel, welche zum Beetz-See und Vorstadt-Schleuse führt. Biegen wir in diese r., so können wir hier die Luckenberger Br. hindurch und r. an einem Mühlengraben vorbei, l. Bootshaus der Vereinigten Gymnasien "Saldria", zur Langen Br., hinter derselben wieder r. kommt der Mühlengraben der Altstadt, darin liegt das Bootshaus des R.-Cl. "Havel"; fahren wir auf der Havel weiter, so kommt bald r. der Domgraben heran, in diesem liegt das im Jahre 1908 erbaute schmucke Schülerbootshaus der Ritter-Akademie; vom weißen Giebel herab grüßt uns die Inschrift: Navigare necesse est, vivere non est necesse [122], und dasjenige des C.-Cl. "Roland". Das Einlegen von Booten ist nur in besonderen Fällen möglich, da das Bootshaus bis auf den letzten Platz belegt ist. Fahren wir auf der Havel weiter, so kommen wir unter der Homeyenbr. hindurch und treffen r. auf einen Bootsschuppen, Hafen und auf den Segler-V. Brandenburg, Sportplatz und eine Badeanstalt. Wir befinden uns schon auf dem Beetz-See. Das l. Ufer ist reguliert und mit Mole versehen; das von der Mole eingeschlossene Wasser (s. Karte 13) wird allmählich zugeschüttet; es wird später als Baugrund dienen. R. Ufer weist mehrere Buchten auf; kurz vor der Schleuse sehen wir das schmucke Bootshaus des Brandbg. R.-Cl. Bald sehen wir r. die Molen der Vorstadt-Schleuse und l. die Einfahrtsmolen zum Silo-Kanal (km 113,4). [123]

  • Brandenburg, E. (Karte 13), die ehemalige Hauptstadt der Kurmark Brandenburg (seit 1170), war als Brennaburg einst die Hauptveste der Heveller und wurde 928 vom König Heinrich I. erobert. Seit dieser Zeit blieb es der Zankapfel bald in den Händen der Deutschen, bald im Besitz der Wenden (Sennionen, Leutizen; Heveller) und um sie dreht sich durch die wütenden Kämpfe, die sie dauernd umtobten, die älteste Geschichte der Mark. Eng mit jenen schreckensvollen Tagen ist der Marienberg verknüpft, der sich in einer Höhe von 60 m aus der wiesen- und wasserreichen Umgegend unweit der Altstadt erhebt und früher Harlungerberg genannt wurde. Auf ihm verehrten die sich um das Jahr 500 hier niederlassenden Wenden ihren dreiköpfigen Götzen Triglaff. Aus dem alten Götzentempel erstand 1136 die berühmte Marienkirche, die noch bis ins 16. Jahrhundert hinein in einem Nebengemache das wendische Götzenbild bewahrte. Heimatmuseum; Stimmingsche Sammlung in Großwusterwitz; Domarchiv. – Am 1. Okt. 948 gründete Kaiser Otto I. hier ein Bistum, das am 2. Juli 983 von den Wenden vernichtet, Markgraf Dietrich und Bischof Volkmar zogen ab. Otto III. und Heinrich II. versuchten vergeblich, das Land wieder für das Deutschtum zu gewinnen. Der dreiköpfige Triglow und sein weissagender Rappe herrschten wieder auf dem Harlungerberge. Albrecht der Bär, welcher 1150 die Stadt zurückerobert hatte und sich nun Markgraf von Brandenburg nannte, stellte 1161 das Bistum wieder her. Noch einmal tobte 1157 ein Kampf, als Jazko, ein Wendenfürst, Ansprüche auf das Havelgebiet erhob. Er wurde geschlagen und Brandenburg blieb nun endgültig deutsch.
        Der älteste Teil der Stadt ist der Dom oder die Burg auf einer von der Ober- und Unterhavel gebildeten Insel. In den Urkunden von 1166 bis 1234 wird die Altstadt als Parduin und die Neustadt im Landbuche 1319 als Neubrandenburg erwähnt. Bischof Wigger; Kirche St. Godehard - der älteste Feldsteinteil der heutigen Gotthardtkirche. Am 12. Juli 1412 zog Burggraf Friedrich von Nürnberg, der erste Hohenzoller, als kaiserlicher Statthalter in Brandenburg ein. Mehrere sehenswerte Kirchen laden zum Besuch ein. Die Dom- oder St. Peter- und Paulskirche, eine spätromanische Pfeilerbasilika, von 1165-1380 erbaut, enthält ein auf Goldgrund gemaltes Altarblatt aus dem Jahre 1465. An den Wänden sind die zahlreichen Grabsteine eingemauert, die früher den Boden der Kirche bedeckten. Die älteste Urkunde des Stadtarchivs datiert vom Jahre 1170. Am 22. Juni 1422 hielt Friedrich I. seinen Einzug in Brandenburg. Aus dieser Zeit stammt der steinerne Roland. Dicht an den Dom schließen sich die Gebäude der Ritter-Akademie, das Gymnasium, das mit dem Domeingang eine Front bildet, und das Alumnatsgebäude an. Beide werden durch einen sehenswerten Kreuzgang, der im Jahre 1905 wiederhergestellt worden ist, verbunden. Den Besucher grüßt an einer Wandstelle der Goethesche Spruch: "Freudig trete herein, und froh entferne dich wieder. Ziehst du als Wanderer vorbei, segne die Pfade dir Gott." Unweit des Domes steht die Petrikirche, ein leider stark vernachlässigter gotischer Bau aus dem 14. Jahrhundert. Die Gotthardkirche, die Nikolaikirche und vor allem die Katharinenkirche sind nicht minder bemerkenswert. Der letzteren gegenüber erhebt sich das aus dem 14. Jahrhundert stammende Rathaus, und vor ihm der Roland. Denkmäler wurden aufgestellt, so das feierliche Kürassierdenkmal als Erinnerung für die im Weltkrieg gefallenen Kürassiere des 3. Brandenburgischen Regimentes. Regsame Stadt auf allen Gebieten. In wirtschaftlicher Beziehung nimmt Brandenburg gleichfalls einen hohen Rang ein [124]. Unter den Industrien steht an erster Stelle die Metallindustrie: 5 Fahrradfabriken, darunter "Brennabor", die bedeutendste des Kontinents, Blechspielwarenfabriken, Leder-Posamentierwaren und Oelfabriken, Weißgerbereien und große Ziegeleien, Schneidemühlen, Gold- und Rohleistenfabriken finden wir hier. (3. Auflage 1919, S. 209) Die Stadt treibt lebhaften Handel und hat bedeutende Gartenkulturen. [125] J. - H., Eigamtstr. 8; Ev. Vereinshaus, Hauptstr. 50; für Jugendruderer: Bootshaus des R.-Cl. "Saldria", Realgymnasium, Am Salzhof 2. Hot. "Zum schwarzen Adler", St. Annenstraße 26, in der Nähe der Hauptpost und des Rathauses, bequemer Anlegesteg; F.: 21; Carl Sander, Bes. Wilh. Schmidt; altrenommiertes Haus 1. Ranges; großes Rest., reichhaltige Speisekarte zu jeder Tageszeit, Küche als vorzüglich bekannt (5. Auflage 1925, S. 244) Hot. "Zu den drei Linden", Steinstr. 66; Hot. "Brandenburger Hof", Hauptstr. 38, an der Langen Br. mit Rest., F.: 111; Gesellschaftshaus, Annenstr. 8/9, großer, schattiger Garten an der Havel, Landungssteg. "Zum Schwarzen Adler", H. "Brandenburger Hof" und "Schwarzer Bär" (mit Garten, Inh. Heinr. Schmidt, Sternstr. 60, F.: 22, in der Nähe des Rathauses) werden von Wassersportlern viel besucht. (5. Auflage 1925, S. 244) Von Brandenburg fahren oft Extradampfer nach Nedlitz - Potsdam; auch veranstaltet die "Stern"-Gesellschaft von Potsdam und Berlin aus Extrafahrten nach Brandenburg. Auf dem Wege vom Bahnhof sind die mächtigen Industriegebäude der großen Reichsteinschen Fabrik. Ein Kosmos für sich. Ernste Häuser, die nüchterne Zweckmäßigkeit erbaut hat. Riesige steinerne Finger von Schloten, Schuppen und Bahngleise, deren Spuren zum rastlosen Herzen dieser Fabrikstadt führen. Eine Vorstadt, die gleich in die heutige, hohe industrielle Betriebsamkeit Brandenburgs deutet. Fahrräder gingen von ihr wohl in jedes Haus der Stadt. Fahrräder gehen von hier in alle Weit. Kinderwagen. Tausende, Millionen von Kinderwagen, Autos, Kleinautos, Fahrräder. Rastlos füllen sich immer wieder Waggons. Reihen sich unter dem wütenden Trillern von Pfeifen zu Zügen.
       "Hie guet Brandenburg allewege!"
       Der Marienberg. Hier fuhren wir zum Bismarckturm auf. Ein mächtiger Rundturm, wie ein Burgpanzer, aus dem in einer Nische das steinerne Antlitz Bismarcks hinunter zur Stadt sieht. Über dem, auf einem wuchtigen Postament wie ein bronzener Sarkophag die Rauchpfanne ragt.
        Rep.-Werkst.: "Brennabor"-Fahrradwerke (Gebr. Reichstein, F.: 1083/87). Benzinstation: Eduard Pfaffe, Spedition, Neust. Wassertorstr. 24/25, F.: 15. (5. Auflage 1925, S. 244)
        Die Brandenburger Ruderklubs sind zum Brandenburger Regatta-Verein zusammengeschlossen.

Zur Vorstadt-Schleuse (Brandenburg I; km 113,8) (Rest. Neue Schleuse, Krakauer Landstr. 4; F.: 500) gelangen wir, wie wir oben sahen, indem wir bei der roten Tonne am Großen Mittelbruch r. hielten, unter der Br. hindurch in die Schleuse einfuhren. Abgabenschleuse! Es wird auch gleich für die nächsten Schleusen mitbezahlt, d. h. bei Stromabfahrten; stromauf sind dafür in Rathenow die Abgaben zu zahlen, Brandenburg ist dann frei.

  • Kehren wir jedoch nochmals zur Vorstadtschleuse und zum Beetzsee zurück. Vom Turm des Bootshauses des Brandenburger R.-Cl. genießt man eine herrliche Aussicht über den 7 km sich nach Norden erstreckenden Beetzsee, und bei klarem Wetter ist Radewege deutlich sichtbar. Eine Fahrt dorthin ist recht lohnend.
        Es lohnt sich, eine Fahrt auf der 21,6 km langen Beetzsee-Riewendsee-Wasserstraße zu unternehmen. Auf dem Beetzsee geht es an der Einmündung des Silokanals l., am Märkischen S. V. (hinter der Mole) l., am Gut Massowburg l., an Brielow l., E., Mötzow r., Radewege l., E., unter der Pählbr. (4,62 m über M.-W.) und an Butzow l., E., vorbei. Bei Butzow führt eine Kleinbahn direkt am See entlang und scheidet das Dorf vom Wasser ab. Ketzür l., E. [126], Gut Grabow r., E., sind vorbei, enger wird die Fahrstraße. Der Streng wird von einer Eisenbahnbr. überquert und erweitert sich wieder zum Beetzsee. Die Insel, welche Lünow, r. gegenüberliegt, kann auf beiden Seiten passiert werden. Segelboote lassen sie des breiteren und tieferen Wassers wegen besser rechtsbord liegen. [127] Der Beetzsee erweitert sich noch einmal zu stattlicher Breite, um dann, enger werdend, plötzlich in der Ostecke bei Bagow l. den Päwesiner Streng [128] mit Päwesiner Br. zu bilden. Wir kommen nach Päwesin r., E., und auf den Riewendsee. Riewend l. ist erreicht. R. führt ein Verbindungsgraben zum Kl. Behnitzer See (bis zum Doppelskuller fahrbar, ein niedriger Stau hinter der zweiten Br.); am Kl. Behnitzer See liegt Klein Behnitz, weiter im Fließ (nur für Kanus) zum Groß Behnitzer See, welcher sehr verkrautet ist. Da der See der Familie Borsig-Tegel gehört, so ist Erlaubnis zum Befahren nötig (von der Gutsverwaltung Kl.-Behnitz einzuholen). Je weiter wir nach Norden vordringen, desto verkrauteter wird der See. [129] Riewend gegenüber befindet sich ein sogenannter Ringwall, der, mitten in Wiesen gelegen, einen Ausblick weit in das Land hinein gestattet. Hier sollen die schwedischen Vorposten vor der Schlacht bei Fehrbellin dem Großen Kurfürsten aufgelauert haben. Da letzterer aber einen Weg mehr nach Wachow hin einschlug, so konnten sie ihr Hauptheer nicht von dem Anmarsche des Großen Kurfürsten benachrichtigen. Das Ende ist erreicht; jetzt heißt es kehrt!
  • Auf der Rückfahrt weiden wir uns nochmals an der schönen Fahrt und beim Anblick der vielen Schiffbauereien fällt uns die Brandenburgische Volksballade von "Fritze Bollmann" ein:


In Brandenburg uff'n Beetzsee,

da steht een Fischerkahn,

und darin sitzt Fritze Bollmann

mit seinem Angelkram.

Fritze Bollmann wollte angeln,

da fiel ihm die Angel rin,

Fritze Bollmann wollt se' langen,

dabei fiel er hinterdrin.

Fritze Bollmann schrie um Hilfe,

liebe Leute, rettet mir,

denn ich bin ja Fritze Bollmann,

aus der Altstadt, der Barbier.

Nur die Angel ward gerettet,

Fritze Bollmann, der versuff,

und seitdem jeht Fritze Bollmann

uff'n Beetzsee nicht mehr ruff.

Fritze Bollmann kam in'n Himmel,

"Lieber Petrus, lass mir durch,

denn ich bin ja Fritze Bollmann,

Barbier aus Brandenburg".

Und der Petrus ließ sich rühren

und sprach: "Bollmann, komm man rin,

hier jibt's ooch wat zu balbieren

komm her, und seef mir in".

Fritze Bollmann, der balbierte,

Petrus schrie: "O Schreck und Graus,

tust mir schändlich massakrieren,

det hält keen Deibel aus".

"Uff de jroße Himmelsleiter

kannste widder runter jehn,

kratz man unten feste weiter,

ick lass mir'n Vollbart stehn".


  • Das Lied hat eine Fortsetzung erhalten. Die Mittelfigur der Tritonengruppe am Beetzsee-Ufer ist eine mollige Nymphe und wird jetzt im Volksmund die "Witwe Bollmann" genannt. Der Volksdichter hat sich auch hierüber seinen "Versch" gemacht. Wehmutsvoll beginnt das Lied:


An des Beetzsees steilem Ufer

steht Witwe Bollmann jetzt versteinert,

.   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .  


  • Unsere Wasser-Wanderer mögen sich Text und Weise des Liedes von den Nixen vom Beetzsee erklären und vorsingen lassen [130].
  • Den Molen der Vorstadtschleuse gegenüber ist der Silokanal, welcher als Umgehungskanal dient. Der Silokanal verkürzt die Untere Havelwasserstraße um rund 2 km. Das Fahrwasser hat eine Tiefe von 2,65 m bei M.-N.-W. Er führt unter sechs festen eisernen Br. hindurch, die 4 m über H.-W. sind, und ist von der Brandenburger Vorstadtschleuse bis zur Fahrstraße im Plauer See 7,5 km lang. Er mündet in die nördliche Ausbuchtung des Plauer Sees in den Quenzsee. Erbaut 1910. [131]
        Ich kann den Weg durch den Silokanal nur empfehlen; denn bei günstigem Winde kann man durch den ziemlich breiten Kanal segeln (fünf Brücken, 4 m über H.-W.), außerdem laufen auf beiden Seiten gute Treidelwege. Auch landschaftlich ist er, namentlich am nördlichen Ufer, recht hübsch. Am Quenzsee bei starker Welle am Ostufer (in der Nähe ein kleines Häuschen; Besitzer gastfreundlich) eine kleine Bucht. J.-H. Kanus können vom Westufer (Einbuchtung des Quenz-Sees) durch den Kuhdamm-Graben nach der Unterhavel - mit Umgehung des Plauer Sees, Plauerhof, Margarethenhof und Vermeidung von Plaue - gelangen. Diese Verbindung hat nur eine Chausseebr. und ist ca. 3 1/2 km lang. (Heute 3 bis 6 m breit und mit mehreren Hindernissen; mindestens zwei Straßendämme müssen umtragen werden. (Anmerkung d. Bearbeiters))

Wir kamen aus dem Stadt- oder Schleusenkanal (Sportschleuse, km 111,0) unter der Kanalbr. hindurch. Hier fuhren wir r. zum Beetzsee. Jetzt biegen wir l. (stromab) ab. Nach wenigen Schlägen kommt l. der Einfluss des Jakobs- (Flut-) Grabens (km 110,9), an dessen Mündung die Bootswerft Werner Matz, Roonstr. 33, liegt. Daneben finden wir den S.-Cl. Nord-West (20. III. 1908). Nun geht es an der Altstadt die Unter-Havel unter der Eisenbahnbr. (3,00 m; km 110,2) der Brandenburgischen Städtebahn hindurch und gelangen r. zu einem verkrauteten alten Havelarm, an dem Neuendorf (km 107,4) liegt. Etwas weiter kommt r. eine langgestreckte Halbinsel und eine breitere Einfahrt zum "Das Seechen"; ganz geschützter Hafen. Hier haben wir das Rest. Seeschlösschen und dann l. auch ein Wirtshaus und das Buhnenhaus; nun sind wir am Havelgemünde mit Feuer auf der l. Mole, r. Zeichen (km 105,8).

  • Das seit Jahren außer Betrieb gesetzte Feuer an der Mündung der Brandenburger Havel in den Plauer See (Havel-Gemünd) ist wieder eingerichtet worden. Es ist ein Blinkfeuer mit der Kennung 2 Sekunden hell, 2 Sekunden dunkel, 4 Sekunden Wiederkehr. Das Feuer hat einen Lichtwinkel von 180 °, dessen Begrenzung in Nord/Süd-Richtung verläuft, und ist sichtbar von Nord über West nach Süd, d. h. vom See her. Es ist beim Passieren vom Plauer bezw. Breitling-See her an Steuerbord zu lassen.
        Eine zeichnerische Darstellung der Lage des Feuers liegt bei der Vorstadtschleuse und der Stadtschleuse in Brandenburg a. H. sowie bei den Schleusen Plaue und Rathenow zur Einsichtnahme aus.

Wir sind auf dem vielgegliederten Plauer See (km 105,8), und zwar heißt dieses Stück Breitlingsee (s. Karte 14). Vor dem Gemünde bei N.W. flache Stellen, durch Blossen gezeichnet. Bei N.W.-Wind starke Welle; presst dann ins Havelgemünde. Der See kann dann selbst gedeckten Booten gefährlich werden; darum für Ruderboote in Brandenburg Sportschleuse, Unter-Havel zum Beetzseeund dann Silo-Kanal (km 104,0); wenn nicht das Übersetzen am Brandenburger R.-Cl. überhaupt vorgezogen wird.

Das ganze große Seengebilde ist wegen seiner Zerrissenheit ein interessantes Gewässer mit mehreren Inseln. [132] Der Einfahrt gegenüber liegen die Inseln Buhnenwerder und Kienwerder (Durchfahrt zwischen beiden nur ganz flachen Booten möglich), welche den Breitlingsee von dem Möserschen See trennen. Nördlich stehen beide Seen mit dem eigentlichen vielzackigen Plauer See (s. Karte 14!) in Verbindung; er ist mit der schönste der Havelseen. Kurz südlich vom Havelgemünde mündet die Plane, welche man auch schon von Brandenburg aus durch den Bruchgraben erreichen kann, weiter südlich, der Südspitze des Kienwerders gegenüber, mündet in den Breitlingsee die Buck-Au; Beschreibung anschließend an Plane.

Die Plane ist sehr gut zu befahren. Herr Dr. Philipp, der 1922 die Fahrt als "Entdeckungsfahrt" gemacht und genau beschrieben hat, äußert sich über diese:

  • Plane. Fahrt über Belzig nach Dahnsdorf. Gasth., Nachtquartier im Ort. Aufbau am Abend zuvor im Tanzsaal des Gasth. Wassern an der Chausseebr. bei Komthur-Mühle. Dorthin karren, 25 Min. bis Trebitz starke Strömung und fünf Mühlen. Umtragen: Neue Mühle rechts. Locktow-Mühle links. Bei Ziezower Br. Vorsicht, steinige Schnelle! (Bei Niedrigwasser umtragen.) Wühl-Mühle links. Neue Mühle rechts. Alte Mühle über den Hof. Komthur-Mühle bis Trebitz 4-5 Stunden reine Fahr- und Tragezeit. Bei ungünstigem Wasserstand gestaltet sich die Fahrt von hier durch das Luch schwierig, da die Plane an vielen Stellen dann nicht mehr als 10 cm tief ist. Von Trebitz bis zum 2,5 km weiter liegenden Wehr stellenweise steiniger flacher Grund bei 4-10 m Breite. Boot leer über das Wehr gleiten lassen. Auf der Luchstrecke von da, wo links die Sträucher aufhören, unbedingt ca. 5 km treideln, da die Ufer den reizvollen Blick über das Luch zu den Höhen des Dippmannsdorfer Waldes versperren. Kurz vor dem Golzower Busch führt der Fredersdorfer Bach sogleich Wasser zu, dass wir von hier ab zu jeder Zeit vom Wasserstand unabhängig sind. Trebitz bis Golzow 4 1/2 Stunden. Strecke am Golzower Busch landschaftlich hervorragend schön. In Golzow Gasth. Zu den drei Linden (5 Minuten vom Wasser). Mühle l. umtragen. Reckahn: das altersgraue Kirchlein erhebt sich auf gründunklem Friedhof direkt am Wasser. Göttin (Mühle), l. herausheben, dann über Br. um das Grundstück auf dem rechten Ufer bis zur nächsten Br., ca. 250 m, karren. Dort l. bequemer Einsatz. Das letzte Stück von der Kleinbahnbr. bis zur Mündung reizlos, aber dann nimmt uns die endlos erscheinende Wasserfläche des Plauer Sees auf. Kurs südwestlich auf Möser. Abbau bei den Fischerkähnen. 10 Min. Weg bis zum Bahnhof Kirchmöser. Golzow - Möser 6 1/2 Stunden. Komthur-Mühle bis Mündung in den Plauer See etwa 60 km. Hindernisse sieben Mühlen und Steinbr. Ziezow. An niedrigen Br. und umgestürzten Bäumen und Viehkoppelzäunen kommen Einerleute meist mit Langlegen drunterdurch, Zweiermannschaften müssen selbst darüber und das leere Boot drunterwegziehen. Etwa 15 Mühlen. Man kann auch bereits von den Stationen Golzow, Krahne, Reckahn oder Göttin mit der Kleinbahn über Brandenburg oder Belzig die Rückfahrt antreten.
        Beginn der Fahrt oberhalb Komthur-Mühle ist nicht empfehlenswert, da Aufbauplätze am Oberlauf meist nur auf Wegen, die sich zum Karren wenig eignen, zu erreichen sind. Bei Hochwasser ist die Plane bereits ab Rädigke mit den üblichen Schwierigkeiten befahrbar. Zwischen R. und Komthur-Mühle: Werdermühle. - "Bot diese Fahrt auch an Schwierigkeiten und Hindernissen eine Fülle, so hat sie uns doch ein Paddelrevier kennen gelehrt, wie wir es so schön in unserem Märkischen Gebiete nicht zu finden hoffen durften. Wer einmal zwei freie Tage so recht ausnutzen und in Ruhe und Frieden sich erholen will, der mag unserem Beispiel folgen und es wird ihn nicht gereuen, die Plane befahren zu haben." (5. Auflage 1925, S. 248) Erstbefahrung: Dr. Philipp, V. M. W. (Zwischen Trebitz und der Brücke der Straße Cammer - Lütte sowie zwischen der Bahnbrücke der Strecke Brandenburg - Magdeburg und der Planemündung dürfen die Ufer heute aus Naturschutzgründen nicht betreten werden. (Anmerkung d. Bearbeiters))
  • Alte Plane (vom Grutstitzberg bis Göttin ). Beschwerlich für 4,50-m-Boote. Eng von Erlen, Weiden und Pappeln umsäumt, überhängende Zweige. Später breiter. Nicht empfehlenswert.
  • Temnitz (im Unterlauf Sandforthgraben genannt).
    • Große Temnitz, im Frühjahr von Lucksfleiß ab fahrbar, als Grenze der Schachtenwiesen begradigt. Rechts der idyllische Krahner Busch **), kurz hinter der Messdunker Wegbrücke Zufluss der
    • Kleinen Temnitz, die auch Kleiner Schachtengraben heißt. Nach Vereinigung wasserreich mit gutem Strom durch herrliche Waldstrecken **) und dann hinter dem Wald in zahlreichen Windungen zur Plane.
      (5. Auflage 1925, Anhang S. 14 f.)
      (Zwischen der Bahnbrücke der Strecke Brandenburg - Magdeburg und der Mündung in die Plane ist die Temnitz / Sandforthgraben heute gesperrt (NSG). (Anmerkung d. Bearbeiters))
  • Buckau: Die Schwester der Plane. Beide kommen vom Fläming und fließen in anmutigem, an herrlichen Landschaftsbildern reichem Lauf in den Plauer Breitlingsee. Bei gutem Wasserstand für 4,50-m-Boote schon von der Chausseebr. bei der Schönthal-Mühle 2 km nördl. Görzke fahrbar. (Verbindung: Personenzug Berlin - Brandenburg - Großwusterwitz, von dort Kleinbahn.) Viel überhängendes Gezweig. Flache Furt vor der Rottstocker Straßenbr. Dahinter kurze steinige Stelle (Waten), dann wieder tief und windungsreich und bald mehr Wasser führend durch den von links einmündenden Mühlbach und den vor der Birkenreismühle von rechts dazu kommenden Riembach. Hinter der Mühle in tief eingeschnittenem Bett bei der Gabelung nach ca. 200 m l. fahren. Empfehlenswerter Aufbau erst in Buckau (dort Gasth.) Dann ca. 10 km durch waldloses Gebiet, aber immer baumumsäumt bis zu der an der Ziesar-Brandenburger Chaussee gelegenen Herrenmühle, halbwegs wasserreicher Zufluss von l., dann durch Obstplantagen (Baumblüte), rechts umtragen. Guter Einsatz über Bücknitz durch reizvolle Waldstrecke zur Eulenmühle. Dahinter nach weiter schönem Waldstück durch den Fiener Bruch zur Viesener Mühle (l. umtragen), danach Mündung des von Westen kommenden Hauptgrabens, der in Verbindung steht mit dem Paplitzer und Karower Hauptgraben, dem Gänsegraben und dem tiefeingeschnittenen, durch schönen Wald führenden Neuen Graben, der am Halteplatz Kaderschleuse (Bahn Berlin - Magdeburg) vorbei als Wusterwitzer Abzugsgraben in den verschilften Wendsee (Plauer See) mündet. Die Grabenfahrt ist nicht zu empfehlen und kommt nur für die wasserreiche Jahreszeit in Frage. Weite Blicke über den Fiener Bruch zu den Galgenbergen und dem Weinberg. Br. und Stege bis hierher mit wenigen Ausnahmen unterfahrbar. Hinter Mahlenzin von rechts Mündung des Verlorenwasser. Allmähliches, immer näheres Herantreten des Waldes an die Buck-Au, deren letztes 5 km langes Stück unvergleichlich reizvoll im Gegensatz zum Planeende ist. Neue Mühle (l. umtragen). Unter der Straßenbr. durchfahren, damit man nicht das ganze Grundstück zu umtragen braucht. Hinter Wendgraben ein Waldwasserparadies. An der Chausseebr. noch einmal "kehrt"machen zum Genusse dieses wundervollen Stückes auch mit Stromaufwärtsblick. Dann zum Breitlingsee durch im Schilf versteckte Mündung. Auf ganzer Fahrt flotter Strom, nur im Oberlaufe windungsreich. - Abbau am besten in Kirchmöser. Erstbefahrung: Dr. Stelzer zwischen 1925 und 1929. (Der letzte Kilometer des Buckaulaufes, von der "Hohen Brücke" der Magdeburger Heerstraße bis zur Mündung in den Breitlingsee, ist heute gesperrt. Eine durchgängige Befahrung ist damit nicht mehr möglich. (Anmerkung d. Bearbeiters))
  • Verlorenwasser. Schwer zu erreichen. Bei gutem Wasserstand für leichte Einer fahrbar ab Puffs Mühle nahe dem Knick der Ziesar - Brandenburger Chaussee. Dahinter tief eingeschnittene waldreiche Strecke mit schönen Lagerplätzen und gelegentlichen Baumhindernissen. Flotter Strom. Über Wenzlower Mühle (umtragen) und liebliche Wiesenstrecken zur Buck-Au. Erstbefahrung: Dr. Stelzer zwischen 1925 und 1929.
  • Bei südlich gestelltem Kurs auf den Breitlingsee treffen wir die kleine idyllische Kanincheninsel, backbord lassend, sichtet man bald den Dampfersteg der Malge, einem bei der Försterei gelegenen Kaffee- und Erholungsgarten mit regelmäßigem Dampferverkehr von Brandenburg [133]. Der Platz liegt an einer reizvollen Bucht, nach Süden von hohem Kiefernwald umschlossen; nach Norden liegt im See vorgelagert die Kanincheninsel mit alten knorrigen Eichen bestanden; nach Westen begrenzt das Bild der langgestreckte Kiehnwerder mit malerisch schön gelegenen Ansiedlungen. Fast der südlichen Spitze von Kiehnwerder gegenüber (etwas östlich) mündet die Buck-Au. Diese nimmt l. das Verlorene Wasser auf. Bis Puffs Mühle Revier für Faltbootfahrer.
        Das Ostufer des Breitling-Sees weist klaren feinen Sand auf, und hier herrscht bei entsprechendem Wetter reges Badeleben und -treiben. Etwas nördl. von dem Lokal hat der Brandenburger Segler-Verein ein nettes Sommer-Vereinshaus errichtet. Segelt man von der Malge südwestlich und dann um die Südspitze des Kiehnwerders herum, so kommt man in den Möserschen See. Nach Änderung des Kurses in West-Nord-West liegt querab backbord auf hübsch bewaldeter Landzunge der Gränert, die gräfl. v. Wartenslebensche Försterei; steuerbord liegt die kleine Wieseninsel Kälberwerder; voraus sichtet man die weiße Dampferlandungsbrücke der Gast- und Gartenwirtschaft Seepavillon Gränert; nördlich hieran schließt sich die Villenkolonie und noch weiter das saubere Dorf Kirchmöser, E. (Berlin - Magdeburger Eisenbahn). Auch dieser Teil des Sees ermangelt nicht reicher Naturschönheit; das Uferbild der Villenkolonie zeigt malerische Baumgruppen, die als Hintergrund den breitbuckeligen Windmühlenberg mit der weithin sichtbaren Windmühle haben. Gute Unterkunft und Verpflegung im Gasth. Seepavillon; Einkäufe im Dorf; Bahnhof knapp 10 Minuten ab. Südlich vom Seepavillon ist eine Fischerbude; hier gibt es Aal, Schlei und Bratfische zu erschwinglichen Preisen. (5. Auflage 1925, S. 249)
        Der Mösersche See ist weniger tief und mehr verkrautet als der Breitling.
  • Dem Möserschen See nach Norden vorgelagert ist die Insel Buhnenwerder. Fährt man vom Seepavillon mit nördlichem Kurs weiter, so schließt sich an das Dorf Kirchmöser eine Halbinsel, die Wusterau genannt, an. Auf dieser liegt, nur durch einen Graben - die Arche - mit dem Möserschen See verbunden, der Heilige See und das Eisenbahnwerk Plaue. [134] (In der 5. Auflage 1925, S. 249, endete der Satz: "...der Heilige See und ein großer Teil der erst 1915 erbauten Pulverfabrik Plaue. Der Betrieb dieser Fabrik ist zur Eisenbahn-Reparatur-Werkstatt umgestellt.")
        Bei dem Dorfe Kirchmöser löste sich vom Ufer des Heiligen Sees ein etwa 1000 qm großes Stück Land, das mit Erlen dicht bestanden ist, und trieb, vom Sturme gejagt, über den breiten See. Es landete schließlich an der gegenüberliegenden Seite, unweit des Eisenbahnwerks. Das bisher ganz kahle Ufer hat dort nun plötzlich Wald bekommen.
  • Zwischen Wusterau und Buhnenwerder ist eine Durchfahrt nach dem eigentlichen Plauer See, sie ist jedoch nur flachgehenden (Schwertbooten) Booten zu empfehlen. Die östlich liegende Durchfahrt zwischen Buhnenwerder und der Nordspitze des Kiehnwerder nach dem Breitling ist ebenfalls nur für kleinere flache Boote passierbar. Größere Boote fahren den Weg, den sie gekommen sind, wieder zurück. Leichte Ruder- und Paddelboote können vor der Wusterau südlich eine schmale Landzunge zum Plauer See übertragen; sparen den Umweg um die Halbinsel Wusterau. (Das Anlegen an der Halbinsel Wusterau und auf der Insel Buhnenwerder ist heute aus Naturschutzgründen nur noch an zwei ausgewählten Stellen erlaubt. Das Umtragen an der engsten Stelle der Halbinsel Wusterau (wo der kleine Wassergraben die Halbinsel zur Insel macht) ist damit auch verboten.) Segelt man dann von der Südspitze des Kiehnwerders mit nördlichem Kurs durch den Breitling, so erreicht man am Havelgemünde die ausgetonnte Schifffahrtsstraße. Nördlich führt sie in den Quenzsee und Silo-Kanal, welcher uns in den Beetzsee nördlich Brandenburgs bringt. Biegen wir um die Nordspitze des Buhnenwerders nach Westen ab, so kommen wir durch den langgestreckten Plauer See, durch die Plauer Werkbr. [135] zur Plauer Schleuse und dem Kanal Richtung Magdeburg. Ändert man vor der Plauer Werkbr. den Kurs nach Norden, so kommt man zum Städtchen Plaue mit dem vorgelagerten Schloss, welches l. bleibt. Hier ist der Ausfluss der Havel aus dem See.

Wir müssen uns nun auf dem Quenzsee stark nach Südwest wenden, und nachdem wir die Halbinsel Münchwerder umfahren, wenden wir uns direkt nach Westen. Das Nordufer springt stellenweise sehr flach in den Plauer See hinein. Deshalb ist auch südlich Plauerhof am rechten Fahrwasserrande auf einer Sandbank ein Blinkfeuer aufgestellt. Die Kennung ist:

  • hell 1,5 Sek.
  • dunkel 3,5 Sek.
  • Wiederkehr 5,0 Sek.

Die Fahrrinne wird in beiden Fahrtrichtungen durch einen weißen Leitsektor gekennzeichnet. Beim Verlassen der Fahrrinne gerät man auf Steuerbord in den grünen und auf Backbord in den roten Warnungssektor. Etwa 300 m vor dem Feuer ist zu dessen Umfahrung der weiße Leitsektor zu verlassen und bei Talfahrt in den roten Sektor (nach Backbord), bei Bergfahrt in den grünen Sektor (nach Steuerbord) einzubiegen. Die Entfernung von 300 m ist durch die Tagesmarken, rote Tonne B (oberhalb) und schwarze Tonne 4 (unterhalb) gekennzeichnet. Nach dem Passieren des Feuers ist wieder im weißen Leitsektor zu fahren, der durch Achterauspeilen gehalten werden kann.

Die Benutzungslänge des Feuers reicht oberhalb bis zur schwarzen Tonne 6 an der Einfahrt zum Quenzsee und unterhalb bis zur schwarzen Tonne 3.

Eine zeichnerische Darstellung der Lage des Feuers ist bei den Vorstadtschleusen in Brandenburg und bei den Schleusen Plaue und Rathenow ausgehängt.

  • Plaue bietet als Sehenswürdigkeit das wunderschöne am See 1711-14 erbaute Schloss mit seinem prächtigen Park (Einlasskarten zum Park sind erhältlich in den Wirtschaften, in welchen das gräfliche Schlossbräu verzapft wird). Seit 1839 gehört die Besitzung den Grafen v. Königsmarck. Im Ahnensaale acht große Darstellungen aus ihrer Geschichte. Plaue war der Sitz des Raubritters Johann von Quitzow. Das feste Schloss wurde am 26. Februar 1414 von dem Burggrafen Friedrich von Nürnberg (dem ersten Hohenzollern) erobert. [136] In der einfachen Kirche des Ortes ein Altar aus dem 17. Jahrhundert mit Marmorreliefs, dahinter der Hauptteil des früheren Altars von 1618. Am Eingang die Grabsteine des Matthias von Saldern (gest. 1575) und des Leonhard v. Arnim (gest. 1620), im Chor der des Christoph v. Görne (gest. 1638). In der Nähe des Ackerstädtchens sind viele große Ziegeleien und Kalkbrennereien. – Hot. "Zum goldenen Stern", Brandenburgstr. 53; F.: 9; Hot. "Schwarzer Adler"; F.: 16; Rest. und Weinstube 2 Minuten von der D.-St., Brandenburgstr. 35/36). Großes Bronzedenkmal des Grafen F. W. Hans v. Königsmarck (gest. 1861) von Kiß. Am r. Havelufer liegt auf der Stelle, von wo die "große Büchse" 1414 dem Schloss Plaue zugesetzt haben soll, Margarethenhof; im Park (hinter der Villa l.) die originelle Grabstätte des früheren Besitzers Wiesike nebst Gemahlin (Medaillonportraits und Reliefs der Hygiea und Psyche). Elektrische Bahn nach dem 13 km entfernten Bhf. Brandenburg in 3/4 Stunden. Schleppschifffahrt: Brandenburgstraße 155; F.: 32. Schiffsbauerei: Gr. Mühlenstr. 2 a; F.:39.

Wir machen den Bogen der Havel nordwärts mit, nachdem sie den Plauer See verlassen hat, geht es gleich unter der Straßenbrücke (3,70 m; km 98,6) hindurch. Die unterhalb der Br. anwohnenden Fischer gewähren bei Anfrage Ruderbooten gern Unterkunft. (5. Auflage 1925, S. 250) De Ruder-Club Plaue (8. VII. 1920) r. hinter der Br. Die immer noch seenartig erweiterte Untere Havel führt an anmutigen, hübsch bewaldeten Ufern und den Dörfern Briest (km 94,4; Fähre) r., Tieckow (Fähre) r. und Kützkow l. vorbei nach Pritzerbe, E. (km 87,5; r. liegen lassen! Also l. abbiegen). Hinter Briest (km 93,00) lassen wir die Insel Lutze l. liegen, halten uns also r. an den Ziegeleien entlang. [137]

  • Pritzerbe, E., schon 949 so genannt, ist ein kleines Landstädtchen, hatte einst ein Schloss der Brandenburger Bischöfe. - Hot. "Prinz Albrecht von Preußen", Kirchstr. 8; F.: 4. - Bootsunterkunft auch beim Brückenwärter.
        Vor Pritzerbe sehen wir r. die Eisenbahnbr. (4,60 m) und eine Straßenbr., hier hindurch gelangen wir in den Pritzerber See, der jedoch uns keine besonderen Reize bietet. Er bildet eine 2,5 km lange Sackgasse, an deren Ende Hohenferchesar und ringsherum viele Ziegeleien liegen.

Hinter Pritzerbe verengt sich die Havel, die bisher fast seeartig breit war, mehr und mehr, sie fließt in sehr gewundenem Lauf zwischen flachen Ufern dahin. Wir biegen immer mehr westlich, und nach der langgestreckten Halbinsel Kützkow-Strauch halten wir linkes Ufer, um bald zur Schleuse l. bei Bahnitz zu gelangen (km 82,7). Im r. Arm hinter der Insel Ziegenwerder ist das Wehr mit der Kahnschleuse. Zwischen Ziegenwerder und dem r. Pritzerber Ufer ist noch die Insel Deetze mit Warnungstafel. Auch ist die ganze Umgebung der Schleuse durch lange Stege so gesichert, dass ein Verfehlen nicht möglich ist. Also ganz links halten. In betreff der Kahnschleusen weisen wir auf die Tatsache hin, dass dieselben stets dem Schleusenarm abgewendet eingebaut sind. Geht also, wie bei Bahnitz, der Schleusenarm l. ab, so liegt die Kahnschleuse vom Nadelwehr r. und die Regulierungsschützen - also das sogenannte Wehr - l. vom Nadelwehr. Um das Schleusenmeistergehöft sind reizende gärtnerische Anlagen geschaffen; auch ein Brunnen ist dort. Am Dienstgebäude ist große Tafel mit Aufschrift "Schiffsschleuse Bahnitz 83,83 km". Vor und hinter der Schiffsschleuse zeigen je ein großer, weithin sichtbarer, weißer Pfeil (etwa 2 m lang) den Schleusenarm an. Für Ruderboote empfehle ich den kleinen Umweg durch den alten Havelarm zu nutzen, also nicht den Pfeilen zu folgen, und sich der leicht zu handhabenden Kahnschleuse zu bedienen. (5. Auflage 1925, S. 251) Hinter Bahnitz teilt sich die Havel wieder, wir benutzen den l. Arm. Jedoch ist bei den vielen Abzweigungen der alten Havelarme die Fahrstraße leicht zu erkennen. Döberitz, E. (km 78,0; Fähre), Premnitz, E. und Alt- und Neu-Milow, E. (Fähre) sind erreicht; den Milower Berg ersteigen, von dem man herrliche Aussicht nach Brandenburg, Genthin, Rathenow usw. hat [138]. In Milow sind wir im Gasth. "Zur alten Quelle", F.: 3, gut aufgehoben; großer schattiger Garten unmittelbar am Wasser; gute Betten und Verpflegung; bis 11 Uhr nachts warme Küche. (2. Auflage 1909, S. 164) Die Orte Pritzerbe, Döberitz, Premnitz und Mögelin sind jetzt durch die Städtebahn (Rathenow - Brandenburg) Eisenbahnstationen. Mündung der Stremme (km 73,2).

  • Von Milow, E., geht die Stremme über Neuen-Klitsche (Wehr), über Zabakuck (Wehr), Roßdorf (Wehr) bis Brettin kurz vor Genthin und verbindet die Havel mit dem Plauer Kanal (Beschreibung siehe Tour XII). [139] Vor Neuen-Klitsche l. Abzweigung der Schlagenthiner Stremme. Diese ist nur bis Schlagenthiner Mühle fahrbar und besonders stromaufwärts sehr lohnend. Schön ist die Gegend von Roßdorf. –

Auf der Strecke, auf der wir uns jetzt befinden, trifft man oft einen Handelsmann und "Wasserbudiker", der, wie der Verfasser soeben (Frühjahr 1925!) festgestellt hat, ganz vorzügliches Brot, Butter, frische Brötchen, Käse u. a. m. führt. Trifft man den Wasserhandelsmann nicht an, so gehe man im folgenden Ort Bützer an Land, wo er wohnhaft ist. Sehr zu empfehlen! (5. Auflage 1925, S. 252)

Wir eilen weiter an Bützer (km 72,1) l., Böhne l., gegenüber am toten Arm Mögelin, E., und l. wieder an Ludwigshof und Ludwigslust entlang zur Eisenbahnbr. (4,40 m, km 64,7; Lehrte - Berlin) zur nächsten großen Stadt Rathenow (E.). Bei km 63,66 ist l. die Abzweigung des Schleusenkanals der Hauptschleuse. R. Einfahrt zur Stadtschleuse (km 63,6). Siehe Karte 15! Wollen wir in Rathenow liebe Sportkameraden besuchen, so benutzen wir die Einfahrt r. zur Stadtschleuse. Wir fahren am oberen l., unteren Archenarm l. vorbei und treffen in der Ober-Havel l. vor der Wassermühle das Bootsh. des Rathenower R.-Cl. "Wiking" (1. X. 1903) und 100 m weiter das des Rathenower R.-Cl. (4. II. 1903); diese befindet sich bei km 62,3 und bietet uns Unterkunft für unser Boot; die stets bereite Gastfreundschaft gestattet es uns gern; auch ist bei der Abfahrt bequemes Übertragen der Boote nach unterhalb, d. h. zur Unter-Havel, möglich [140]. Der Ober-Havel gegenüber zweigt r. die Koth-Lanke ab, hier haben wir gleich r. am Ufer die Badeanstalt und den Arbeiter-Wassersport-Verein; gegenüber Am Weinberg J.-H. Dampferverbindung jeden Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Anschluss an den Berliner Zug) nach Havelberg. Ab Rathenow vom 1. März bis 1. Mai 3 Uhr; vom 1. Mai bis 1. Sept. 4 Uhr. Der Dampfer legt an in Göttlin, Grütz, Parey, Schollene, Molkenberg, Gülpe, Warnau, Garz, Strodehne, Velgast und Havelberg. Nach vorheriger Anmeldung bei den betreffenden Schiffsführern lassen sich Boote mit unterbringen. Auch Dampferverbindung nach Magdeburg. Event. Anfragen: bei O. Sänger, Paradeplatz 6, oder Hermann Steffen, Magdeburg, Klein Werder 5 c. (3. Auflage 1919, S. 213 f.) Es lohnt sich, dieser historischen Stadt einen eingehenden Besuch abzustatten.

  • Rathenow, E., der bedeutendste Ort auf dieser Strecke, 3 große Br. (in der Hauptschleuse feste eiserne Br., 5,20 m; im Stadtkanal Eisenbetonbr., 4,13 m und Jederitzer Br., jetzt höher gelegt mit elektr. hochwindbarem Joch) überspannen bei ihm die verkehrsreiche Fläche unseres Stromes. – Viele geschichtliche Momente sind an den Mauern dieser alten Stadt vorübergezogen und haben nicht selten ihre Spuren zurückgelassen. Im Jahre 1394 wurde hier der Stadthalter der Mark Brandenburg, Lippold von Bredow, von dem Erzbischofe Albrecht VI. von Magdeburg geschlagen und die Stadt zerstört, die Burg eingeäschert. Ein gleiches Schicksal traf die Burg, als zu Anfang des Jahres 1414 der Burggraf Friedrich VI. von Nürnberg (Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg) gegen die Quitzows und den aufständischen Adel zu Felde zog. Am 24. Juni 1427 wurde in der Stadt zwischen dem Kurfürsten Friedrich I. und dem gefangenen Herzoge von Stargard ein Vergleich geschlossen, infolgedessen letzterer aus der Gefangenschaft entlassen wurde, aber Land und Leute von Brandenburg zu Lehn nehmen musste. Aus der Zeit des 30-jährigen Krieges sind zwei Ereignisse wichtig, nämlich der 14. August 1627, an welchem hier die Kaiserlichen unter dem Herzoge Georg von Lüneburg das dänische Heer schlugen, und der 6. September 1636, an dem die schwedische Besatzung die Stadt ohne ernstliche Gegenwehr dem sächsischen Generale Kitzing übergab, der sie aber 1637 wieder den Schweden auslieferte. Nun hatte Rathenow eine Zeit lang Ruhe; doch am 15. Juni 1675, 3 Tage vor der Schlacht bei Fehrbellin, überfiel hier der brandenburgische General Derfflinger die schwedische Abteilung und nahm sie gefangen. An jene Tage erinnert noch das Sandsteindenkmal des Großen Kurfürsten auf dem Paradeplatz inmitten der Stadt, und ferner mahnen noch Stücke der alten Ringmauer an die alte Zeit.
        Seine geschichtliche Bedeutung zeigen auch schon die vielen Denkmäler an: Großer Kurfürst, Ziethen, Kaiser Wilhelm I., Krieger- und Duncker-Denkmal, sowie das Bronzestandbild des Generals v. Rosenberg vor dem Postgebäude. Eine geachtete Stellung nimmt auch der Ort in Hinsicht auf die Industrie ein. Sehr gesucht sind die Rathenower Mauersteine und rühmlich bekannt die Glasschleifereien und hier hergestellten optischen Instrumente (Fernrohre, Brillen usw. Hauptfirmen: Emil Busch, A.-G., Opt. Industrie und Nische & Günther). Die optische Industrie wurde im Jahre 1800 durch Prediger August Duncker (Dunckerstr.!) begründet. Ein Kuriosum, das einen lustigen Rathenower, der von seiner Stadt erzählte, veranlasste, begeisternd, beteuernd die Hand zu heben, zu sprechen: "Vier Dinge sinds, die den Besucher von Rathenow mit immer größerem Staunen erfüllen, je mehr er sich mit ihnen beschäftigt. Die optische Industrie, die ehemaligen Zietenhusaren, die roten Ziegel. Und die fünf Nasen am Kurfürsten-Denkmal." Gute Hot. sind hier: Hot. "Deutsches Haus", F.: 2, Berliner Str. 24; Hot. "Zur Stadt Magdeburg", F.: 40, Markt 16; Hot. "Kaiserhof", Große Hagenstr. 10, F.: 260; Hot. "Fürstenhof" und Rest. "Gerichtslaube", Bahnhofstr. 13, F.: 43. Schiffs- und Bootswerft und Yacht- und Schiffswerft, Große Hagenstr. 5. Hot. "Großer Kurfürst" (Gebauer); F.: 32, Berliner Str. 26; Vereinslokal des Rathenower R.-Cl. (3. Auflage 1919, S. 214) Kaffee Smolinsky, Berliner Str. 12a, F.: 137; Klublokal des R. R.-Cl. Wiking (5. Auflage 1925, S. 253) [141]

Wollen wir die Stadtschleuse (km 61,8) benutzen, so gleiten wir am Bootsh. des Rathenower R.-Cl. vorbei und biegen vor der Wassermühle ab in den Schleusenkanal, wo sich am Paradeplatz die Schleuse mit Eisenbetonbr. befindet. An der Stadtschleuse in Rathenow wird von Fischerkähnen und Sportfahrzeugen nur die Abgabe für "Mitschleuser" erhoben, gleichgültig, ob die Boote als Gruppenschleuser oder als Einzelschleuser die Hebestelle durchfahren. Beide Schleusen (Hauptschleuse und Stadtschleuse) in Rathenow sind Zahlschleusen, da ja nur eine von beiden benutzt wird). [142]

Hinter der Br. in der Berliner Straße Rest. u. Hot. "Deutsches Haus". Der Schleusenkanal umfasst ringförmig die Altstadt; er geht unter der Jederitzer Br. (km 61,2; Zugbr., 3,02 m über M.-W.) hindurch, trifft l. auf die Einmündung der Ober- und Unter-Havel. Die Havel abwärts haben wir den Beginn der Stremme. Dieselbe ist wegen neuer eingebauter Wehrbr. nicht immer zu befahren. Weiter geht es, und bald treffen wir wieder mit dem Schleusenkanal der Hauptschleuse l. zusammen (km 59,4).

Vor Rathenow bogen wir r. ab, um die Rathenower Kameraden zu besuchen. Jetzt nehmen wir den l. Weg und benutzen die Hauptschleuse (Neue Schleuse), so dass die Stadt r. bleibt. Wir kürzen den Weg um ein gutes Stück ab, da der Schleusenkanal nur 1,8 km lang ist.

Unterhalb Rathenows zieht unser Fluss zunächst an einer Hügelkette bei Göttlin vorüber, um dann wieder niedriges Wiesen- und Sumpfgelände zu durchfließen. Daher ist es sehr schwierig, eine einigermaßen trockene Lagerstelle zu finden. Jedoch haben sich die Fischer an den höchstgelegenen Stellen oft kleine Hütten gebaut, diese kann man event. als Lagerstelle wählen resp. daneben sein Zelt aufschlagen. (3. Auflage 1919, S. 215)

Von oberhalb Rathenows bis hinab nach Havelberg und weiter bis zur Mündung ist die Havel kanalisiert und geradegelegt. Die kurzen Bogenstücke sind durch Durchstiche abgetrennt und das alte Flussbett wie überhaupt alle überflüssigen Verzweigungen zugeschüttet. Auf den meisten Landkarten sind diese Nebenarme und Altwässer noch verzeichnet, man wird sie aber in der Wirklichkeit vergeblich suchen.

Wir unterscheiden hier drei Arten von Schleusen: "Schleppzugschleusen" (Bahnitz, Rathenow, Grütz, Gartz), 220 m lang, sie nehmen einen ganzen Schleppzug auf einmal auf. Bei hohem Wasserstand werden die Schleppzugschleusen (außer Rathenow) ganz ausgeschaltet und die Schifffahrt geht über die niedrigergelegten Wehre im anderen (Wehr-) Arm. Welcher Flussarm jeweils zu befahren ist, wird durch hinzeigende Pfeile gekennzeichnet. [143] Dann gibt es "Schiffsschleusen", d. i. die gewöhnliche Art von Schleusen, und drittens "Kahnschleusen". Letztere dienen besonders dem Verkehr der Fischer- und Sportboote, sie sind 12-14 m lang und über 2 m breit und befinden sich neben allen Wehren (im Wehrarm) auf der dem Schleusenarm abgekehrten S e i t e, auch an den meisten alleinstehenden Wehren. Sie sind selbst zu bedienen (ohne Anmeldung) und frei.

  • Bei km 52,0 zweigt der Hohennauener Kanal (Havelländischer Hauptgraben) ab, welcher in den hübschen Hohennauener und Ferchesarer See (Semliner See) führt [144]. Am Eingang zum See Eisenbahnbr. (hohe Br.) und Chausseebr. (4,96 m). Bald zieht sich eine ganz mit Binsen und Schilf bewachsene flache Stelle quer durch den See. Wir benutzen eine der Durchfahrten. L. die Orte Hohennauen [145] und Wassersuppe, dahinter die Einmündung des Havelländischen Hauptkanals (hier Rhin genannt, nicht zu verwechseln mit dem weiter nördlich fließenden Rhinfluss zum Witzker See). R. gegenüber malerisch auf einer vorspringenden Halbinsel gelegen die Semliner Windmühle, dahinter das Klubgrundstück des Rathenower S.-Kl. und dann der Ort Semlin, mit mächtigen Bäumen am Strande. Der See verengt sich, seine Ufer tragen nun prächtigen Wald. Im letzten östl. Zipfel (10,8 km von der Havel) der sehr schön gelegene Ort Ferchesar bei Rathenow. Hier Gasth [146].
  • Der bei Wassersuppe abzweigende Havelländische Hauptkanal stellt eine Verbindung nach Nauen zum neuen Nauen-Paretzer Kanal sowie zum Niederneuendorfer Kanal und damit zur oberen Havel dar (ganze Strecke von der Havel zur Havel 72,2 km lang). Er ist vom König Friedrich Wilhelm I. 1718-25 zur Entwässerung des Havelländischen Luchs künstlich hergestellt [147]; jetzt dient er, besonders im Sommer, mehr zur Bewässerung. An seinem Lauf sind in den letzten Jahren mehrere Wehre errichtet, es ist daher nur leichten Booten zur Fahrt zu raten. Wassermangel ist nie, wenigstens nicht bis zum Nauen-Paretzer Kanal; im Frühjahr stehen alle Wehre offen. Die Wehre sind sämtlich Nadelwehre; oft sind nicht alle Nadeln eingesetzt, so dass ein Boot gerade hindurchschlüpfen kann. Der Unterlauf des Kanals führt durch recht anmutige, von Wald und Hügeln eingerahmte Hügelpartien, das Befahren lohnt sich wohl, überall schönes breites Wasser, Ansiedlungen befinden sich bis vor Nauen keine am Kanal. Wir passieren auf ihm zunächst den Witzker See, von dessen jenseitigem Ende auch der Polnische Graben zum Kleßener See abgeht (kaum fahrbar), dann folgt eine niedrige Fußwegbr. und man erreicht an der Kornhorst-Br. das erste Wehr. Bis hier gelangen große Kähne.
        Das Wehr ist unter der hohen Straßenbr. eingebaut, muss man es umgehen, so ist man gezwungen, das Boot über den hohen Straßendamm zu transportieren, und das ist bei Sonnenbrand kein leichtes Stück Arbeit. Besser ist es, das Boot auf ebener Erde etwa 100 m landeinwärts zu tragen und so die zur Br. führenden Rampen ganz zu umgehen. Das folgende Stück der Wasserstraße ist das schmalste, dabei hier ziemlicher Gegenstrom. Treideln wegen nassen Ufers und besonders bei hohem Graswuchs beschwerlich. Doch bald wird es besser, und - ein neues Wehr winkt schon herüber! Es befindet sich an der Chausseebr. vor Landin, diesmal aber einige Meter vor der Br., so dass es verhältnismäßig leicht zu umgehen ist. Am Wald herrliche Lagerplätze. Man versäume nicht, den l. dicht beim Wehr liegenden hohen Bergkegel (etwa 50 m über der Wiese!) zu besteigen, von ihm prachtvoller Blick auf das gesegnete Havelland.[148]
        Weiterfahrend passieren wir die Schmalspurbahn Rathenow - Nauen (E. Kotzen 1000 m), bei der Lieper Br. (Weg Liepe - Kriele) ein weiteres Wehr. Die Senzker Viehbr. wird durchfahren, bald passieren wir nochmals die Bahn Rathenow - Nauen (im Volksmund heißt die Bahn launig die "Blindschleiche", wohl weil sie schleicht und sich so schlängelt, auch die "Lorelei", weil ihre langen Wagen auf den schmalen Schienen so schwanken wie der Kahn bei der Lorelei). Vor der Eisenbahnbr. wieder ein Wehr, das vierte, es kann auf der Wiese leicht umgangen werden. Auf der Höhe von Wagenitz, hinter der Chausseebr. (Berlin - Hamburger Chaussee), ein neues Wehr (r. ein Brunnen auf der Viehweide). Vor Paulinenaue passieren wir nochmal die Kleinbahn, die Strecke (Paulinenaue - Senzke) ist allerdings außer Betrieb gesetzt, dann die Hamburger Bahn, der Kanal biegt r. um (hier Torfstiche). Dicht am Ort Paulinenaue, hinter der Eisenbahnbr. Paulinenaue - Neuruppin, wieder ein Wehr, Nr. 6! Die Bahn Paulinenaue - Neuruppin ist die allbekannte "Stille Pauline" - man sieht, dass in der gerade hier sonst recht prosaischen Gegend der Humor noch zu Haus ist! In Paulinenaue, E. (1200 m) der Berlin - Hamburger Bahn, Gasth. "Zu den drei Landkreisen", von Grabau, F.: 21, wo es ganz vorzügliches Quartier und besonders gute Verpflegung gibt; große Imkerei, ferner Postamt. (5. Auflage 1925, S. 256). Der Ort ist nur ganz klein. Mit der "Pauline" erreichen wir mit 16 km Bahnfahrt bei Fehrbellin schiffbares Wasser, außerdem auch bei Treskow und Neuruppin den Ruppiner See (Rhin-Wasserstraße). Das Wehr ist wieder unter der Straßenbr. eingebaut. Doch wir finden hier hilfreiche Hände und unsere Siebensachen und das Boot werden mit der nötigen Ruhe eine Treppe hinauf, über die Straße, und drüben eine auf dem Brückenpfeiler herabführende geländerlose Treppe hinunter und wieder zu Wasser gebracht. Bald zweigt r. der Kleine Graben (Schwanenhellgraben) ab, er ist im Frühjahr einige Kilometer fahrbar, sonst stark verkrautet. Bei Hertefeld (E. Berger Damm 1800 m) dasselbe Manöver, Wehr Nr. 7, unter der Br.! Hier ist meist Hilfe aus den Ansiedlungen (ehemal. Kriegsgefangenenlager (5. Auflage 1925, S. 257)) zu erhalten. Unter einer bald folgenden niedrigen Schwimmbr. wird das Boot durchgeführt. Nun haben wir freie Bahn, der Kanal ist schiffbar.
        Wir passieren noch die Gehöfte Rolandshorst, Utershorst mit Chausseebr. (Tremmer Br.) und Taubenhorst, die Viehbr., Eisenbahnbr. Nauen - Kremmen; die Gegend belebt sich, wir nähern uns und erreichen die Chausseebr. (Hohe Br.) bei Nauen, E. (800 m). Hier ein einfaches Gartenrest. am Wasser mit kl. Steg und Bootshaus des Nauener Paddel- und Ruderclubs "Poseidon" 1924. [149] Auf der Weiterfahrt biegt der Kanal hinter der Eisenbahnbr. Nauen - Velten r. um, der Nauen - Paretzer Kanal beginnt. Auf ihm können wir über Wustermark die Havel bei Paretz erreichen, Geradeaus geht der alte Havelländische Hauptkanal weiter, er ist hier sehr flach, weil ihm der neue Kanal das Wasser entzieht. Viel Kraut! (Es wird jährlich zweimal beseitigt). Vorwerk Glien mit Br. und schließlich Försterei Brieselang ist erreicht. Von hier noch 15,2 km bis Nieder-Neuendorf. Beschreibung der Fahrt s. Tour XIII. Erforschung: Barby 1920 [150]. (5. Auflage 1925, S. 257)
  • Dass Nauen schon in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt gewesen ist, beweisen uns verschiedene Funde vom Steinbeil bis zu den wendischen Urnen. Die erste Erwähnung des Ortes Nauen finden wir in einer Urkunde von 981, worin Otto II. dem Kloster Memleben u. a. den Ort Nienburg im Havellon schenkte. Dieses Nienburg oder Novum castellum soll das heutige Nauen sein. Noch 1323 gehörte Nauen dem Stifte Quedlinburg, und 1440 erneuerte dieses seine Ansprüche. Bald nach der ersten Erwähnung des Ortes Nowen erhoben sich die unterdrückten Wenden, zerstörten die deutschen Ortschaften und die christlichen Kirchen im Havellande, und erst Albrecht dem Bären gelang es gegen 1150, die Lande wieder in seinen Besitz zu bringen.
        Nauen war mit einer Stadtmauer umgeben, die mit Türmen und Wachhäusern befestigt war. Die letzten Reste wurden im Lauf des 19. Jahrhunderts allmählich abgetragen, so dass jetzt bis auf einen ganz geringfügigen Teil nichts mehr davon vorhanden ist. 1415 stürmte Dietrich v. Quitzow die wehrlose, nichtsahnende Stadt und zündete sie an. Fast 100 Jahre später, 1514, äscherte ein großer Brand sie aufs neue ein. Der 30jährige Krieg bereitete auch Nauen das Schicksal anderer Städte. 1626 erschien Graf Mansfeld mit einigen Reiterschwadronen vor dem Dammtore, plündernd und mordend zogen die rohen Kriegsknechte durch die Stadt. 1695 waren wiederum 250 Wohnhäuser nebst Ställen und Scheunen in Asche gelegt. Die in den Jahren 1718-1724 erfolgte Entwässerung des Luchs trug wesentlich zur Hebung des Wohlstandes des Ortes bei. Noch einmal suchte ein großer Brand 1765 die Stadt heim. Das älteste Gebäude Nauens ist die St. Jacobikirche, die z. T. noch aus dem 14. Jahrhundert stammt.
        Jetzt ist Nauen durch seine Funkenstation weltberühmt. Ein ganzer Wald von Funkentürmen von z. T. über 200 m Höhe reckt sich da etwa 3/4 Std. nördlich vom Kanal gen Himmel und ist von weither schon zu sehen. Nauen ist nur Sendestation, besonders für den Überseeverkehr, als Empfangsstation dient Geltow bei Werder. Anmeldung zur Besichtigung der Station 14 Tage vorher an die Gesellschaft für drahtlose Telegraphie in Berlin SW 11, Hallesches Ufer 12-13. [151] Das Heimatmuseum in der städt. Mädchenschule ist ebenfalls des Besuches wert. Nauener Paddel-Club "Poseidon".
  • In der 3. Auflage 1919, S. 215 f., lautete der Text zum Hauptkanal noch folgendermaßen: " Bei km 51,99 zweigt der Hohennauener Kanal (Havelländ. Hauptgraben), 1,10 m tief, ab, welcher in den hübschen Hohennauener und Ferchesarer See führt. Am Eingang zum See Eisenbahnbr. (hohe Br.) und Chausseebr. (4,96 m). Gleich l. unter der Chausseebrücke hindurch Abfluss der Stollense. Am letzten östl. Zipfel (10,8 km) der schön gelegene Ort Ferchesar (Repke und B. Seegers Gasth. und Rest.) L. hinter Wassersuppe mündet der Havelländische Hauptgraben, der eine Verbindung mit dem Nieder Neuendorfer Kanal herstellt. Dieser ist von Brieselang (km 15,2; Schleuse) der Großschifffahrt zugänglich und stellt so eine Verbindung mit der Spandauer Havel her. Der Graben ist aber nur bei günstigem Wasserstande und mit kleinen Booten befahrbar, jedoch nicht lohnend (s. Tour XIII, km 8,70). Will jemand die Tour unternehmen, so ist es ratsam, dieselbe von der Spandauer Havel anzufangen; jedoch ist dieses vorläufig nicht möglich, da im Havelländischen Luch große Veränderungen vorgenommen werden. Beabsichtigt ist, den Havelländischen Hauptgraben auszubauen, und zwar soll er von Wassersuppe durch den Witzker See gehen, der nach Norden führende Polnische Graben soll eine Verbindung nach dem Kleßensee herstellen. Der nach Osten zeigende Arm führt an Landin, Kriele, Senzke, Pessin, Wagenitz, Brädikow, Paulinenaue, Fh. Lindholz und Schäferhorst vorbei zu dem jetzt schon fertiggestellten Wehre bei Hertefeld. Da der ganze Kanal der Entwässerung dient, so nimmt er r. u. l. unzählige Abzugsgräben auf. Augenblicklich ist also diese Wasserstraße unbefahrbar. Da Schleusen und Wehre eingebaut werden, muss eine Beschreibung späterhin erfolgen. Er steht auch mit dem neuen Wublitzkanal später in Verbindung."

Die Ufer werden immer flacher, r. und l. weiten sich gebüschumrandete Altwasserarme voller Seerosen und Rohrdickicht. Die Hauptwasserstr. führt an der Mündung der Stollense (durch hohes Wehr abgeschlossen), r. bei einer Ziegelei; Verbindungsgraben nach dem Hohennauener See; für uns jedoch ohne Bedeutung, vorbei bald weiter nach Grütz [152], Gasth. dicht am Wasser, hinter welchem Orte eine Schleppzugschleuse r. eingebaut ist (km 46,3), während der l. Arm das Wehr mit Kahnschleuse (14,3 × 2,5 m) enthält. Diese liegt ganz am linken Ufer vom Nadelwehr und Regulierschützen - also Aussteigen und ansehen, wenn die Kahnschleuse benutzt werden soll! Freischleuse. Kahnschleuse jederzeit benutzbar. Ob die Schleusen oder die Umgehungsarme zu befahren sind, wird durch Pfeile gekennzeichnet.

Das früher l. sich dehnende Gewässer, genannt "Das Hufeisen", liegt fast trocken. Ebenso auch etwas weiter r. der Pareyer See, ist jetzt Wiese. Am Hufeisen, vor Schollene u. a. Orten l. Kahnschleusen für die Fischer, damit diese in die Gräben gelangen können. Die Not der Fischer, in die sie bei der Regulierung der Havel gekommen sind, wird uns überaus anschaulich in dem hier spielenden Heimatroman "Frau Harke" des Rathenower Dichters Wilh. Kotzde geschildert [153]. Parey r. ist bald erreicht und hinter Schollene (km 43,3; Gasth. "Zur Post"; abseits des Großschifffahrtsweges l. [154]) haben wir einen neuen Durchstich.

  • Durch Schollene eine Verbindung nach dem Nierower oder Schollener See; nicht lohnend; Sackgasse (und heute aus Naturschutzgründen verboten (Anmerkung d. Bearbeiters)). Die dunklen Höhen bei Molkenberg l. leuchten uns entgegen, r. Molkenberg gegenüber zweigt sich ein Havelarm - die Gülper Havel, auch Kleine Havel genannt - ab (km 32,4). Ihr ganzer Lauf ist reguliert worden und bei Molkenberg mit Nadelwehr und Kahnschleuse versehen. Da hier die Havel sich in ungezählte Arme teilt, so verlassen wir den Großschifffahrtsweg nicht. Nur für den Wasserbummler geben wir die folgende Beschreibung.
        Die Gülper Havel ist bei der Abzweigung durch ein Wehr (Molkenberger Wehr) mit Kahnschleuse abgesperrt. Vor dem Ort Gülpe benutzen wir, wenn der Ort nicht aufgesucht werden soll, den l. Arm. Bald führt wieder l. ein Arm mit Kahnschleuse ab, die Pirre, welcher uns zum Großschifffahrtswege bringt. Gegenüber führt die Drinow-Havel uns nach Warnau. Dahinter Kahnschleuse. Diesen Arm lassen wir jedoch. Wir biegen r. ab in den Großschifffahrtsweg. Bald haben wir r. eine Ziegelei und benutzen unsere Fahrstraße weiter geradeaus. Bei Gülpe ist ein zweites Wehr mit Kahnschleuse zu überwinden. An diesem Wehr geht vorher rechts ebenfalls mit Kahnschleuse der Platschlankengraben ab [155]. Dann kommt r. die Durchfahrt zum Gülper See der heute mitsamt der Pirre als Vogelschutzgebiet nicht mehr befahren werden darf (Anmerkung d. Bearbeiters). Gahlberger Mühle [156] mit breitem Nadelwehr mit Kahnschleuse. L. ist ein toter Arm; dieser Arm ist aber gegen den Großschifffahrtsweg durch ein Nadelwehr ohne Kahnschleuse gesperrt. [157] Geradeaus vereint sich die Gülper Havel wieder mit der Stromhavel (...) Der Weg durch die Gülper Havel ist näher als die Warnauer Hauptschifffahrtsstraße und bequemer, da man auf dieser bei aufgerichteten Wehren die Schleppzugschleuse bei Garz passieren muss, während man auf der Gülper Havel mit den kleinen Kahnschleusen sich sehr schnell selbst schleust. (5. Auflage 1925, S. 260)
  • Fährt man aus der Gülper Havel r. bei Gahlberg-Mühle in den Gülper See, was heute verboten ist, so kann man aus diesem durch den Bärengraben l. (Einfahrt l. in der Bucht sehr schwer zu finden, oft ganz verkrautet), oder den Mühlenrhin der Gahlberg-Mühle gerade gegenüber im Osten eine schmale Durchfahrt mit Fähre finden. Wir kommen zum ganz verkrauteten der Küdden; im NO, von der langgestreckten Halbinsel geht der Rhin ab, und gelangen nach Neu-Garz, wo er mit dem Bärengraben [158] zusammenkommt, in den Dreetzer See; auch hier ist die Ausfahrt durch weit vorgelagertes Ried schwer zu finden. Kurz hinter der Ausfahrt, r. der Br., Nachtquartier. Bei der Weiterfahrt ist von Vorwerk Damm das Rudern unmöglich. Starker Gegenstrom, ständig scharfe Kurven, weit ins Wasser überragende Baumäste, gestürzte Bäume sperren den Lauf, so dass nur Staken oder Paddeln möglich ist. Aber die Gegend zeigt reine Urwaldpartien. [159] Oft wird durch die Lenzker Mühle das Wasser abgestaut, so dass kein Wasser darin ist. (3. Auflage 1919, S. 217) Wir erhalten in Lenzker Mühle Nachtquartier und ebenso Verpflegung im Gasth. (Bauerngutsbesitzer). Dieser fährt auch das Boot in 1/2 Stunden nach Fehrbellin, von wo man auf dem Neuen Rhin bis zur Mühle Wustrau skullen kann. Mühlengesellen tragen hier gegen Trinkgeld das Boot mit Sack und Pack zum Ruppiner See.
        Friesack (Hot. "Märkischer Hof", Gasth. "Zur Burg Friesack") wurde als Burg des Dietrich von Quitzow am 10. Februar 1414 vom Mühlberg aus durch Burggraf Friedrich beschossen und eingenommen; nach dem Brande 1620 haben sich nur die Fundamente der Ringmauern im Erdboden erhalten. Jetzt gehört das Rittergut der Familie v. Bredow.
        Von Friesack führt der Weg, den Haupt- und Grenzkanal benutzend, an Vietnitz, Lobeofsund, Berlowshof, Seelenhorst, Nordhof vorbei nach Kienberg. Hier hat die Wasserstraße ein Ende. Man kann jedoch das Boot auf guter Chaussee nach Nauen in den neuen Nauen-Paretzer Kanal bringen lassen und von hier ostwärts den Niederneuendorfer Kanal oder südwärts den Nauen - Paretzer Kanal zur Havel benutzen. Ein weiteres Vordringen wie bis Kienberg ist zwecklos, da gänzlich reizlos, schnurgerade, 1 m breite Wassergräben voller Kraut!
  • In der 3. Auflage 1919, S. 217, ging es nach den "Mühlengesellen am Ruppiner See" so weiter: "Durch die Melioration des Havelländischen Luches wird auch hier eine neue Wasserstraße geschaffen. Doch lässt sich über die Benutzung durch die Sportschifffahrt noch nichts sagen. Die Fahrstraße soll durch den ganzen Gülper See führen und im Osten des Sees weitergehen. Der See Küdden wird ebenfalls durchqert und der alte Rhin benutzt, Alt- und Neu-Garz passiert und zweigt nun r. vom Rhin ab an Giesenhorst, Ziethensaue, Bartschendorf vorbei nach Friesack." [160]

Die Stromhavel führt uns, trotzdem viele neue Durchstiche entstanden sind, also jetzt auch auf abgekürztem Wege gleich hinter der Abzweigung der Gülper Havel beim Dorf Molkenberg (l.; km 40,4) vorbei. Hier nehmen wir also den l. Arm; lassen alle Nebenarme unberücksichtigt. Sodann zweigt nach einigen Kilometern bei fast km 35,7 r. ein Arm ab, die Pirre.

  • Die Pirre stellt eine Verbindung zwischen der alten Havel und der Stromhavel kurz vor Gülpe her, sie diente von jeher dem Heuverkehr zwischen beiden Ufern und musste, als die Havel reguliert wurde, naturgemäß mit einer Schleuse versehen werden. Da hier größere Fahrzeuge verkehren, musste diese auch andere Dimensionen erhalten als die gewöhnlichen Kahnschleusen; sie ist mit Klapptoren versehen, die man selbst bedienen muss; leider sind sie aber oft nicht in Ordnung (5. Auflage 1925, S. 262). Für den Wasserwanderer hat diese Verbindung keine sonderliche Bedeutung, denn wenn er die Garzer Schleuse (die einzige, die keine Kahnschleuse besitzt) umgehen will, fährt er eben bei Molkenberg in die Gülper Havel und kommt hinter Gahlberger Mühle wieder in die Stromhavel, also hinter der Garzer Schleuse. Das einzige wäre vielleicht, wenn der Betreffende in Unkenntnis der Schleusenverhältnisse die Stromhavel entlanggefahren wäre und er kommt des Sonntags vor die verschlossene Garzer Schleuse. Dann wäre ihm zu raten - wenn er nicht das Wehr in der Havel neben der Garzer Schleuse umtragen will - umzukehren und die Pirre zu benutzen. Die kleinen Kahnschleusen lassen sich sehr schnell selbst bedienen; auch Motor- und Segelboote bis 12 m Länge können diese Kahnschleusen benutzen. [161]

Weiter fahrend kommen wir auf der Stromhavel zur Schleuse Garz (km 31,1), welche sich in einem neuen Durchstiche befindet, r. geht der alte Havelarm durch ein Wehr ohne Kahnschleuse, mit Rampenanleger abgesperrt. Freischleuse. Hinter Garz führt uns der Havelstrom an den letzten Häusern von Strodehne (Fähre) [162] entlang; die Havel gibt ihre Verzweigung zum Teil auf. Wir kommen r. zur Mündung der alten Dosse, und bald dahinter haben wir r. die Mündung der neuen Dosse (km 25,4) mit Ansiedlung "Wendisch Kirchhof", kurz vor Vehlgast.

  • Auch die Dosse ist zum Teil kanalisiert und etwa 4 m breit, aber sehr flach, nicht über 0,70 m. 7 feste Br., die niedrigste bei Saldernhorst 1,60 m über M.-W. Starke Strömung. Für Motorboote 7,5 m Geschwindigkeit. Nur für kleinste Motorboote geeignet. Hinter Saldernhorst schneidet die Alte Dosse die Neue Dosse. Hinter Rübehorst nimmt sie den Namen Alte Jäglitz an [163]. Sie führt uns über Saldernhorst, Rübehorst, Alt-Garz, Friedrichsdorf, Friedrichsbruch, Hohenofen (17,20 km, Ende der Schifffahrt, Wehr). Weiter geht es über Neustadt (E., 2 Mühlen; Hot. "Zur Stadt Berlin") nach Wusterhausen (E., 2 Mühlen; Hot. "Deutsches Haus", Markt 187).
        Vor Wusterhausen teilt sich die Fahrstraße in zwei Arme, die beide unter der Eisenbahn hindurchgehen (der r. unmittelbar am Bahnhof vorbei) und hinter der Stadt sich wieder vereinigen. Vom l. Arm geht l. hinter der Eisenbahnbr. der kurze, sehr schöne Verbindungsarm zur Klempower Mühle (Seemühle) ab. Umträgt man sie, so gelangt man in den 7 km langen Unter- oder Bantikower See, der im Anfang Klempowsee heißt. Auf ihm treiben sowohl die Sportvereine von Wusterhausen wie auch die von Kyritz Wassersport. Letzterer Ort liegt 1,3 km vom See entfernt an der Jäglitz (Alte Jäglitz), die mit einem kleinen Seitenarm, der Knatter ("Kyritz an der Knatter") durch die Stadt fließt. Kyritz ist Kreisstadt und ist die Stadt der schönen Seen und Wälder. Die Jäglitz und noch mehr Knatter sind hier nur im Frühjahr zu befahren. Vom Untersee gelangt man durch das Verbindungsfließ an Stolpe (Mühle) vorbei zum Stolper See (Obersee), evtl. tragen zum Salzsee und Borker See bis Bork. Hier könnte das Boot dann per Wagen (etwa 6,5 km Landweg) über Ganz nach Teetz an der Dosse transportiert und die Fahrt die Dosse abwärts über Doss-Krug, Schönberg und Tramnitz nach Wusterhausen (Wehr) gemacht werden. Von Hohenofen bis zum Klempowsee sind 4 Mühlen zu passieren. Sämtliche Br. sind feste hölzerne Br. und können bei hohem Wasserstande nur mit größter Vorsicht durchfahren werden, da sie sehr niedrig sind.
  • Ratsam wäre es auch, den etwa 30 km langen Land- oder Bahntransport von Wusterhausen über Metzelthin, Ganzer, Wildberg, Kerzlin, Dabergotz und Bechlin nach Neu-Ruppin aufzunehmen. Man kann aber auch von der Chausseebr. bei Friedrichsdorf an der unteren Dosse knapp 2 km Landtransport auf guter Chaussee nach Neu-Garz zum Rhin machen, diesen aufwärtsfahren (evtl. zur Erleichterung von Baselitz oder Vorwerk Damm bis Lenzker Mühle Landtransport) und erreicht (2 Wehre) bei Fehrbellin schiffbares Wasser.
  • Bei km 2,50 der Neuen Dosse schneidet die Alte Dosse diese, führt später den Namen Alte Jäglitz [164]und bringt uns nach K y r i t z. Die ganze Gegend (auch die oben beschriebenen Nebenfahrten) ist landschaftlich nicht schön zu nennen; eintönige Wiesen und Weiden, die nur hin und wieder durch spärliches Erlengebüsch unterbrochen werden, säumen die Bäche ein. [165] Dazu kommt, dass zeitweise viel Kraut ist, aufwärts ist die Tour nicht zu empfehlen.

Verfolgen wir den Havelstrom, den Großschifffahrtsweg weiter, so erreichen wir Vehlgast (km 24,6), weiter stromab die Mündung der Neuen Jäglitz (die Brenitz), Jederitz (km 19,0; Gasth., F.: Havelberg 78, und Gasth. Dorfstr. 8, F.: 192) gegenüber, welches aber l. ab vom Strom an einem Seitenarm liegt. Von Vehlgast bis Havelberg haben wir bei km 21,0, 19,0 und 15,0 größere Durchstiche zur Begradigung des Flusslaufes. Wir nähern uns Havelberg, E. (km 15,7). Weit grüßt der Dom, auf den wir gerade zufahren, vom hohen Steilufer herab. R. Badeanstalt, dann folgt die Vorstadt, die sich terrassenförmig am r. Ufer aufbaut, und die Altstadt, die auf einer Insel liegt. Der Havelstrom biegt l. um sie herum. Geradeaus der schmale Stadtgraben (flach, steinig), der die Stadt zur Insel macht. Am Anfang des Grabens Laufbr. (Dombr.), am Ende Steintorbr. L. über die Havel spannt sich von der Stadtmitte aus die Lange Br. (feste Br.; 6,80 m). R. - C l. Havelberg im hölzernen Schuppen in der Werft l. vor der Havelbr. (Lange Br.). Havelberg, E. - baut sich terrassenförmig am r. Ufer auf -, Anlegestelle an der Steintorbr. für stromauf- und an der Laufbr. (Dombr.) für stromabfahrende Boote in der Nähe des Hot. "Kronprinz", Lange Str. 28/29, F.: 31. [166]

  • Havelberg, E., liegt auf einer Insel, und es ist ein historisch denkwürdiges Städtchen. Das Wahrzeichen der Stadt ist der auf Bergeshöhe gelegene bald 1000jährige Dom. Es ist eine überaus malerische Stadt unter ihrem hochgelegenen Dom. Der Paradiessaal, das ehrwürdige Refektorium der Prämonstratensermönche im S. der Domkreuzgänge, ist 1800 und 1881 einer umfassenden Restauration unterworfen worden; die Gewölbe ruhen auf 6 Pfeilern. Die Decke des sog. kleinen Paradiessaales zeichnet sich ganz besonders durch künstlerische Bogen aus. Zu Havelberg gründete Kaiser Otto I. 946 ein später dem Erzbischof von Magdeburg untergebenes Bistum, dessen Bischof gewöhnlich 2 Meilen nördlicher in der Plattenburg oder in Wittstock residierte und welches 1548 aufgehoben wurde. Havelberg war früher eine starke Festung, welche im 30 jährigen Kriege nicht weniger als siebenmal von den verschiedensten Völkern erobert wurde. Besichtigung mindestens des Domes sehr zu empfehlen. Man steigt am besten von der Steintorbr. an der kleinen St. Annakapelle vorbei die Anlagen empor zum mächtigen Dom, wo man von der Terrasse aus einen schönen weiten Blick auf den Fluss und das Land hat. Vom Dom Treppe herab zur Laufbr. und über diese in die Altstadt, an der Laurentius- und der St. Spirituskirche (beide aus dem 14. Jahrh.) vorbei. Das Hans Lange Str. 12, ein alter Fachwerkbau aus dem Jahre 1666, alle Malerei wieder hergestellt. Sie haben das schöne Vermächtnis der St. Annen-Kapelle, sie haben die Laurentiuskirche, sie haben das Beginenhaus. Aber das Prachtstück Havelbergs, das die Stadt ehrt, das uns alle ehrt, denen Berlin, die Mark eine zweite, schöne Heimat geworden ist, das Prachtstück, das Ehrenstück ist der Dom. Hot. F.: 31. Bürgerliches Haus. J.-H., alte Domkaserne, Ritterplatz 5. Anlegestelle an der Laufbr.; von Hamburg kommend an der Steintorbr. Hot. "Stadt Magdeburg", Lange Str. 20; F.: 1. Deutsches Haus, F.: 133. Dom-Hot., Amtstor 2; F.: 44. Benzinstation: H. "Zum Kronprinzen"; Albert Hirsch, Steinstraße 7; J. C. Bahn, Mühlenstr. 4/5; Fritz Schoppe, Lange Str. 11. Rep.-Werkst.: Otto Gerloff, Steinstr. 2; Emil Voßköhler, Fischerstraße 15. Dampferverbindung: Havelberg - Rathenow. Abfahrt von Havelberg jeden Dienstag, Donnerstag und Sonntag früh 5 Uhr. Die Dampfer halten in Vehlgast, Strodehne, Garz (Montags morgens gegen 6 Uhr und nachm. 3 Uhr noch besondere Fahrten von Havelberg - zurück morgens 8 Uhr und nachm. 5 Uhr), Warnau, Gülpe, Molkenberg, Schollene, Parey, Grütz, Göttlin, Rathenow; Fahrzeit von 4 3/4 Std. Havelberg - Magdeburg von Ende März bis Ende Oktober jeden Dienstag, Donnerstag und Sonnabend früh 5 Uhr. Die Dampfer halten in Werben, Räbel, Sandau, Nieder-Görne, Arneburg, Tangermünde, Buch-Jerichow, Ferchland, Bittkau, Sandfurth, Kehnert, Niegripp, Hohenwarte und Magdeburg. Fahrzeit etwa 12 Stunden. Rückfahrt von Magdeburg jeden Montag, Mittwoch und Freitag früh 8 1/2 Uhr bei Ferd. Degen, Kleinwerder 5c, F.: 1615; Fahrzeit etwa 8 1/2 Std. (3. Auflage 1919, S. 219) [167] Die Umgebung der Stadt lockt zu den schönsten Ausflügen: zum Elbdeich, der Fasaneninsel, Räbel, Werben, Quitzöbel und nach Wilsnack mit seiner berühmten Wunderblutkirche.

Kurz hinter der Vereinigung des Stadtgrabens mit der Hauptschifffahrtsstraße sehen wir direkt am Wasser den Bhf. Hinter dem Bhf. l. ein toter Arm, die Nöhre. Unterhalb Havelberg, bei Havelort, liegen immer Schlepper. Heckanker! Wenn die Heckanker hinuntergehen, so ist im Schleppstrom abwärts dieses Manöver sofort mitzumachen.

Es folgen nun Toppel E. (Fähre; km 11,1), Dahlen, Nitzow, E. (km 11,1; Fähre), alle drei Orte r. auf dem hohen Ufer liegend. Auch die Bahn Glöwen - Havelberg, die diese Orte passiert, zieht auf der Höhe hin. Von Nitzow Fähre (km 8,0) haben wir nur knapp 8 km zur Elbe (Fußweg); da wir noch 11,1 km von der Mündung in die Elbe entfernt sind, so lohnt sich die Mühe des Übertragens schon. Hilfe besorgt uns evtl. der Fährmann; der Elbstrom bringt uns schneller vorwärts. Bald macht die Havel einen r. Winkel nach l., und wir kommen zu der Stelle, wo sich das blaue Wasser der Havel mit den gelblich-braunen Fluten des zur Nordsee hinabeilenden Elbstromes vermischt. Die Landerhöhung l. ist schon der Elbdeich, kenntlich an den viereckigen Tafeln, die nach der Elbe zu die Kilometerstationen zeigen. Bei der Werbenschen Fähre misst der trennende Landstreifen kaum 100 m, wird aber nachher wieder etwas breiter. 1,77 km von der Werbenschen Fähre (km 1,8) schwimmt unser "Kahn" auf die hier recht ansehnlich breite Elbe hinaus; wir erreichen sie bei km 431,2 von der Mündung der Moldau aus. L. rückwärts die trutzigen Türme von Werben a. d. Elbe. Die Reichswasserstraßenverwaltung beabsichtigt die Einmündung durch Herstellung eines kurzen Durchstichs zur Elbe zu verlegen. [168]


Elbeabwärts bis Dömitz

Der Vollständigkeit halber und um eine Verbindung nach der Müritz zu haben, bringen wir diese Beschreibung hier, so dass wir die Rundfahrt von Berlin - Elbe - Elde-Wasserstraße - (Schweriner See) - vollständig in diesem Bande bringen.

Gleich hinter der Havelmündung in Abbendorf (km 435,0 [169]) haben wir einen guten Gasthof.

Etwas über 22 km trennen uns hier noch von Wittenberge (km 455,0 [170]), E., mit Eisenbahnbr. (4,00 m). Wir finden r. unmittelbar hinter dieser auf dem Königsdeich das Bootshaus des R.-Cl. Wittenberge (21. V. 1909) oder ankern im Hafen bei der Stadt. Hart um den Molenkopf hinter der Br. herumgehend, kommen wir aus dem Bereich der Strömung. Am Ende des Hafens das Bootsh. des R.-Cl. Wittenberge.

  • In Wittenberge, E., Gasth. "Germania", Bahnhofstr. 71, F.: 25. Benzinstation: Ernst Burckhardt, J. C. Schröder Nachfl., Drogerie, Bahnstr. 80, F.: 286; Hugo Schultz, Reparaturen, Bahnstr. 37/38, F.: 70; Alfred Streckenbach, Inh. W. Woltmann, Drogerie, Bahnstr. 69, F.: 235; Elektr. Ladest.: Feldschloss-Brauerei, Perleberger Str. 72 – Bahnhofs-H.; Hillers H. Erfrischung bekommt man auch in der kleinen, aber sauberen Wirtschaft ("Schifferverkehr") gleich oberhalb der Hafeneinfahrt (steiniges Ufer). (5. Auflage 1925, S. 267) Wittenberge hat viel Industrie, u. a. Singer-Nähmaschinenfabrik, Eisenbahnwerkstatt u. a. m. J.-H., Städt. Forsthaus, Parkstr. [171]

Wer in Wittenberge, km 455, nicht übernachten will, findet etwa 6 km weiter in Wahrenberg l. im Gasth. Aufnahme. Es liegt direkt an der Elbe auf dem Deiche an der Fähre, man hat die Boote von ihm aus unter Aufsicht, evtl. können sie auch in den Tanzsaal gebracht werden. Auch Strohlager. (5. Auflage 1925, S. 267 [172]) Ebenso 5 km weiter in Müggendorf (km 464,0), r. im Gasth. (nicht unmittelbar am Wasser). Will man in Wahrenberg oder Müggendorf zu Mittag speisen und hat man es eilig, so melde man sich von der kleinen Wirtschaft an der Wittenberger Hafeneinfahrt aus telephonisch dort an und trifft dann alles vorbereitet. Cümmlosen r., Lütkenwisch r. [173]

Bei der Eintönigkeit der Unterelbe bietet der nächste Ort eine wahre Erholung, es ist Tangermünde (km 388,2), E., mit dem Tangermünder R.-Cl. von 1906 (17. VII. 1906, Bootshaus oberhalb der Zuckerraffinerie). Beste Anlegestelle im Hafen hinter dem festen Steinbollwerk; nur kleine Einfahrt; der Verkehr über die Einfahrt wird durch eine Seilkahnfähre (Fischerdröbel) durch Selbstbedienung aufrecht erhalten; daher bei Einfahrt: Vorsicht! oder hinter der schwimmenden Badeanstalt am Hafeneingang. In den Hafen (km 388,2) mündet der Tanger.

  • Den Namen Fluss verdient der Tanger nur im Winter bei Hochwasser, wenn die Elbe den niedrigen Sommerdeich überflutet und das Bett des Tanger und sein Wiesengelände auffüllt. Da erblicken die Anwohner eine stattliche Wasserbreite von mehreren km Länge und Breite, die in der warmen Jahreszeit dem Ruderer willkommen wäre. Jedoch im Sommer, bei niedrigem Wasserstande, ist der Tanger nur ein wasserarmer Bach, der sich mühsam durchs Land schlängelt und nicht das kleinste Fahrzeug tragen kann. Er entspringt bei Burgstall in der Letzlinger Heide und fließt bis Väthen-Tangerhütte [174] durch Heideland, tritt hier in die Elbniederung ein und schleicht sich, von fruchtbaren Wiesen begleitet, nach der Elbe. Seine letzten 500 m sind ausgebaut zum Tangermünder Hafen.
  • Tangermünde, E., die einstige Kaiserstadt, von der aus Karl IV. weltumspannenden Plänen nachsann. Die Stadt erhebt sich über den Elbstrom, weithin sichtbar. Tangermünde, die sehr altertümliche, hochinteressante Stadt, erscheint schon in 12. Jahrhundert als Stadt; sie ist das typische Bild des mittelalterlichen Backsteinbaues. Ganz prächtig sind das spätgotische Rathaus und die Mauern und Tore aus dem Mittelalter, die 1376 begonnene gotische Stephanskirche und das Schloss. Die Burg war wiederholt Residenz der Markgrafen von Brandenburg, wurde aber 1640 von den Schweden größtenteils zerstört; von dem alten Bau ist noch der Kapitalsturm (Schrotturm) übrig, welcher 65 m hoch ist und von dem man einen prächtigen Rundblick bis nach Magdeburg hat. - Tangermünde ist eine "süße Stadt"; denn Millionen von Zentnern Rohzucker werden hier zu genussfähigem Zucker verarbeitet. An diese Zuckerraffinerien haben sich eine ganze Reihe anderer süßer Fabriken angeschlossen. Viele dieser Schöpfungen knüpfen sich an den Namen Meyer. Was Krupp für Essen, Schichau für Elbing usw. ist, das bedeutet in gewissem Sinne Meyer, den man zum Unterschiede von anderen Meyers den "Zuckermeyer" nannte, für Tangermünde. – H. "Schwarzer Adler", F.: 13; H. "Königin Luise", Schlossfreiheit 2, F.: 52. Café Utescher. (Was Keller bewogen hat, das 35 km elbaufwärts der Havelmündung liegende Tangermünde unterhalb von Wittenberge anzusiedeln, wird sein Geheimnis bleiben. Da der Fehler in keiner der früheren Auflagen auftaucht, ist ihm wohl eine Manuskriptseite durcheinandergeraten. (Anmerkung d. Bearbeiters))

Die Elbufer bieten jetzt wenig Abwechslung; sandig, flach, mit Weiden, gelegentlich mit etwas Nadelholz bestanden, ab und auch einmal ein mit einem kleinen Laubgehölz bewaldeter Hügel das ist das Bild. Nach der Mündung des Aland, km 474,4, bei Schnackenburg (km 474,6) gehört das l. Ufer der Provinz Hannover an. An der Mündung gute Anlegestelle. Mehrere Gasth. am Marktplatz und Post dicht am Wasser. Besichtigung des Marktplatzes mit den stilvollen niedersächsischen Häusern sehr zu empfehlen. 10 km weiter Fähre nach Lenzen, E., r. kleiner Hafen, der Ort liegt weit landeinwärts. J. - H. für Knaben im Pumphäuschen an der Sectorbr., für Mädchen Schwesternstation des Vaterl. Frauenvereins. Hot. Deutsches Haus. [175] Die Gegend gewinnt wieder etwas an Anmut; die hannoverschen Ufer steigen z. T. hoch an und sind belaubt. 2 km hinter der Lenzener Fähre l. bei der Talmühle sind dieselben etwa 60 m hoch.

  • Die Talmühle ist ein beliebter Ausflugsort der Bevölkerung von Lenzen. Kein Wassersportmann versäume, hier anzulegen (l. in der Schlucht, Schild). Die Talmühle liegt zwar in einem Tale, aber doch hoch auf dem Berge. Der Aufstieg zu ihr ist bequem. Die Mühle wird angetrieben von einer Wasserkraft. Auf der Höhe bei der Mühle entspringt eine Quelle, diese wird in einem eisernen Rohr bis an den Fuß des Berges herabgeleitet, wo sie eine Wasserturbine treibt. Die drehende Kraft der Turbine wird durch eine Dahtseilübertragung wieder zur Höhe geleitet und treibt dort das Mahlwerk. Also eine etwas eigenartig umständliche, aber doch praktische Art und Weise, da hierdurch die Höhe von 25 m gleich 2 1/2 Atmosphären Wasserdruck ausgenutzt wird. Die ganze Anlage ist leicht zu besichtigen. In der Mühle auf der Höhe Gastwirtschaft des freundlichen Mühlenbesitzers. Rudererquartier. Die Boote hat man von der Gastw. aus im Auge, wenn man hinten vor der Schlucht angelegt hat. R. von der Mühle, noch etwas höher, die "Schanze", von der aus man einen herrlich schönen Blick auf die tief unten sich hinziehende Elbe mit ihren vielen Molen und auf die jenseits liegende "Lenzer Wische" hat. Der Blick ist solchen z. B. an der Weser als ebenbürtig an die Seite zu stellen. Die Schanze, von der der Berg fast senkrecht zur Elbe abfällt, ist ein altes Kastell aus der Römerzeit, im Jahre 789, nach anderer Annahme 808 errichtet. Herr Havemann zeigt dir gern seine Sammlung hier gemachter Funde aus allen Zeitaltern. Vor der Mühle im Freien schöne Sitzplätze mit Ausblick, so recht zum Verweilen einladend. Ehe wir weiterfahren, wollen wir uns aber noch aus den endlos vielen Feuersteinen unten am Strande einige Versteinerungen von Tieren selbst heraussuchen und als Andenken mitnehmen. [176]

L. haben wir Gorleben (km 491,8), Gasth., nun folgt r. Kietz, Unbesandten r., Besandten r. und l. Langendorf. Bald ist r. die Löcknitz und damit die preußisch-mecklenburgische Grenze erreicht.


Die Löcknitz

(km 502,0)

  • Da sehr schlechte Eisenbahnverbindung nach dem Oberlaufe besteht, so ein vom Wassersport noch fast unberührtes Flüsschen. Es entspringt südlich von Parchim in mehreren Quellarmen. Einer südlich von Wulfsahl, ein anderer bei Drefahl und ein dritter bei Bauerkuhl, dazu kommt noch weiter südlich ein Arm von Platschow und noch einer von Dambeck. Bei Streesow vereinigen sich nicht weniger als fünf Arme. Der r. zulaufende Arm, die Tarnitz, hat Verbindung mit der Meyn, [177] die in die Alte Elde mündet, welche bei Eldenburg (Seedorf) wieder mit der Löcknitz zusammenkommt. Nächste Eisenbahnstation Margarethental (Perleberg - Karstädt - Klein Berge - Putlitz). Weg über Dambeck zur Löcknitz vor Balow (Chaussee 4 km). Schöne Landschaftsbilder; doch anstrengend. Bequemer von Dallmin (2 1/2 km). Ohne Anstrengung Karstädt und Lanz (Berlin - Wittenberge - Lanz, 1 1/2 km).
        Fangen wir von Karstädt (Chaussee) unsere Faltbootfahrt an, so erreichen wir bald Stavenow (Br.) und die Hauptschwierigkeiten sind überwunden, das Wasser wird breiter, die Landschaft, vor Mesekow (Br.) rechts schöner Wald, schön; es folgt eine Br., Gadow (Schloss), Babekuhl, Eisenbahnbr., Lanz mit Fr.-Jahn-Denkmal, Bernheide, Chausseebr. und Wustrow folgt. Hier kommt die Löcknitz der Elbe bis auf 500 m nahe, und wer will, kann hier übersetzen. Gandow, Br., und die schöne alte Stadt Lenzen, E., folgen. Vor der Burg eine Durchfahrt zum herrlichen Rudower See, von diesem führt ein 5 km langer Kanal, an Nausdorf vorbei, zum Rambower See. Hier heißt es: Kehrt! [178] Schloss und Burg werden besichtigt, und weiter geht es nach Baekern mit Br., Seedorf, Br., zur Mündung der Alten Elde - diese stellt eine Verbindung mit der Neuen Elde (Elde-Kanal) in der Nähe von Eldena her; befahrbar, Moor, vom Wald umsäumt, ca. 20 km. Bei Gorlosen r. halten, wenn man von Eldena kommt, bei der Teilung l. halten an Boek vorbei. Auf unserer Löcknitzfahrt (Elde, Schwarzwasser) erreichen wir Polz, E., Klein Schmölen und oberhalb Dömitz, bei km 502 der Elbestationierung, die Mündung in die Elbe. [179] Wir haben noch 2,1 km bis Dömitz. Von Lanz sind es ungefähr bis zur Elbe 30,0 km. [180] Der Unterlauf der Löcknitz ist heute zwischen Gandow und Lenzen sowie zwischen Polz und Klein Schmölen aus Naturschutzgründen gesperrt. (Anmerkung d. Bearbeiters)

Die Ufer werden freundlicher, späterhin sogar recht interessant. Die Große Br. bei Dömitz, E., leuchtet uns entgegen. Unmittelbar hinter der Br. treffen wir r. auf die Mündung der Eldewasserstraße (km 504,1); ein langer Kanal führt uns direkt zur Elde-Schleuse. Das Boot kann man einem Fischer übergeben, da landen hier sehr schlecht ist, am besten ist es, wenn man ein Stück in die Elde fährt und hier l. an einer unbebauten Stelle anlegt.

  • Dömitz, E., (das feste Haus) liegt auf einer Anhöhe. Gasth. Elbstr., Kleins Hot., F.: 55. R.-V. Elbwacht, Schuppen rechts im Hafen bei km 504. - Kanustation. In den Hafen von Dömitz hineinfahren bis zur Schleuse. Die Boote werden beim Schleusenmeister untergebracht, der sich auch bereit erklärt hat, Strohlager unentgeltlich abzugeben. (5. Auflage 1925, S. 268). [181] Motorboote bedürfen zum Befahren der Mecklenburger Gewässer einer ministeriellen Erlaubnis. Für die Elde von Dömitz bis Plau ist die Flussbau-Verwaltungskommission in Schwerin zuständig.
  • Die Eldewasserstr. (Tour XVIII). Auf der Elde, Stör und dem Schweriner See, also von Dömitz ab, ist regelmäßiger Dampferverkehr und diese Strecke gut fahrbar. Tiefgang von etwa 1 m zulässig. Sobald man die Schleuse in Dömitz passiert, bekommt man ohne Umstände ein Formular zum Unterschreiben vorgelegt und ein gleiches mit auf die Reise. Das Schleusengeld beträgt bei Zahlschleusen 50 Pf. und 15 Pf. Schreibgebühren; bei mehreren Booten für jedes Boot 40 Pf. und 15 Pf. Schreibgebühren; einige Schleusen sind frei, wie man sich auf dem Papier, welches man noch erhält und bei jeder meckl. Schleuse vorzeigen muss, überzeugen kann. Nach Passieren der letzten Schleuse Banzkow - im Störkanal - behält dies Schriftstück der Schleusenwärter. Gegen leichteren oder stärkeren Strom geht es aufwärts, im kanalisierten Teile Stauwasser. Einen Kampf mit Binsen und Hechtkraut müssen wir aufnehmen. Im Kanu kann man die Elde in vier Tagen durchfahren. 1. Tag bis Grabow, 2. Tag bis Parchim, 3. Tag bis Lübz und 4. Tag bis Plau. Von hier kann man, wenn Wind und Wetter ein Befahren der Seen verbietet, das Boot per Bahn nach Waren schicken. Ruderfahrten sind während der Verkrautung, also im Hochsommer, ausgeschlossen. (...) Die Fahrt auf der Stör nach Schwerin zu ist geologisch sehr interessant wegen der terrassenförmigen Uferbildung, die bis zu 1 km vom jetzigen Ufer entfernt sind und sich vom Boot aus schön beobachten lassen. Stundenlang geht es durch Wald- und Bruchlandschaft. Weit und breit keine Menschenseele. Die Einsamkeit wird nur ab und zu durch das "Schreien" und "Orgeln" der hier sorgsam gehegten Hirsche unterbrochen. Will man nicht in die Stör einbiegen, sondern die Elde weiter, so muss man für tiefergehende Fahrzeuge von Parchim ein Telegramm an den Schleusenmeister in Burow richten mit der Bitte, das Wasser aufzustauen. Botengeld 50 Pf. Sowie man merkt, dass Wasser kommt, oft nach 24 Stunden, dann kann man losfahren. Bei 60 cm Tiefgang kommt man glatt nach Lübz. Dann telephoniert man nach Schleuse Kuppentin sowie an Müller Haase (Schleuse in Plau). (3. Auflage 1919, S. 410 f.)
  • 19 Schleusen hat die Elde, die selbst bedient werden müssen. (...) Während der Verkrautung, also im Hochsommer, ist Rudern teilweise beschwerlich, jedoch nur oberhalb von Parchim, wo aber neuer Kanal im Bau. (5. Auflage 1925, S. 268 f.)

Karten für diese Fahrt sind diesem Werke beigegeben, Nr. 3, 4, 5, 11, 12, 13, 14, 15 und 20, ferner sind auch Einheitsblätter 35, 49, 50 und Generalstabskarten 181, 182, 211, 212 zu benutzen.


Anmerkungen

  1. Amtliche Entfernung von der Mündung der Havel in die Elbe bei km 328,9. (Anmerkung von Keller)
  2. Den Zustand Spandaus im Jahre 1917, als es noch selbständige Stadt war und seine Industrie auf vollen Touren lief, zeigt eine Beschreibung des Wanderbuchautors Emil Albrecht: "Spandau. – Gasthöfe: Kaiserhof, am Hauptbahnhof; Hot. Zum Hohenzollernring, vor dem Fehrbelliner Tor, 18 Z. mit 25 B. zu 1 1/2 - 3 1/2 M., Pension 5-8 Mark. – Restaurants: Hauptbahnhof, mit Gartenwirtschaft; Patzenhofer, Brückenstr., nahe dem Hauptbahnhof; im Neuen Rathaus; Pohrt, Breite Str. 32; Neustädt. Kasino, Neuendorfer Str. 91. – Wiener Kaffees: Fürstenhof, am Hauptbahnhof; Victoria, an der Charlottenbrücke, mit Terrasse. – Konditoreien: Wiegmann, Breite Str. 20; Hilgenfeld, Potsdamer Str. 42/43. – Badeanstalten: Neuendorfer Str. 96; Hallenschwimmbad. – Flußbäder 5 Min. nö. von der Garnisonkirche, in der Wröhmännerstraße. Post: Potsdamer Str. 52, am Bahnhof u. a.
    Spandau, Stadt und Festung mit 106.696 Einw. (davon etwa 10.000 Militär) an der Mündung der Spree in die Havel, wurde vermutlich um 1160 von Albrecht dem Bären als Burg gegen die Slawen gegründet, besitzt seit 1232 Stadtrecht und bildet seit 1887 einen eigenen Stadtkreis. Am 1. Nov. 1539 trat Joachim II. hier zur Reformation über (nach neueren Forschungen soll dies vielmehr in der Berliner Domkirche geschehen sein). Der Bau der Festung, 1560 unter Römers Leitung begonnen, wurde 1578-93 vom Grafen Rochus zu Lynar vollendet. Unter Kurfürst Georg Wilhelm entstand eine neue Stadtbefestigung (1636-48). 1631-34 war Sp. von den Schweden besetzt. Am 25. Okt. 1806 überließ v. Beneckendorf verräterisch die Festung den Franzosen, die sie bis zum 27. Nov. 1808 und später wiederum 1812-13 innehatten, bis sie infolge heftiger Beschießung durch die Preußen am 24. April sich ergaben. Die innere Befestigung ist jetzt ganz aufgegeben; von der äußeren Befestigung ist noch die Zitadelle und im W. Fort Hahnenberg erhalten. – Sp. ist vor allem Militärstadt. In Garnison liegen hier: das Garde-Grenadier-Reg. Nr. 5, das 5. Garde-Reg., das Pionierbataillon von Rauch Nr. 3, das Garde-Fußartillerie-Reg., das Brandenburg. Trainbataillon Nr. 3, außerdem die Maschinengewehr-Abteilung in Ruhleben. Sechs große kgl. Werkstätten beschäftigen viele Tausende von Arbeitern: die Geschützgießerei, die Artilleriewerkstatt, die Gewehrfabrik, die Munitionsfabrik, die Pulverfabrik und das Feuerwerkslaboratorium.
    Der Hauptbahnhof liegt in der Vorstadt Stresow. Südl. von ihm, jenseit der Bahn, die Kaserne des Garde-Grenadier-Reg. Nr. 5. Das Gelände n. vom Bahnhof bis zur Spree nehmen zwei kgl. Fabriken ein, die 1853-54 erbaute Geschützgießerei und die 1886 eröffnete Artilleriewerkstatt.
    NW. vom Bahnhof gelangt man durch die Bahnhofstraße zum Stresowplatz (hier die Kaserne für die Garde-Fußartillerie) und weiter durch die Brückenstraße zur neuen Charlottenbrücke. R. nahebei vereinigt sich die Spree nach 397,5 km langem Laufe mit der Havel. Jenseit der Brücke, wo die Altstadt beginnt, geht r. das Lindenufer nach der Berliner Brücke. Am Anfang des Lindenufers seit 1892 das Denkmal Kaiser Friedrichs aus Bronze, von A. Manthe; am Sockel drei Reliefs: Heimkehr von der Jagd aus der Spandauer Stadtforst, Kaiser Friedrich und Prinz Heinrich beim Waldbrand in derselben, Übersiedlung nach dem Neuen Palais (1. Juni 1888).
    Im Mittelpunkt der alten Stadt, an der Potsdamer Straße, erhebt sich die Nikolaikirche, dreischiffige got. Hallenkirche mit Chorumgang, aus dem 14. Jahrh., zuletzt 1902-3 durch Stiehl neu hergestellt.
    Inneres (Küster Joachimsplatz 2, neben der Kirche): Renaissancealtar aus bemaltem Sandstein und Stuck, 1582 vom Grafen Rochus zu Lynar (1525-1596) gestiftet; Reliefs: das h. Abendmahl, zu beiden Seiten die Familie des Stifters, darüber das Jüngste Gericht und Christus am Kreuz. – Unter dem Altar die Lynarsche Familiengruft. Mächtiges Kruzifix mit Maria und Johannes von 1540. – Altertümliches bronzenes Taufbecken von 1398. Davor die Gruft des Grafen Adam von Schwarzenberg, Beraters des Kurfürsten Georg Wilhelm († 1641); Bronzetafel dazu mit seinem Wappen an der südl. Chorwand. An einem Pfeiler r. vom Altar die Grabtafeln zweier Herren v. Röbel († 1572 und 1575). An der nördl. Chorwand Bild von B. Rode (weibliche Figur, die das Brustbild des Georg Lamprecht hält, mit Inschrift von Ramler).
    Vor der Kirche das bronzene Standbild Joachims II., von Encke, 1889 enthüllt gelegentlich des 350jährigen Reformationsjubiläums, mit drei Reliefs: Kurfürstin Elisabeth und die Kinder, Abendmahlsfeier Joachims, Joachim mit Luther und Melanchthon. Neben der Kirche, auf dem Heinrichsplatz, ein eisernes Denkmal für die in den Freiheitskriegen Gefallenen. In der Potsdamer Straße, Nr. 27, das kgl. Gymnasium. Am Südende derselben Straße kurz vor der Bahn das prächtige Rathaus, 1910-13 erbaut nach den Plänen von Reinhardt u. Süßenguth; r. abseits das Lyzeum (Cecilienschule). Dann r. in geringer Entfernung Bhf. Spandau-West.
    In der Potsdamer Straße, zwischen der Moritz- und der Charlottenstraße, stand bis 1899 die Schloßkaserne, 1578-81 als Schloß des Grafen Rochus zu Lynar erbaut, 1637-1872 Zuchthaus, aus dem 1850 Gottfried Kinkel mit Hilfe von Karl Schurz entfloh. In der Nacht zum 16. Dez. 1632 war hier die Leiche Gustav Adolfs aufgebahrt.
    Nördl. von der Neuen Brücke beginnt die Neustadt mit der Neuendorfer Straße. L. sogleich das Reiterdenkmal Wilhelms I. (1909), von Dörrenbach, und die got. Garnisonkirche (1890), von Roßteuscher. L. abseits bleiben die Kasernen des 5. Garde-Regiments, in der Friedrichstraße die städt. Oberrealschule sowie nahebei die kath. Marienkirche, in roman. Formen erbaut von Hehl, und n. die Militärbrieftauben-Station. Jenseit der Garnisonkirche teilt sich alsbald die Straße. Geradeaus geht die Neuendorfer Straße weiter. An ihr r. die Direktions- und Arbeitergebäude des Feuerwerkslaboratoriums, das sich selbst seit 1829 auf dem Eiswerder, einer nahen Havelinsel, befindet. Die Neuendorfer Straße führt weiter nach Hakenfelde. – L. zweigt die Schönwalder Straße ab. Sogleich an ihrem Anfang, auf dem Bismarckplatz, seit 1901 ein Standbild Bismarcks aus Bronze, von G. Meyer. Die Straße läßt alsdann die von Fritsche 1896 erbaute roman. Lutherkirche und (dicht dabei) das städt. Krankenhaus r. und endet bei der (r.) Schülerbergkaserne (für das Pionierbataillon) am Fehrbelliner Tor. Etwas n. vom Tore seit 1908 das Bronzedenkmal des Pioniers Klinke, der beim Sturm auf Düppel 1864 sich opferte, von Wandschneider. L. nahebei mehrere 1909-11 hergestellte öffentliche Bauten: das städt. Hallenschwimmbad, ferner das kgl. Lehrerseminar mit Präparandenanstalt, sowie die kgl. Landesturnanstalt (beide Anstalten früher in Berlin).
    Östl. von der Berliner Brücke liegt auf einer Insel, auf drei Seiten von schattigen Promenaden umgeben, die Zitadelle (Eintr. nicht gestattet; am Eingang das kgl. preuß. Wappen von 1701-3), die einen fiskalischen Gutsbezirk für sich bildet. Von dem alten Bau des Schlosses zu Spandow, das ursprünglich hier stand, hat sich nur noch der runde Bergfried, der Juliusturm (etwa 14. Jahrh.), erhalten; in ihm der Reichskriegsschatz (früher in Friedenszeiten 120 Mill. Mark in Kisten zu 10.000 Mark in Gold), der jährlich einmal von Beamten des Reichsschatzamtes geprüft wurde. Die Festung zeigt im allgemeinen noch die ihr durch Rochus zu Lynar gegebene Form mit 4 Bastionen.
    Das alte Schloß diente den askan. und bayr. Markgrafen häufig zur Residenz und später den Kurfürstinnen mehrfach als Witwensitz, u. a. der Elisabeth, Gemahlin Joachims I., 1545-55. 1571 wurde die "schöne Gießerin" von Johann Georg hierher verwiesen und starb hier 1575. Im Juni 1631 zwang Gustav Adolf seinen Schwager Georg Wilhelm, ihm die Festung zu überlassen. Von 1638 an hatte hier der Statthalter in den Marken, Graf Adam v. Schwarzenberg, seinen Sitz. 1757 flüchtete bei Annäherung der Österreicher die Königin Elisabeth Christine in die Zitadelle. Napoleon ließ gelegentlich seines Aufenthaltes am 26. Okt. 1806 die Festung in besseren Stand setzen. Den 20. März 1848 verbrachte hier der spätere Kaiser Wilhelm I. auf seiner Flucht nach England.
    Die bei der Berliner Brücke beginnende, an der Zitadelle vorüberführende Chaussee war bis 1724 die Hauptstraße nach Berlin. L. von ihr ziehen sich bis in die Nähe von Haselhorst drei kgl. Fabriken hin: die Munitionsfabrik (1870-74 erbaut, später erweitert), die Gewehrfabrik (1722 begründet, seit 1852 im Besitz des Staates) und die Pulverfabrik (seit 1838 in Betrieb), sämtlich mit großartigen Nebengebäuden.
    Nach 40 Min. erreicht man von der Brücke auf der Chaussee Haselhorst, am Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal, mit der Armeekonservenfabrik und einer Arbeiterkolonie für die Militärwerkstätten.
    Südl. von der eigentlichen Stadt zieht sich am westl. Havelufer die Wilhelmstadt hin. In der Klosterstraße lag das 1239 gegründete Benediktiner-Nonnenkloster. Im O. ist 1906-10 ein neuer Durchstich des Flusses hergestellt und ein Industriehafen angelegt worden. – 10 Min. vom Potsdamer Tor teilt sich die Straße. R. durch die Wilhelmstraße zur Melanchthonkirche (1893), zum Festungsgefängnis und zur Trainkaserne. L. führt die Pichelsdorfer Straße nach (40 Min.) Pichelsdorf, uraltem Fischerdorf auf einer Landzunge zwischen Scharfer Lanke und Havel." ("Kießlings Wanderbuch für die Mark Brandenburg und angrenzende Gebiete, Erster Teil: Nähere Umgegend Berlins" (1917), S. 38-43)
    Drei Jahre nach der Niederschrift sollte die Stadt Spandau zur Großstadt Berlin eingemeindet werden, die Waffenindustrie wurde nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages aufgelöst.
  3. Die Begriffe "Mark Brandenburg" und "märkisch", bis 1989 Gemeingut für das Berliner Umland (siehe DDR-Duden von 1990, S. 301), werden seit 1990 von Politik und Medien nicht geprägt und von Wikipedia geradezu kritisiert; man orientiert auf "Land Brandenburg" und "brandenburgisch". Vielleicht hat der nordrhein-westfälische "Märkische Kreis" Restitutionsanspruch auf den Namen erhoben (NRW war in den Aufbaujahren das Partnerland Brandenburgs) oder sich der Campina-Konzern, der in Köln abgefüllte Milch als "Mark Brandenburg" verkaufte, den Begriff schützen lassen. Die Eingeborenen zwischen Wittstock und Cottbus bezeichnen sich auch heute als "Märker".
  4. Die merkwürdige Perspektive hängt damit zusammen, dass die Zitadelle zu Kellers Zeiten militärisches Sperrgebiet war und erst nach dem 2. Weltkrieg von der Bevölkerung betreten werden durfte. Keller hat sie Zeit seines Lebens nur von außen gesehen. Der umgebende malerische Wald wuchs erst nach 1945. "Ältere Berliner wissen es - und alte Ansichten können es bestätigen -, dass die Zitadelle noch vor sechzig, siebzig Jahren völlig kahl dalag. Und das musste sie auch, schließlich war sie eine militärische Anlage. Nicht auszudenken, wenn sich ein Wagemutiger im Schutze der Bäume etwa an den Juliusturm herangeschlichen hätte." (Kurt Pomplun: Kutte kennt sich aus. Bruno Hessling Verlag Berlin (West) 1970, S. 46) – Zum Juliusturm vgl. "Das kleine Wanderbuch - 100 beliebte Ausflüge von Berlin", Verlag für heimatliche Kultur Willy Holz Berlin 3. Aufl. ca. 1910, S. 52: "Seit 1872 umschließen die starken Mauern den Kriegsschatz des Deutschen Reiches. 120 Millionen Mark werden hier in gemünztem Golde (80.000.000 in 20-Markstücken, 40.000.000 in 10-Markstücken, verpackt in 12.000 Kisten zu je 10.000 M) aufbewahrt." Emil Albrechts "Wanderbuch für die Mark Brandenburg und angrenzende Gebiete, Erster Teil: Nähere Umgegend Berlins", Verlag von Alexius Kießling Berlin, 6. Aufl. 1903, S. 40, ergänzt: "... der jährlich einmal von Beamten des Reichsschatzamtes revidiert wird." Um den Wert des Schatzes zu erfassen, muss man bedenken, dass es sich um Deutsche Goldmark handelte. Noch heute tritt, wer die Aussicht von oben genießen will, durch die 1910 gebaute "Tresortür" in den Turm, die ein Gewicht von 3000 kg hat. Der Reichskriegsschatz entstand aus den Reparationsgeldern, die das im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 besiegte Frankreich an Deutschland zahlen musste, und galt als "Eiserne Reserve"; nicht einmal im Ersten Weltkrieg wurde er angetastet, bis er nach der deutschen Niederlage 1919 an Frankreich zurückgegeben werden musste. Bis heute hat keine deutsche Regierung noch einmal einen solchen Überschuss erwirtschaften (und bewahren) können.
  5. Amtliche Entfernung von der Havel in die Elbe bei km 328,9. (Anmerkung von Keller)
  6. Amtliche Entfernung von der Havel in die Elbe bei km 328,9. (Anmerkung von Keller) - "In diesem Jahre soll eine umfassende Regulierung der Havel auf der Strecke von der Spreemündung bis Gatow ausgeführt werden. Es handelt sich um Tieferlegung des Flussbettes und gleichzeitig auch um Verbreiterung der Havel an einzelnen Stellen. Dies wird vornehmlich am linken Ufer oberhalb des neuen Spandauer Hafens bewerkstelligt, wo das Uferland militärfiskalisch ist. Ein Uferstreifen von 8 bis 9 m Breite soll abgekarrt und ausgebaggert werden. Die Tieferlegung des Flussbettes geschieht durchweg um 1 m; in gleicher Weise ist auch eine Senkung der Sohle in der Unterspree geplant." (Anmerkung der 2. Auflage 1909, S. 146) Vgl. dazu das "Wanderbuch für die Mark Brandenburg, Erster Teil: Nähere Umgegend Berlins" von Emil Albrecht (1856-1920), Alexius Kießling Buch- und Landkartenverlag Berlin, 10. Auflage 1912, S. 42: "Im O. ist 1906-10 ein neuer Durchstich des Flusses hergestellt worden, während die alte Havel zum Industriehafen ausgebaut wurde." – Der nachstehend genannte Ruderverein "Hevella" ist der einzige, der - seit 1905 bestehend - durchgehend sein Bootshaus in Tiefwerder hat.
  7. Amtliche Entfernung von der Havel in die Elbe bei km 328,9. (Anmerkung von Keller)
  8. Im Folgenden werden, soweit von Keller übermittelt, neben den Kilometerzahlen auch die Durchfahrtshöhen der Vorkriegsbrücken genannt.
  9. Mehr zu den Wassersportvereinen (speziell Rudervereinen) Spandaus und Berlins in: "Hackers Ruderbuch: Verzeichnis der rudersportlichen Vereinigungen in Berlin und Umland von 1876 bis heute." Selbstverlag Rudersportsammlung Susanne und Stefan Hacker Berlin 2008, ISBN 978-3-00-025477-2.
  10. Zu diesem und den folgenden Ausflugslokalen bis zur Pfaueninsel siehe die Monographie: "Kinder, so im Freien is' man doch erst richtig Mensch!" Ausflugslokale entlang der Havel. Hrsg. vom Stadtgeschichtlichen Museum Spandau und vom Museum im Frey-Haus, Stadt Brandenburg an der Havel. Stattbuch Verlag Berlin 1994, ISBN 3-922778-56-9, S. 39-93 und S. 149 ff., sowie Holger Lehmann: Berliner Ausflüge. Unterwegs zu den schönsten Zielen des alten Berlin. Verlag für Berlin-Brandenburg 2011, ISBN 978-3-942476-02-7, S. 174-191
  11. In der 3. Auflage 1919 lautete der Folgesatz noch: "L. lassen wir den Königgrätzer Garten und gelangen in den für den Wassersport nicht in Betracht kommenden Stößensee". Wie sehr sich das in den nächsten zehn Jahren ändern sollte, bezeugt die folgende Beschreibung.
  12. Die 2. Auflage 1909 verkündet hier: "Die Pontonbrücke liegt vor uns." Vor dem Bau der heutigen Heerstraße nämlich war Pichelswerder, ein beliebtes Ziel für Wochenendausflügler "janz weit draußen", von Berlin aus schwer zu erreichen. Die kleine Fähre, die vom Rupenhorn zu den Ausflugslokalen der Halbinsel übersetzte, quoll an Wochenenden regelmäßig über. So ließ der Gastwirt des ältesten Lokals, Rackwitz, 1882 an der schmalsten Stelle des Sees eine 150 m lange Brücke bauen, die aus 17 mit Seilen verbundenen Pontons bestand. Ruderboote konnten vorsichtig unter ihr durchfahren. Die Baukosten betrugen (lt. Werner Natzschka: Berlin und seine Wasserstraßen, Berlin (West) 1971, S. 88) 21.000 Goldmark; da aber schon ein einziges der Pichelswerder-Lokale an einem einzigen Sonntag 4000 Gäste abfertigen konnte, dürfte Rackwitz die Kosten durch den "Brückenzoll" von 5 Pfennig pro Person bald wieder hereinbekommen haben. Nach dem Bau der Heerstraße mit dem Damm der Stößenseebrücke 1909 wurde die Pontonbrücke abgerissen, zur Erleichterung der ansässigen Segler, die sich noch Jahre danach ärgerten, dass der See "durch die hässliche Schwimmbrücke nach dem Pichelswerder von der Havel abgeschnürt war" (Georg Belitz: Die vom Wannsee. In: "Die Yacht" 30/1925, S. 17 f.) Auch die Ausflugslokale sind (bis auf die "Alte Liebe") nach dem Krieg eingegangen. Während die Rampe des östlichen Brückenkopfes vom Flaggenmast vor dem rostrot gestrichenen Haus des "Klubs am Rupenhorn" markiert wird, ist die Westrampe heute von den Stegen des "Yacht-Clubs Frithjof" zugebaut.
  13. Die 2. Auflage 1909 benennt die Bucht mit dem alten Namen "Gargenlanke"; heute wird sie "Jürgenlanke" genannt.
  14. In der Frühzeit des Wassersports hatte sich unter Berliner Ruderern die Tradition der "Eierfahrt" ausgebildet. Ihr Erfinder ist lt. "Straubes Märkischem Wanderbuch, neu bearbeitet und vermehrt von Dr. Gustav Albrecht", Geographisches Institut und Landkarten-Verlag Jul. Straube, 21. Auflage 1904, der Wirt des Treptower "Eierhäuschens" gewesen: "Seinen Namen verdankt es der Sitte, dass der Wirt den Ruderern, die zuerst nach dem Schmelzen der Eisdecke bei ihm anlegten, eine Mandel [15 Stück] Eier überreichte." (S. 23) Die Sitte war schon 1895 so fest etabliert, dass die "Gartenlaube" darüber berichtete. In den 1930er und 1940er Jahren (vielleicht schon viel früher) gehörte auch der Wirt vom "Gasthaus zur Linde" zu den Anlaufpunkten der Ruderer und überreichte dem ersten Boot des Jahres, das oft beim Wett-Anrudern zu Ostern eintraf, Ostereier (nach: "Kinder, im Freien..." Stattbuchverlag Berlin 1994, S. 43). Nach dem Krieg riss die Sitte ab, das Wirtshaus heißt heute "Casa Italiano da Alberto". Die Tradition der "Eierfahrt" wird heute von anderen Lokalen weitergeführt.
  15. Der Touren-Ruder-Club ist nicht mit Kellers eigenem "Verein der Touren-Ruderer Berlin (25. VII. 1887)" identisch. Die Zweigniederlassung des Stralauer Vereins war schlichter als das "imposante Haus" des "Ruderclubs am Wannsee", aber strategisch gut gelegen: zum Umtrunk mussten die Wanderruderer nur übern Hof ins "Schloss Wannsee", bis 1984 ein weitbekanntes Ausflugslokal, gehen. Sein helles Fachwerkensemble, das sich gleich rechts neben den ziegelroten Bauten des Wasserwerks unter Bäumen versteckt, ist vollständig erhalten und steht unter Denkmalschutz. Ein Eindruck vom früheren Betrieb bekommt man in: "Kinder, so im Freien is' man doch erst richtig Mensch!" Ausflugslokale entlang der Havel. Hrsg. vom Stadtgeschichtlichen Museum Spandau und vom Museum im Frey-Haus, Stadt Brandenburg an der Havel. Stattbuch Verlag Berlin 1994, ISBN 3-922778-56-9, S. 90-92. Was aber der jetzige Besitzer, die Berliner Sparkasse, als "Bootshaus" bezeichnet, war zu Kellers Zeiten der Tanzsaal! Die Boote teilten sich damals im heutigen "Winterstall" den Platz mit der Kutsche des Gastwirts. Die letzte Wirtin, Frau Thürmer-Schmidt, lebte hochbetagt bis 1994 in diesem Haus; wer weiß, was sie alles hätte erzählen können! Der Bearbeiter hatte 2015 das Glück, die verbliebenen alten Lattenspinde der Ruderer im Dachgeschoss des "Winterstalls" sehen zu dürfen; sie sind die letzten Spuren des alten Rudersports an dieser Stelle.
  16. Autoverbindung: Wannsee Bahnhof – Wannsee Wilhelmplatz. (Anmerkung von Keller)
  17. Der Geheime Kommerzienrat Wilhelm Conrad, der die Villenkolonie gegründet hatte, saß auch im Vorstand der Berlin-Potsdamer Eisenbahn-Gesellschaft. In dieser Eigenschaft kaufte er nach dem Ende der Wiener Weltausstellung den Kaiserpavillon und ließ ihn 1875 am Bahnhof Wannsee aufstellen. Auch die ersten Gebäude des frisch eröffneten Wannseebahnhofs und des heutigen Bahnhofs Griebnitzsee entstammten dem Fundus dieser Ausstellung. Von all der Pracht ist nichts erhalten: während beide Bahnhofsgebäude in den 20er/30er Jahren des 20. Jh. Neubauten weichen mussten, brannte der Kaiserpavillon nach 1945 ab. An seiner Stelle steht heute das ebenso beliebte Restaurant "Loretta". Die im Folgenden erwähnte Bismarckbüste schaut noch heute auf den See und wendet den an der Straße Wartenden die Kehrseite zu - allerdings nicht (nur) aus Arroganz, sondern weil in dem auf der anderen Seeseite stehenden Gutshaus Neu-Kladow seine Mutter geboren wurde.
  18. Zur Geschichte dieses Elitevereins, der viele Mitglieder aus der umliegenden Villenkolonie hatte, etliche Pokale errang und ein Stück Berliner Wassersport- und Hohenzollerngeschichte darstellt, siehe das Buch von Kellers Ruder- und Segelkameraden Otto Protzen: "Herrensegler. Die Geschichte unseres Seglerhauses", hrsg. von Matthias Bonness, Books on Demand Norderstedt 2010, ISBN 978-3-839-18342-7.
  19. Auch der alte Schwedenpavillon entstammte der oben erwähnten Weltausstellung in Wien. Zu Kellers Zeit war er jedoch schon durch eine repräsentative Villa ersetzt worden. Sie sollte in späteren Jahrzehnten noch eine bewegte Geschichte haben, die in unterirdisch-forum.de erzählt wird. Heute wohnen hier Gutbetuchte.
  20. In der Hungerzeit des Ersten Weltkriegs und besonders nach Kriegsende, als die heimkehrenden Soldaten mit ihren Waffen wildern gingen, schmolz der Bestand der Havelschwäne von rund 2000 auf keine zwei Dutzend Tiere zusammen. Daraufhin wurden 1922 Eier von Wildschwänen aus dem Lucknainer See (heute Masuren, Polen) erbrütet und drei Jahre später zwölf erwachsene Schwäne in die Havelfreiheit entlassen. Zehn Jahre später gab es wieder 100 Tiere, die von hier aus Brandenburg und die Mittelelbe neu besiedelten. (Gleiches wiederholte sich wenige Jahre später: Die harten Kriegswinter und der Hunger nach 1945 vernichteten den Bestand so gründlich, dass nur ein paar Vögel überlebten, die sich im einsamen Schilfdickicht der Pfaueninsel versteckt hatten. Sie brauchten zehn Jahre, um die Berliner, und noch einmal fünf, um auch die Potsdamer Havel neu zu besiedeln; alle heutigen Havelschwäne sind Nachkommen der Handvoll Überlebenden der Pfaueninsel.)
  21. Der "Führer auf den märkischen Wasserstraßen, im Auftrage der Spree-Havel-Dampfschiffahrt-Gesellschaft 'Stern' bearbeitet von Carol Hilarius", Berlin 1914, weiß auf S. 50 f. zu Cladow noch mehr: "Aus dem einstigen Fischerdörfchen auf hoher gelber Düne ist längst ein obstzuchttreibendes Geschlecht erwachsen, das sich erfolgreich bemüht, Werder Konkurrenz zu machen. Auch eine koloniale Erinnerung knüpft sich an diesen Fleck. Unter diesen Linden spielten vor fast 25 Jahren [also um 1890] unsere ersten schwarzen Landsleute, zwei Negerknaben aus Kamerun, die beim Pastor Schall, dem bekannten Abgeordneten, hier erzogen wurden."
  22. Der Kälberwerder soll schon von Fontane kurz erwähnt worden sein. Der Segler und Maler Otto Protzen (1868-1925) schildert ihn um 1880 als "baumlos" ("Herrensegler - die Geschichte unseres Seglerhauses" (1923, Neuauflage 2010, S. 20) und vermutlich als Weideland genutzt. 1909 wurde die Insel von dem verdienten Ruderer Albert Thiemt gekauft. Sie war damals ungenutzt, von Schilf umgeben und von Weiden überwuchert, und nur ein kleines Holzhaus stand so hoch auf der Insel, dass es von den jährlichen Hochwässern nicht erfasst wurde. Thiemt, der in Gatow wohnte, war im Jahr zuvor, nachdem er schon jahrelang gerudert hatte, Mitglied im "Ruderclub am Wannsee" geworden und gewährte seinem neuen Ruderclub das unbeschränkte Nutzungsrecht an der Insel; im Alter (in den 1920er Jahren) verkaufte er sie dem Club für einen niedrigen Preis. Die Urbarmachung zog sich über viele Jahre hin. Zunächst schüttete ein Clubmitglied, ein Bauunternehmer, den Aushub seiner Baustellen auf die Insel, wodurch sie höher wurde und ein bei Hochwasser fahrbarer Graben in ihrer Mitte verschwand. Die Ufer wurden mit auf der Insel geschnittenen Faschinen aus Weidenruten befestigt. Ein anderer Ruderer wählte als Försterssohn geeignete Bäume und Sträucher aus, kaufte sie in Baumschulen auf dem Barnim, pflanzte und pflegte sie. Der Webseite des Vereins ist zu entnehmen, dass die berühmten "Olympia-Eichen", die 1936 jedem Teilnehmer der Berliner Olympiade im Topf geschenkt wurden, Stecklinge eines auf dem Kälberwerder gepflanzten Baumes waren. Der Vater eines dritten Ruderers, Direktor der Wasserwerke, ließ - ergebnislos - nach Brauchwasser bohren, so dass die Ruderer noch 1966 Kanister auf die Insel nehmen mussten. Aus Geldmangel ließ der Verein Ende der 1930er Jahre Szenen der Balzac-Literaturverfilmung "Die unheimlichen Wünsche" (1939) auf der Insel drehen, wobei Kulissen und ein Film-Friedhof noch längere Zeit stehen blieben. Auch heute gehört der 5000 m² große Kälberwerder dem "Ruderclub am Wannsee", und wer hier anlegen will, sollte vorher (!) höflich um Erlaubnis fragen. Hundeverbot! (Details nach: "Ruderclub am Wannsee, Klub-Nachrichten 489", 56. Jahrg. März/April 1966, S. 20 ff.)
  23. Zeltscheine wurden bis nach dem 2. Weltkrieg gegen Gebühr durch die Forstverwaltungen ausgestellt. Welche Denkweise bis in die 1920er Jahre dahinterstand, zeigt eine Notiz in "Fluss und Zelt, Zeitschrift für Flusswandern, Freiluftleben und Kleinbootsegeln", 3. Jahrgang 1928/29, Heft 12 / 2. Septemberheft 1928, S. 376: "Der Wald auch für Wanderer. Das preußische Forstministerium hat an alle ihm unterstellten Dienstbehörden eine Dienstanweisung ergehen lassen, die einen überaus erfreulichen Wandel über die Bedeutung des Waldes als Heilfaktor erkennen lässt. Die Forstbehörden wurden angewiesen, den Wald nicht nur als Wirtschaftswald zu betrachten, sondern auch als Erholungsstätte für die Bevölkerung. Aus diesem Grunde sollte man den Wanderern und Erholungsuchenden im Walde soweit als möglich entgegenkommen und ihnen, sofern es die Dienstvorschriften irgendwie gestatten, den Aufenthalt in den Waldungen erleichtern und ermöglichen." Ein Zeltschein kostete 1928 für "Mitglieder von Ruder-, Wander- und gleichartigen Sportvereinigungen" pro Person 1 M, für Nichtmitglieder 2 M, und berechtigte bis zu drei Tagen zum Aufschlagen eines max. 6 m² großen Zeltes am Ufer öffentlicher Seen in Wäldern, die keinem Privatmann gehörten. Während die Berliner Forsten ab 1924 besondere "Zeltlagerplätze" markierten, blieb einem in der Mark Brandenburg selbst überlassen, wo man sich hinstellte: es gab noch keine Campingplätze! Wer allerdings bei Kontrollen "ohne" erwischt wurde, wurde als "Wildzeltler" angezeigt und musste Strafe zahlen. Wieviele Menschen es in den 1920er Jahren am Wochenende ins Grüne zog, belegen die in Erich Hobusch, "Ausflugsverkehr 'am grünen Strand der Spree'" (= Köpenicker Hefte Nr. 5), Heimatgeschichtliches Kabinett Berlin-Köpenick 1986, S. 29, genannten Zahlen. Danach stellte allein die Stadtforstverwaltung Berlin 1929-35 folgende Anzahlen aus: 1929 = 12.486, 1930 = 17.012, 1931 = 18.508, 1932 (auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise) 29.261 (!), 1933 = 20.043, 1934 = 16.955, 1935 = 15.025 Zeltscheine. Darin sind aber noch nicht die Scheine erfasst, die die Staatliche Forstverwaltung für die Staatswälder der preußischen Regierung ausstellte und die vielleicht noch einmal so viel betragen haben mögen! Hatte der junge Keller um 1900 u. a. am Löcknitzufer noch allein genächtigt, wundern einen die Klagen über Waldverschandelung und die Zeltverbote der 1929er Auflage nicht mehr. – Zu Zeltscheinen siehe auch diese Diskussion im Faltbootforum 2018!
  24. "Zum Glück für die Natur" geriet der Sacrower See nach 1945 in das Sperrgebiet der nahen Grenze der DDR zu Westberlin. Dies und der unberührte Wald ringsum ließen das Wesen des Sees bis heute ungestört. Von 1909 bis in den 2. Weltkrieg studierte die Preußische Landesanstalt für Fischerei im Sacrower See die Hydrologie und Biologie oligotropher Klarwasserseen, und in den 60er und 70er Jahren des 20. Jh. war der See Eigentum der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR und dient(e) dem Institut für Binnenfischei als Versuchsfeld. Genau aus diesem Grund hing Anfang der 90er ein Damoklesschwert über dem Wasser: aus der Konkursmasse der 1991 zerschlagenen Akademie heraus sollte der Sacrower See bei der Olympiabewerbung Berlins zur Regattastrecke ausgebaut werden! (Dabei gibt es in Berlin-Grünau schon eine berühmte.) Ein Glück, dass die Bewerbung daneben ging: wer weiß, welch ökologische Wüste Olympia- und Baumanager hinterlassen hätten. – Bis heute ist Wassersport auf dem stillen Naturjuwel verboten.
  25. Bei Ausbruch der Revolution in Berlin am 18. März 1848 wurden die von den Einwohnern errichteten Barrikaden von preußischen Eliteeinheiten mit Kartätschen (Splittergranaten) sturmreif geschossen, was furchtbare Opfer forderte. Da man annahm, dass der sich stets militärisch gebärdende Kronprinz Wilhelm den Befehl dazu gegeben hatte, zielte die Wut der Bevölkerung besonders auf ihn. Auf Befehl seines Bruders, König Friedrich Wilhelm IV., verließen Wilhelm, seine Frau Augusta und ihre zwei Kinder am Abend des Folgetages, als Lakai und Kammerfrau verkleidet, durch eine Seitentür das Schloss, stiegen in eine Droschke und erreichten ungesehen die Festung Spandau. Gerade noch rechtzeitig, denn am nächsten Morgen stürmte eine erregte Menschenmenge seinen Wohnsitz, das Alte Palais, und legte, als man ihn nicht finden konnte, die Einrichtung in Trümmer; nur mit Mühe konnte die Brandstiftung verhindert werden. Als bekannt wurde, wo sich der "Kartätschenprinz" versteckt hielt, verlangte die Menge seine Auslieferung; angesichts der drohenden Gefahr verließ die Familie in der Nacht vom 20. zum 21. März die Festung und ließ sich durch als Fischer verkleidete Offiziere auf die Pfaueninsel rudern. In der Wohnung des aus dem Schlaf geschreckten Hofgärtners fanden sie Unterkunft. Am nächsten Morgen erhielt Wilhelm ein Schreiben des Königs, das ihm auftrug, nach England weiterzufliehen; Augusta solle mit den Kindern im nicht von der Revolution erfassten Potsdam bleiben. Sie verlebten noch einen Tag auf der Pfaueninsel, da Wilhelm am 22. März seinen 51. Geburtstag hatte und diesen nicht auf der Flucht feiern wollte; nach dem Geburtstagsfrühstück am 22. März rasierte er sich den Bart ab, zog (nachdem er ein Leben lang nur Uniform getragen hatte) Zivilkleider an und stieg auf einen mit Ackerpferden bespannten einfachen Wagen, der auf dem Festland wartete. Fünf Tage und mehrere Abenteuer später erreichte er tatsächlich unerkannt London und kehrte erst Monate darauf nach Preußen zurück. Sicherheitshalber wohnte er aber noch fast ein halbes Jahr in Potsdam im Schloss Babelsberg, um den revolutionären Berlinern keine Zielscheibe zu bieten. Nie wieder hat der spätere König und noch spätere Kaiser die Pfaueninsel, den Ort seiner größten Niederlage, noch einmal betreten. (Nach Franz Herre: Wilhelm I. - Der letzte Preuße. Wilhelm Heyne Verlag München 1983, ISBN 3-435-55103-6, S. 187-194; siehe auch Heinz Knobloch: Im Lustgarten. Geschichte zum Begehen. Mitteldeutscher Verlag Halle/Leipzig 1990, S. 113-125)
  26. Den Abend schildert Theodor Fontane eindrucksvoll im "Havelland"-Band seiner "Wanderungen durch die Mark Brandenburg." (Allerdings legt er das Datum zwei Tage später und nennt auch ein anderes Programm als im Amtlichen Pfaueninselführer beschrieben.) Die Aufführung hinterließ so einen Eindruck, dass die Statuette der Rachel das erste und einzige Standbild der Pfaueninsel geblieben ist.
  27. Hier hat sich Keller verzählt: Der "Reisekaiser" brachte zwar 1898 tatsächlich zwei Zedern von seinem Türkeibesuch mit, pflanzte aber nur eine auf der Pfaueninsel; die andere steht im Potsdamer Park Sanssouci unweit des Botanischen Gartens. Die inzwischen 25 m hohe Pfaueninsel-Zeder wurde 2007 ein Opfer des Orkans "Kyrill"; das junge Bäumchen an ihrer Stelle ist eine Nachpflanzung.
  28. Ermäßigter Eintritt für die Berliner und Potsdamer Schlösser. Die Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten gibt neuerdings Sammelkarten heraus, die zu einem einmaligen Besuch sämtlicher Schlösser zu einem beliebigen Zeitpunkt berechtigen. Das Potsdamer Kartenheft enthält 16 Karten für die Besichtigung folgender Sehenswürdigkeiten: Schloss Sanssouci, Neue Kammern, Gemäldegalerie, Ruinenberg, Chinesisches Haus, Orangerie (Sanssouci), Neues Palais, Schloss Charlottenhof, Römisches Bad, Mausoleum an der Friedenskirche und Marlygarten, Stadtschloss, Marmorpalais, Pfingstberg, Schloss Babelsberg, Flatowturm (Babelsberg), Schloss Pfaueninsel. Der Preis des Heftes beträgt 4 RM., während der Eintritt sonst im ganzen 8,25 RM. kosten würde. Mit dem Berliner Kartenblock sind zu ermäßigtem Preise von 2 RM. (statt 3,50 RM.) zu besichtigen: Schloss Berlin (Historische Wohnräume), Schloss Monbijou (Hohenzollernmuseum), Schloss Charlottenburg, Mausoleum Charlottenburg und die Jagdschlösser Grunewald und Königswusterhausen. (Anmerkung von Keller)
  29. Wahrscheinlich meint Keller die "Königseiche", die nach den harten Kriegs- und Nachkriegswintern abstarb und 1956 auseinanderbrach. Zum Glück brauchen Wassersportler von heute über den Verlust dieser einen Eiche nicht trauern: es stehen noch dutzende weitere Alteichen auf der Insel.
  30. Das Rubinglas wird gesondert erwähnt, weil Kunkel zwar einen Teil seiner Glas-Rezepte veröffentlichte, das des Rubinglases aber für sich bewahrte. Spätere Chemiker mühten sich ergebnislos, das Geheimnis des dunklen Feuers des Kunkelscher Rubingläser zu enträtseln, und auch für Fontane war, als er 1873 den "Havelland"-Band schrieb, der goldrote Schimmer der Glaspokale ein Geheimnis vergangener Zeiten. Erst 1888 sollte der Ehrenfelder Glasfabrikant Oskar Rauter in seinem Werk bei Köln das Rubinglasrezept Kunkels neu entdecken.
  31. Gemeint ist der Erste Weltkrieg.
  32. Der Berliner sagt: "Nikolskööh".
  33. Zur Namensgebung des früheren Fährhauses gibt es verschiedene Geschichten. In den Kämpfen April/Mai 1945 schwer beschädigt, wurden seine letzten Mauern mit Errichtung der Sacrower Grenzanlagen nach 1961 abgerissen. (Nach: "Kinder, so im Freien is' man doch erst richtig Mensch!" Ausflugslokale entlang der Havel. Hrsg. vom Stadtgeschichtlichen Museum Spandau und vom Museum im Frey-Haus, Stadt Brandenburg an der Havel. Stattbuch Verlag Berlin 1994, ISBN 3-922778-56-9, S. 89 f.) - Die nachfolgend beschriebene Enge beim Krughorn sollte zeitweise überbrückt werden; das "Märkische Ruderbuch", Verlag für heimatliche Kultur Willy Holz, Berlin ca. 1922, verkündet auf S. 65: "Bau einer festen Brücke seit langem geplant". Allerdings hätte diese Brücke, sollte sie kein Hindernis für den Schiffsverkehr darstellen, eine Höhe und Weite bekommen müssen, die die Blickachsen an dieser Stelle empfindlich gestört hätte. Ohnehin machte der stark anschwellende Wassersportverkehr den Plan zunichte. Seine Stärke kann man an einem Klagelied ermessen, das Segler schon 1905 (!) sangen: "Wenn man die Havelengen bei der Pfauen-Insel und bei Moorlake zehnmal passiert, so findet man sie sicher mindestens achtmal von Schleppzügen angefüllt, die ohne jeden Abstand bisweilen eine vollkommen unabsehbare Linie bilden und bei dem ohnehin durch die flachen Ufer auf das äusserste begrenzten Fahrwasser das Passieren tatsächlich zu einer Unmöglichkeit machen. Dass nebenbei zu allem Ueberfluss noch die bei Moorlake befindliche Kettenfähre mit einer liebenswürdigen Rücksichtslosigkeit bedient wird, die ihresgleichen sucht, sei nur nebenbei erwähnt." (Nauticus: "Auf dem Ausguck". In: "Die Yacht", Heft 4/1905, S. 74) Wassersportbeschwerden und Fährmannsentgegnungen zogen sich über Jahre hin. Wurden 1926 (lt. Werner Natzschka: Berlin und seine Wasserstraßen, Berlin (West) 1971, S. 114) an dieser Stelle noch 8200 Sportboote gezählt, passierten nur vier Jahre später bereits 11.800 die Enge! Beinahe-Unfälle von Sportbooten mit der Fähre oder mit Schleppzügen häuften sich, so dass man nach ersten Ausbaggerungen 1926, die immerhin 1,50 m Wassertiefe in Ufernähe schafften, 1931 schließlich das bis dahin weit in den See vorspringende Krughorn wegbaggerte und die Engstelle damit von 165 auf 235 m verbreiterte. Amtliche Zeichnungen belegen, wie groß die Erleichterung war. Nur einmal, im Juli/August 1945, wurde Lt. Hanna Grisebach ("Potsdamer Tagebuch") für die Potsdamer Konferenz für wenige Wochen eine Pontonbrücke nach Sacrow errichtet. Nach 1945 wurde die Fährstelle nur noch einmal genutzt: am 24. 12. 1989, als ein mit einem Paddler und einem Radioreporter besetzter Zweier von hier über die noch existierende (und bewachte!) Wassergrenze startete, um live aus der Christmesse in der Ruine der Heilandskirche zu berichten.
  34. Die Sacrower Heilandskirche wurde 1844 von Persius erbaut und diente dem kunstsinnigen König Friedrich Wilhelm IV. bis zur Weihe der Potsdamer Friedenskirche 1848 als Hofkirche, zu der die Königsfamilie, wann immer möglich, mit dem in der späteren "Matrosenstation" liegenden Hofschiff "Royal Louise" über den Jungfernsee fuhr. Die Heilandskirche hat eine eigene Mauergeschichte: ab 1961 stand sie außerhalb der Mauer im Niemandsland und wäre ohne eine Rettungsaktion Westberliner Spender, die 1985 ihr Dach neu eindeckte, völlig zerfallen. (Man erzählt sich, dass ihr alter Pfarrer, nachdem er als Rentner "West-Reisen" unternehmen konnte, den West-Berliner Bürgermeister Richard v. Weizsäcker besucht und ihn um eine Hilfsaktion gebeten habe.) Sonst hätte der grauhaarige Pfarrer, der Weihnachten 1989 in ihr wieder Gottesdienst feiern konnte, nur noch von der Ruine Abschied nehmen könnten. Nach jahrelangen Renovierungsarbeiten stellt sie sich heute wieder fast so wie vor 1961 dar. Die Glocke im Turm, 1406 gegossen, hat all dies und noch viel mehr in ihrem Leben erlebt.
  35. Amtliche Entfernung auf der Potsdamer Havel von der Einmündung in die "Untere Havelwasserstr." bei km 136,9. (Anmerkung von Keller)
  36. Auf den ersten Blick verwundert, dass Keller an Park, Schloss und Jagdschloss Glienicke, dem Juwel der Potsdamer Parklandschaft, achtlos vorüberzieht. Schloss und Park Kleinglienicke, von Schinkel erbaut und von Lenné gestaltet, gehörten seit 1824 Mitgliedern des preußischen Königshauses und waren als Wohnsitz dem Publikum verschlossen; Gleiches galt ab 1891 auch für das Jagdschloss Glienicke. Erst ab 1934 kaufte die Stadt Berlin das Gelände schrittweise an und öffnete es der Allgemeinheit; in den 80er Jahren des 20. Jh. stellte man den Park so wieder her, wie er sich Keller vom Wasser aus geboten haben mag.
  37. Amtliche Entfernungen auf der Potsdamer Havel von der Einmündung in die untere Havelwasserstr. bei km 136,9. (Anmerkung von Keller)
  38. Amtliche Entfernung auf der Potsdamer Havel von der Einmündung in die "Untere Havelwasserstr." bei km 136,9. (Anmerkung von Keller)
  39. Von der Babelsberger Seite aus sieht man noch heute die schief vernietete Sprengstelle von 1945.
  40. Amtliche Entfernung auf der Potsdamer Havel von der Einmündung in die "Untere Havelwasserstr." bei km 136,9. (Anmerkung von Keller)
  41. Näheres zu diesem Grenzabschnitt in:
    • Jens Arndt: Glienicke. Vom Schweizerdorf zum Sperrgebiet. coela Verlag gbR Potsdam 2011, ISBN 978-3-00-034862-4, sowie (weniger ausführlich) http://www.hinter-der-mauer.de/
    • Thomas Blees: Glienicker Brücke. Ausufernde Geschichten. Be.bra verlag Berlin 1996, ISBN 3-930863-11-1
    • Garten-Grenze-Garten. Die wiederhergestellten Gartenbereiche im ehemaligen Grenzgebiet Babelsberg, Neuer Garten, Pfingstberg, Sacrow. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg Potsdam 2004
    • Andreas Kitschke: Potsdam-Sacrow. Heilandskirche. Hrsg.: Ev. Kirchengemeinde Potsdam-Sacrow. Kunstverlag PEDA, Passau 1998, ISBN 3-930102-33-1
  42. Ermäßigter Eintritt für die Berliner und Potsdamer Schlösser und Pfaueninsel s. Anmerkungen S. 187. (Anmerkung von Keller)
  43. "Endlich müssen hier auch die Bereisungsdampfer genannt werden, die Ende der 70er Jahre den Wasserbau-Inspektionen (jetzt Wasserstraßenämtern) zugeteilt wurden. Sie erhielten in den letzten Jahrzehnten vielfach den Namen eines früheren Wasserbau-Inspektors. So hieß z. B. der Bereisungsdampfer der Wasserbau-Inspektion Köpenick 'Eugen Mohr', benannt nach dem Erbauer des Oder-Spree-Kanals. Vor der Einführung der Bereisungsdampfer wurden die Besichtigungen der Gewässer in kleinen Booten vorgenommen, die z. T. mit einer Kajüte versehen waren und gerudert, getreidelt oder mittels Segeln fortbewegt wurden." In: Max Rehberg (1882-1945): Die Entwicklung der Binnenschifffahrt zwischen Elbe und Weichsel. "Großdeutscher Verkehr", 37. Jahrgang der "Verkehrstechnischen Woche", Heft 7/8, 1943; veränderter Nachdruck des Kreismuseums Oranienburg 1992, S. 45. (Gemeint ist die 2. Hälfte des 1870er Jahrzehnts.)
  44. Lt. "Straubes Märkisches Wanderbuch - Ausflüge in die Mark Brandenburg Teil I", Geographisches Institut und Landkarten-Verlag Jul. Straube Berlin 1909, S. 87, saß der älteste Potsdamer Verleih in der Waisenstr. (der heutigen Dortustraße) 44, b. Schüler: "Ruderboote pro Stunde 50 Pf., pro Tag 3 M., Segelboote 75 Pf., pro Tag 6 M. Motorboote b. Hoffmann & Co., Königstr. 49." Ein Potsdam-Reiseführer von 1928 nennt bereits weitere Verleihe an Burgstraße, Berliner Brücke und Plantage.
  45. Städtebaulich reizvoll gelegen, hatte der Stadtkanal aufgrund des geringen Gefälles keinen Wasseraustausch und daher eine schlechte Wasserqualität, die durch eingeleitete Abwässer noch verschlimmert wurde. Aus hygienischen Gründen und um die hohen Beräumungskosten zu sparen, entschied man sich beim Wiederaufbau des Stadtzentrums in den 60er Jahren des 20. Jh., den Kanal zuzuschütten. Seit der deutschen Vereinigung müht sich ein Förderverein um die Öffnung der alten Kanaltrasse und hat schon einzelne Abschnitte freigelegt. Eine Wiederöffnung des ganzen Kanals ist wegen der immensen Kosten, aber auch aufgrund der weiterhin ungelösten hydrologischen Probleme (man will Umwälzpumpen installieren!) offen.
  46. Von der Nuthe kommend, erreicht man zuerst den Gröbener und dann erst den Siethener See.
  47. Alt-Beuthen = Kleinbeuthen
  48. Der Ruderer, Paddler, Leistungssegler und Maler Otto Protzen (1868-1925) schreibt stolz in seiner Autobiographie, er habe während seines Kunststudiums in einem Einskuller "die Nuthe ... mit großen Schwierigkeiten bis weit hinter Saarmund mit dem Paddel bezwungen." ("Vierzig Jahre auf dem Wasser", Rechlin 2011, S. 45) Da sich im Buch das Ende der Gymnasialzeit Protzens auf 1887 datieren lässt und er vor dem Studium noch eine Lehrzeit beim eigenen Vater andeutet, dürfte diese Fahrt zwischen 1890 und 1893 erfolgt sein.
  49. In einer um 1905 erstellten topographischen Karte heißt das von Stülpe kommende Fließ "Bieber-", das von Holbeck kommende "Hollertgraben". Die nachstehend genannte "Rummelbrücke" überquert das vereinigte Fließ 1,6 km südöstlich von Dümde, etwa 300 m oberhalb der Brücke der stillgelegten Bahnstrecke Jüterbog-Zossen.
  50. Dieses Bootshaus war bereits in der 5. Auflage 1925 angekündigt: "Weiter hinten wird 1925 ein großes Bootshaus entstehen..." Ob der Plan in den Wirren der Weltwirtschaftskrise nach 1929 noch durchgeführt wurde? - Die letzten Bootshäuser verschwanden 1972/73 im Zuge der Umgestaltung der Insel für die X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Berlin 1973.
  51. Auch Fontanes "Wanderungen durch die Mark" B. III Havelland ist sehr zu empfehlen. (Anmerkung Kellers zur 2. Auflage 1909)
  52. Die Bauten der Innenstadt, die Keller im Folgenden an uns vorbeiziehen lässt, sanken bei einem britischen Bombenangriff drei Wochen vor Kriegsende in Trümmer; nur die Parks blieben verschont. Zum Glück für Keller ist ihm der Vergleich von 1938 zu 1946 erspart geblieben.
  53. Ermäßigter Eintritt für Berliner und Potsdamer Schlösser, s. Pfaueninsel, S. 187. (Anmerkung von Keller)
  54. Vergleiche dazu "Das kleine Wanderbuch, 100 beliebte Ausflüge von Berlin", Verlag für heimatliche Kultur Willy Holz Berlin 1910, S. 30: "Von Anfang Mai bis Mitte Januar ist der Park im weiten Umkreise um das Neue Palais gesperrt, namentlich bei Anwesenheit des Kaisers ... Der dem Publikum von Mitte Januar bis Anfang Mai, sonst nur bei Abwesenheit des Kaisers zugängl. Südflügel (25 Pfg., tägl. 10, sonntags 11-6, im Winter bis 4 Uhr) enthält im Erdgeschoss die Zimmer Friedrichs d. Gr." Wilhelm II. wohnte mit seiner Familie im Nordflügel, den sein 1831 hier geborener Vater für sich hatte herrichten lassen, bevor er 1888 in diesen Räumen gestorben war. Wilhelm II. sind die Wasser- und Stromleitungen und der Fahrstuhl zu verdanken, der in die Gemächer der Kaiserin führt. Zeitweilig berühren Schlossführungen auch die Räume des Kaisers.
  55. Näheres zum alten Stadtbild Potsdams vor der Zerstörung 1945 in:
    • Hans-Joachim Giersberg und Adelheid Schendel: Potsdamer Veduten. Stadt- und Landschaftsansichten vom 17. bis 20. Jahrhundert. Generaldirektion der Staatlichen Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci 1990, ISBN 1316999777
    • Andreas Kitschke: Die Potsdamer Kirchen. Hrsg. vom Verein "Kirche und BUGA 2001" (= Peda-Kunstführer Nr. 530/2001), Passau 2001, ISBN 3-89643-530-2
    • Jörg Wacker und Olaf Thiede: Grün in Potsdam. Ein Spaziergang auf historischen Straßen und Plätzen der Stadt mit Gemälden, seltenen Farbfotografien und farbigen Postkarten. Potsdam-Museum 2002, ISBN 3-9807719-9-2
    • Zur Naturkunde der Potsdamer Seen vom Tiefen See bis Caputh siehe: Potsdam und seine Umgebung. Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme. Akademie-Verlag Berlin (Ost) 1969. Für das Stadtbild weniger nützlich (das noch von Keller beschriebene war bereits zerbombt, das heutige, uns bekannte erst im Entstehen), doch für die Naturkunde Potsdams ist seitdem kein umfassenderes Standardwerk erschienen.
  56. Amtliche Entfernung auf der Potsdamer Havel von der Einmündung in die "Untere Havelwasserstr." bei km 136,9 (Anmerkung von Keller)
  57. Das Glockenspiel der Garnisonkirche schlug nicht nur automatisch die Stundenlieder an, sondern konnte auch gesondert bespielt werden. Otto Becker, Organist und Glockenspieler der Garnisonkirche, bediente dreieinhalb Jahrzehnte das Glockenspiel und arrangierte im Laufe der Jahre viele Lieder und Choräle dafür. Becker gab nicht nur Konzerte, sondern spielte manchmal auch am Ende des Gottesdienstes oder "einfach so" an warmen Sommerabenden. Diese Momente, "in Glockenspiel und Sonnenschein zu baden", blieben alten Potsdamern noch Jahrzehnte später im Gedächtnis. – Becker überlebte das Ende seines Lebenswerks im Bombenhagel 1945 nur um wenige Jahre. Seine Frau Elisabeth verbrachte ihr ganzes Leben in Potsdam und erlebte noch den Tag, an dem das von der Bundeswehr gestiftete Glockenspiel 1991 wieder aufstellt wurde.
  58. Amtliche Entfernungen auf der Potsdamer Havel von der Einmündung in die untere Havelwasserstr. bei km 136,9 (Anmerkung von Keller)
  59. Schloss Charlottenhof; ermäßigter Eintritt für Berliner und Potsdamer Schlösser, s. Anmerkungen S. 187. (Anmerkung von Keller)
  60. Amtliche Entfernung auf der Potsdamer Havel von der Einmündung in die "Untere Havelwasserstr." bei km 136,9 (Anmerkung von Keller)
  61. Zu den Gebäuden des heutigen Militärgeschichtlichen Forschungsamtes siehe Heinz Ruppert: Von der Ratsziegelei zur Villa Ingenheim. Ihre Bewohner und Nutzer im Lauf der Geschichte. Märkische Verlags- und Druck-Gesellschaft mbH Potsdam 1990
  62. Der "Führer auf den märkischen Wasserstraßen, im Auftrage der Spree-Havel-Dampfschiffahrt-Gesellschaft 'Stern' bearbeitet von Carol Hilarius", Berlin 1914, schwärmte auf S. 71 noch von der "Riesenhalle unserer beiden größten Luftkreuzer 'Hansa' und 'Cäcilie' ... Eine kurze Besichtigung des Riesenraumes, wo friedlich der 'aufgeblasene Riese' ruht, gibt uns einen Begriff von den Abmessungen des in der Luft so unscheinbar wirkenden Schiffes. Man sehe sich nur die Propellerflügel an, und man wird staunen über das, was Menschengeist im Kampfe um die Beherrschung der Luft geleistet hat." In der 3. Auflage (1919) von Kellers Führer war die Luftschiffhalle, die damals größte Deutschlands, in der Zeppeline sogar montiert wurden, ausdrücklich noch erwähnt, in der 5. Auflage 1925 schon nach Spanien verkauft worden: der Versailler Vertrag hatte Tribut gefordert. Das nachfolgend erwähnte Sportzentrum entstand, um das leere Gelände zu nutzen, und besteht noch heute.
  63. Heute wird der See durch einen massigen Bahndamm in der Mitte geteilt. Er gehört zum Eisenbahnring, den die DDR 1950-57 rund um Berlin legte. Der noch von "Griebens Reiseführer Potsdam und Umgebung", Grieben Verlag Albert Goldschmidt Berlin 1928, S. 75, beschriebene "Rückblick auf die Türme von Potsdam: Orangerie, Pfingstberg, Gr. Waisenhaus, Garnisonkirche, Nikolaikuppel, Reichsarchiv, Observatorien" wird seitdem nicht nur durch die Nachkriegshäuser beeinträchtigt. Allenfalls der Blick von der Brücke entschädigt dafür, besonders im Winter, wenn aufsteigendes Tiefenwasser die Durchfahrt nicht gefrieren lässt und sich zum Rundblick hunderte Schwimmvögel im Wasser gesellen.
  64. Der Ort wird "Capuuuth" gesprochen. - Die Bemerkung "Straßenbahn geplant" gilt 80 Jahre später noch immer.
  65. Der Traum der baufreudigen 1920er Jahre blieb (durch die Wirtschaftskrise?) unerfüllt. Erst in der Goldgräberzeit nach 1990 wurde der Vorschlag wieder hochgespült - und traf auf den entschlossenen Widerstand der Anwohner. Nicht nur, dass der Brückenrampe ein Großteil des Ortskerns geopfert worden wäre, die Gaststätte "Fährhaus" hätte ihre Attraktion verloren! Ob die Diskussion bis zu den Programmierern der Navigationsgeräte hallte? 1998 fuhr ein auswärtiger BMW an der Fährstelle tief ins Wasser hinein und behauptete steif und fest, sein Navi hätte hier eine Brücke angezeigt. Der Polizei nach war der Fahrer nicht angetrunken. Daraufhin erhielt die Fähre zwar die klobigen Sicherheitsrampen, den Brückenbau aber haben die Caputher erfolgreich verhindern können.
  66. Der "Führer auf den märkischen Wasserstraßen, im Auftrage der Spree-Havel-Dampfschiffahrt-Gesellschaft 'Stern' bearbeitet von Carol Hilarius", Berlin 1914, gerät hier ins Schwärmen. Es öffnet sich vor uns "ein Rundblick auf den in der Maiensonne glitzernden See und seine bewaldeten Ufer von bezaubernder Pracht. Kein Wunder, daß unsere märkischen Landschafter ihre Motive mit Vorliebe sich hier holten. Die Brachtschüler, Kayser-Eichberg, Liedtke, Obst, Wendel, Licht und wie sie alle heißen, sie haben an diesem Glanzpunkt märkischer Landschaft ihre Kunst oft erprobt und ihr jedesmal neue Reize abgewonnen." (S. 73) Nachdem in den 1920er Jahren die eine Hälfte des Krähenberges mit Villen zugebaut wurde, konnte nach der deutschen Vereinigung nur die Initiative mutiger Bürger verhindern, daß auch der Rest den Investoren zum Opfer fiel.
  67. Zur Naturkunde des Schwielowsees, der Seen um Werder, der Wublitz und der Havel zwischen Werder und Götz/Weseram siehe: Havelland um Werder, Lehnin und Ketzin. Ergebnisse der landeskundlichen Bestandsaufnahme in den Gebieten Groß Kreutz, Ketzin, Lehnin und Werder. Selbstverlag des Instituts für Länderkunde Leipzig 1992, ISBN 3-86082-014-1.
  68. Schwielowsee, Abzweigung von der Potsdamer Havel bei km 16,8. (Anmerkung von Keller)
  69. Zum Hinweis "nicht anlegen" siehe weiter unten die Bemerkung zum "Petzower Kirchlein".
  70. Schwielowsee, Abzweigung von der Potsdamer Havel bei km 16,8. (Anmerkung von Keller)
  71. Schwielowsee, Abzweigung von der Potsdamer Havel bei km 16,8. (Anmerkung von Keller)
  72. Schwielowsee, Abzweigung von der Potsdamer Havel bei km 16,8. (Anmerkung von Keller) "... das einsame Ferch, das zu den Lieblingsplätzen Friedrich Wilhelms IV. gehörte, der hier gern an Sommerabenden auf einem heut umfriedeten Plätzchen am Abhang zu sitzen pflegte." ("Märkisches Wanderbuch, Ausflüge rund um Berlin und nach den schönsten Punkten der Mark", Ullstein & Co. Berlin 1911, S. 29)
  73. Die Flachstelle trug bereits zu Kellers Zeiten Schilf und wurde von den Dorfjungen aus Flottstelle zum Fischen aufgesucht. Der Schorfheideförster Johannes Sieber (1874-1946) schrieb in seinen Erinnerungen ("Tiere - Wälder - Junge Menschen", Petermänken-Verlag Schwerin 1951, S. 98, S. 121 ff., S. 124 und S. 126 ff.) von seinen Kindheitsbesuchen in Flottstelle sowohl über das Dorf als auch, dass in der Schilfinsel Rohrdommeln brüteten, am Ufer Kolbenwasserkäfer vorkamen, dass man im Winter durchs klare Eis wenigstens einen Meter tief sehen konnte und in dem Wassergraben bei Flottstelle Köcherfliegenlarven und Kamm-Molche lebten. Das lässt den Schluss zu, dass die Natur am Schwielowsee zwischen 1885 und 1890 nur mäßig eutrophiert und vom Menschen noch kaum gestört war.
  74. Schon der Blick vom Biergarten des Restaurants auf den Schwielowsee lohnt das Anlegen. Die Aussicht vom auf dem Franzensberg stehenden Turm war bis in die 70er Jahre des 20. Jh. eine der schönsten des ganzen Havellandes: von Ketzin an schweifte der Blick über die Werderaner Seen, Schwielowsee und Templiner See bis nach Potsdam und dem Fernsehturm am Berliner Alexanderplatz. Nach 1990 wurde das Turmgebäude von Privatleuten gekauft und wird nun für Jahrzehnte unzugänglich bleiben.
  75. Während das Restaurant noch heute viel besucht wird, fiel die Mühle mit der Rundsicht den Kämpfen im April 1945 zum Opfer; der Weg zur Ruine war 2012 abgesperrt und eingezäunt. Eine Anlegestelle gibt es nicht mehr, man zieht das Boot in der Bucht ans flache Ufer.
  76. Der heute kaum noch bekannte deutsche Kaiser Friedrich III. hatte als Kronprinz den Neubau der Geltower Kirche angeordnet und begleitet, konnte aber aufgrund seiner Krebserkrankung nicht an der Einweihung teilnehmen. Nachdem er sich, schon todkrank, mit der kaiserlichen Jacht "Alexandria" vom Schloss Charlottenburg ins Potsdamer Neue Palais hatte bringen lassen ("in Potsdam will ich sterben"), wünschte er eine Ausfahrt nach Geltow. Die Ereignisse verarbeitete Theodor Fontane in seinem Gedicht "Kaiser Friedrichs letzte Fahrt". - Kaiser Friedrich III., der Nachfolger des militärgläubigen Kaisers Wilhelm I., vertrat eine Politik im Stile britischen Liberalismus; die Hoffnungen vieler Bildungsbürger, wie Fontane, ruhten auf seinem Regierungsantritt. Er kam jedoch erst in hohem Alter an die Macht; schwer krebskrank, konnte Friedrich III. nach einer Operation schon nicht mehr sprechen, sich nur noch schriftlich verständigen und starb bereits nach 99 Tagen Regierungszeit. Die Nennung der Ausfahrt Friedrich III. legt nahe, dass sich auch Keller eine "Wende" erhofft hatte. Nachfolger Wilhelm II. sollte das militaristische Denken jahrzehntelang weiterführen.
  77. Die 3. Auflage 1919 (S. 199) schreibt noch direkter: "Man pflegt auf Personen, die das Land unbefugt betreten, zu schießen!" Die Schützen gehörten zur Gutsbesitzerfamilie v. Kaehne, der das Schloss Petzow gehörte: "Ich habe meinen Sohn instruiert, jedem Spitzbuben eine aufzuknallen. Das ist so Brauch auf Petzow. Dieselbe Weisung habe ich schon von meinem Vater bekommen." (Karl v. Kaehne in einer Gerichtsverhandlung im Amtsgericht Werder 1913, zit. aus: Gebhard Falk, Die schießwütigen Herren auf Petzow. In: "Blütenstadt Werder/Havel, Heimatgeschichtliche Beiträge 1985", S. 15 ff.) Die Kaehnes schossen nicht nur auf Urlauber, sondern auch auf vorbeifahrende Autos, Badende und Dorfbewohner. Die Abendausgabe der "Vossischen Zeitung" (Nr. 231) vom 17.5. 1923 meldete zum Beispiel: "Auch Kaehne jun. Die durch ihre Gewalttätigkeiten berüchtigte Familie v. Kaehne entsandte diesmal Herrn v. Kaehne jun. auf die Anklagebank. Er war beschuldigt, den Führer von Wandervögeln, die durch das Gelände seines Vaters marschierten, mit Schmähungen und Ohrfeigen traktiert zu haben, nachdem er sie zuvor durch einen Schuss seiner Schrotflinte zum Halten gebracht hatte. Der Waffen- und Jagdschein war ihm, wie er zugab, auf Anordnung des Ministers Severing entzogen worden. Ferner wird ihm vorgeworfen, einen angeblichen Holzdieb so geschlagen zu haben, dass das Opfer die Besinnung verlor. Die Verhandlung wurde vertagt, da weitere Zeugen gehört werden müssen." - Georg-Eugen Kitzler warnte in "Die Mark, Illustrierte Zeitschrift für Heimatwandern und Landeskunde", Heft 3/1922, S. 23-25 und S. 29 f., seitenlang vor den "Schieß-Kaehnes". In der Weimarer Republik liefen etliche Prozesse wegen Körperverletzung und Bedrohung gegen Angehörige der Familie, die jedoch - als Gutsbesitzer und Adlige - meist nur Bagatellstrafen erhielten. Ein Mordprozess endete 1923 mit Freispruch, was in ganz Deutschland Aufsehen erregte; Kurt Tucholsky schrieb 1922 in der "Weltbühne" ein Gedicht darüber. (Mehr dazu in Friedrich Karl Kaul, "Es knistert im Gebälk - Der Pitaval der Weimarer Republik, Band 3", Verlag das Neue Berlin, Berlin (Ost), 1961, S. 280-287.) Dass die "Potsdamer Kanu-Gesellschaft" lt. "Kanu-Sport" 11/1938, S. 225, zu Pfingsten 1937 und 1938 an der Löcknitz lagern durfte, änderte das Problem nicht. An einen zur Nazizeit verübten Mord erinnert heute ein Gedenkstein am Ufer des Haussees nahe dem Schloss. Die Attacken gruben sich so tief ins kollektive Gedächtnis des Dorfes ein, dass nach 1990, als die v. Kaehnes Restitutionsantrag stellten, sofort die alten Ängste wieder hochkamen. Zum Glück wurde dem Antrag nicht stattgegeben. - Zu der interessanten Geschichte des Dorfes und der Baumgartenbrücke siehe Bernd Hanicke (Hrsg.): Priscere-Petzow. Ein zeitgenössischer Rückblick. Hrsg. vom Ortsbeirat Petzow 2004, erhältlich über die Buchhandlung Hellmich in Werder/Havel, 03327 / 42660.
  78. Jahrhundertelang führte hier eine Brücke über die 800 m (!) breite Havel, bis die Werderaner sie im Dreißigjährigen Krieg aus Furcht vor den anmarschierenden Schweden abrissen. An ihren Pfahlstümpfen haken sich noch heute die Netze Werderaner Fischer fest. Seit dem 17. Jh. fuhr ein Fährkahn vom Ende der Baderstraße zum Potsdamer Ufer hinüber. Die neobarocke Villa, die dort hell aus dem Wald leuchtet, wurde 1903 von der Stadt Werder als Restaurant "Fährhaus" erbaut; der Blick von seiner Terrasse war sehr geschätzt. 1939 kauften der Drehbuchautor Adolf Stemmle und die Schauspielerin Gerda Maurus das Haus als Residenz, wurden jedoch 1945 von der Roten Armee vertrieben. Als diese in den 1950er Jahren die Villa wieder frei gab, wurde sie als Mehrfamilienhaus genutzt; Fährverkehr gab es nicht mehr. Der heutige Besitzer ließ das Haus aufwendig restaurieren, schirmte es aber zugleich durch hohe Hecken von bewundernden Blicken ab. Die alte Fährrampe, einst ein beliebter Paddlerrastplatz mit dem schönsten Blick auf die Inselstadt, ist seit ca. 2015 gleichfalls von der Landseite versperrt. Für Paddler ist hier kein Platz mehr.
  79. Die Werderaner Ausflugshäuser haben seitdem bewegte Zeiten durchgemacht. Am ehesten führt der auf dem Hügelrücken noch vor der Stadtinsel liegende Weinberg Wachtelberg die Tradition weiter: zu Kellers Zeiten noch eine Obstplantage, schenkt er heute auf eigener Terrasse seinen Wein aus. Wie die vor den Reben aufragende "Wachtelburg" 1946 an die Siebentagsadventisten gehen konnte, lasse man sich von einem alten Werderaner erzählen. Vom Stadtkern fast verdeckt folgt die "Bismarckhöhe", heute wieder Restaurant mit Aussicht, dem Dichter Christian Morgenstern eine Ausstellung widmend, der für Sing- und Saufnächte an diesem Platz 1895 seine "Galgenlieder" schrieb. Glücklich, wer eine der seltenen Gelegenheiten hat, den Turm der "Friedrichshöhe" zu besteigen! Die 26 Orte wurden von hier (nicht von der Terrasse) gezählt. Der wuchtige Komplex, Höhepunkt und Ausklang der Bergrestaurants, wurde 1895 vom Obstzüchter Schmahlfeld (Schmahlfelds Schwarze Herzkirsche) erbaut; Generationen von Werderanern feierten und tanzten hier. Nach 1990 mehrfachen Eigentümerwechseln ausgesetzt, blickt das Haus in eine ungewisse Zukunft. - Im Erscheinungsjahr des Führers, 1929, feierte das Werderaner Baumblütenfest sein 50.! Bis heute spült die April-Tradition zehntausende Großstädter auf den Frühjahrsrummel. "Vorsichtig sei man gegenüber den Fruchtweinen. Sie üben, wenn nicht sehr mäßig genossen, wegen ihres starken Alkoholgehaltes vielfach Wirkungen aus, die den angenehmen Verlauf der schönen Tour zu beeinträchtigen geeignet sind." (Georg Siegerist, "100 Ausflüge um Berlin", Verlag Eli Spiro Berlin 1908, S. 47) Wer die Baumblüte wirklich genießen will, sollte an den Tagen vor dem Fest durch die Plantagen wandern. Mehr zu den Häusern und zum Fest in "Kinder, so im Freien is' man doch erst richtig Mensch!" Ausflugslokale entlang der Havel. Hrsg. vom Stadtgeschichtlichen Museum Spandau und vom Museum im Frey-Haus, Stadt Brandenburg an der Havel. Stattbuch Verlag Berlin 1994, ISBN 3-922778-56-9, S. 111-121 und S. 157 ff., sowie Holger Lehmann: Berliner Ausflüge. Unterwegs zu den schönsten Zielen des alten Berlin. Verlag für Berlin-Brandenburg 2011, ISBN 978-3-942476-02-7, S. 194-213. - Das Havelländische Obstanbaugebiet, das 1989 auf 15.699 ha ganz Ostberlin versorgte, schrumpfte nach der Zerschlagung der Agrarstrukturen im Zuge der deutschen Vereinigung auf 250 ha (die Hälfte der Vorkriegsfläche) zusammen; auf der Bundesgartenschau in Potsdam 2001 wurden Äpfel aus Neuseeland angeboten. Die wenigen verbliebenen Obstgärten gehören meist kleinen Einzelbauern.
  80. Der frühere "Holzhafen" führt rechts neben dem weithin übers Wasser leuchtenden "Schloss Golm" ins Gebüsch hinein und endet an verrotteten Bootsstegen. Was heute unter tief hängenden Weidenzweigen versinkt, war um 1900 der Ladehafen eines Sägewerkes, das vom Zernsee her mit Stämmen versorgt wurde. Es wurde 1910 geschlossen, angeblich wegen "mangelnder Betriebssicherheit". Nur vier Jahre später aber war an seiner Stelle die "Märkische Flugzeugwerft" mit eigenem Flugplatz (!) aus dem Boden gestampft worden, deren bis 1700 Arbeiter bis zu 80 Flugzeuge pro Monat montieren konnten. Mit dem Ende des 1. Weltkrieges machte der Versailler Vertrag, der Rüstungsproduktion verbot, dem Fliegen ein Ende. Im Winkel zwischen Golmer und Galluner Damm gelegen, baute die Fabrik nun als "Märkische Industriewerke" Waggons und hatte sich sogar ein Anschlussgleis nach Werder gelegt (der heutige Galluner Damm), bis sie in der Inflationszeit niederbrannte und nicht wieder aufgebaut wurde. Kaum zu glauben, dass da, wo heute Pappelurwald wächst, ein knappes Jahrzehnt lang das Golmer Industriegebiet stand! Seine letzte Spur ist das weit übers Wasser leuchtende "Schloss Golm", das zunächst der Wohnsitz des Direktors und nach 1945 ein Kinderheim war. Sein Badestrand wurde zwei Generationen lang von den umliegenden Dörfern besucht. Heute ist es wieder wie vor dem Krieg ein nobles Restaurant in Privatbesitz.
  81. Der noch in den 70er Jahren des 20. Jh. offene Westabhang des Reiherberges, den man im Sommer auch auf dem Hosenboden nutzen konnte ("Golmer Rutschberg"), wuchert seit dem Ende der Bundesgartenschau 2001 mit Robinien zu. Fotoblick auf Höhe des alten Stahlträgerfundaments; Sonnenuntergang! - Das Golmer Luch, nach jahrhundertelangen Mühen zur Trockenlegung schließlich als "Ödland" liegengelassen, war um 1920 ins Blickfeld der Berliner Abfallwirtschaft geraten. Mit Frachtschiffen schnell erreichbar, sollte auf dieser Fläche nach einem neuen Verfahren Großstadtmüll aufgespült und später zu Ackerland umgewandelt werden. Nachdem ein Müllunternehmer bereits große Flächen aufgekauft hatte, wurden Naturschützer aufmerksam: Das Moor galt als einer der größten Wasservogelrast- und Nistplätze im Havelland (Kranich, Rotschenkel, Uferschnepfe, Brachvogel, Trauerseeschwalbe u.a.) und diente Berliner Wissenschaftlern als Forschungs- und Beobachtungsgebiet! Auf den nachfolgenden Kampf zur Rettung des Luches spielt Kellers Bemerkung an. 1927 gelang zunächst die Unterschutzstellung. Aber nicht lange: 1933 drängten die Unternehmer wieder. Das Argument, aus Ödland Ackerland machen zu wollen, überzeugte die neue Verwaltung, den Schutzstatus 1934 aufzuheben. Ein Stichkanal wurde in den Sumpf gegraben und bis Kriegsende von Frachtschuten aus ein großer Teil des Luches mit Müll zugespült; bis 1990 lief die Aufschüttung von Potsdamer Haus- und Industriemüll weiter. Abgesehen davon, dass Sickerwasser aus der Deponie zeitweilig alles Leben in der Wublitz sterben ließ, gelang die Kultivierung des Bodens als Ackerland nie. Nach fruchtlosen Versuchen wurde die Müllfläche Ende der 50er Jahre mit Pappeln bepflanzt, die altersbedingt um 2005 abstarben. Seitdem müht man sich, die Flächen mit Mischwald aufzuforsten. Bis heute büßen die Anwohner für die Umweltsünden unserer Vorväter: im Boden steckt so viel Schwermetall, dass die zahlreich wachsenden Pilze nicht gegessen werden dürfen. (Nach: Dietmar Bleyl: Nattwerder 1685-2010. 325 Jahre Besiedlung des Golmer Bruches. Druckerei Rüss Potsdam 2010, S. 76-81; erhältlich unter http://www.nattwerder.de oder infoBEInattwerder.de)
  82. Amtliche Entfernung auf der Wublitz von der Abzweigung von der Potsdamer Havel bei km 9,0. (Anmerkung von Keller)
  83. Amtliche Entfernung auf der Wublitz von der Abzweigung von der Potsdamer Havel bei km 9,0. (Anmerkung von Keller)
  84. Amtliche Entfernung auf der Wublitz von der Abzweigung von der Potsdamer Havel bei km 9,0. (Anmerkung von Keller)
  85. Amtliche Entfernung auf der Wublitz von der Abzweigung von der Potsdamer Havel bei km 9,0. (Anmerkung von Keller)
  86. Amtliche Entfernung auf der Wublitz von der Abzweigung von der Potsdamer Havel bei km 9,0.
  87. Amtliche Entfernung auf der Wublitz von der Abzweigung von der Potsdamer Havel bei km 9,0. (Anmerkung von Keller)
  88. Die Abdämmung durch den Chausseedamm von Uetz 1903-1905, die weiter unten beschriebene Grundwasserabsenkung durch den Nauen-Paretzer Schifffahrtskanal und der 1938 durch das tiefgründige Moor geschüttete Autobahndamm (der, anders als der Chausseedamm, keinen Rohrdurchlass hat) besiegelten das Schicksal der nördlichen Wublitz: vor Baubeginn noch bis 1,50 m tief, verlandete sie nun innerhalb weniger Jahre. Wo sich um 1910 noch der Wublitzsee öffnete, wuchert jetzt Erlenwald mit Schilfdickicht, das man nur bei winterlichem Frostwetter betreten kann (der Nordteil des Schlänitzsees ist NSG). Am Paarener Schöpperloch kann man nach wie vor anlegen, und auch der Wublitzgraben ist noch da; ein paar hundert Meter weiter aber verschwindet er unfahrbar im mückendurchsummten Erlenurwald.
  89. Der Werbeeffekt dieser Notiz wird klar, wenn man weiß, dass die während des Ersten Weltkriegs eingeführte Brotrationierung nach Kriegsende noch jahrelang weitergalt und erst 1923 aufgehoben wurde.
  90. Der Räuberberg, eine von links weit in die Havel ragende Landzunge 1,7 km nördlich von Phöben, trug noch um 1910 einen slawischen Burgwall, der aus einem mit einem Graben versehenen Ring von 75 Schritt Durchmesser und 6 Meter Höhe bestand, also weithin sichtbar war. Die Kulturschicht in seinem Innern, aus "Branderde, die ganz durchsetzt ist von zahllosen Scherben vom Burgwalltypus und den Knochen der verspeisten Tiere", war etwa einen Meter dick. "Leider ist der Burgwall, der in höchst charakteristischer Weise die Gepflogenheit der alten wendischen Bevölkerung zeigte, sich in den tiefsten Sumpf und an die Nähe des Wassers zurückzuziehen und den natürlichen Verteidigungsmitteln in erster Linie zu vertrauen, nicht mehr vollständig erhalten. Vielleicht wird er in kurzer Zeit sogar ganz vom Erdboden verschwunden sein, denn schon in früherer Zeit sind viele Kahnladungen Erde hier weggefahren oder auf die umliegenden feuchten Wiesen gekarrt worden. Insbesondere hatte man den sumpfigen Graben damit ausgefüllt. In neuester Zeit soll das Zerstörungswerk noch weiter fortgesetzt worden sein, und es heißt, dass man beabsichtigt, den ganzen Wall abzutragen. Es wäre sehr zu bedauern, wenn um eines geringen Vorteils willen, um die wenigen Quadratmeter Grundfläche, die der Wall heute deckt, zum Wiesenbau zu nutzen, ein so typisch gelegenes und so charakteristisch gestaltetes vorgeschichtliches Denkmal der völligen Zerstörung anheimfallen sollte. Zahllose Ruderer von Berlin haben wohl hier im Laufe der Jahre im Schutze des alten Ringwalles ihre Spirituskocher aufgestellt und sich ihr frugales Mittagsmahl oder ihren Kaffee bereitet, ohne vielleicht zu ahnen, welche prähistorische Bedeutung dieses Fleckchen Erde besitzt." (Hans Menzel (1875-1914): Geologisches Wanderbuch für die Umgegend von Berlin. Verlag von Ferdinand Enke, Stuttgart 1912, S. 50) Die Befürchtung des Autors sollte sich bewahrheiten. Heute ist vom Wasser aus nichts mehr zu sehen, und selbst vom Land her deuten nur die Verfärbungen in der Wand des frisch ausgebaggerten Entwässerungsgrabens am Uferweg die Lage des Burgwalls noch an.
  91. Die 2. Auflage 1909 benennt den Uferbogen mit der Römerbank mit dem alten Namen "Struchnitzecke".
  92. Die Hohenzollern, an Spree und Havel aufgewachsen und eng mit dem britischen Königshaus verwandt, waren wassersport-affin. Die Ruderzeitschrift "Wassersport" meldete bereits in ihren 2. Jahrgang in Heft 32/1884, S. 396, stolz: "Potsdam, 3. August. Welch' reges Interesse die erlauchten Söhne unseres Kronprinzen dem Wassersport widmen, zeigt sich nicht nur in der persönlichen Ausübung desselben in Bezug auf Rudern und Segeln, sondern auch in der Aufmerksamkeit, welche die Höchsten Herrschaften dem binnenländischen Bootsbau zu Theil werden lassen. So besucht Se. Kgl. Hoheit, der Prinz Wilhelm (der spätere Kaiser Wilhelm II.), häufig die Kluge'sche Werft in Sacrow, um die neueren Erzeugnisse zu besichtigen, wobei nicht selten ein Lob für den kundigen Bootbauer ertheilt wird. Im Laufe der vorigen Woche hat auch Se. Kgl. Hoheit Prinz Heinrich (Bruder von Wilhelm II., Erfinder der Prinz-Heinrich-Mütze und erfahrener Regattasegler) Gelegenheit genommen, die Werft zu besichtigen und die sorgfältige Ausführung bei gutem Material dem mässigen Preise gegenüber anerkannt. Sodann ertheilte Höchstderselbe Ordre für ein Rob-Roy (Specialität dieser Werft und die damalige Kanu-Norm) für Wasserjagdzwecke, dessen Aufbau Se. Kgl. Hoheit bei mehrfachem Besuch mit regem Interesse verfolgt." Man stelle sich vor: Großadmiral Prinz Heinrich v. Preußen paddelt abends vor der Pfaueninsel auf Entenjagd! – Da der folgende Ursprungstext im "Potsdam-Wiki" wegen technischer Probleme oft nicht erreichbar ist, sei er hier eingefügt:

    Carl Velten (* 28.1.1849 im Rheinland; † 27.10.1925 in Potsdam (im Text steht der 25.10. 1925 - d. Abtipper) war Kapitän der kaiserlichen Jachten und langjähriger Leiter der Matrosenstation Kongsnæs. Er war verheiratet mit Clara Zwanziger, Tochter des vormaligen Leiters der Potsdamer Matrosenstation. Geschichte: Carl Velten wurde am 28. Januar 1849 im Rheinland geboren und trat im Jahr 1863 in die damalige preußische Marine ein. Er fuhr auf allen Meeren und nahm an ihren Waffentaten in den Kriegen von 1864 gegen Dänemark und 1870 gegen Frankreich teil, in welchem er als Geschützführer auf der "Meteor" gegen den französischen Aviso "Bouvet" bei einem Gefecht vor Havanna diente. Nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Marinedienst wurde ihm als Kapitän die Führung der vor der Matrosenstation Kongsnæs liegenden kaiserlichen Jachten, der Dampfjacht "Alexandria" und der kleinen Fregatte "Royal Louise" anvertraut, ehelichte dort die Tochter Clara des damaligen Leiters der Matrosenstation und folgte ihm im Jahr 1876 als Leiter der Matrosenstation nach. Auf beiden Schiffen fuhr Carl Velten die kaiserliche und königliche Familie und zahlreiche hohe und höchste Fürstlichkeiten und Herrschaften, die als Gäste des Kaisers und Königs in Potsdam zu Besuch weilten, über die Havelseen und übernahm auch die Ruderausbildung der kaiserlichen und königlichen Prinzen, der Söhne des Kaisers und Königs Wilhelm II. sowie der Kaiserin und Königin Auguste Viktoria. Mit der Erweiterung der Marinestation Potsdam wurde ihm der Titel "Kaiserlicher Yacht-Kapitän" verliehen. Jahrzehntelang leitete der markige Kapitän die Sonderausbildung der von den Städten Wilhelmshaven und Kiel nach Potsdam kommandierten Matrosen, bei der Eröffnung des Teltowkanals durchschnitt er mit der "Alexandria" als erster das Band vor der Kanaleinfahrt und auf der kaiserlichen Jacht "Meteor" nahm er alljährlich auf Einladung des Kaisers an der Kieler Woche teil. Gewissenhaft führte Kapitän Velten die Liste aller Fahrzeuge der Matrosenstation und machte über alle Zweige seines abwechslungsreichen Dienstes Aufzeichnungen. Einen herben Verlust erlitt der Kapitän, als sein Sohn während des Herero-Aufstandes in Afrika als Stabsarzt starb. Nach dem Ende des Deutschen Kaiserreichs und der Aufhebung der Matrosenstation begrüßte Kapitän Velten, der seine Wohnung beibehalten und die Matrosenstation gewissenhaft über unruhige und schlimme Zeiten hinweg bewahren konnte, freudig den Einzug des kaiserlichen Jachtklubs in die Räume der Matrosenstation, dem er mit Rat und Tat zur Seite stand. Carl Velten starb am 25. Oktober 1925 in seinem Haus auf der Matrosenstation in Potsdam. Die Beisetzung fand am 29. Oktober auf dem Neuen Friedhof zu Potsdam unter lebhafter Beteiligung der Bevölkerung statt. Die warme Anteilnahme, die zahlreiche Mitglieder des ehemals regierenden Preußischen Königs- und Deutschen Kaiserhauses am Ableben Carl Veltens nahmen, deutet darauf hin, dass es sich bei ihm um einen Mann handelte, der sich in besonderer Weise um die hohenzollernsche Familie verdient gemacht hatte. Weitere Details: "Die Nachricht vom Heimgange Ihres von mir so geschätzten Gatten habe ich mit Betrübnis erfahren und spreche Ihnen Meine wärmste Teilnahme aus. Ich werde dem treu bewährten Manne ein ehrendes Andenken bewahren", schrieb Kaiser Wilhelm II. in einem Brieftelegramm aus Haus Doorn, seinem Exilsitz in den Niederlanden, am 28. Oktober 1925 an die Witwe von Carl Velten. "Mit aufrichtiger Teilnahme habe ich Kenntnis erhalten von dem Hinscheiden Ihres Mannes, des Kapitains Velten, in welchem wir einen der Treuesten, der unserer Familie so lange diente, verlieren….." ließ Prinz Heinrich, der Bruder des Kaisers, aus dem Herrenhaus Hemmelmark bei Eckernförde in einem Brieftelegramm an Frau Velten verlauten. Kronprinz Wilhelm und Kronprinzessin Cecilie nahmen von Schloss Oels in Schlesien aus in einem Telegramm "herzlichste Anteilnahme", beider Sohn Prinz Wilhelm schrieb, auch im Namen seiner Geschwister, in einem Telegramm ebenfalls aus Oels an Frau Velten: "Herzliche Teilnahme am Tode Ihres Gatten. Ehre seinem Angedenken, der stets ein echter deutscher Seemann seinem Allerhöchsten Herrn treu ergeben war". Prinz August Wilhelm, Bruder des Kronprinzen, merkte in einem vierseitigen Handschreiben aus der Villa Liegnitz in Potsdam unter anderem an "...welch ein Stück stolzer, glücklicher Vergangenheit sich auch in Ihrem Gatten verkörpert und sinkt mit ihm dahin! Voller Dankbarkeit denke ich zurück bis in die Tage frühester Jugend, wo er uns erste Anleitung im Rudern gab und mit so vielen Familienfeiern unzertrennlich verbunden war, die immer mit einer Fahrt auf der guten, alten Alexandria gipfelten. Für alle Treue, die er unserem Hause stets bewies, lassen Sie mich Ihnen auch heute von Herzen danken...", Prinz Oskar, der im Auftrage des Kaisers an der Beisetzung teilnahm, überbrachte einen Blumengruß seiner Brüder Eitel Friedrich und August Wilhelm; Ernst-August, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, und Viktoria Luise, Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg, Prinzessin von Preußen, einzige Tochter Kaiser Wilhelm II. und Kaiserin Auguste Viktoria, sandten Blumen. Zahlreiche Bürger Potsdams kondolierten in Schriftform. In einem Rundschreiben vom 29. Oktober 1925, aus Anlass des Ablebens von Carl Velten veranlasst von der Havel-Jugend-Abteilung des kaiserlichen Jachtklubs, hieß es unter anderem: "...jeder von uns hörte gern den vielen und netten Erzählungen aus seiner länger als fünfzigjährigen Dienstzeit unter den Preußischen Königen zu. Noch im vergangenen Jahr war es ihm möglich, an unseren Segelfahrten teilzunehmen, und er erzählte bei einer dieser Fahrten, an welcher auch die Söhne Sr. Kaiserlichen Hoheit des Kronprinzen teilnahmen, dass er mit fünf Generationen der Hohenzollern gesegelt sei."
    Quellen: I. Dokumente aus dem Nachlass der Clara Velten, geborene Zwanziger; II. Unterlagen beim Neuen Friedhof in Potsdam

    Soweit das Potsdam-Wiki. Ein Verein um einen Berliner Kunsthändler und Hausverwalter möchte die 1945 teilweise abgebrannte Matrosenstation originalgetreu wieder aufbauen. Die Art der gestarteten Umfrage (mit nur 160 Antworten) und verschiedene Probleme mit dem Anwohnern lassen allerdings befürchten, dass hier lediglich ein Segelverein ein exklusives Gelände bebauen und über Wohnungsvermietung Einnahmen erzielen möchte.

    Die kaiserliche Zweischraubendampfer "Alexandria", 1887 in Stettin erbaut, fand übrigens ein ruhmloses Ende: 1921 wurde er von der staatlichen Verwaltung zum Verkauf ausgeschrieben. Kapitän Velten musste Interessenten durch das Schiff führen. Schließlich erwarb die "Alexandria" eine jugoslawische Reederei, um sie zum Schlepper umzubauen. Ein letztes Foto zeigt sie, mit Schrott beladen, im Hafen von Regensburg; dann verliert sich ihre Spur. Näheres zur Privatflotte der Hohenzollern in:
    • Klaus Kramer: Vom Gondelcorso zum Ocean-Race. Als Kaiser Wilhelm II. den Yachtsport nach Deutschland brachte. Eine Dokumentation zur deutschen Yachtgeschichte 1815-1915. Klaus Kramer Verlag Schramberg 2002, ISBN 3-90858745-4-4
    • Hans-Joachim Rook: Segler und Dampfer auf Havel und Spree. Streiflichter zur Potsdamer Schifffahrtsgeschichte. Brandenburgisches Verlagshaus Berlin 1993, ISBN 3-89488-032-5 (auch zur Potsdamer Bootsbau- und Wassersportgeschichte)
  93. Als Eigentum der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ist der Heilige See heute für alle Boote verboten.
  94. Zur Naturkunde des Jungfernsees, des Sacrower, Krampnitzer und Fahrlander Sees sowie des Sacrow-Paretzer Kanals siehe: Potsdam und seine Umgebung. Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme. Akademie-Verlag Berlin (Ost) 1969.
  95. Siehe dazu "Griebens Reiseführer Potsdam und Umgebung", Grieben Verlag Albert Goldschmidt Berlin 1928, S. 66: "Das Schloss wird zeitweise noch von der Familie des ehem. Kronprinzen bewohnt und ist mit dem nördl. Teil des Gartens abgesperrt."
  96. Die Villengrundstücke an diesem Teil des Jungfernsees zähl(t)en zu den reichsten Potsdams und bestehen in ungeteilter Größe bis heute. Die Villa Alexander gehörte bis 1945 dem preußischen Königshaus bzw. der Krongutverwaltung. Ob man sich heute dem Ufer des 45.000 m² großen Grundstücks nähern darf, ist nicht bekannt.
  97. Amtliche Entfernung auf der "Unteren Havelwasserstr." bis zur Mündung in die Elbe bei km 328,9. (Anmerkung von Keller)
  98. Carl Friedrich v. Siemens, Sohn des Firmengründers Werner v. Siemens, ließ sich vom Architekten Otto March und dem Gartenplaner Heinrich Buchacker 1909-1911 mit dem "Heinenhof" ein prachtvolles Anwesen in Neu Fahrland errichten, in dem er bis zu seinem Tod 1941 lebte. Nach dem Krieg beherbergte die 12 ha große Parkanlage das "Heinrich-Heine-Sanatorium", nach 1990 eine Internationale Schule, bis die Familie Siemens das Grundstück im Jahre 2000 an einen Immobilienmagnaten verkaufte. Seitdem sind Haus und Park verschlossen wie um 1911; der Bootshafen liegt verödet.
  99. Amtliche Entfernung auf der "Unteren Havelwasserstr." bis zur Mündung in die Elbe bei km 328,9. (Anmerkung von Keller)
  100. Die drei Nedlitzer Lokale waren vor dem 2. Weltkrieg so bekannt, dass die Dampferverbindungen dorthin sowohl in Potsdamer als auch in Berliner Reiseführern empfohlen wurden: "Abf. Glienicker Brücke - Meierei - Nedlitz, stündl. Verkehr (nach Bedarf öfter), wochent. nur nachm., vor Anfg. Mai und nach Anf. Aug. nur Stg." (Griebens Reiseführer Potsdam und Umgebung, Grieben Verlag Albert Goldschmidt Berlin 1928, S. 30). Während das kriegsbeschädigte Rest. "Schweizerhaus" schon vor Jahrzehnten einem Wohnheim weichen musste und das Lokal "Römerschanze" nach Schließung und verschleißender Zwischennutzung 2008 abgerissen wurde (nur an der Bushaltestelle blieb der Name "Römerschanze" haften), war das "Parkrestaurant" noch bis 1990 ein beliebtes Ausflugsziel. Bis zur Neubebauung des Geländes 2017/18 stand das alte Haus leer und verfiel; wer über den modernden Zaun kletterte, konnte aus dem Gebüsch des Biergartens erahnen, was sich hier einmal für ein Blick übers Wasser auf die historische, "echte" Römerschanze geboten hat. Sollte es zu Kellers Zeiten Anlegestege gegeben haben ("wird von Wassersportlern viel aufgesucht", schreibt die 3. Auflage 1919), so schreckt die 1 m hohe Mauer am Wasser jetzt jeden Neugierigen ab. - Nachdem der Turm der Nedlitzer Nordbrücke beim Wiederaufbau nach dem Krieg wegfiel, zerrüttete der zunehmende Straßenverkehr, u. a. Schwertransporte der Sowjetarmee, die steinernen Bögen so, dass 2002 nur noch ihr Abbruch blieb. Der im Jahr darauf errichtete Neubau in modernem "Design" lässt nichts von der verträumten Romantik Friedrich Wilhelm IV. ahnen und lohnt den Umweg nicht mehr. - Die im Folgenden erwähnte Südbrücke war von Anfang an eine Stahlkonstruktion über den 1904 gegrabenen "Durchstich", der den Schiffen den kurvenreichen Weg zur engen Nordbrücke ersparte. Nach der Sprengung bei Kriegsende als "Brücke des Friedens" 1950 wiedereingeweiht, war sie im Laufe der Jahre so verschlissen, dass auch hier 2011 ein Neubau nötig wurde. Erneut eine Stahlkonstruktion, greift sie immerhin die Formensprache des Vorgängers auf.
  101. "Der große, auf drei Seiten von Wiesen und Äckern umgebene Fahrlander See ist oft stürmisch bewegt." (Griebens Reiseführer Potsdam und Umgebung, Grieben Verlag Albert Goldschmidt Berlin 1928, S. 70 f.) Nach "Kanu-Sport" 13/1933, S. A 132, 11/1939, S. 198, und 15/1941, S. 120, reizte der freie Blick die Wassersportler schon vor dem Krieg: auf der Westseite der Mole bei km 22.7, "Einfahrt vom Fahrländer See", unterhielt ein Berliner Kanuverein einen Zeltplatz. Seit der Wiederöffnung für den Wassersport nach 1990 nutzen bei günstigem Wind Surfer und Kiter die breite, offene Wasserfläche.
  102. Der Tyroler Graben, um 1670 von Tiroler Erdarbeitern ausgehoben, zweigte vom "Schiffgraben" ab, der als Vorläufer des Sacrow-Paretzer Kanals Fahrländer mit Schlänitzsee verband, und führte nach Bornim, wo er in einem kleinen Kahnhafen am Ende der heutigen Heckenstraße, vor der Mauer des damaligen Schlossparks, endete. Der "Große Kurfürst" Friedrich Wilhelm nutzte den Wasserweg, um mit kleinen Prunkgondeln vom Potsdamer Stadtschloss via Jungfernsee zu seinem Bornimer Lustschloss zu fahren, das er zeitgleich mit dem Graben im Karree zwischen Mitschurin- und Heckenstraße hatte anlegen lassen. Auch sein Nachfolger, König Friedrich I., liebte die Gondelfahrt hierher, während dessen Sohn, der prosaische "Soldatenkönig" Friedrich Wilhelm I., die Anlage verfallen ließ. 1756 erfolgte ihr Abriß, so dass der Tyroler Graben der letzte Zeuge des Lustschlosses Bornim ist. Mehr dazu in Friedrich Backschat (1870-1937): "Das Kurfürstliche Lusthaus Bornim", in: Hohenzollernjahrbuch 16. Jahrgang (1912), S. 102-127, im Netz unter http://digital.zlb.de/viewer/image/14192918_1912_16_315/1/LOG_0003/ , und Klaus Broschke: "Das Lustschloss Bornim und seine Gartenanlage", Selbstverlag Potsdam 2000. – Der am Rande der Schiffbauversuchsanstalt in den Sacrow-Paretzer Kanal mündende Graben ist heute nur durch Umtragen der Kanalböschung zu erreichen. Anfangs rund 4 m breit, verliert er sich schließlich als 2 m breites, unberäumtes Rinnsal in den Bornimer Gärten. Wer hier im Boot vordringt, sorgt für aufrichtiges Staunen und langdauernde Erinnerung im Dorf. Unentwegte voran! Wer tritt in die Spuren des Großen Kurfürsten?
  103. Beiderseits sind Blinkfeuer auf je einer Molenspitze geplant. (Anmerkung Kellers in der 5. Auflage 1925, S. 234)
  104. Hans Fleschner, lt. "Kanu-Sport" 15/1940, S. 120, in Flandern verwundet, betrieb ab den 1920er Jahren den "Grünen Hecht" in Göttin. Wie er auf die von Berlin ausschwärmenden Paddler kam, erzählen die bundesdeutschen "Kanusport-Nachrichten" 18/1953, S. 320. Unter den Wassersportlern der Vorkriegszeit war er eine feste Größe, zumal er auch Quartier gab. 1926 nämlich errichtete eine Gruppe der Berliner "Vereinigung Märkischer Wanderpaddler" eine DKV-Kanustation beim "Grünen Hecht". Später pachtete die Vereinigung (lt. "Kanu-Sport" 12/1941, S. 97) eine eigene Uferwiese für ihre Zelte, denn der Blick über den See mit Sonnenuntergang reizte. Sie muss am Südende des Dorfes gelegen haben, wo heute die Wochenendhäuser stehen. Fleschner profitierte auch von den Vereinen, die sich Zeltflächen für ihre Mitglieder auf der Mole pachteten, denn durch die Nordhälfte des Göttinsees war 1874-76 mit dem Aushub des Sacrow-Paretzer Kanals ein Damm geschüttet worden, um der Schifffahrt eine Leitlinie zu geben und sie vor Seegang zu schützen (die havelseitige Mole am Westrand des Sees kam um 1905 dazu). Beide Molen hatten Durchlässe für Boote und Wasseraustausch, und an den Durchlässen bei Kanalkilometer 31,5 und 31,6 drängten sich die Zeltareale der "Potsdamer Kanugesellschaft" ("Kanu-Sport" 19/1934, S. A 175), der "Paddler-Vereinigung Potsdam" ("Kanu-Sport" 21/1931, S. A 201), der "AEG.-Sportvereinigung e. V." ("Kanu-Sport" 17/1933, S. A 173) und der "Kanusport-Vereinigung Havelbrüder" ("Kanu-Sport" 9/1939, S. 160); glaubt man der Vereinschronik, hatte auch der heutige "Kanuverein Falke" nach 1939 "am Göttinsee bei Paretz" einen Zeltplatz gepachtet. 1938 drehte Cuno Hasberg lt. "Kanu-Sport" 6/1939, S. 98, den Film "Wochenendzauber auf dem eigenen Zeltplatz in Göttin"! - Nach dem Krieg übernahm der Potsdamer Verein "Rotation Babelsberg", der in der sowjetischen Zone bzw. in der DDR ansässig war, den Zeltplatz der "Märkischen Wanderpaddler". Noch immer fuhren Berliner Ruderer und Paddler auf den Göttinsee; die Festschrift "75 Jahre Berliner Ruder-Club 1880-1955", Elsnerdruck Berlin 1955, bildet auf S. 68 eine Rast "auf der Dün' von Göttin" (dem jetzt überwachsenen Westhang des Schwalbenberges nördlich des Dorfes) ab. Auch der "Grüne Hecht" Vater Fleschners, der lt. "Kanu-Sport" 26/1940, S. 209, der "Vereinigung Märkischer Wanderpaddler" beigetreten war, wurde besucht. Dann schloss die DDR am 1. Juni 1952 (Pfingstsonntag) die Grenzen zu West-Berlin, und im gleichen Jahr wurden die Durchlässe der Molen mit Trümmerschutt abgeriegelt, um den Göttinsee zur Karpfenintensivzucht zu nutzen; bis in die 1990er Jahre war das Dorf von der Havel aus nicht anfahrbar. Die weitere turbulente Geschichte des "Grünen Hechts" kann man sich vor Ort erzählen lassen.
  105. Das Nauener Bootshaus stand am Hafen auf dem Gelände des heutigen Fußballplatzes. Das Restaurant Blume, noch 1985 als "Strandgarten" betrieben, lag an der Kanalbrücke (Graf-Arco-Straße) und ist heute verfallen.
  106. Der Bau des Nauen-Paretzer Kanals 1911-1913 erfolgte zwischen Paretz und Zeestow entlang bereits bestehender Entwässerungsgräben, die ähnlich ausgesehen haben mögen wie heute der genannte Priorter und der Satzkorner Graben. Wie auch die anderen aufgeführten Gräben der Umgebung sind diese vom heutigen Havelkanal durch die Kanaldeiche oder ein umzutragendes Schöpfwerk getrennt und zu schmal, um sie noch sinnvoll zu paddeln.
  107. In der Nachkriegsnot und der "sozialistischen Umgestaltung" nach 1945 ging ein Großteil der historischen Einrichtung verloren; das Schloss wurde mit der Brechstange zu einer Landwirtschaftsschule umgebaut. Nach 1990 versuchte man ebenso grundlegend den Bauzustand von 1800 wieder herzurichten. Das "Wanderbuch für die Mark Brandenburg und angrenzende Gebiete, Erster Teil: Nähere Umgegend Berlins" von Emil Albrecht (1856-1920), Alexius Kießling Buch- und Landkartenverlag Berlin, 10. Aufl. 1912, erlebte auf S. 170 f. das Dorf noch so: "Paretz (Gasth. z. got. Hause, am Park; Rest. Luisenquelle) an der Havel, der anmutige Lieblingsaufenthalt Friedrich Wilhelms III. und der Königin Luise ('Schulze' und 'Gnädige Frau'), vom Könige auch späterhin viel besucht. Das ehem. Gasthaus (mit Säulenvorbau) in der unteren Dorfstraße rührt ebenso wie die Schmiede noch von dem Könige her. Das Gut, 1759 von ihm angekauft, gehört seit 1890, ebenso wie Ütz und Falkenrehde, dem Prinzen Heinrich. Das Innere des 1796 von Gilli erbauten einfachen Schlosses (Eintr. 25 Pf.) ist im Wesentlichen nicht verändert worden. Die Wohnräume der kgl. Ehegatten bergen viele Erinnerungen an sie, u. a. Pastellbilder beider von Schröder (1800), Kleidungsstücke, Toilettengegenstände, Spielzeug der Kinder, auch zahlreiche Kupferstiche (bes. aus dem alten Berlin); Gouachebild von Dähling 'Friedrich Wilhelm III., die Königin Luise und Alexander I. in Memel (1802)'; Abbildung der Truppengattungen beim Regierungsantritt des Königs, von ihm selbst. Den Oberstock bewohnte Friedrich Wilhelm IV. 1848 während der Revolution mehrere Wochen; hier auch der Tisch, an dem er 1850 die neue Verfassung unterzeichnete. — Im dreiteiligen Park: an der Chaussee nach Ütz (Schlosspark) ein chines. Teehäuschen (Aussicht), darunter ö. die Muschelgrotte, südl. die Erinnerungsgrotte mit Tempelfront ('Gedenke der Abgeschiedenen'); an der Chaussee nach Ketzin (Strohhauspark) die Luisenpforte, aus der die Königin zum letztenmal (20. Mai 1810) den Park verließ († 19. Juli in Hohenzieritz); im mittelsten Teile (Kirchpark) die 1797 erneuerte Kirche. In dieser (Schlüssel bei Kantor) Bild des h. Mauritius von 1539, Bilder von Wach und Schumann, Kasten mit einem Tuch der Königin u. a.; in der kgl. Loge 'Verklärung der Königin' (Glaube, Liebe. Hoffnung, Treue; unten Borussia und Brennus, d. i. Brandenburg), Tonrelief von Schadow. Vgl. Hölzel, 'Schloss Still im Land', 1910 (Reprint beim Stapp Verlag Berlin 2010, ISBN 978-3877761892)." – Interessant dabei übrigens, dass Albrecht in seinem Buch noch bis 1912 die klassische Aussprache "Paretz" propagierte, ein letzter Nachklang der slawischen Wurzel des Ortes "po rěčje" = "am Fluss"; in der nächsten Auflage von 1917 hatte sich schon die heutige Aussprache "Paretz" durchgesetzt.
  108. Mehr zu den Ausflugslokalen in Paretz und Ketzin in: "Kinder, so im Freien is' man doch erst richtig Mensch!" Ausflugslokale entlang der Havel. Hrsg. vom Stadtgeschichtlichen Museum Spandau und vom Museum im Frey-Haus, Stadt Brandenburg an der Havel. Stattbuch Verlag Berlin 1994, ISBN 3-922778-56-9, S. 121-123 und S. 157 ff.
  109. Wer die halbe Stunde Fußweg nicht scheut, sucht bei km 45 links am Ende des Hügelwaldes die Schilflücke unter der Weide und wandert auf den Turm des Götzer Berges (Landmarke!) Dazu geht man den durchs Feld führenden Weg nach links bis zur Asphaltstraße und dort 100 m hinter der Baumruine einen gesperrten Betonplattenweg, später Sandweg immer nach oben. Dem Wanderer öffnet sich ein herrlicher Blick aufs Havelland: 107 m über Havelniveau schweift der Blick von Berlin bis Brandenburg und noch viel weiter. Wer sein Boot nicht so lange liegenlassen will, läuft von der Schilflücke auf den nur 10 Minuten entfernten Golmberg (das Ackerhügelchen nebenan mit den zerzausten Bäumen auf der Kuppe), der, "nur" 14 m über Havelniveau liegend, immerhin einen Blick nach Nordwesten bietet.
  110. Die Begeisterung Kellers für das offene Land der Unterhavel mag mit seiner Kindheit zusammenhängen. Nach Berlin zog er nämlich erst im Alter von zwölf Jahren - geboren und aufgewachsen ist er in der Weite der Weserniederung. Schon in der 1. Auflage des "Hip-Hip-Hurra"-Führers 1897 erinnert sich der noch nicht 38-jährige sehnsüchtig: "Bei Minden, oder besser kurz vor dem unterhalb liegenden Petershagen, tritt die Weser in die Ebene, die sie von jetzt ab bis zur Mündung in langem, gewundenem Laufe durchmisst. Alte Jugend- und Heimatserinnerungen treten vor unsere Seele. Die heimischen Plätze in Petershagen werden wieder begrüßt, wo wir - in Mutters Backtroge oder Waschfasse - heimlich die ersten Ruderstudien unternahmen, welche uns natürlich stets eine ganz gehörige Tracht Prügel verschafften, aber durch sie auch die Liebe zu unserem schönen Sporte uns einbläuen ließen. Ade, schöne Jugendzeit und lieber Heimatsort!" (S. 272)
  111. Der merkwürdig breite, kantige Hügel am Südufer des Trebelsees hinter Schmergow birgt einen alten deutsch-deutschen Skandal: die "Deponie Deetz", die ab ca. 1974 für Bauschutt aus dem damaligen Westberlin angelegt wurde. Er wurde aus Frachtschuten (deren Hafen noch erkennbar ist) in die alten Tongruben geschüttet, später aufgehäuft. Eine Versiegelung gegen Sickerwasser war damals nicht üblich. Nie wurde kontrolliert, was unterm Bauschutt noch alles auf den Schiffen lag, da der Kuhhandel beiden Seiten nützte: der Westen löste das Müllproblem, der Osten bekam Devisen. Westberliner Politiker blieben unbesorgt, da "die Fließrichtung von der Stadt wegführt". Eine weitere Deponie mit noch riskanterem Inhalt lag in den Tonstichen bei Ketzin, wo vorrangig Haus- und in der BRD nicht genehmigungsfähiger Restmüll abgekippt wurde (siehe diese Analyse von 2003); belegt sind Bromschlammtransporte der Firma Hoechst und Klärschlämme von Schering dorthin. Erst Bürgerproteste 1989/90 erzwangen die teilweise Schließung und kostspielige Sanierung beider Kippen, von denen Teile noch bis 2009 weiter befüllt wurden. Was vorher (und evtl. auch seitdem) ins Grundwasser sickerte, ist nicht bekannt.
  112. Die Inseln heißen genauer "Die Arkenbude" und "Die Schöllerbüsche".
  113. Der Satz mit dem Roskower Kanal ist wohl versehentlich beim Setzen der 6. Auflage entfallen und hier nach dem Text der 3. und 5. Auflage ergänzt. – Der ursprünglich 2 km lange Roskower Kanal wurde vom Besitzer Albert v. Katte um 1850 bis vor den Gutshof gegraben, um die Ernte mit "größeren Kähnen" nach Brandenburg bringen zu können; ein 1,1 km langer "Quergraben" kürzte den Weg Richtung Potsdam ab. (Andere Quellen legen den Bau schon in die 2. Hälfte des 17. Jh.) Noch nach dem Krieg verzeichnet die Flusskarte 8 "Die Havel von Oranienburg bis Brandenburg" des "Wasserwanderbuches", Sportverlag Berlin 1953: "Roskower Kanal, 2 km flussaufwärts Gaststätte, Zeltmöglichkeit." Zum Gut gehörig, unterstanden die Kanäle nicht der Wasserstraßenverwaltung und konnten deshalb während der 1969-1975 erfolgten Komplexmelioration zu Vorflutern rückgebaut werden. Nach 300 m endet die Fahrt seitdem an einem Schöpfwerk, dahinter versickert der bis dahin noch 4 m breite Kanal im Schilf; nur die Baumreihe zeichnet seinen Weg bis zum Gutshof weiter. Der alte Quergraben ist besser befahrbar, aber durch ein zweites Wehr und am Ende durch den Haveldeich versperrt.
  114. Die Insel heißt genauer "Die Artisse".
  115. Die Insel heißt genauer "Das Euenufer".
  116. Der eigentlich "Weinberg" genannte Hügel in Klein Kreutz bot lange Zeit einen schönen Rundblick übers Havelland.
  117. Das "Zollhaus" an der Gollwitzer Brücke resultierte aus dem Status des Emster Kanals, der nicht vom Staat, sondern von Ziegeleibesitzern gegraben worden war, die ihre Steine nach Berlin bringen wollten. Die Kosten wollten die Bauherren von den Schiffern wieder hereinholen. Das funktionierte drei Jahrzehnte lang, bis die Lehniner Kleinbahn ab 1899 den Ziegeltransport übernahm. Mit dem Ersten Weltkrieg war auch die Blütezeit der Lehniner Frachtschifffahrt zu Ende.
  118. Das "Wanderbuch für die Mark Brandenburg, Zweiter Teil: Weitere Umgegend Berlins (Westliche Hälfte)" von Emil Albrecht (1856-1920), Alexius Kießling Buch- und Landkartenverlag Berlin, 7. Auflage 1910, beschreibt Lehnin auf S. 64-66:
    "Lehnin (Preußischer Hof, 12 Zimmer mit 20 Betten zu 1 1/2 - 2 M., Frühstück 60-75 Pf., Pension mit Zimmer 3 1/2 - 4 M.; Post, mit Garten, 10 Zimmer mit 30 Betten zu 1-2 M., Frühstück 40 Pf., Mittagessen 80 Pf. - 1 M., Pension mit Zimmer 3 1/2 - 4 1/2 M.; Preußischer Adler; Klostercafé, am Markt; Omnibus nach Brandenburg), Flecken mit 2826 Einw. einschl. Gutsbezirk und Oberförsterei, zwischen Klostersee (nw.) und Mühlenteich (ö.) im Kreise Zauch-Belzig, rings von Wald umgeben, wird von Sommerfrischlern ziemlich viel aufgesucht. Die zahlreichen Ziegeleien in der Nähe haben durch die an den Klostersee sich anschließende Seenkette und den Emsterkanal Verbindung mit der Havel. Die kgl. Lehniner Forst umfasst 5589 ha. — Am Anfang des Ortes (vom Bahnhof aus) seit 1902 ein Bronzestandbild Kaiser Friedrichs, von Arnoldt.
    Das Kloster St. Marien in Lehnin wurde von Markgraf Otto I., dem Sohne Albrechts des Bären, 1180 der Sage nach an der Stelle gegründet, wo ihm auf der Jagd im Traume unter einer Eiche des Urwaldes eine Hirschkuh erschien, und mit Zisterziensermönchen aus Sittichenbach bei Eisleben besetzt. Als erstes Kloster dieses Ordens in der Mark, von dem die Klöster Paradies, Chorin und Himmelpfort ausgingen, war L. von hoher Bedeutung; bei der Aufhebung unter Abt Valentin (1542) besaß es noch die Stadt Werder, 64 Dörfer und 45 Seen. Von den seit 1450 den märk. Bischöfen gleichgestellten Äbten spielte Heinrich Stich († 1432) als Freund Friedrichs I. eine hervorragende Rolle in den Quitzowschen Händeln. Nach der Säkularisation wurde das Kloster in ein kurfürstl. Amt verwandelt und namentlich vom Gr. Kurfürsten und Friedrich III. auf Reiherjagden benutzt. Seit 1811 ist es im Besitz von Privaten (jetzt des Kommerzienrates Abel).
    Die sogen. Lehninsche Weissagung, ein latein. Gedicht in Hexametern mit Binnenreimen, das sich als das Werk eines Bruders Hermann (um 1300) ausgibt und die Schicksale Lehnins und Brandenburgs vorführen will, ist erst gegen Ende des 17. Jahrh. entstanden.
    An der zum Gute führenden schattigen Allee liegen r. zwei Klostergebäude, deren frühere Bestimmung zweifelhaft ist: das sogen. Patronatshaus (jetzt Schule) und das von Friedrich Wilhelm IV. angekaufte Königshaus, ein wohlerhaltener Backsteinbau des 15. Jahrh. mit schönem Giebel. L. stoßen an die Südseite der Kirche die Reste der Konventsgehäude; darin außer einigen Zellen ein in zwei Schulzimmer geteilter Saal.
    Die Kirche, eine dreischiffige kreuzförmige Pfeilerbasilika (Hauptschiff 63 m l.) mit einschiffigem Chor und halbrunder Apsis, wurde bald nach 1180 in roman. Stil begonnen, in den besten Formen des Übergangsstils bis 1262 zu Ende geführt (der Wechsel besonders sichtbar außen an der Nordseite), endlich nach fast völligem Verfall der westl. Teile auf Veranlassung des damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm 1871-77 wiederhergestellt. Man betritt sie von O., von der am Wege liegenden Chorseite (Besichtigung durch den Lehrer im Hause nebenan; Trkg.).
    Im Chor an den Stufen zu dem Altare ein Überbleibsel von dem Eichstamm, unter dem Otto den Traum gehabt haben soll. Der ehem. Altarschrein ist jetzt in Brandenburg. Neben dem Altar l. Grabstein des Markgrafen Ottoko (Schwiegersohn Kaiser Rudolfs von Habsburg, † 1303 als Mönch), r. Gedenktafel für Kaiser Friedrich III. — Im nördl. Querschiff unter der Orgel Gedenktafel für Friedrich Wilhelm IV. — Die östl. Enden der Seitenschiffe bilden zweigeschossige Kapellen, die beiderseits sich oben nach dem Chore öffnen. Die westl. Enden sind zu Nebenräumen eingerichtet: im nördl., der sogen. Paradieshalle, der Grabstein eines Abtes († 1509), im südl. zwei schlecht erhaltene Gemälde des 15. Jahrh. auf Holz, auf die Ermordung des ersten Abtes Sibold durch die Wenden im Dorfe Nahmitz bezüglich. — An der Westseite innen eine schmale Galerie (Überblick über die Kirche), angeblich zur Verbindung zwischen dem Abtshause (n.) und den Klostergebäuden (s.); Aufgang zu derselben durch eine Wendeltreppe im Ringelturm, dem nördlichen der beiden turmartigen Strebepfeiler, die außen aus der Westfront hervortreten.
    Die Kirche diente der Ottonischen Linie der Askanier als Grabstätte. Von Hohenzollern wurden hier beigesetzt die Kurfürsten Johann Cicero († 1499) und Joachim I. († 1535); beide ließ Joachim II. mit dem Doppelgrabmal von Peter und Johann Vischer in den Berliner Dom überführen.
    Die sonstigen noch vorhandenen Baulichkeiten liegen im Bereich des Gutes (Zutritt nach Anfrage). R. vom Wirtschaftshofe im Garten der Rest eines Tores, daneben eine Kapellenruine, die 'Klause'. L. gelangt man über den Hof durch das Abtshaus zu den großen Kellereien der Konventsgebäude, über denen sich die kurfürstl. Räume befanden. Von hier führt eine schöne Lindenallee zu Resten der Klostermauer, mit viereckigem Turme, dem sog. Kuhbier.
    Nordwestl. von der Chaussee nach Gr. Kreutz am Waldesrand l. zum (20 Min.) Restaurant am Klostersee und zur Badeanstalt, dann schöner Pfad am See, in der Bucht desselben etwas von ihm ab zur NO.-Ecke von Nehmitz bei einer Ziegelei (1/2 St.) und in wenigen Min. zur Haltestelle."
    Dazu im Anzeigenteil, S. 4, am Schluss des Buches: "Kloster Lehnin (Mark). Hotel 'Zur Post', direkt am Kloster gelegen, der Neuzeit entsprechend eingerichtet, schattiger Garten an der Klostermauer mit Veranda, Aussicht nach dem Klostergarten, Sommer- und Winterkegelbahn, Badeeinrichtung im Hause, Automobil-Garage, Wald und Wasser in unmittelbarer Nähe. Besitzer: Albert Berkholz."
  119. Die Insel heißt genauer "Das Mittelbruch".
  120. Brandenburger Stadtkanal von der Einmündung in die Untere Havelwasserstr. bei km 111,0. (Anmerkung von Keller)
  121. Brandenburger Stadtkanal von der Einmündung in die Untere Havelwasserstr. bei km 111,0. (Anmerkung von Keller)
  122. lat.: "Seefahrt ist nötig, Leben ist nicht notwendig."
  123. Der Silokanal, 1910 eröffnet, sollte dem Frachtverkehr die enge Brandenburger Stadtdurchfahrt ersparen und gleichzeitig den Abfluss der Hochwässer beschleunigen. Sein Name sollte ursprünglich an das nicht mehr bestehende Dorf Silow erinnern, über dessen Flur die Trasse verlief. Die Erbauer aber, an Frachtschifffahrt gewöhnt, assoziierten beim Aussprechen "Getreidespeicher" und ließen die slawische Endung -w beim Schreiben einfach weg. Dabei ist es bis heute geblieben. - Der Kanal löste das städtische Schifffahrtsproblem, bewirkte jedoch auch eine starke Senkung des Havelpegels zwischen Brandenburg und Spandau. Selbst der mittlere Wasserspiegel der Potsdamer Havel sank noch um ca. 50 cm, was sich an verschiedenen Bauten, z. B. der Wasserlinie des Maschinenhauses im Park von Babelsberg und dem Graben in der Ortslage Klein Glienicke, der einmal ganz mit Wasser gefüllt war, ablesen lässt.
  124. Bombenkrieg, sozialistischer Verfall und "Aufschwung Ost" haben das Stadtbild, wie es Keller kannte, stark verändert. Das "Wanderbuch für die Mark Brandenburg, Zweiter Teil: Weitere Umgegend Berlins (Westliche Hälfte)" von Emil Albrecht (1856-1920), Alexius Kießling Buch- und Landkartenverlag Berlin, 7. Auflage 1910, gibt auf den S. 66-75 noch ein Bild des alten Brandenburg, wie es Ruderer um 1920 sahen. Für Besucher und Bewohner der 70.000-Einwohner-Stadt sei es hier eingefügt:
    "Brandenburg (53.072 E., davon 3614 Militär), die Wiege des brandenburg-preußischen Staates, wegen der Menge der mittelalterlichen Baudenkmäler auch kunstgeschichtlich wohl die interessanteste Stadt der Mark, liegt zwischen mehreren Armen der Havel am Südende des Beetzsees (1019 ha; 9 m t.) und ö. vom Plauer See (1736 ha mit allen Ausbuchtungen; 3,8 - 6,7 m t.), die beide seit 1910 durch den 5,5 km l. Silokanal verbunden sind. Die Stadt bildet einen eigenen Kreis und besteht aus der an den Fuß des Marienberges angelehnten Altstadt (NW.), der Neustadt (S.) und der Dominsel (NO.), die eine besondere Gemeinde (1025 E.) bildet. Bei seinen vielen Fabriken hat B. eine sehr starke Arbeiterbevölkerung. In Garnison liegen hier 8 Regimenter: das Füsilierreg. Prinz Heinrich von Preußen Nr. 35, das Kürassierreg. Kaiser Nikolaus I. von Russland Nr. 6 und das Feldartilleriereg. General-Feldzeugmeister Nr. 3. In B. wurde 1777 der Dichter de la Motte Fouqué geboren († 1843 in Berlin); hier lebte auch der Dichter des Liedes 'König Wilhelm saß ganz heiter', Geh. Sanitätsrat Dr. Kreusler (1817—1901).
    Brandinaburga wird in der Wilkinasage als Wohnort des Jarl Iron, die Brennaburg (auf der Dominsel) geschichtlich zuerst als befestigter Hauptplatz der slav. Heveller bei der Eroberung durch Heinrich I. (928) erwähnt. Obwohl der Ort bereits 948 durch Otto I. mit einem Bistum ausgestattet wurde, ging er selbst wie das besonders durch Markgraf Gero im O unterworfene Land im großen Wendenaufstand 983 verloren. Erst der letzte Wendenfürst Pribislav, der mit seiner Gemahlin Petrussa dem Christentum ergeben war und um 1140 unter Bischof Wigger Prämonstratenser aus Leitzkau (n. von Güterglück) in seine Residenz Parduin (jetzt Altstadt) berief, trat das südl. Havelland (Zauche) mit der heutigen Neustadt, vielleicht auch der Burg, schon bei Lebzeiten, das nördl. Havelland mit Parduin, als Erbe an Albrecht d. Bären, Markgrafen der Nordmark († 1170), ab, durch den bereits die Prignitz dem Deutschtum wiedergewonnen war. Nach Pribislavs Tode (1150) eroberten die Wenden 1157 unter seinem Neffen Jazko noch einmal vorübergehend B. 1161 stiftete Bischof Wilmar das Domkapitel auf der Burginsel. 1165 siedelte er die Prämonstratenser von Parduin dorthin über. Die Bischöfe selbst residierten gewöhnlich in Ziesar. Von den späteren Markgrafen erhielten die beiden Städte mancherlei Privilegien, u. a. den Schöppenstuhl (vor 1315), einen aus 6 Mitgliedern (je 3 aus Alt- und Neustadt) bestehenden Gerichtshof, der als höchste Appellationsinstanz zunächst für die johanneischen Lande galt, später aber seinen Einfluss fast über ganz Deutschland ausdehnte und offiziell erst 1817 aufgehoben wurde. Allmählich gelangten die Städte zu hoher Blüte, lebten aber vielfach in Hader miteinander. Von den Quitzows in Plaue hart bedrängt, nahmen sie den zum Statthalter der Mark ernannten Hohenzollern Friedrich I. freudig auf und huldigten ihm am 21. Juni 1412 zu allererst; doch ging ihre Hoffnung, Hauptstadt des neuen Kurfürstentums zu werden, nicht in Erfüllung. An der Einführung der Reformation erhielt B. besonderen Anteil durch den Bischof Matthias v. Jagow. Im 30jährigen Kriege weilten Mansfeld und Wallenstein 1626 hier: nachher hielten abwechselnd Kaiserliche und Schweden die Stadt besetzt. 1715 vereinigte Friedrich Wilhelm I. die Alt- und Neustadt zu einem Gemeinwesen.
    Vom Bahnhof gelangt man r. durch die Bahnhof- und Schützenstraße (in dieser die großartige Fahrräderfabrik von Gebr. Reichstein, 'Brennaborräder', mit 2500 Arbeitern), dann über den 1548-50 angelegten Schleusenkanal (lebhafter Schiffsverkehr) in die St. Annenstraße, in der sich die stattlichen Bauten des Bankvereins (l., Nr. 37), von Techow, und der Post erheben. Weiter zum (1/4 St.) Rathaus der Neustadt. Von dem alten Bau aus dem 14. Jahrh. hat sich nur noch die Ostfront im Hofe erhalten (man gehe durch das Gebäude r. hindurch). Vor dem Rathause steht der an Stelle eines älteren Roland von 1402 im J. 1474 errichtete, 1716 vom Neustädtischen Markt hierher versetzte Roland (5,5 m), das Haupt mit einer üppigen Krone von Hauslauch geschmückt, hier wie an andern Orten ursprünglich wohl nur ein kgl. Marktzeichen, später aber als Sinnbild der städt. Gerichtsbarkeit und Freiheiten überhaupt betrachtet. Das gegenüber an der Ecke liegende sogen. Kurfürstenhaus mit interessantem Renaissanceportal führt seinen Namen ohne nachweisbare Berechtigung.
    Nach NO. gelangt man von hier, alsbald an der Reichsbank vorüber, auf die Dominsel, nach NW. durch die Hauptstraße in die Altstadt.
    Westl. ragt hoch empor die Katharinenkirche (73 m l., 29, mit den Kapellen 42 m br., 37, mit dem Turm 73 m h.), in der jetzigen Gestalt 1395-1401 von Meister Heinr. Brunsberg erbaut, 1583-85 nach dem Einsturz des alten Turmes mit dem jetzigen versehen, 1864-65 zuletzt wiederhergestellt. Der dreischiffige Hallenbau ist im Äußern ausgezeichnet durch einen schönen Ornamentfries unter dem Hauptgesims, besonders aber durch den reichen Schmuck der den Strebepfeilern vorgesetzten Pilaster aus roten und dunkelgrünglasierten Backsteinen; von den in ihren Nischen befindlichen Tonfiguren sind nur zwei alt (h. Katharina u. Amalberga an der Nordseite dicht hinter der Kapelle), die übrigen 1865 angefertigt. Das westl. Portal der Südseite, dem das der Nordseite (1585) nachgebildet ist, zeigt einen hohen Spitzgiebel und den Pilastern angepasste Ornamente. Prächtig sind auch die angebauten Kapellen, vor allem die Fronleichnamskapelle (n.) mit schönem Maßwerk sowie mit Ziergiebel an der Nordfassade und sehr reicher Dachgalerie an der Ost- und Westseite. Ihr entspricht von den drei Kapellen im S. die westliche (Schöppenkapelle), während die mittlere erst später hinzugefügt ist. Küster Kirchplatz 4.
    Chor: Modelle zu den Kolossalfiguren der 12 Apostel an den Fassaden der Nikolaikirche zu Helsingfors von Wredow, Schievelbein und Berges. Unter dem Mittelfenster der untere Teil des alten Altarschreines von 1474 (Vergoldung und Malerei neu): in lebensgroßen Figuren die Verlobung der h. Katharina mit dem Christuskinde nebst Andreas, Amalberga und Aegidius, darunter in kleinerem Maßstabe die Legende der h. Katharina; auf den Flügeln Gemälde aus der Kindheitsgeschichte Jesu und der Legende der h. Katharina und Amalberga. — Kirche: viele Tafelgemälde, besonders Porträts früherer Geistlicher, Grabsteine und Epitaphien, u a. im Chorumgang (n.) für den ersten protest. Pfarrer Th. Baitz († 1541) und (s.) das mit vielen Figuren und Reliefs ausgestattete Renaissanceepitaph des Ritters Brandt v. d. Schulenburg († 1601); Orgel von 1622. — Fronleichnamskapelle: messingner Taufkessel von 1440 mit der Taufe Christi, den 12 Aposteln, der h. Katharina und Amalberga. — Schöppenkapelle: Hedwigsaltar; im Schrein die trefflich geschnitzten Figuren der h. Hedwig, des h. Rochus und eines Ritters; auf den Flügeln gute Gemälde (Legende der h. Hedwig, des h. Rochus und Messe Gregors).
    Sw. vom Rathaus beginnt die Steinstraße. Von ihr führt sogleich l. die Pauliner Straße zu der als Garnisonkirche benutzten Paulikirche (Küster Temnitzstr. 26), dreischiffigem Backsteinhallenbau mit einschiffigem Chor, ursprünglich zu dem 1286 gegründeten Dominikanerkloster gehörig, 1868-70 im Innern erneuert; an der Südseite des Chors ein schlanker Glockenturm. Im Chor eine große Tafel zur Erinnerung an die Umwandlung der Kirche für den evangel. Gottesdienst (1560), mit Bildnis Joachims II.; in den Mittelfenstern Reste alter Glasmalerei, z. T. aus dem 14. Jahrh., bei der letzten Erneuerung zusammengestellt. An die Südseite der Kirche lehnen sich die ehem. Klostergebäude an, die das St. Spiritushospital und ein Pfründenhaus enthalten. Beachtenswert ist der gut erhaltene, vierflügelige Kreuzgang mit Statue des Apostels Paulus in gebranntem Ton, Taufstein von 1565 und 12 hölzernen Relieftafeln der Apostel. Einen guten Überblick über die Westseite der Klostergebäude hat man vom Vorhofe der nahen kath. Dreifaltigkeitskirche (Eingang Heidestr. 24). Interessant ist auch der Winkel bei der Höheren Mädchenschule (mit Lyceum) in der Temnitzstraße.
    Den Abschluss der Steinstraße bildet der runde, mit Zinnenkranz und Kegelspitze versehene Steintorturm (31,7 m), der größte und stärkste der erhaltenen Tortürme, um 1380 erbaut, 1886 wiederhergestellt. An den inneren Wänden zahlreiche Malereien von Gefangenen aus dem 16. Jahrh. Von den fünf durch Treppen in der Mauerdicke verbundenen Stockwerken enthalten zwei die Sammlung des hist. Vereins (geöffnet So. 11 - 1 U., sonst zugänglich nach Meldung beim Vereinsboten), vorhistorische Funde, Erinnerungen aus dem alten Brandenburg u. dgl.
    Jenseit der Steintorbrücke, am Ende der Jakobsstraße, liegt die 1870 gegründete Wredowsche Zeichenschule (Eintr. So. 11-1, Mi. 3-6, im Winter 5-8 U., in den Schulferien geschlossen). Sie hat ihren Namen von dem um die Anstalt hochverdienten Prof. A. Wredow († 1891), der auch das neue Gebäude 1878 bauen ließ, und enthält besonders eine reiche Ornamentsammlung (etwa 4000 Blätter, meist Originale aus dem 16.-18. Jahrh.), sehr viele Kupferstiche (über 900 nach Rubens), einzelne Skulpturen (jugendlicher Merkur und Kopf eines bittenden Knaben von Wredow) und Ölgemälde, kunstgewerbliche Gegenstände u. dgl. — Vor der Schule die von der Stadt gestiftete Büste Wredows und die kleine Jakobskapelle aus dem 14. Jahrh., die 1892 bei Verbreiterung der Straße um 11 m nach W. verschoben wurde.
    Vom Steintor zieht sich nach N. um die Westseite der Neustadt, die hier wie auch sonst noch tüchtige Reste der Stadtmauer aufweist, die schöne Grabenpromenade mit der von den Mühlengräben umflossenen Schillerinsel (Büste Schillers). Weiter durch die Grabenstraße in die Hauptstraße. Diese endet bei der Langen Brücke (schöner Blick besonders r. nach dem Dom). Neben der Brücke befand sich mitten im Strom bis in die Mitte des 14. Jahrh. der Schöppenstuhl, der dann nach der Altstadt verlegt wurde. [...]
    Am andern Havelufer beginnt die Altstadt. L. nahe der Brücke die jetzt von den Reformierten benutzte Johanniskirche, alte Franziskanerkirche des 13. Jahrh. mit schlankem Turm an der Südseite des Chors, im Innern 1905 erneuert. Die einstigen Klostergebäude wurden 1865 abgerissen, um dem Neubau des v. Saldernschen Realgymnasiums (gewöhnlich Saldria genannt) Platz zu machen, das 1589 als Gelehrtenschule von der Witwe des Matthias v. S. gestiftet wurde: seit 1903 ist es mit dem städt. Gymnasium verbunden. Durch den prächtigen Humboldthain, in dem eine Büste Alexanders v. Humboldt, gelangt man dann, an einem Rest der Stadtmauer vorbei, zum Plauer Torturm, einem einfachen, der Spitze und Zinnen beraubten Backsteinzylinder. Von hier führt in nördl. Richtung die hohe Wallpromenade in 6 Min. zum Rathenower Turm. L. daneben ein Weg (zunächst Bergstraße) auf den Marienberg.
    Vor dem Plauer Tore liegt die große kgl. Strafanstalt und auf dem Altstädtischen Friedhofe die Nikolaikirche, roman. Pfeilerbasilika des 12. Jahrh. aus Backsteinen, 1515 erneuert, wobei der abgetreppte Westgiebel mit den zwei kurzen Türmen hinzugefügt wurde, 1904 wieder als Gotteshaus eingerichtet, nachdem sie lange als Leichenhalle gedient hatte; hier jetzt auch das berühmte Antipendium (Gobelin) mit der Jagd auf das Einhorn aus dem 15. Jahrh. — Weiterhin an der Magdeburger Chaussee das Garnisonlazarett sowie die Kasernen der drei Regimenter. Am Abhang des Marienberges das städt. Krankenhaus, erbaut nach Plänen von Schmieden. [...]
    Den Mittelpunkt der Altstadt bildet das in Gestalt eines länglichen Viereckes mit Turm aufgeführte Altstädtische Rathaus, dessen Entstehung etwa in das Ende des 15. Jahrh. fällt, während das interessante Portal der Westfront und der Stufengiebel der Ostfront einer späteren Zeit angehören; das Gebäude, das bis vor kurzem vom Militärfiskus benutzt wurde, soll wiederhergestellt werden. Das an der Südseite gelegene sog. Ordonnanzhaus dient städtischen Zwecken.
    Der östl. Teil der Altstadt enthält die älteste Kirche der ganzen Stadt, die bereits von Pribislav um 1140 errichtete und mit Prämonstratensern besetzte Gotthardkirche. Sie war ursprünglich roman. Feldsteinbasilika — die Granitwand im W. gehört zu den besten derartigen Bauresten der Mark — , wurde im 14. Jahrh. in eine got. Backsteinhallenkirche umgewandelt, später durch mehrere Kapellenanbauten erweitert und blieb seit etwa 1550 im wesentlichen unverändert, bis sie 1904-5 namentlich im Innern erneuert und mit ziemlich bunter Bemalung versehen wurde.
    Inneres (Küster Kirchpl. 11): Kanzel aus Sandstein, charakteristisches Werk der Barockzeit, 1623 von der Tuchmachergilde gestiftet (Tafel an der Westseite), ruhend auf einer lebensgroßen bärtigen Figur; an Brüstung und Treppe die 4 Evangelisten, alttestamentliche Figuren und Reliefs. — An der Nordwand über der Empore ein Wandgemälde von 1585, 1905 freigelegt. In der Kapelle auf der Südseite gemalter Flügelaltar von 1559 sowie sehr schönes roman. Taufbecken aus Bronze in Form eines von den Evangelisten getragenen Pokals. — Spätgot. Triumphkreuz mit Maria u. Johannes. — Hochaltar mit Bild 'Christus in Gethsemane' von Pfannschmidt (1874). — An der Südwand beim Altar in Nischen die Schutzpatrone der Kirche, St. Gotthard, Apostel Matthias u. Bischof Maternus. — Im Mittelfenster des Chors Glasmalerei, 1868 nach einem Entwürfe v. Quasts ausgeführt: kleine Rundbilder aus der h. Geschichte mit schönem Rankenornament. Im Chorumgang sowie auch sonst in der Kirche zahlreiche Epitaphien des 16. Jahrh.
    Nw. von der Kirche endet die Rathenower Straße bei dem viereckigen Rathenower Torturm (Ende des 14. Jahrh.); auf der zuckerhutförmigen Steinspitze ein Rest des brandenburg. Adlers. Vom Tor ö. Reste der alten Stadtmauer, w. die Wallpromenade.
    Auf den n. von der Altstadt gelegenen Marienberg (79 m) steigt man gewöhnlich vom Plauer Torturm durch die Bergstraße und alsbald l. durch prächtige Gartenanlagen, zuletzt an der Bismarckwarte vorbei. Vom Rathenower Torturm benutzt man die Fohrder Straße; dann l. in die Bergstraße und sogleich r. den Poetenweg. Auf der einst Harlunger Berg genannten Höhe erbaute Pribislav an Stelle des von ihm zerstörten Triglavheiligtums 1186 die Marienkirche, die später als Wallfahrtskirche weithin berühmt wurde. Nachdem sie im 13. Jahrh. im byzant. Stil umgebaut (die einzige Anlage dieser Art in Deutschland) und mit ihr 1435 ein Prämonstratenserstift verbunden worden war, wurde von Friedrich II. die Schwanenkapelle für den 1443 von ihm gegründeten Schwanenorden hinzugefügt. Nach der Reformation verfiel alles, so dass Friedrich Wilhelm I. 1722 auch die Kirche abtragen und das Material zum Bau des Militärwaisenhauses in Potsdam verwenden ließ (Modell der Kirche im Antiquarium des Doms). Seit 1880 steht auf dem Berge in Form eines 23 m hohen, unten und oben achteckigen, in der Mitte runden Turmes das den 1864-71 gefallenen Kriegern von der Kurmark gewidmete Kriegerdenkmal, von H. Stier. Die Ecken des Sockels zieren 4 Kolossalstatuen aus Sandstein: Albrecht d. Bär und der Gr. Kurfürst von Siemering, Kurfürst Friedrich I. und Kaiser Wilhelm I. von Calandrelli. Dazwischen 4 Sandsteinreliefs: Einzug der Prämonstratenser in St. Gotthard (um 1140) und Aufnahme der vertriebenen Salzburger durch Friedrich Wilhelm I. (1732) von Siemering, Huldigung Kurfürst Friedrichs I. (1412) und Kaiserproklamation in Versailles (1871) von Calandrelli.
    Im Innern (Eintr. 10 Pf.) steigt man auf 99 Stufen empor zu dem Aussichtsgemach, von dem sich eine Fernsicht nach zahlreichen Orten der Mark und ein ausgezeichneter Blick auf die nähere, im Frühjahr und Winter von weiten Wasserflächen bedeckte Umgebung darbietet (nach S. in zwei Halbkreisen von r. nach l.): Plauer See, Kasernen, Nikolaikirche, Strafanstalt, Realgymnasium, Johanniskirche, Altstädt. Rathaus, Rathenower Tor, Gotthardkirche; dahinter Steintor, kath. Kirche, Paulikirche, Katharinenkirche, Neustädt. Rathaus, Mühlentor, Dom, Beetzsee.
    Unterhalb (südl.) des Kriegerdenkmales erhebt sich die aus märkischem Granit 1905-8 von Möhring erbaute Bismarckwarte (Eintr. frei); in einer Nische Bismarcks Büste von Lederer; von oben ähnliche Aussicht wie vom Kriegerdenkmal. Dabei ein neues Restaurant. Rings um die Denkmäler dehnt sich, die ganze Kuppe des Berges einnehmend, der neuerdings angelegte Leuepark aus.
    Von der Altstadt führt der Grillendamm (schöner Blick auf alle drei Stadtteile), von der Neustadt der Mühlendamm nach der Dominsel. Am Anfang des Mühlendammes, noch in der Neustadt, der achteckige Mühlentorturm mit hohen got. Nischen und massiver Pyramide, nach der Inschrift auf einer Ziegelplatte unten 1411 durch Meister Nikolaus Graft von Stettin erbaut. Die kleine, jetzt als Leichenhalle dienende Petrikapelle der Dominsel hat ein Zellengewölbe aus dem 16. Jahrh.; hier fanden vermutlich Pribislav und Bischof Wigger ihre Ruhestätte.
    Nördl. davon, wohl auf der Stelle der alten Burg und des von Kaiser Otto I. gestifteten Domes, erhebt sich der 1165-87 von Bischof Wilmar erbaute Dom, Backsteinbasilika mit Querschiff, an dessen nördl. Teil sich ein zweigeschossiger Kapellenbau (im O.) anschließt. Der ursprünglich roman. Bau wurde einem zweifachen got. Umbau unterzogen, indem um 1300 besonders die Pfeiler im Innern nach den Seitenschiffen verstärkt, um 1400 die Gewölbe der Seitenschiffe und der oberste Teil des Mittelschiffes hergestellt wurden. Der letzten durchgreifenden Wiederherstellung, die 1834-36 unter Schinkels Leitung stattfand, verdanken die Westfassade mit dem unschönen Turm und das südl. Querschiff ihre Gestalt. Im J. 1848 tagte vom 27. Nov. bis zu ihrer Auflösung am 5. Dez. im Dom die Nationalversammlung. Das evangel. Domkapitel besteht noch heutigentags; die 12 vom Könige ermannten bzw. (Kurator und Direktor der Ritterakademie) bestätigten Mitglieder kommen einmal im Jahre (29. Sept.) zusammen und beziehen ein sehr beträchtliches Einkommen. — Wir betreten durch das Westportal, zu dessen beiden Seiten Skulpturen aus Sandstein angebracht sind (l. Fuchs, der den Gänsen predigt, r. noch nicht erklärte Szenen aus der Tierfabel), das sehr sehenswerte Innere, im ganzen 57 m l. (Mittelschiff 9,4 m br., 20,4 m h). Meldung kurz vor dem Durchgang zum Dom l. Nr. 52. Eintr. 1 Pers. 75 Pf., Gesellsch. über 3 Pers. nach Vereinbarung.
    Hauptbau. Im Mittelschiff im Pfeiler l. unter der Orgel Epitaph der Gemahlin des Feldmarschalls v. Barfus, geb. v. Schlabrendorff († 1691), mit Marmorbüste (von Schlüter?); weiter das des Dechanten Adam v. Königsmarck († 1621) aus Marmor, vorzügliche Arbeit. — In den Seitenschiffen: nördl. Grabplatte des Bischofs Dietrich v. d. Schulenburg († 1393) aus Sandstein; südl. (der Kanzel gegenüber am Pfeiler) desgl. für den Bischof Stephan Bötticher († 1453), sehr gut erhalten, und (am Ostende) u. a. Grabstein des Seniors Friedr. Hake v. Berge († 1615), mit Figur in der noch heute üblichen Domherrntracht.
    Zum einschiffigen Chor führt eine Treppe von 22 Stufen. Vorn Radleuchter aus vergoldetem Schmiedeeisen (15. Jahrh.); Taufstein aus Sandstein mit Reliefs (unten 7 Tiere, wohl Symbole der durch die Taufe ausgetriebenen Sünden; oben allegorische und biblische Szenen); messingne Taufschüssel mit dem englischen Gruß. — Zu beiden Seiten altes Chorherrengestühl mit Schnitzwerk und Domherrnwappen; l. auch Bischofsstuhl mit roman. Blattwerk. — Großer Altarschrein, 1518 von Abt Valentin für das Kloster Lehnin angefertigt, seit 1723 hier, mit Schnitzwerk (Maria mit dem Kinde, daneben Petrus u. Paulus); auf den Flügeln treffliche Gemälde; innen l. Magdalena u. Benedikt, r. Bernhard u. Ursula, außen Gregor u. Ambrosius, Augustin u. Hieronymus. — Seitlich angeordnet die Teile des früheren Altarschreines von 1375 mit vielen kl. Heiligenstatuen sowie Maria u. Johannes vom Triumphbogen (das dazu gehörige Kreuz in der Krypta). — Glasmalereien: im Mittelfenster Reste älterer Malerei aus verschiedenen Perioden zusammengestellt; r. und l. Wappen des preuß. Königshauses; im Fenster der Südseite 'Hochzeit zu Kana', zum Gedächtnis der goldenen Hochzeit Kaiser Wilhelms I. (1879) gestiftet.
    Unter dem Chor die früher nach dem Mittelschiff wie nach beiden Teilen des Querschiffes offene, zweischiffige Krypta (24,4 m l., 9,6 m br., 4,7 m h.), nach dem Muster derjenigen in Jerichow in roman. Stil angelegt, später stark verändert, mit polygoner Apsis und beachtenswerten Säulenkapitälen. — In der Vorhalle zahlreiche Grabsteine, auch in gebranntem Ton.
    Nördl. Querschiff (Erdgeschoss): Sandsteinplatten mit gravierter Umrisszeichnung, u. a. der älteste Grabstein der Kirche für den Kanonikus Peter v. Thure († 1281); Portalbau zu dem v. Schlabrendorffschen Erbbegräbnis, 1725 errichtet, mit den lebensgroßen Figuren des Domherrn Ew. Bogisl. v. Sch. und seiner Frau. — Der an der Ostwand vom Chor aus sich hinziehende, auf zwei alten Sandsteinsäulen ruhende Bischofsgang führte zu den Stiftsgebäuden.
    Kapellenanbau: Im Erdgeschoss die kryptaartige Bunte Kapelle, jetzt als Kapitelsaal benutzt; von den alten Malereien sind die an den Wänden neuerdings wiederhergestellt worden. — Im 1. Stock (Zutritt vom Bischofsgang) die Sakristei mit zwei Pergamentbüchern aus dem 13. bzw. 15. Jahrh. (auf den Deckeln plastische Darstellungen), dem Bischofsstab des Joachim v. Bredow († 1507) u. a.
    Im südl. Querschiff (oben neben dem Chor) das Antiquarium: hölzernes Sakramentshaus von 1375 (got. Pyramide, 4,5 m); Modell der Marienkirche von 1722; reiche Sammlung liturgischer Gewänder, u. a. purpurviolette Sammetkasel mit den Insignien des Schwanenordens, Geschenk Kurfürst Friedrichs II.; Altarschreine u. dgl.
    Nach N. schließen sich an den Dom die Stiftsgebäude an mit Resten des 1905 erneuerten Kreuzganges auf der Ost- und Nordseite. Sie dienen jetzt als Wohnräume der 1705 eröffneten Ritterakademie (Gymnasium mit Alumnat, jetziger Name seit 1804; bis 1862 nur für märk. Adelige). Das Schulgebäude wurde an Stelle des Westflügels 1869-70 erbaut. [...]
    Südwestl. führt die Chaussee nach Ziésar, die Fortsetzung der Wilhelmsdorfer Straße (Pferdebahn), stets von einer schönen, schattigen Promenade begleitet, am Schlachthofe vorbei, dann über die Rathenower Bahn zur Radfahrerrennhahn mit Rest. Sportpark (vom Neustädt. Rathaus 35 Min.). Weiter alsbald über die Plane und zugleich über die Staatsbahn, ganz zuletzt über die Temnitz, auch Sandfohrtsgraben genannt, zum (35 Min.) Anfang der Forst. 5 Min. weiter der Neue Krug (vielbesuchtes Rest.; Droschke) am Anfang von Wilhelmsdorf. Daneben ausgedehnte Parkanlagen mit einem Denkmal für den Begründer derselben, Stadtrat Bröse, und einem aus der Stadt hierher versetzten ehem. Meilenstein (Sandsteinobelisk). Am (5 Min.) Ende des Dorfes l. Kurhaus Wilhelmsdorf (25 Zimmer mit 40 Betten zu 1 1/4 - 2 M., Frühstück 50 Pf., M. 1 u. 1 1/4 M., Pension mit Zimmer 3 1/2 - 4 M.).
    Vom Neuen Krug nach N. Weg zum Buhnenhaus (1/4 St; Erfr.; Dampfer), wo Havel und Plane in den Plauer See gehen. Im Sommer gelangt man dorthin auch auf verbotenem Wege durch die Wiesen auf dem Nordufer der Plane. Gegenüber dem Buhnenhaus (Überfahrt 10 Pf.) liegt Rest. Seeschlösschen."
    Dazu im Anzeigenteil, S. 12, am Schluss des Buches: "Kurhaus Wilhelmsdorf b. Brandenburg a. H. Tagestour für Berliner Ausflügler und Touristen. Pension für Tage und Wochen an Sommerfrischler, Touristen. Landschaftlich und klimatisch bevorzugte Lage an großen schönen Waldungen, am großen Breitlingsee (Plauersee). Dampfer- und Bootpartien. Freibad. Gute Verpflegung und freundliche Zimmer. 25 Minuten vom Endpunkt der Straßenbahn. — Fuhrwerk. Telephon 347. R. Bitterling."
  125. Die Schilderung der Industrie ist Vergangenheit: mit der deutschen Vereinigung 1990 ging es mit der Stadt, größtes Rohstahlzentrum der DDR, bergab. Die Schließung des Stahl- und Walzwerks 1993, das fast 10.000 Menschen Arbeit bot, und der Textilfabriken mit 2000 Arbeitsplätzen riss weitere Unternehmen mit sich; viele sind heute nur überwuchertes Brachland, es gibt noch 700 Stahlwerker. Während 1933 64.190 Einwohner und 1988 (vor der Ausreisewelle) gar 94.872 Einwohner hier lebten, wohnten trotz mehrerer Eingemeindungen 2013 nur noch 71.032 Menschen in Brandenburg - jedes Jahr ein paar hundert weniger.
  126. "Straubes Märkisches Wanderbuch, neu bearbeitet und vermehrt von Dr. Gustav Albrecht", Geographisches Institut und Landkarten-Verlag Jul. Straube, 21. Auflage 1904, widmet Ketzür auf S. 415 f. einen langen Absatz: "In der alten, durch einen Renaissancegiebel und einen massigen Turm ausgezeichneten Kirche befindet sich ein kunstvolles Marmorepitaph des Stiftshauptmanns zu Lehnin, Heino von Brösicke († 1609), das mit Marmorreliefs aus der Geschichte des Heilands, mit Heiligengestalten, Putten und Wappen reich geziert ist und auf breiter Marmorplatte drei kniende Rittergestalten und sechs betende Frauen in der Tracht des 17. Jh. zeigt. Der künstlerisch ausgeführte Aufbau wird von den kraftvollen Gestalten des Adam u. der Eva, die aus Sandstein gefertigt sind, getragen. Ausserdem befinden sich im Innern eine buntbemalte Renaissancekanzel, ein alter Schrank mit farbiger Darstellung des 'Salvator mundi' auf der Tür und einige in den Fussboden eingelassene Grabsteine der Fam. v. Brösicke; die Balkendecke zeigt primitive Arabeskenmalerei."
  127. Es ist merkwürdig, dass Keller die Insel Buhnenwerder zwar erwähnt, aber ihre Hauptattraktion verschweigt: eine der größten Lachmöwenkolonien Brandenburgs! Sie war so bekannt, dass Ausflugsdampfer am Wochenende auf den Beetzsee fuhren, um mit ihrer Dampfpfeife den kreischenden Möwenschwarm auffliegen zu lassen. 1930 wurde die 4 ha große "Möweninsel" unter Schutz gestellt; mit Recht, denn schon in der Hungerzeit nach dem Ersten Weltkrieg hatten Fischer und Paddler reichlich Eier aus den Nestern genommen. Im Zweiten Weltkrieg zunächst als Truppenübungsplatz zertrampelt, wurde die Kolonie in den Nachkriegsjahren so ausgeraubt, dass von den ursprünglich 1000 Brutpaaren keines mehr übrigblieb. Nach dem Ende der Hungerzeit kamen die Möwen zwar wieder, verließen die Insel 1959 aber endgültig. - Der Buhnenwerder im Beetzsee nordöstlich von Brandenburg hat mit der gleichnamigen Insel im Plauer See westlich der Stadt nichts zu tun.
  128. Die Wasserarme zwischen den einzelnen Teilen des Beetzsees werden auch "Sträng" geschrieben. — "Straubes Märkisches Wanderbuch, neu bearbeitet und vermehrt von Dr. Gustav Albrecht", Geographisches Institut und Landkarten-Verlag Jul. Straube, 21. Auflage 1904, begeistert sich auf S. 414 f.: "In dem hochgelegenen Dorfe Bagow eine interessante alte Kirche aus dem Jahre 1696 mit Schnitzaltar, altem Gestühl mit Malerei, Barockkanzel, einer mit Wappen gezierten Orgelempore und einem grossen Oelgemälde, das die Kreuzigung mit den Donatoren [Stiftern] darstellt. Von dem Windmühlenberg prächtige Aussicht auf ein südwestl. gerichtetes, bewaldetes Tal und auf den Beetzsee, der sich von hier in mannigfaltigen Krümmungen bis nach Brandenburg hinunter hinzieht. Bei klarem Wetter sieht man das Kriegerdenkmal auf dem Harlunger Berge und die südl. der Havel liegenden Götzer Berge. ... Päwesin, ein ziemlich grosses Dorf (Gasth.) mit stattlicher Kirche (1728 erbaut), in deren Innern zwei Oelgemälde (Kreuzigung Christi und Opferung Isaacs) und eine Inschrift auf der Tür hinter dem Altar (Verschreibung des Markgr. Jodocus von 1409 betreffend) bemerkenswert sind. Oestl. vom Dorfe der Bhf. der Kreisbahn und östl. davon ein Bruch, der 'Lötz' genannt, dessen Name an ein wüstgewordenes Dorf Loditz erinnert." – Im Jahr nach der Drucklegung des Buches legte ein Blitzschlag die Bagower Kirche in Schutt und Asche. Der Wiederaufbau erfolgte 1907 im Jugendstil mit den Teilen der Ausstattung, die aus der brennenden Kirche gerettet werden konnten (Altar und Kanzel). Ein Sturm im November 1972 ließ das Dach einstürzen; erst 1995 konnte das Haus wieder geweiht werden. – Der Lötz ist heute ein Rastplatz für Kraniche und Graugänse, die abends in Schwärmen ein- und morgens ausfliegen.
  129. Der Nordteil des Riewendsees ist sehr flach, der Verbindungsgraben zum Klein-Behnitzer See ebenfalls; nur im Frühjahr, wenn noch kein Schilf steht, kommt man vielleicht nach Klein Behnitz durch. Zum Groß-Behnitzer See ist Paddeln nicht mehr möglich.
  130. Zur historischen Person siehe Katharina Kreschel: Gab es Fritze Bollmann? Auf den Spuren eines vielbesungenen Brandenburgers. In: "Rudersport der DDR" 8/1980.
  131. Es wird einen Vorläufer gegeben haben, denn die 2. Auflage 1909 nennt auf S. 182 einen "Silograben" mit der Bemerkung: "wird zum Kanal ausgebaut."
  132. Näheres zum Stadtbild und den Gewässern um Brandenburg in:
    • "Kinder, so im Freien is' man doch erst richtig Mensch!" Ausflugslokale entlang der Havel. Hrsg. vom Stadtgeschichtlichen Museum Spandau und vom Museum im Frey-Haus, Stadt Brandenburg an der Havel. Stattbuch Verlag Berlin 1994, ISBN 3-922778-56-9, S. 125-137 und S. 159 (zu den Ausflugslokalen rund um Plauer und Beetzsee)
    • Brandenburg an der Havel und Umgebung. Eine landeskundliche Bestandsaufnahme im Raum Brandenburg an der Havel, Pritzerbe, Reckahn und Wusterwitz. Böhlau Verlag Köln-Weimar-Wien 2006, ISBN 3-412-09103-0 (zur Naturkunde der Seen um Brandenburg und zur Stadtentwicklung)
    • Hans-Joachim Uhlemann: Berlin und die Märkischen Wasserstraßen. Transpress Verlag für Verkehrswesen Berlin (Ost) 1987, ISBN 3-344-00115-9, S. 131-150. (zur Geschichte und Arbeitsweise der Brandenburger Staustufe)
  133. Für Nachtquartier käme Wilhelmsdorf in Frage, das in einer 1 halben Stunde Waldweg von der Malge zu erreichen ist. Bereits an der Planebr. finden wir eine Straßenbahn (heute eine Buslinie) vor, die nach Brandenburg fährt. (Anmerkung von Keller)
  134. Die (Halb)insel Wusterau ist heute nach Nutzung als Munitionsfabrik, Eisenbahnwerkstatt, Zwangsarbeiterlager und Truppenübungsplatz so schwermetallverseucht, dass man sie nicht mehr betreten darf. Das Denkmal, das auf den Gräbern hier umgekommener Zwangsarbeiter steht, verfällt von Jahr zu Jahr mehr. Das schmale Fließ, das die (Halb)insel vom Festland trennt, war 2010 noch für Paddler befahrbar; die Brücke musste durchtreidelt werden. Inzwischen soll es zugeschüttet worden sein. - Die Zufahrt zum Heiligen See, heute ein Karpfen-Intensivgewässer, ist durch ein Gitter versperrt.
  135. Nachdem die jahrzehntelang betriebene Fähre, heruntergewirtschaftet, 1914 den Betrieb einstellen musste, baute man 1916/17 eine geschwungene Stahlfachwerkbrücke zwischen Plau und Kirchmöser, auch "Pulverbrücke" genannt. Anfang Mai 1945 gesprengt, brauchte man neun Jahre, sie wieder zu errichten, jetzt als "Rosa-Luxemburg-Brücke". Im Zuge des "Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nr. 17" brach man sie 2005/06 ab und errichtete sie in annähernd alter Form als "Seegartenbrücke" neu. Sie ist nun auch für Großschubverbände und Große Rheinschiffe passierbar.
  136. Das Plauer Schloss, von Fontane gründlich beschrieben, wurde nach 1945 zu einer Sprachschule umgebaut, was ihm viel von der alten Pracht nahm. Seit 1993 leerstehend, hat auch ein Eigentümerwechsel 2006 nichts am fortschreitenden Verfall des Gebäudes geändert.
  137. Die frühere Insel Lutze ist heute durch einen mit Wochenendhäusern und einem Zeltplatz bebauten Damm mit dem Festland verbunden. An die Ziegeleien erinnern nur noch die tiefen wassergefüllten Tongruben im Dunkel des Waldes.
  138. Die Milower Fähre wurde 1949 durch eine Brücke ersetzt; die Aussicht vom Milower Berg ist immer noch grandios.
  139. Die Stremme, 1780-84 reguliert, war lange Zeit mit kleinen Schiffen befahrbar; noch Anfang des 20. Jh. sollen von Schlagenthin aus Transportkähne (mit Heu? oder Ziegeln?) nach Rathenow gefahren sein. Das Dorf hatte damals sogar einen Schifferverein! - Der Milower Hafen wurde 1988/89 aus Spundwänden errichtet.
  140. Der Rathenower Ruder-Club Wiking feierte 2003 stolz sein "Hundertjähriges"; wie es dem "Rathenower Ruder-Club" erging, erzählte bis zur Sanierung 2013 der geschosszernarbte Putz des Hauses Kirchplatz 11.
  141. Das "Wanderbuch für die Mark Brandenburg, Zweiter Teil: Weitere Umgegend Berlins (Westliche Hälfte)" von Emil Albrecht (1856-1920), Alexius Kießling Buch- und Landkartenverlag Berlin, 7. Auflage 1910, malt auf S. 80-82 noch ein Bild der Stadt vor dem Kriege: "Rathenow, Kreisstadt für West-Havelland mit 24.225 Einw., im 30jährigen Kriege wiederholt von Kaiserlichen und Schweden besetzt, 1675 wiederum in den Händen der letzteren, dann aber vom Gr. Kurfürsten eingenommen, zerfällt in die von der Havel umflossene Altstadt und die 1733 angelegte Neustadt, die sich bis an den Bahnhof erstreckt. Weltbekannt sind die Rathenower optischen Artikel (im ganzen etwa 100 Firmen, davon gegen 10 Fabriken mit mehreren Hundert Arbeitern).
    Die Bahnhofstraße, in der das Amtsgericht und die Kasernen des Husarenregiments v. Zieten liegen (auf dem Kasernenhofe eine Büste Zietens von W. Begas), mündet in die Dunckerstraße gegenüber dem Kreishause, einem got. Backsteinbau mit mehreren Giebeln von Schwechten. Vor demselben ein Standbild Wilhelms d. Gr. aus Bronze, von Rosse. Die Dunckerstraße wird nach W. weiterhin durch die Berliner Straße fortgesetzt. In dieser die Post, bei der 1906 ein Standbild v. Rosenbergs, früheren Kommandeurs der Husaren († 1900), aus Bronze von Albrecht, aufgestellt wurde. Weiter in derselben Straße l., Ecke der Brandenburger Straße, die bedeutendste optische Fabrik 'Emil Busch, Aktiengesellschaft'; zwei Tafeln am Hause erinnern daran, dass dieser Industriezweig hier 1800 von dem Prediger Duncker begründet und von seinem Neffen Emil Busch erweitert wurde. Die darauf folgende Schleusenbrücke, mit lebhaftem Schiffsverkehr, verbindet die beiden Stadtteile. Vor der Brücke l. auf dem Paradeplatz das überlebensgroße Standbild des Gr. Kurfürsten aus Sandstein von Glume, 1738 von den kurmärkischen Ständen errichtet; vier gefesselte Krieger umgeben den mit vier Reliefs (Schlacht bei Warschau 1656, Einnahme von Rathenow und Schlacht bei Fehrbellin 1675, Eroberung von Stralsund 1678) geschmückten Sockel. Gleichfalls l., etwas abseits am Ende der Schleusenstraße, das städt. Realgymnasium mit Realschule.
    Durch die Brandenburger Straße nach S., dann halbr. Promenade — oder vom Kurfürstendenkmal am Wasser (r.), nachher an den Kirchhöfen (l.) entlang — gelangt man in etwa 20 Min. auf den Weinberg mit dem Verteilungswerk der städt. Wasserwerke. Östl. davon Rest. Wilhelmshöhe; — am Westende der Anlagen, oberhalb der Havel, guter Überblick über die Stätte des Kampfes von 1675.
    Jenseit der Brücke (l. ein Rest der alten Stadtmauer) durch die Steinstraße zum Markt (25 Min. vom Bahnhof). Südl. davon die Pfarrkirche St. Marien und St. Andreas, ursprünglich roman. Basilika, der ein Portal an der Nordseite und Reste des Frieses am Langhause angehören, im 16. Jahrh. in got. Formen umgebaut; der schlanke Turm (Eintr. 25 Pf.: Kirchendiener Kirchplatz 17), 1825-28 hinzugefügt, gewährt eine schöne Aussicht. (Zur Pfarrkirche siehe "Straubes Märkisches Wanderbuch Teil IV", 25. Auflage, Geographisches Institut und Landkarten-Verlag Jul. Straube, Berlin 1910, S. 182: "Im Innern des mit Kreuzgewölben überdeckten dreischiffigen Langhauses eine reichverzierte Barockkanzel (1709), die auf einer Mosesstatue ruht, im Triumphbogen 2 alte Fahnen aus dem 17. Jahrh., hinter dem Kanzelpfeiler Epitaph der Frau Anna Nesen mit der Abbildung Rathenows aus dem J. 1571; andere Epitaphien u. Grabdenkmäler in den Seitenschiffen u. auf den Emporen und unter u. neben dem Orgelchor Bildnisse früherer Pastoren. In dem von Sterngewölben überspannten Chor moderner Altar (1883) in got. Schnitzerei u. bronzenes Kruzifix (1905), sowie alte Gemälde aus dem 16. Jahrh.") Bei der Kirche eine Bronzebüste des Predigers Duncker († 1843) von Calandrelli. Vom Markt führt in derselben Richtung weiter die Havelstraße zum Haveltor und zur Langen Brücke. 8 Min. jenseits, bei der Hohen Brücke, hübscher Blick auf die Stadt. Von hier aus erfolgte am frühen Morgen des 15. Juni 1675 die Einnahme der Stadt, die von den Schweden unter Wangelin besetzt war.
    Mit wenigen Reitern hatte Derfflinger die Wache bei der Hohen Brücke überrumpelt. Dann sammelten sich die brandenburg. Reiter auf der nassen Wiese zwischen den beiden Havelarmen, konnten aber nicht bis zum Haveltor selbst gelangen, da die Brücke vor diesem abgedeckt war. Inzwischen drang eine Abteilung über die Mühlen durch das sogen. Mühlentor (etwas südl.) und gleichzeitig eine andere, die auf Kähnen übergesetzt war, durch die Wasserpforte (etwas südl. von der Schleusenbrücke) in die Stadt ein. Nach Öffnung des Haveltores strömte auch die Hauptmasse herein und überwältigte die Schweden nach tapferem Widerstande.
    25 Min. südöstl. vom Kreishause, jenseit der Staatsbahn, der Rennplatz des Märkischen Reiter- und Pferdezuchtvereins (Rest. Vogelsang; Wegw. an der Brandenburger Chaussee, am Anfang des Waldes r.). Daneben ö. der Exerzierplatz der Husaren mit einem Gedenkstein für Prinz Friedrich Karl. — 1/2 St. östl. (Promenade neben der Chaussee), jenseit der Bahnen nach Paulinenaue und Neustadt, liegt in schönem Walde Neu-Friedrichsdorf (Rest. Neue Welt), von Friedrich d. Gr. 1765-67 angelegte Kolonie. Etwas weiter, r. von der Friesacker Chaussee, eine Lungenheilstätte. — 2 1/4 St. nördl., jenseit der Rathenower Stadtforst, Ferchesar (bei Rathenow). Man benutzt die Friesacker Straße, jenseit der kath. Kirche halbr. den Landweg durch Nadelwald (l. Promenaden und der Turnplatz mit 11 Eichen, 1843 gepflanzt zum Andenken an das 1000jährige Bestehen des deutschen Reiches); jenseit der Neustädter Bahn größtenteils durch gemischten Wald an den städt. Wasserwerken vorbei; nach 1 St., nahe Stein 43. 44. 51. 52., l. schöner Fußweg zum (25 Min.) Ende der Forst: weiterhin in der Nähe des Ferchesarer Sees (66,3 ha; 26 m ü. NN.; 4 m t.), der östl. Fortsetzung des mit der Havel zusammenhängenden Hohennauener Sees, zum Dorfe (50 Min; Seegers Gasth., zum Übernachten; Dröschers Gasth.), das am NW.-Ende des Nusswinkels liegt (eine der Inselschollen des Havellandes, die sich von Nennhausen bis Ferchesar erstreckt) und als Sommerfrische benutzt wird. Das Gut gehört der Familie v. Knoblauch. (Zu Ferchesar schreibt "Straubes Märkisches Wanderbuch Teil IV", 25. Auflage, Geographisches Institut und Landkarten-Verlag Jul. Straube, Berlin 1910, S. 177: "Fachwerkkirche mit schlankem Turm (1906), in deren Innern sich ein Altaraufbau m. Kanzel aus d. J. 1788, ein alter got. Flügelaltar (15. Jahrh.) mit zahlreichen Figuren u. bemalten Schnitzereien, ein Taufbecken (15. Jahrh.) mit Darstellung des Sündenfalls, mehrere Gedenktafeln u. in der Gutsloge ein Kamin aus d. J. 1750 befinden.") Spaziergänge: 1/2 St. nö., mitten im Walde, der tiefe Trintsee; 50 Min. n. Lochow, mit hübschem See; am Nordufer des Ferchesarer, später des Hohennauener Sees angenehmer Fußweg nach (1 St.) Fh. Tegelland, von wo man über den Rhin (bei niedrigem Wasserstande Furt), immer in der Nähe des Sees, nach Wassersuppe und Hohennauen (im ganzen etwa l 3/4 St.) gelangen kann. Hst. Ferchesar der Bahn nach Paulinenaue liegt 20 Min. sö. vom Dorfe."
    Dazu im Anzeigenteil von Albrechts Wanderbuch, S. 8, am Schluss des Buches: "Rathenow a. H. Renn- u. Sport-Restaurant 'Vogelgesang' (sic!), Inhaber: Johannes Eyssen, Koch. Herrlich im Walde gelegen, unweit vom Wolzensee und Königsheide, von der Bahn in 15 Minuten auf herrlichem Waldweg zu erreichen. Klublokal des Rathenower Fußballklubs R. E. V. und des Rathenower Turnvereins Borussia. Gute Küche, gut gepflegte Weine und Biere. Touristen, Vereinen und Gesellschaften sowie Wandervereinen bestens empfohlen. — Telephon Nr. 322."
    Und zu Ferchesar im Anzeigenteil, S. 1, am Schluss des Buches: "Ferchesar b. Rathenow a. d. H. Best renommierte Sommerfrische u. Ausflugsort für Groß-Berlin. Gasthaus und Restaurant 'Zur Perle des Havellandes' bietet allen Sommergästen und Ausflüglern allerbeste Erholung und Naturfreuden. Volle Pension inkl. Zimmer 3,50 M. pro Tag, bei Familien Ermäßigung. Hochidyllisch am See und inmitten prächtiger Waldungen gelegen. Gelegenh. z. Rudern, Segeln, Angeln, Freibad. Logierzimmer, auch Wohnung im Ort preiswert. Jede weitere Auskunft erteilt B. Seeger, Gasthausbesitzer."
    "Es lohnt sich, dieser historischen Stadt einen eingehenden Besuch abzustatten. Wir empfehlen dazu: Die Stadt Rathenow und ihre Nachbarschaft. Preis 25 Pf. Bearbeitet und herausgegeben v. A. Rüdiger, Berlin SO 33, Eisenbahnstr. 2." (Anmerkung Kellers zur 2. Auflage von "Hip Hip Hurra", 1909, S. 164) Sechzehn Jahre nach Drucklegung der 6. Auflage, im April/Mai 1945, tobten zehn Tage lang schwere Kämpfe in Rathenow; viele "Sportkameraden" Kellers kamen in den brennenden Häusern um. Während das Kurfürstendenkmal seine fünf Nasen retten konnte, blieben vom alten Stadtbild aus den charakteristischen roten Ziegeln nur Einzelhäuser stehen. Die früher berühmte optische Industrie ist nach 1990 auf ein Minimum geschrumpft; seitdem zogen so viele der arbeitslos Gewordenen weg, dass man bereits ein ganzes Stadtviertel abreißen musste. Mittlerweile ist die Einwohnerzahl von 1895 wieder erreicht; der Wegzug hält weiterhin an.
  142. Wir bezahlen hier für die ganze Strecke einschl. Brandenburg. (Anmerkung von Keller)
  143. Die 1904-1912 erfolgte Regulierung der Unterhavel zwischen Bahnitz/Pritzerbe und Havelberg sollte die Hochwassergefahr der weiten Niederungen zwischen Rathenow, Friesack und Havelberg vermindern, was auch teilweise gelang (endgültig schaffte das erst die Komplexmeliorierung der 70er Jahre). In den einzelnen Auflagen des Führers ist der Baufortschritt ablesbar: wo die 2. Auflage 1909 detailliert die in Bau befindlichen neuen Schleusen Bahnitz, Grütz und Garz ankündigt, sind sie in der 3. Auflage 1919 schon Normalität. Dass die Ruderer bis dahin jahrelang die unregulierte Havel für sich gehabt hatten, dürfte der Grund gewesen sein, dass die Unterhavelschleusen bis zur letzten Auflage genau beschrieben wurden. - Schleppzugschleusen waren eine Reaktion auf die Steigerung des Schiffsverkehrs Ende des 19. Jh., der zunehmend mit von Dampfschiffen gezogenen Schleppkähnen erfolgte. Sinnvollerweise wollten Dampfer und Schleppkähne in einer einzigen Schleusung abgefertigt werden. So konstruierte man Schleusen mit Abmessungen, die auf der heute so stillen Havel überraschen. Die Schleppzugschleuse Rathenow, als erste ihrer Art 1901 eingeweiht, hat eine nutzbare Länge von 220 m und eine Breite von etwa 15 m! Die in den folgenden 11 Jahren errichteten Schleusen Bahnitz, Grütz und Garz (1936 folgte noch Havelberg) boten einem kompletten Schleppzug aus Dampfer und sechs Großplauermaß-Kähnen Platz. Gleichzeitig baute man die um die Schleusenkanäle herumführenden Altarme zu Hochwasserableitern um, was ihre Geräumigkeit und die abmontierbaren Wehre erklärt. Bei längerer Trockenheit konnten die Wehrstaue aber auch der Bewässerung dienen. (Nach Hans-Joachim Uhlemann: Schleusen und Wehre. Technik und Geschichte. DSV-Verlag Hamburg 2002, ISBN 3-88412-349-1, S. 100 f.; auf S. 131-150 viele weitere Informationen zur Geschichte und Arbeitsweise der Rathenower und der folgenden Havelstaustufen.)
  144. Bis heute sprechen die Anwohner vom Hohennauener, Semliner und Ferchesarer See, wobei der erstere vom zweiten durch die Unterwasserschwelle der "Kleinen Lächte" (die Fortführung der Landzunge Glien gegenüber von Lötze) getrennt ist. Die Windmühle Semlin stand an der Stelle des heutigen Bootshafens und verschwand in den 60er oder 70er Jahren des 20. Jh. Vor dem Bau des Hohennauener Kanals 1718-20 im Zuge der Trockenlegung des Havelluchs lief der Abfluss der Seenrinne durch die weiter unten erwähnte Stollense, die im Kanalausfluss gleich hinter der Brücke zum Dorf Hohennauen hin abzweigt, sich dann durch die Niederung windet und bei km 112,9 von rechts in die Havel mündet. Ihr Wehr erhielt sie wahrscheinlich im Zuge der Havelregulierung um 1910 und verlandete seitdem zu einen 2-3 m breiten Moorgraben, der sich als Schilfband durch die Wiesen zieht.
  145. Zu Hohennauen schreibt "Straubes Märkisches Wanderbuch Teil IV", 25. Auflage, Geographisches Institut und Landkarten-Verlag Jul. Straube, Berlin 1910, auf S. 185 f.: "Hohennauen wurde im Anfang des 13. Jahrh. als deutsche Militärstation, vermutlich auf einer ehem. slaw. Siedlung, von den Askaniern angelegt u. als Uebergang vom Havelland zum Ländchen Rhinow stark befestigt. Die Burg Hogenowen lag an der Stelle des Kleistschen Herrenhauses, dessen Grundmauern noch aus jener Zeit herrühren; die Kirche wurde als Wehrbau mit festen Mauern u. starkem Turm aufgeführt u. bildete im Verein mit der Burg eine genügende Sicherung des Passes u. wirksamen Schutz für die Dorfbewohner in Kriegszeiten. [...] Gleich am Anfang des Dorfes die Herrenhäuser der Fam. v. Kleist u. v. Hagen, denen die beiden Rittergüter gehören, u. gegenüber die alte Kirche mit einem mächtigen Turm, der einst zu Verteidigungszwecken erbaut wurde. [...] Die Kirche, die sich auf dem alten Friedhof am See erhebt, ist zu Anfang des 18. Jahrh. an Stelle des alten Gotteshauses aus dem J. 1596 erbaut worden, der massige Turm dagegen, ein Backsteinbauwerk mit 1,20 m starken Mauern u. mit Schießscharten, stammt in den unteren Teilen von der alten Verteidigungskirche des 13. Jahrh., während der obere Teil 1596 aufgesetzt worden ist. Im Innern der reich ausgestatteten Kirche ein dreiteiliger Altaraufbau aus dem Anfang des 17. Jahrh. mit farbigen Darstellungen aus dem Leben Jesu u. mit den Statuen der 4 Evangelisten, ein steinerner Altartisch mit Reliquienbehälter, eine Renaissance-Kanzel (1610) mit den farbigen Bildnissen des Heilands, des Königs David, des Moses u. einiger Propheten u. Apostel, u. ein Taufstein in Barock, ferner eine Reihe von kunstvollen Epitaphien u. Grabdenkmälern der Fam. v. Hagen und verschiedene Wappen an den beiden Gutslogen. Im Turme, aus dessen Oeffnungen man einen weiten Ausblick hat, 3 Glocken, darunter eine aus dem J. 1614. – Vom Kleistschen Herrenhause, einem einstöckigen Bau, der noch heute 'die Burg' genannt wird, soll ein unterirdischer Gang (Skelette, Sagen von der schwarzen Frau) nach der Kirche führen; im Herrenhause der Fam. v. d. Hagen, einem großen zweistöckigen Hause, schön ausgestattete Wohnzimmer u. Erinnerungen an den bekannten Literaturhistoriker Friedr. Heinr. v. d. Hagen († 1856)."
  146. Zu Ferchesar siehe die Ortsbeschreibung am Ende der Anmerkung zu Rathenow.
  147. Vergleiche dazu "Straubes Märkisches Wanderbuch - Ausflüge in die Mark Brandenburg Teil IV", Geographisches Institut und Landkarten-Verlag Jul. Straube Berlin 1910, S. 110: "Der Plan einer Urbarmachung des havelländischen Luches, den bereits der Große Kurfürst gefasst hatte, wurde von König Friedrich Wilhelm I. wieder aufgenommen und mit Erfolg durchgeführt. Im Januar 1718 gab er dem Oberjägermeister v. Hertefeld den Auftrag, während des Frostes die nötigen Vermessungen vorzunehmen u. einen Plan nebst Kostenvoranschlag einzureichen. Hertefeld unterzog sich dieser schwierigen Arbeit mit großem Eifer, erkannte die Ausführbarkeit u. den Nutzen des Unternehmens und stellte dem Könige die Sache in günstigem Lichte dar. Schon am 14. März 1718 wurde eine königliche Verfügung an die Luchbesitzer erlassen, worin sie verpflichtet wurden, zu den Kosten der Ausführung nach der Morgenzahl ihres Anteils am Luche beizutragen, u. obwohl die meisten Interessenten Einwände erhoben, wurde die Arbeit in Angriff genommen, indem der König Vorschüsse gewährte, die er nachher von den Interessenten wieder einzog. Bereits gegen Ende des J. 1719 war die Hauptarbeit geschehen: unter Beihilfe von Soldaten wurde ein Hauptgraben von Hohennauen bis zum Mühlwasser auf dem Brieselang ausgehoben, von dem viele Nebengräben ausgingen. Im folgenden Jahr wurde der Kanal dann bis zum Pinnower See weitergeführt u. von 1721 bis 1725 an der Trockenlegung des Luchs durch zahlreiche Seitengräben, Dämme u. Deiche gearbeitet. Hand in Hand mit diesen Arbeiten ging die Ausrodung u. Urbarmachung der trockengelegten Stellen, besonders der Horste, auf denen dann Kolonien angelegt wurden. Außer Königshorst (1718) entstanden in den nächsten Jahren die Vorwerke Hertefeld (1724), Sandhorst (1728), Nordhof (1732), Lobeofsund (1736), Kienberg u. Kuhhorst (1738) u. die Kolonien Hertefeld (1728), Mangelshorst u. Deutschhof (1735), Rolandshorst (1770) u. Pelckmannshof (1784), das seit 1838 Ribbeckshorst heißt." (Der strenge Winter 1717/18 mit seinem langen Dauerfrost hatte sich für Vermessungsarbeiten im Sumpf geradezu angeboten; manche Forscher erklären die kurze Vorbereitungszeit mit einem bereits vorhandenen Wasserlauf, der dem Projekt den Weg gewiesen haben könnte. Auch später hatte der König Glück mit dem Wetter, da die Sommer 1718 bis 1720 sowie 1723 und 1724 heiß und trocken ausfielen und die Dürre weite Flächen des Moors begehbar machte. Nicht zuletzt deshalb gelang die Trockenlegung des Havelluchs in nur sieben Jahren (die Trockenlegung des gleich großen Oderbruchs brauchte doppelt so lange). Nach jahrzehntelanger Vernachlässigung wegen der hohen Kosten wurde der Hauptkanal 1897-1900 wieder instandgesetzt und 1909 mit der erneuten Trockenlegung des Bruches begonnen, nachdem die Siedler über Vernässung, Verschilfung und zunehmende Hochwasser geklagt hatten. Die Arbeiten nahmen zunächst "Gastarbeiter" aus Polen, später dann russische Kriegsgefangene vor. - Erstaunlich nur, dass der letzte Teil des Kanals offenbar nicht auf kürzestem Wege nach Nieder Neuendorf zur Oberhavel gegraben wurde, sondern, ab der heutigen Siedlung Schönwalde dem Lauf der Muhre-Niederung folgend, noch 15 km nach Norden in den heute verlandeten Pinnower See bei Oranienburg führte. Der 3,2 km lange Abschnitt zwischen der Mündung des Muhrgrabens bei Schönwalde und der Oberhavel bei Nieder Neuendorf entstand erst 1737/38 und heißt noch auf einer um 1874 erstellten topographischen Karte "Der neue Graben". Erst der Durchstich ergab den heutigen kurzen Lauf des "Nieder Neuendorfer Kanals". Auf einer Karte von 1896 gilt der Kanal als "flößbar, von Brieselang bis Nieder Neuendorf schiffbar", doch stand er lt. Oskar Rupertis "Führer für Wanderruderer" (1910), S. 357, der Schifffahrt nur zur Zeit des hohen Winterpegels vom 15. Oktober bis 1. Mai offen. Dass dem Graben zeitweilig Größeres zugedacht war, verrät das "Wanderbuch für die Mark Brandenburg, Erster Teil: Nähere Umgegend Berlins" von Emil Albrecht (1856-1920), Alexius Kießling Buch- und Landkartenverlag Berlin, 10. Auflage 1912, S. 47: "Als Zufahrtstraße zum Großschifffahrtwege soll er demnächst erweitert werden." Der Bau des Havelkanals 1951/52 und die Staustufen der Komplexmeliorationen ab 1970 brachten Schifffahrt und Flößerei das Ende; mit dem Mauerbau geriet der westlichste Abschnitt ab Falkensee ins Sperrgebiet, die Mündung in die Oberhavel wurde zugeschüttet.) - Näheres zum Nieder Neuendorfer Kanal in dieser Diskussion im Faltbootforum 2018.
  148. Der Hügel ist heute als NSG "Teufelsberg" unter Schutz gestellt. Von der Brücke aus meint man wirklich, er rage 50 m über das Bruch hinaus...
        Die nachfolgend genannten Kriegsgefangenenlager des 1. Weltkriegs (hier mussten russische Gefangene hausen, die die jahrzehntelang vernachlässigten Meliorationsgräben neu ausheben mussten) wurden nach 1918 zivil genutzt: um die grassierende Arbeitslosigkeit nach dem Ersten Weltkrieg einzudämmen, setzte der Berliner Senat ab 1921 Notstandsarbeiter zur Weiterführung der Meliorationsarbeiten ein (der Begriff "Arbeitsbeschaffungsmaßnahme" entstammt aus dieser Zeit). Allerdings ließ die rasende Inflation des Jahres 1923 dem Staat das Geld und den Arbeitern die ABM ausgehen. Der nördliche Teil von Bergerdamm (nördlich des Kanals gelegen) heißt heute noch "Lager".
  149. Das Nauener Bootshaus stand am Hafen auf dem Gelände des heutigen Fußballplatzes.
  150. Dem Potsdamer Fritz Barby wird im Vorwort der 5. Auflage 1925 besonders gedankt, weil er "einen beträchtlichen Teil der mit der Neuauflage, Ergänzung und Berichtigung des Buches verbundenen Arbeit geleistet hat."
  151. Vergleiche dazu "Straubes Märkisches Wanderbuch - Ausflüge in die Mark Brandenburg Teil IV", Geographisches Institut und Landkarten-Verlag Jul. Straube Berlin 1910, S. 105: "Die Telefunken-Station dient zur Aufnahme u. Absendung drahtloser Telegramme u. besteht aus einem Empfängerturm, aus der Kraftquelle u. aus den Sende- und Empfangsapparaten. Der Empfängerturm, ein weithin sichtbarer, schlanker Gitterturm von 100 m Höhe, ist aus Eisen erbaut. Er ruht auf einem Kugellager, das auf einem Marmorblock mit darunter liegendem Betonfundament montiert ist, u. wird durch drei lange Eisenstangen, die am Boden in festem Mauerwerk verankert sind, im Gleichgewicht erhalten. In dem nach allen Seiten offenen Turme führen Treppen bis zu einer Plattform, auf der, über drei Rollenpaare geleitet, das Netz der Empfängerdrähte ausgespannt ist. Die Kraftquelle liegt in einem neben dem Turme stehenden Gebäude, in dem mit Hilfe von Induktoren ein elektr. Strom von 140.000 Volt Spannung erzeugt wird, den man durch eine Batterie Leydener Flaschen auf das Luftleitergebilde überträgt. In demselben Gebäude sind auch die Sende- und Empfangsapparate im Erdgeschoss untergebracht. Erlaubnis zur Besichtigung der gesamten Anlage ist vorher bei der Gesellschaft für drahtlose Telegraphie in Berlin einzuholen."
  152. Grütz wird lang ausgesprochen.
  153. Die Regulierung der Unterhavel vollzog sich in mehreren Schritten. Von 1897 bis 1902 wurde der Hauptlauf zwischen Rathenow und Havelberg mit Buhnen versehen, um die Strömung zu verstärken, die den Fluss vertiefen sollte. Auf die Dauer reichte dies aber nicht aus, um den anschwellenden Schiffsverkehr zwischen den Metropolen Berlin und Hamburg und die zunehmenden Schiffsgrößen zu bewältigen. Zudem hatte eine schwere Überschwemmung der Unterhavelniederung schon 1888 gezeigt, dass neben der Schiffbarkeit auch der Hochwasserschutz eine dringliche Aufgabe war. Die Moore des Urstromtales dehnten sich über 125.000 ha (das ist anderthalbmal die Fläche Berlins) und standen sowohl bei Hochwassern der Havel als auch bei rückgestauten Hochwassern der Elbe unter Wasser. Diese Flachwässer boten den Fischen gute Laichwiesen, liefen aber, bedingt durch das geringe Gefälle, wochen- oder monatelang nicht ab und waren für die Landwirtschaft nicht nutzbar. So wurde 1904 die umfassende Regulierung beschlossen und nach längerer Planung zwischen 1908 und 1912 durchgeführt. Man entnahm die Buhnen wieder, baggerte eine Fahrrinne aus, stach Mäander durch und setzte, wo bisher zwischen Brandenburg und Havelberg nur die Schleuse Rathenow bestanden hatte, drei neue Staustufen in den Fluss. Der schnellere Abfluss verringerte Ausmaß und Dauer der Frühjahrsüberschwemmung, die ausgleichende Wasserführung ließ Viehweiden und Ackerland zu, und auch die Wasserstraße besserte sich. Hatten jedoch Buhnen und Kehrwässer bislang der Fischerei genutzt, so fehlten diese nun. Schlimmer war das Ausbleiben der Wanderfische, die aus der Elbe nicht mehr zum Laichen kamen. Entscheidend aber wurde der Verlust von Laichplätzen, vor allem am Schollener und am Pareyer See, nach Bau der Schleusen Grütz und Garz im Frühjahr 1910 (der wurde verkleinerte sich, der andere lief ganz aus und wurde zur Sumpfwiese). Damit brach der bisher reiche Fischbestand der Unterhavel zusammen und brauchte Jahre, um sich aufs heutige Niveau zu erholen. Etliche Fischerfamilien, um ihre Arbeit gebracht, standen vor dem Nichts.
    Vor diesem Hintergrund spielt der Roman Wilhelm Kotzde-Kottenrodts (1878-1948). Der Autor, nach eigener Aussage "einer alten Großbauernfamilie des Dorfes Wachow, das in dem Dreieck Brandenburg-Nauen-Potsdam liegt" entstammend und in Rathenow wohnhaft, schrieb das Buch 1914/15 als Gegenwartsroman der Dörfer Grütz, Schollene und Parey. Die Beschreibung der Landschaft ist ein Genuss, und die Zeitumstände (Flussschiffer, Fischerarbeit, Wandervögel) setzen farbige Akzente. Die tiefe, natürliche Heimatverbundenheit der Fischer ist jedem vertraut, der in dieser Gegend lebt(e). Zugleich verstört den heutigen Leser der das Buch durchziehende Kulturstolz der Stadtbürger ("Ich möchte hinaus in die weite deutsche Welt!") Das Deutschkonservative des Protagonisten Wittenbusch, vielleicht des Autors selbst ("Wir Deutsche brauchen die Scholle"), eine altertümelnde Wortwahl, das Lob des Soldatenlebens, der Gruß "Heil", der aus dem Wandervogel wuchs und heute untrennbar mit einem Namen verbunden ist, weisen auf Quellen des konservativen Stolzes. Dass im Kampf des Deutschtümlers Wittenbusch gegen den Ausbau auch eine der Wurzeln der heutigen Umweltbewegung zutage tritt, verstört zusätzlich.
    Wer das freisinnige Leben Kellers kennt, fragt sich, wie er seit der 5. Auflage des "Hip-Hip-Hurra"-Führers 1925 dieses Buch empfehlen konnte. Die Stadt Rathenow kommt bei Keller gut weg (besser als z. B. Havelberg), hatte er Bekannte dort oder den Autor gar getroffen? (Dass ein Fischer im Buch angesichts vorbeifahrender Ruderboote etwas von "Zigarrenkisten" knurrt, könnte ein Augenzwinkern in diese Richtung sein.) Sicher ist, dass Keller die Unterhavel genauso gut kannte wie Kotzde. Die Konflikte um den Havelausbau und die folgende Not der Fischer haben Keller wie Kotzde miterlebt. Vielleicht liegt hier der Grund, dass der eine das Buch eines anderen empfahl, der in den 1930er Jahren zum prominenten Autor von "Blut und Boden"-Romanen werden sollte.
  154. Schollene wird auf der 2. Silbe betont.
  155. In der 5. Auflage 1925 noch "Lankengraben" genannt (so auch heute in amtlichen Karten), hat der korrekte Name nichts mit Platschen zu tun, sondern mit einem alten Burgwall, der 500 m südlich der Einmündung des Grabens in die Stromhavel (km 126,0 rechtes Ufer) liegt. Sein Name "Pilatsch" ging auf die "Pilatschlanke" über, die von der Pirre aus in seine Nähe führt. Während das Fließ heute abgedämmt, verwachsen und teils zugeschüttet ist, ragt die mittel- bis spätslawische Sumpfburg des 8.-12. Jh. noch heute 3 m übers Moor und war den Gülpern in den Hochwasserjahren 1709, 1785 und 1845 ein trockener Fluchtort. Ihr Westrand beim Ausbaggern der heutigen Stromhavel um 1910 mit beseitigt worden (km 126 am Ostufer).
  156. Der hier "Gahlberger Mühle" genannte Komplex heißt heute in amtlichen Karten "Gahlbergs Mühle".
  157. Dieses sog. "Garzer Wehr" wird noch heute als Nadelwehr ohne Kahnschleuse betrieben.
  158. Der See "Küdden", die östliche Fortsetzung des Gülper Sees zwischen dem heutigen See-Ende und der Straßenbrücke bei Rhinow, war um 1880 noch ein 1,5 × 0,5 km großer Flachsee und ist seitdem bis zur Unkenntlichkeit verlandet; der Bärengraben heißt heute "Bültgraben".
  159. Vergleiche dazu "Straubes Märkisches Wanderbuch - Ausflüge in die Mark Brandenburg Teil IV", Geographisches Institut und Landkarten-Verlag Jul. Straube Berlin 1910, S. 120: "Der Zootzen, ein urwaldähnlicher Forst mit prächtigem Baumbestand, zieht sich in einer Länge von 8,5 km u. einer Breite von 3 bis 4 km zwischen dem havelländischen Luch u. dem Rhinluch hin und bildet gewissermaßen eine Verbindung zwischen den beiden vom Luch umgebenen Sandinseln, dem Ländchen Friesack u. dem Ländchen Bellin. Früher erstreckte sich der Zootzen weiterhin nach SO. bis zum Brieselang u. dehnte sich als Sumpfwald nördl. u. südl. ins Bruch hinein aus, durch die Urbarmachung des havelländ. Luchs ist er aber sehr verkleinert u. zum Teil seines urwaldartigen Charakters beraubt worden. Immerhin ist seine jetzige Beschaffenheit noch eigenartig genug, u. die bunte Abwechslung von Laub- u. Nadelbäumen, von Eichen, Birken, Erlen u. Rüstern, von Kiefern, Fichten, Lärchen u. Wacholdersträuchern dürfte ihresgleichen in der Mark, außer im Brieselang, kaum finden. (Im Original steht "Lerchen" - wer weiß, ob er die Baumarten gezählt hat.) Der Zootzen, früher 'Zoten' u. 'Die Sützen' (1315) genannt, gehört, obwohl er mehr im Bereiche des Ländchens Bellin liegt, seit alten Zeiten zum Lande Friesack u. ist Eigentum der Fam. v. Bredow. Im J. 1335 wurden vier Brüder v. Bredow von Ludwig dem Bayern außer mit Schloss Friesack u. anderen Besitzungen auch mit dem Walde Zootzen belehnt, und seit dieser Zeit ist derselbe, den Anteilen von vier Rittergütern entsprechend, in vier Abschnitte geteilt, in den Friesacker, Klessener, Briesener u. Wagenitzer Zootzen. In jedem dieser Abschnitte liegt ein Vwk., von dem die vom Waldgebiet umschlossenen Aecker und Weiden bewirtschaftet werden." Selbst Wikipedia widmet den "Urwaldpartien" einige Worte; allerdings läuft der Rhinkanal an dieser Stelle heute begradigt am Walde vorbei. Achtung vor Eichenprozessionsspinnern und ihren nesselnden Haaren: es gibt so viele im Zootzen, dass sie einige Alteichen schon kahl- und totgefressen haben!
  160. In den späteren Auflagen fehlt dieser Absatz: der Rhinkanal war fertig. Doch was für mutige Paddler es damals gab! Die Streckenführung nach Friesack, auch Alter bzw. Friesacker Rhin, Zwölffüßiger Graben, Haupt- und Grenzgraben oder Kleiner Havelländischer Hauptkanal genannt, führt (durch ein Schöpfwerk vom Großen Hauptkanal getrennt) 10 m breit bis Friesack, noch ca. 6 m breit durch die Vorstädte und auch bis zur Bahnbrücke, danach langsam schmaler werdend und mit etlichen Wehren versehen ins Rhinluch hinein. Spätestens in Seelenhorst wird der Graben heute zu schmal zum Paddeln; Kienberg zu erreichen ist aussichtslos geworden. Da der Westteil des Kanals im NSG "Unteres Rhinluch - Dreetzer See" liegt, sollten im Sinne einer "Freiwilligen Selbstbeschränkung" Fahrten unterbleiben.
  161. Die Kahnschleuse der Pirre ist heute zugeschüttet, ihr Befahren verboten.
  162. Seit 2001 hat Strodehne eine Brücke.
  163. Hier ist Keller durcheinandergeraten: Alte und Neue Jäglitz sowie Neue Dosse sind drei voneinander unabhängige Fließe. Die Neue Dosse führt unter diesem Namen unbeirrt stromauf nach Wusterhausen, während die Jäglitz ein eigenes Stromsystem hat. - Das weiter unten genannte "Friedrichsdorf" wurde 1951 in "Großderschau" umbenannt.
  164. Diese Benennung ist korrekt: die Alte Dosse ist bei der Meliorierung mit der Alten Jäglitz zusammengeführt worden.
  165. Vergleiche dazu "Straubes Märkisches Wanderbuch - Ausflüge in die Mark Brandenburg Teil IV", Geographisches Institut und Landkarten-Verlag Jul. Straube Berlin 1910, S. 134 f.: "Das Dossebruch, das im 16. u. 17. Jh. den Fam. v. Winterfeld und v. Rohr u. seit 1662 dem Landgrafen Friedrich v. Hessen-Homburg [...] gehörte, war bis zum Anfang des 18. Jh. ein unzugängliches Erlenbruch, aus dem sich hier u. dort Sandschollen erhoben. Auf einigen dieser sandigen Horste lagen kleine Siedelungen, die durch schmale Pfade miteinander verbunden waren, das umliegende Gelände war sumpfig u. unbebaut. Der Landgraf v. Hessen ließ bereits einige Strecken um Neustadt, Dreetz u. Sieversdorf urbar machen, auch König Friedrich I., der die Herrschaft Neustadt nebst dem Dossebruch 1694 erworben hatte, u. König Fried. Wilhelm I. sorgten für die Entwässerung verschiedener Sumpfgebiete, aber die eigentliche Urbarmachung des Dossebruchs begann erst 1747 unter Friedrich II. u. wurde 1778 vollendet. Der große König ließ die Dosse u. Jägelitz, die das Bruch durchfließen, regulieren u. eindeichen, Dämme u. Gräben ziehen u. legte eine Anzahl Kolonien [...] an." Der Trockenlegung des Dossebruchs widmete auch Fontane einen kurzen Abschnitt seiner "Wanderungen". Anschauliche Infos zur Urbarmachung des Dossebruchs und des Rhinluchs im Museum "Kolonistenhof Großderschau", Kleinderschauer Straße 1, Mo-Fr 8-16 Uhr, März bis Okt. auch Sa/So/Feiertag 13-17 Uhr.
  166. "Am Lehrerseminar ist eine Ruderriege in Bildung begriffen." (Text der 2. Auflage 1909, S. 167, zum Ruderclub in Havelberg) "Billige Preise, gute Verpflegung. Vorzeiger von 'Hip Hip Hurra' Preisermäßigung auch für mehrere Personen." (Text der 2. Auflage 1909, S. 167, zum "Hotel Kronprinz")
  167. Das "Wanderbuch für die Mark Brandenburg, Zweiter Teil: Weitere Umgegend Berlins (Westliche Hälfte)" von Emil Albrecht (1856-1920), Alexius Kießling Buch- und Landkartenverlag Berlin, 7. Auflage 1910, geht auf S. 98-101 ausführlich auf Havelberg ein:
    "Havelberg (6328 E.), uralte slav. Niederlassung, malerisch an der Havel (etwa 2 St. vor ihrer Mündung in die Elbe) gelegen, 948 von Otto I. zum Bischofssitze erhoben, 983 von den Slaven zurückerobert, wurde dauernd erst von Albrecht d. Bären um 1136 gewonnen. Seit dem Anfang des 14. Jahrh. residierten die Bischöfe meist in Wittstock oder auf der Plattenburg. Am Fuße des Domberges entwickelte sich auf einer Insel, die im W. und S. von der Havel, im N. vom Stadtgraben umflossen wird, seit der Mitte des 12. Jahrh. die deutsche Stadt. Im 30jährigen Kriege musste H. viel leiden. 1716 weilte hier Friedrich Wilhelm I. mit Peter d. Gr. einige Tage. 1816 starb in H. der aus dem 7jährigen Kriege bekannte Feldmarschall v. Möllendorf (geb. 1724). Der Dom sowie sechs meist von Schiffern bewohnte Gemeinden unter dem Domberge wurden erst 1876 mit der Stadt vereinigt.
    Vom Bahnhof gelangt man ö. an der Havel entlang bald zur Brücke über den Stadtgraben. Südl. (r.) liegt auf der Insel die eigentliche Stadt mit der St. Laurentiuskirche, dreischiffigem Backsteinbau, wohl aus dem 13. Jahrh., 1855 vollständig erneuert, und mit der St. Spirituskirche (Hospital) aus dem 14. Jahrh.; bemerkenswert ist auch das Haus Lange Str. 12, ein Fachwerkbau aus dem J. 1666, 1903 mit der alten Malerei wiederhergestellt, sowie das Postamt an der Havelbrücke. (Zur Laurentiuskirche siehe "Straubes Märkisches Wanderbuch Teil IV", 25. Auflage, Geographisches Institut und Landkarten-Verlag Jul. Straube, Berlin 1910, S. 143: "Im Innern der mit Kreuzgewölben überspannten Hallenkirche ein moderner Altar (1817) mit Gemälde von B. Rode (Kreuzabnahme), eine Kanzel auf gewundener Säule u. durchbrochenem Schalldeckel (Spätrenaissance, 1691), Taufe aus Bronze (1723), Orgel von 1754, wertvolle Abendmahlsgeräte aus dem 16. u. 17. Jahrh., Grabsteine u. Votivtafel, sowie alte Drucke in einem got. Schranke der Sakristei. Die Kirche wurde im 17. u. 18. Jahrh. umgebaut, der obere Teil des Turmes 1660 erneuert u. das Innere des Gotteshauses 1854 ausgebaut, wobei die gerade Balkendecke durch hölzerne Kreuzgewölbe ersetzt wurde. Neben dem Turmportal ist ein Memorienkreuz eingemauert, darunter eine Steintafel (1459) mit der Kreuzigung; die Einfassungen dieses sowie der anderen Portale sind mit Rundmarken u. Schleifrillen bedeckt.") — Nördl. (l.) steigt man von der genannten Brücke, sogleich vorbei an der kleinen St. Annenkapelle, einem achteckigen Ziegelbau aus dem Ende des 15. Jahrh., dann durch einen Hohlweg empor zum Domberg (etwa 23 m ü. d. Havel), der mit freundlichen Anlagen, besonders am Camps, versehen ist. Dem Dom gegenüber die städt. Realschule, von wo ein steiler Treppengang (zuletzt Fußgängerbrücke) direkt in die Stadt hinabführt. Weiter n. das Auguste-Viktoria-Stift, ein Feierabendhaus für Frauen. Im O. auf dem Uferrande soll ein Lehrerseminar erbaut werden.
    Der Dom geht in seiner Grundlage auf eine 1170 eingeweihte roman. Basilika zurück. Unter Bischof Heinrich II. († 1290) wurde diese in eine gotische verwandelt, wobei man die Obermauern auf dem alten Bruchsteinmaterial in Backsteinen erneuerte. Bischof Johann III. Wopelius, dessen Regierung (1385-1401) den Höhepunkt des Havelberger Bistums darstellt, gewann die Mittel zu einem Verschönerungsbau aus den Einkünften der Wallfahrtskirche zu Wilsnack; er ließ u. a. den Chor ausbessern und fügte den Lettner mit den prachtvollen Chorschranken hinzu. Das also geschaffene, 1411 geweihte Innere wurde 1840-42 von v. Quast erneuert, 1885-90 aber als putzfreier Backsteinbau von Adler und Persius wiederhergestellt. Der jetzige Turm und das Sandsteinportal sind erst 1909 hinzugefügt worden. In seinen gewaltigen Verhältnissen, die besonders an der Westseite hervortreten, macht das ganze Bauwerk einen höchst bedeutenden Eindruck. Das seit etwa 1150 hier befindliche Domkapitel, Prämonstratenser aus Magdeburg, blieb auch nach Einführung der Reformation (letzter Bischof Busso † 1548) bestehen, bis die 1810 beschlossene Aufhebung der geistlichen Stifte 1819 auch an ihm vollzogen wurde.
    Inneres (Küster Dom 36): Lettner mit Chorschranken (s. oben), diese reich ausgestattet mit spätgot. Ornamenten, Statuen von Aposteln und Heiligen und Reliefdarstellungen aus der Passion; oben auf einem Querbalken kolossales Kruzifix mit Maria und Johannes. — Im Chor Chorstühle, z. T. aus der 1. Hälfte des 13. Jahrh.; zweisitziger Bischofsstuhl aus dem 14. Jahrh.; Grabmal des Bischofs Johann III. v. Wöpelitz († 1401; s. oben) mit Marmorbild desselben; Taufstein, gute Renaissancearbeit. Vor dem 1700 gestifteten Hochaltar (Gemälde: Abendmahl) drei alte, große Sandsteinleuchter, der mittlere in Form eines got. Türmchens, die beiden andern Rundsäulen mit interessanten Mönchsfiguren; zu beiden Seiten Grabsteine der Markgrafen Hermann († 1291) und Johann († 1292). — In den in erhöhte Zwillingskapellen endigenden Seitenschiffen schöne Glasmalereien aus dem 14. und 15. Jahrh.; in sieben Fenstern des nördl. Darstellungen aus dem Leben Christi, in zweien des südl. Darstellungen aus der Marienlegende und der Geschichte Johannes d. T. — Zahlreiche Grabsteine, u. a. des Bischofs Burchard v. Bardeleben († 1348) im Chor, der Frau Sofie v. d. Streithorst († 1604) am 2. nördl. Pfeiler, des Ritters Christoph v. d. Schulenburg († 1570), und das eines Mädchens in der Annakapelle.
    Von der Mönchskammer (oben im O.) sieht man u. a. Wilsnack, Werben, Arneburg, Stendal, Tangermünde, Rathenow.
    An der Südseite liegen die Stiftsgebäude mit dreiflügeligem Kreuzgang, der den ehem. Domkirchhof umschloss. Ost- und Südflügel (Konvent- bzw. Refekturbau) stammen in der ältesten Anlage aus dem Anfang bzw. Ende des 12. Jahrh., der Westflügel aus dem Ende des 13. Jahrh. Der im Südflügel befindliche, aus zwei Räumen vereinigte 'Paradiessal' wurde 1893-96 von Grimmer ausgemalt; in dem Raume darüber ein kleines Museum Prignitzer Altertümer (Meldung beim Schuldiener der Realschule). — Von der Terrasse (ehem. 'Paradiesgarten') schöner Blick auf Stadt und Fluss: im W. verdeckt das Mühlenholz die Elbe, im S. Sandau, l. die Kamern- und weiter die Stöllnschen Berge bei Rhinow.
    25 Min. nordwestl., an der Havel, Rest. Schmokenberg (Überfahrt in der Richtung auf Rest. Hafenquelle, s. unten.) — 1/2 St. östl. (vom Dom auf dem hohen Uferrande Promenade, zuletzt hinab zum) Rest. Weinberg. — 5 km. südl. Chaussee über (1/2 St.) Rest. Sanssouci, bereits in der Provinz Sachsen — oder der Chaussee w. parallel Landweg, weiterhin Tannenallee im Nadelwald (am Anfang desselben r. nahe Fh. Sandau, mit Erfr. im Sommer) direkt — nach Sandau (Werneckes Hot.; Omnibus; 1834 E.), Städtchen mit rein roman. Backsteinbasilika. Bei S. überschritt Blücher nach der Schlacht bei Jena Okt. 1803 die Elbe, während York im glücklichen Treffen bei Altenzaun die Nachhut deckte. [...] — 1/2 St. westl. Rest. Schützenhaus (schöner Rückblick auf die Stadt), am Anfange des Mühlenholzes, eines hübschen Eichwäldchens mit Spazierwegen. Von hier angenehme Wanderung sö. auf dem Elbdamm nach (1 1/2 St.) Sandau. 20 Min. nw. vom Schützenhause das schwimmende Rest. Hafenquelle (2 Betten), viel besucht; etwas weiter das Fährhaus für die Elbfähre; am andern Ufer Räbel (Whs.), von wo man in 1 1/4 St. nach Werben gelangt."
  168. Es wurde schließlich ein sehr langer Durchstich in Form des Gnevsdorfer Vorfluters, 1954 endgültig fertiggestellt. Erst sein Bau und die nach einem ausgeklügelten System arbeitenden Wehrgruppen der Havelmündung mach(t)en die Niederung der Unterhavel weitgehend hochwasserfrei. Die Mündung der "Strom"-Havel, bis dahin (wie auch Keller schreibt) beim Elbkilometer 431,2 liegend, wurde 1936/37 mit dem "Neuwerbener Durchstich" an die heutige Stelle beim Elbkilometer 427,6 verlegt und gleichzeitig mit der "Wehrgruppe Quitzöbel" versehen; die frühere Havelmündung beim Elbkilometer 431,2 ist, an beiden Enden zugeschüttet, zu einem Altarm geworden. Die alte Fähre von Werben nach Quitzöbel querte die Elbe bei km 429,3; das kleine Fährgehöft auf dem Deich der schmalen Landzunge zwischen Elbe und Gnevsdorfer Vorfluter, vom "irischen Rittlinger" R. Raven-Hart den britischen Paddlern in seinem Buch "Canoe Errant" (John Murray, London 1935) als "useful inn" empfohlen (S. 264), steht noch. Dass auch der kurze Wasserweg zur Elbe durch die Schleuse Havelberg unterschlagen wird, liegt an ihrem erst nach Drucklegung 1933-36 erfolgten Bau. Näheres dazu bei Gewässer.rudern.de und beim Landesumweltamt Brandenburg 2012.
  169. Elbstationierung von der Mündung der Moldau an. (Anmerkung von Keller)
  170. Elbstationierung von der Mündung der Moldau an. (Anmerkung von Keller)
  171. Das "Wanderbuch für die Mark Brandenburg, Zweiter Teil: Weitere Umgegend Berlins (Westliche Hälfte)" von Emil Albrecht (1856-1920), Alexius Kießling Buch- und Landkartenverlag Berlin, 7. Auflage 1910, erwähnt die Industriestadt auf S. 104 kurz:
    "Wittenberge. — Gasth.: Bahnhof (gutes Rest.), zahlreiche andere in der Bahnstraße, u. a. Kaiserhof, Stadt Frankfurt, Germania (30 Zimmer mit 45 Betten zu 2 1/4 - 3 M., Frühstück 75 Pf. u. 1 M., Mittagessen 1 3/4 M. mit Wegzehrung), einfacher Deutsches Haus. — Konditorei: Cafe Central, Bahnstr. 172. — Post: Bahnhof und Mohrenstraße. — Omnibus: vom Bahnhof zum Elbhafen, 10 Pf. — Dampfer: nach Havelberg Fr. 2.00 Uhr in 3 1/2 St. Bahnverbindung auch über Perleberg mit Neu-Strelitz; nördl. Bahnsteig), sowie mit Lüneburg und Stendal (Rückseite des Bahnhofes).
    Wittenberge, die größte Stadt der Prignitz (20.474 E.) am Einfluss der Stepenitz in die Elbe, so genannt nach den jetzt z. T. abgetragenen Sandbergen der Gegend, 1226 zuerst erwähnt, gehörte vom 13. Jahrh. bis Anfang des 19. Jahrh. den Gänsen Edlen zu Putlitz. Nachher als Hauptzollstation von Bedeutung, hat sie sich als Knotenpunkt zahlreicher Bahnlinien in kurzem sehr emporgeschwungen und ist jetzt ansehnliche Fabrikstadt (namentlich für Öl, Tabak und Wollzeuge; große Maschinenfabrik im SO.). Von den Elbüberschwemmungen hat die Stadt viel zu leiden. — Nördl. vom Bahnhof die große kgl. Reparaturwerkstatt. Südl. gelangt man durch die sehr ausgedehnte Vorstadt zur kleineren Altstadt. Im westl. Teile der Vorstadt die städt. Realschule und die hübschen Anlagen; in ihnen das Kriegerdenkmal, Obelisk mit den Medaillonporträts Wilhelms I., Friedrichs III., Bismarcks und Moltkes, ferner ein Bismarckstein und am Westrande das Kurhaus (Rest.). Südl. von der Realschule, nach der Altstadt zu, die kath. Kirche. In der Altstadt im W. der viereckige Steintorturm aus dem 13. u. 14. Jahrh., mit zugemauerter Durchfahrt, und etwas w. davon die Stätte der ehem. Burg; südl. vom Turm die evang. Kirche und, Burgstr. 7, das Haus, in dem Th. Körner 7.-9. Mai 1813 wohnte (Gedenktafel); sö. der Elbhafen (25 Min. vom Bahnhof); im O. die großartige, über 1 km lange Elbbrücke der Magdeburger Eisenbahn (auch für Wagen und Fußgänger) mit Brückenkopf, 1851 fertiggestellt."
  172. Die mehrfach wiederkehrende Nennung von Gasthäusern mit Scheune oder Strohlager geht darauf zurück, dass Campingplätze als "amerikanische Mode" erst nach dem Krieg aufkamen und die ersten Zelte der Vorkriegszeit wenig Komfort boten: "Eine schätzenswerte Eigenschaft ist der angenähte wasserdichte Boden... ein wenig Haferstroh oder Heu gibt weiche Unterlage; will man besonders reinlich sein, so schiebt man es in warmen Nächten nicht ins Zelt, sondern unter den Öltuchboden." (Paul Walther: Mit Faltboot und Zelt. Verlag Quelle & Meyer Leipzig 1926, S. 71 f.) Rittlinger rühmte sich, bis ins Alter keine andere Unterlage genutzt zu haben! Historische Fotos von 1931 zeigten dem Bearbeiter neben Baumwollzelten mit Boden solche, in denen man einfach auf der Grasnarbe lag. Auch Schlafsäcke kamen erst spät auf (noch die Soldaten des 2. Weltkriegs wickelten sich in Wolldecken). Unter den Bedingungen schlief es sich im warmen Stroh besser. "Der Verfasser kann sich daran erinnern, dass noch Ende der 30er Jahre Schlafplätze bei freundlichen Bauern geheime Tips waren." (Heinz A. Oehring: Kanuwandern in Deutschland. 75 Jahre Kanuwandersport im Deutschen Kanuverband. DKV-Verlag Duisburg 1989, ISBN 3-924580-17-0, S. 6) Der Bauer dürfte dies als angenehme Unterbrechung des Alltags gesehen haben, wurde doch Wasserwandern doch erst Ende der 20er Jahre Gemeingut; die Schrift "50 Jahre Deutscher Kanuverband e. V." überliefert noch im Juli 1924 eine Wanderfahrt von Berlin nach Hamburg, auf der den Kanupaddlern kein einziges weiteres Boot begegnet war!
  173. Sogar der "irische Rittlinger" R. Raven-Hart muss in Müggendorf gespeist haben, denn er empfahl den britischen Paddlern das im "Canoe Union Yearbook" fehlende Haus in seinem Buch "Canoe Errant" (John Murray, London 1935) als "useful inn" (S. 264). - Das vorstehend genannte Dorf heißt korrekt "Cumlosen"; zwischen diesem und dem folgenden Dorf Lütkenwisch stößt die unten erwähnte "Grenze zur Provinz Hannover" auf die Elbe, die sechzehn Jahre nach Drucklegung als Zonen- und spätere Staatsgrenze den Wassersport unmöglich machen sollte.
  174. Der Ort heißt heute nur noch "Tangerhütte".
  175. Das "Wanderbuch für die Mark Brandenburg, Zweiter Teil: Weitere Umgegend Berlins (Westliche Hälfte)" von Emil Albrecht (1856-1920), Alexius Kießling Buch- und Landkartenverlag Berlin, 7. Auflage 1910, geht auf S. 105-107 ausführlich auf Lenzen ein, obwohl das Städtchen damals von Berlin in weiter Ferne lag:
    "Lenzen (Sonne, mit Garten, 12 Zimmer mit 18 Betten zu 1 1/2 - 2 M., Frühstück 75 Pf., Mittagessen 1 1/2 bzw. 1 3/4 M., Pension mit Zimmer 3-4 M.; Deutsches Haus; Erfr. im Bahnhof; 2522 E.), die westlichste Stadt und eine der ältesten Städte der Mark, an der Löcknitz. 929 wurden in der Nähe die Wenden von den Sachsen besiegt, was die Gründung der Nordmark (späteren Altmark) durch Heinrich I. zur Folge hatte. Einst stand L. in lebhaftem Verkehr mit den Hansastädten, wurde aber von großen Bränden und dem 30jährigen Kriege hart mitgenommen. Banér zwang hier am 21. Nov. 1638 Gallas zum Rückzug über die Elbe. — 20 Min. südl. vom Bahnhof die Katharinenkirche, dreischiffige Hallenkirche mit Kreuzschiff in einfachen Formen, im Kern zurückgehend auf einen Bau um 1300; im Innern Barockaltar von 1652, interessanter Taufkessel mit den Aposteln von 1484, Epitaph des kurfürstl. Amtmanns Hoffmann († 1706), Grabstein der Frau Anna Götz (sogen. Bretzeltante, † 1617) u. a. Nördl. davon der Stumpfe Turm, ein Rest der alten Stadtmauer. Sö. die Burg (Privatbesitz), einst wegen der Zollerhebungsstätte bei der Fähre begehrtes Pfandobjekt, im 15. Jahrh. im Besitze der Quitzows, von denen Hans 1437 hier sein ruheloses Leben beschloss; 1651-76 wohnte hier der um die Gründung der brandenburg. Marine unter dem Gr. Kurfürsten sowie um Lenzen und Umgegend (namentlich Wiederherstellung der Deiche) verdiente niederländ. Admiral und kurfürstl. Amtmann van der Lyr (s. unten). Alt ist nur noch der dicke, runde Bergfried (30 m) aus Ziegeln, der in neuerer Zeit einen Aufsatz mit Kuppeldach bekommen hat. [...]
    3/4 St. nordwestl. Eldenburg. Dorf und Rittergut nahe der Alten Elde, vom 15. Jahrh. an den Quitzows gehörig, nach dem Tode Kuno Hartwigs v. Q. 1719 Domäne, jetzt im Besitze des Freiherrn v. Wangenheim. Hübsches Herrenhaus, seit dem Brande 1881 um ein Stockwerk gekürzt, mit 33 m h. Turm. Ein kleiner, alter Turm (Schlüssel beim Inspektor) in der NW.-Ecke des Hofes enthält den sogen. Quitzowstuhl oder die Judenklemme, einen freien Sitz in der Mauer mit Arm- und Beinfesseln. — Von E. nach Mödlich (1 1/4 St.): r. durch den Gutspark, dann sw. nach (1/4 St.) Seedorf an der Löcknitz, mit hübsch gelegenem Pfarrhause; vom Ostende des Dorfes südl. quer durch die Lenzer Wische, zuerst Fahrweg, bald Rain bis zu einem Damme, auf diesem r. bis zu einem kleineren Querdamm und ihn l. nach Stein 3,7 vor Mödlich (s. unten).
    25 Min. südwestl. beim Elbhaken (Whs.; Winterhafen) Fähre (10 Pf.) über die Elbe nach der hannoverschen Seite, wo sich der auf seinem Abhang mit Laubwald bedeckte Höhbeck (75 m) erhebt. Vom Fahrwege nach 5 Min. r. den Wiesenpfad geradeaus zum (4 Min.) Fuße des Berges; hier den Fahrweg r., bei dessen Biegung alsbald halbr. Pfad aufwärts, nachher r. am Waldrande bergab zur Talmühle (20 Min.; Rest.) nahe der Elbe, von Lenzen aus viel besucht. Westl., sogleich über die sogen. Schanze, in der man eine Spur des 811 von den Kriegern Karls d. Gr. errichteten Kastells Hohbucki erkennt, auf dem Höhenrande zum Anfang von Vietze (25 Min.; alte Häuser). Hier Fähre (12 Pf.) nach Mödlich zu; jenseits durch Wiesen (Zäune!) zum (8 Min.) Elbdeich bei Haus Nr. 21 nahe der Kirche (s. unten).
    Westl. von Lenzen dehnt sich, 15 km l., 2-5 km br., zwischen Elbe und Löcknitz die Lenzer Wische aus, ein fruchtbares, im Frühjahr, bisweilen aber auch im Sommer von Hochwasser heimgesuchtes, von vielen Dämmen durchschnittenes Wiesenterrain, das besonders zur Fettweide des Viehes von Ende April bis September benutzt wird. Gegen Ende des 17. Jahrh. wurden hier zahlreiche niedersächs. Kolonisten angesiedelt. In den 9 in geringen Abständen aufeinander folgenden Elbdörfern kehren die strohbedeckten schmucken Bauernhäuser den einen der mit Pferdeköpfen versehenen Giebel dem Elbdeich, den andern mit der Einfahrt zur Diele der entgegengesetzten Seite zu (die eigentliche Haustür liegt an der Langseite); sie zeigen, obwohl in neuerer Zeit meist ausgebaut, den besterhaltenen Typus des niedersächs. Hauses: vom Giebel gelangt man auf die in der Längsachse gelegene Diele (Hausflur); seitlich davon liegen die nach ihr geöffneten Ställe, im Hintergrunde hinter dem Herdraume Stuben. Umgestaltungen dieser Form (Zimmer statt der Ställe, Gang an Stelle der Diele u. dgl.) reichen von jeder Gegend bis in die Nähe von Berlin. Nicht selten sind die Häuser mit Sprüchen versehen. Die Einwohnerzahl (etwa 2000) nimmt mehr und mehr ab. Der ausgezeichnete Baumwuchs, namentlich bei Mödlich, gibt der Gegend den Charakter einer Parklandschaft (eine prächtige Stechpalme in Mödlich bei dem Huthschen Hause, Nr. l6). Eine Wanderung auf dem durchschnittlich 7 m hohen, gut gangbaren Elbdeich von Elbhaken (s. oben) aus ist an nicht zu heißen Tagen wohl zu empfehlen (von Lenzen bis zur Löcknitz 4 1/4 St., bis Dömitz noch 3/4 St.); bis Barz geht auch eine Chaussee an der Rückseite der Dörfer entlang (Landpost von Lenzen bis Kietz morg., zurück nachm.). — Mödlich erstreckt sich etwa 1 St. lang an der Elbe hin. In der alten gotischen, zuletzt 1894 erneuerten Kirche (von Lenzen auf dem Elbdeich in 1 1/4 St. zu erreichen) Altar mit figürlichen Darstellungen aus Alabaster, Kanzel von 1604, schöne Taufe aus Holz von 1602; in einem Anbau die Mumie des kurfürstl. Amtmannes van der Lyr. 1/4 St. weiter Löthers Rest. (Post). 50 Min. Kl. Wootz (Whs.; Fähre), an das sich n. Gr. Wootz anschließt; in der Nähe wurde 1897 ein Brückenkopf aus der Zeit Karls d. Gr. aufgedeckt. Weiter vorbei an einigen zu Rosensdorf gehörigen Häusern und an Kietz (in der Kirche der wertvolle Grabstein des Barth. v. Wenckstern, † 1553; bemerkenswert auch der sogen. 'zweite Hof', ein von Gräben umgebenes festes Haus aus dem 17. Jahrh.) nach Unbesandten (65 Min.; Whs.) und über Besandten (1/2 St.; Whs.) nach (1/4 St.) Barz. Beim letzten Hause von Garz (1/4 St.; Whs.) r. zum Fahrwege und in wenigen Min. zur Fähre (5 bzw. 10 Pf.) über die Löcknitz, auch Schwarzes Wasser genannt, die die Grenze gegen Mecklenburg-Schwerin bildet und nahebei in die Elbe mündet. Jenseits alsbald l. Wiesenpfad bis zu einer Dynamitfabrik, dann Fahrweg, zuletzt über die Bahn zur Chaussee vom Bahnhof (r. nahe) nach Stadt Dömitz (l., 3/4 St.)."
  176. Die Talmühle oder Thalmühle war eine große Anlage in einem tiefen Bachtal am Steilhang des Höhbeck. Ursprünglich drehte sich, wie an anderen Mühlen auch, ein oberschlächtiges Mühlrad direkt am Gebäude, bis 1902 ein Wolkenbruch das Rad hinwegriss. Der Müller, gezwungen, nach Ideen zu suchen, verfiel auf einen völlig neuen Denkansatz. Die raffinierte Lösung wird bereits in der 5. Auflage 1925 als Sehenswürdigkeit beschrieben (in der 3. Auflage 1919 fehlt sie noch). Die angeschlossene Gastwirtschaft lockte bis zum Zweiten Weltkrieg Gäste aus Lenzen an, die mit Kähnen, später gar mit Motorbooten ins Kehrwasser an der Bachmündung gefahren wurden und entlang der 100 m langen Drahtseiltrasse zur Mühle hinaufliefen. Der "irische Rittlinger" R. Raven-Hart muss sie auch besichtigt haben, denn er empfahl sie britischen Paddlern als "useful inn" in seinem Buch "Canoe Errant" (John Murray, London 1935, S. 264).
    Wann die Mühle in Trümmer sank, ist nicht bekannt; vielleicht fiel sie den Kämpfen am Kriegsende zum Opfer. Ein Wiederaufbauversuch in den 60er Jahren des 20. Jh. scheiterte, und die Mauern sanken in Vergessenheit. Vor wenigen Jahren wurde der Keller, letzter Rest des Hauses, zum Fledermausquartier umgebaut, und 2011 riss man auch den Mühlstau nieder, um den Bach der natürlichen Dynamik zu überlassen. Heute finden nur Ortskundige den Weg zur Ruine, überall sprießt Jungwuchs, und mächtige alte Baumstämme liegen quer über dem Talgrund; in wenigen Jahren wird sich der Urwald seinen Raum zurückgeholt haben.
    Auch im Kehrwasser am km 486,5 deutet nichts mehr auf menschliche Tätigkeit hin. Nur Ziegelbrocken, Geschirrscherben im Sand und die im Waldesdunkel versteckte Bachbrücke deuten an, dass hier einmal etwas anderes stand als Buchengrün. Da man nicht mehr anlegen darf, bleiben die Feuersteine des Bachbettes im Dunkel des Waldes verborgen.
    Die erwähnte Schanze liegt oberhalb der Ruine am gleichen Hang und wird von Vietze aus durch einen Wanderweg erschlossen. Den besten Ausblick hat man aber heute vom Turm der Gaststätte "Schwedenschanze" oberhalb der Lenzener Fähre, die nicht mit der genannten Schanze Karls des Großen identisch ist. Hier (wie auch auf der Seite Damals-im-Wendland.de, der mehrere Informationen entnommen wurden) erfährt man mehr zur Geschichte der Thalmühle und kann das Auge weit übers Land schweifen lassen.
  177. Heute auch "Meynbach" genannt und als 3 m breiter Graben nicht mehr paddelbar.
  178. Der Rudower See ist heute für Motorboote gesperrt; das Durchkommen zum völlig verlandeten Rambower See ist nicht mehr möglich und auch aus Naturschutzgründen verboten.
  179. Inzwischen ist die Mündung der (Alten) Elde weit stromabwärts nach Elbe-km 513 verlegt worden.
  180. Bei diesen Faltbootfahrten in den kleinen mecklenburgischen Gewässern verweisen wir auf: Kanuwanderbuch für Nordwestdeutschland von W. F. Eddelbüttel. Verlag: Kanusport, Hamburg 36, Holstenwall 1. F.: Vulkan 4154. (Anmerkung von Keller)
  181. Obwohl Dömitz damals von Berlin aus kaum für einem Wochenendausflug erreichbar gewesen sein kann, geht das "Wanderbuch für die Mark Brandenburg, Zweiter Teil: Weitere Umgegend Berlins (Westliche Hälfte)" von Emil Albrecht (1856-1920), Alexius Kießling Buch- und Landkartenverlag Berlin, 7. Auflage 1910, auf S. 107 auf die Stadt ein: "Dömitz (Behnckes Hot., 20 Min. vom Bahnhof, 20 Zimmer mit 22 Betten zu 2 u. 2 1/4 M., Frühstück 75 Pf., Mittagessen 2 M. m. Wzg., sonst 1 1/2 M, Pension mit Zimmer 4 1/2 M.; Erfr. im Bahnhof), sauberes Städtchen mit 3144 Einw. am Einfluss der kanalisierten Elde in die Elbe. 1627 hatte Wallenstein hier eine Zeitlang sein Hauptquartier. 1642-50 war der Ort von den Schweden besetzt. Am 15. Mai 1809 wurde er vom Schillschen Korps überrumpelt. In der ehem. Festung (jetzt großherzogl. Amt; Eingangstor von 1565), deren Wälle und Gräben noch wohl erhalten sind, verbrachte Fritz Reuter 1839-40 den Rest seiner Gefangenschaft. Vor dem Rathause eine Büste des Großherzogs Friedrich Franz II. (1842-83). Stattliche Eisenbahnbrücke über die Elbe; die Stadt selbst ist mit dem gegenüberliegenden Ufer nur durch eine Fähre verbunden."


Erklärung der Abkürzungen:

  • Abzw. = Abzweigung.
  • Br. = Brücke. Die den Brücken beigesetzten Zahlen (im Text in runden Klammern) geben die freie Durchfahrtshöhe der Brücke, wenn nichts anderes angegeben ist, über Mittelwasser an.
  • D.-St. = Dampferstation, Dampfersteg, Motorbootsteg.
  • E. = Eisenbahnstation. Bei zum Faltbootauf- und -abbau günstig gelegenen Bahnhöfen ist die Entfernung vom Bahnhof zum Wasser in Klammern angegeben, z. B.   E. (400 m).
  • F. = Fernsprecher.
  • Hot. = Hotel.
  • H.W. = Hoher Wasserstand.
  • J.H. = Jugendherberge.
  • K-Br. = Klappbrücke.
  • K-G. = Kanu-Gesellschaft.
  • K-Kl. = Kanu-Klub.
  • l. = links.
  • M.W. = Mittlerer Wasserstand.
  • M.N.W. = Mittleres Niedrigwasser.
  • Mdg. = Mündung.
  • N.-W. = Normalwasserstand (auf Kanälen).
  • P. = Post.
  • P-V. = Paddel-Verein.
  • R-Cl., R.-Kl. = Ruderklub.
  • R.-G. = Rudergesellschaft.
  • R.-Vg. = Rudervereinigung.
  • r. = rechts.
  • Rest. = Restaurant.
  • S.-Cl. = Segelklub.
  • Schl. = Schleuse.
  • T. = Telegraph.
  • U. = Unterbringung von Booten.
  • Y.-Cl. = Yachtklub.
  • [1,20] = Die Zahlen in den eckigen Klammern bezeichnen die Fahrwassertiefe.

  **) = lohnender Abstecher.

Die Zahlen hinter den Brücken geben die freie   D u r c h f a h r t s h ö h e   bei einem Mittelwasserstande an, wenn durch Fußnote nichts anderes gesagt ist.

Die übrigen angewandten Abkürzungen werden ohne weiteres verständlich sein.




Quellenvermerk und Bearbeitungsbericht

Dieser Text wurde von Friedrich Eduard Keller verfasst und erschien 1929 im Wasserwanderführer "Hip Hip Hurra! Straube's Führer für Wasser-Wanderer 1. Teil: Brandenburg und Oder", Geographisches Institut und Landkarten-Verlag Jul. Straube Berlin, 6. Auflage, S. 175-256. Der Text wurde unter Berücksichtigung der neuen deutschen Rechtschreibung aus dem Werk übertragen. Offenkundige Rechtschreib- und Kommafehler wurden dabei stillschweigend korrigiert (z.B. das originale "Plauen" in "Plau", "Pischelsdorf" in "Pichelsdorf", "Perlmutter" zu Perlmutt", "Beelitzer Wehr" in "Bergholzer Wehr", "Martensmühle" in "Märtensmühle", "Schwielochsee" in "Schwielowsee", "Weserarm" in "Weseram", "Wilmersdorf" in "Wilhelmsdorf", "Toppeln" in "Toppel", "Cümmlosen" in "Cumlosen", "Drefsahl" in "Drefahl", "Platschals" in "Platschow", "Neusdorf" in "Nausdorf", "Klein-Schanölen" in "Klein-Schmölen" geändert). Im Bereich der Potsdamer Havel wurde die bei Keller fehlende Kapitelüberschrift "Im Boot rund um den Teltow" neu aufgenommen. Die Gliederung, die Hervorhebungen und die Sperrungen im Text folgen dem Original. Die Anmerkungen von 1929 wurden sämtlich übernommen; sie sind nach Wikipedia-Manier als anklickbare Ziffern gestaltet und leiten zu den Referenzen am Schluss des Textes.

Jede Auflage des Führers ist von Keller grundlegend überarbeitet und auf den neuesten Stand gebracht worden. An ausgewählten Stellen sind daher Textpassagen älterer Auflagen eingefügt, die 1929 oder schon früher aus tagesaktuellen oder politischen Gründen entfallen sind. Sie ergänzen und vertiefen das Bild der Wasserstraßen in der Rückschau. Diese Passagen sind zur Unterscheidung zum Originaltext kursiv gesetzt.

Links wurden nur dort eingefügt, wo die Erläuterung eines Sachverhaltes aus heutiger Sicht unumgänglich schien. Die Anmerkungen von 1929 wurden sämtlich übernommen und zur Kennzeichnung mit dem Zusatz "Anmerkung von Keller" versehen. Sie sind nach Wikipedia-Manier als anklickbare Ziffern gestaltet und leiten zu den Referenzen am Schluss des Textes. Mussten Anmerkungen z. B. zu heutigen Fahrverboten direkt in den Text eingebaut werden, tragen sie zur Unterscheidung den Vermerk "Anmerkung d. Bearbeiters". Für zeitgenössische Textzitate wurde bevorzugt auf Bücher zurückgegriffen, die den damaligen Wassersportlern auch zur Verfügung gestanden haben dürften.

Die im Anschluß an die Originalbeschreibung stehenden, ausführlichen Kilometertabellen sind nach dem Ausbauzustand von 1929 abgemessen und berücksichtigen weder die geänderte Stadtdurchfahrt durch Brandenburg noch die Verlegung der Havelmündung in den 30er bis 50er Jahren des 20. Jh. Heutige Wassersportler könnten nur noch die km-Zahlen zwischen Spandau und der Stadt Brandenburg sinnvoll nutzen. Deshalb und wegen des enormen Arbeitsaufwandes wurden die Tabellen nicht mit übernommen.

Sämtliche Namen und Beschreibungen der Verhältnisse entsprechen dem Originaltext von 1929. Eine Aktualisierung des Textes auf heutigen Stand (veränderte Bahnverbindungen, neue Uferbauten, "Rückgabe vor Entschädigung") wurde nicht durchgeführt.



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