Eine notwendige Nachbetrachtung zum IX. Erzgebirgsring vom letzten Boot aus gesehen (Meyner 1986)

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Die gute Organisation, mittlere Wasserstände und der unfallfreie Verlauf der Veranstaltung sind gewiss die positiven Momente des Wochenendes in Hopfgarten und auf Pöhlbach, Preßnitz und Zschopau. Leider muss man jedoch auch einiges Negatives sehen, zu dessen Betrachtung ich mich, nachdem ich bei allen bisherigen Veranstaltungen dabei war, dringend veranlasst sehe.

Es ist gewiss erfreulich, dass immer mehr Sportfreunde Interesse am und den Weg zum Wildwassersport finden. Die neuen Polyesterboote, die jetzt im Handel sind, geben die materielle Grundlage dafür, dass nun auch Sektionen, die nicht über Bootsformen und Fertigkeiten zum Bau verfügen, die Wildwasserfahrerei ausüben können. Leider ist es aber mit dem Besitz eines Bootes allein nicht getan.

Mit der Bitte des Veranstalters fahren wir Altenburger Kanuten seit Jahren zusammen mit Peter Rudolf als letzte Boote die Strecke ab. Es zeigt sich in zunehmendem Maße, dass Sportfreunde anreisen, die den Anforderungen nicht gewachsen sind. Unkenntnis des Wildwassers und mangelnde Technik führten zu einer großen Zahl von Ausfällen, glücklicherweise gab es keinen Unfall.

Die Zahl der Teilnehmer ist begrenzt. Der Veranstalter ist nicht nur an Übernachtungsmöglichkeiten und die Kapazität der Gaststätte gebunden. Die kleinen Wildflüsschen setzen gleichfalls durch ihre Durchlassfähigkeit an Booten in der Zeiteinheit Grenzen. Transportprobleme und Sicherheitsfragen sind zusätzliche Aspekte. So beschränkt sich der Teilnehmerkreis auf etwa 120 Sportfreunde. Die Sektionen erhalten auf ihre Anmeldung ein Kontingent, wobei sich die Organisatoren bemühen, jeden Neuling mit zu. berücksichtigen und den Anforderungen möglichst vieler Sektionen gerecht zu werden.

Die Sportfreunde aus den Südbezirken bis hinauf nach Magdeburg und Berlin sind fast ausschließlich qualifizierte Fahrer. Diese Sektionen nehmen Neulinge erst einmal auf leichtere Flüsse mit. So ist die Teilnahme am Erzgebirgsring für alle immer ein Höhepunkt. Anders bei einigen Einzelsportlern und den Sektionen der Nordbezirke. Hier zeigte es sich , dass Kanuten, die durchaus gestandene Fahrensleute mit 1000-km-Wimpel und Leistungsklassifikationen sind, teilweise hilflos auf dem Pöhlbach schwammen und nach den ersten Kurven die Hilfe des LKW in Anspruch nehmen mussten. Natürlich gab es auch Ausnahmen, Sportfreunde, die das Metier einwandfrei beherrschten.

Ich muss hier eindeutig sagen: Die Veranstaltung ist eine Wildwasserfahrt für Wildwassersportler, keine Slalomveranstaltung, wie einige Wanderfahrer sich wohl ausdruckten. Es gehört zum Programm des Veranstalters, dass am 1. Tag an 2-4 Wertungsstellen ein paar Tore hängen, dass die Bäche bei normalem Wasserstand im Frühjahr mit WW I-III einzustufen sind und dass am Samstag mit der Wertung im Torefahren der eigentliche Höhepunkt sein muss. Am Abend folgt die Bekanntgabe der Wertungsgruppen, Filmabend und das Resümee der Erlebnisse, die für viele letztlich die Bestätigung ihrer bisherigen Bemühungen sind. So sollte es meines Erachtens auch bleiben.

Die Veranstaltung ist kein Übungsfeld für Anfänger. Glücklicherweise hatten wir in den letzten Jahren kein Hochwasser, sonst wären manche Kenterungen nicht so glimpflich ausgegangen. Natürlich sollen viele Sportfreunde kommen und das Fluidum Wildwasser erleben, aber es gehört einfach zur Vernunft, sich auf diese Veranstaltung sorgfältig vorzubereiten. Das sieht dann im Einzelnen so aus:

  • Jeder Teilnehmer reist mit Sturzhelm und Schwimmweste an.
  • Das Ein- und Ausschwingen in starke Strömungen muss beherrscht werden.
  • Die Seilfähre muss vorwärts wie rückwärts exakt gefahren werden.
  • Der Stromstrich, die Grenze zwischen Strömung und Kehrwasser, muss erkannt und gefahren werden können.
  • Das Ein- und Aussteigen muss in schwierigsten Situationen ohne fremde Hilfe sicher möglich sein. Die Gruppe muss Rettungsgerät, Seil und Ball mitführen und vor allem gebrauchen können.

Es geht bestimmt nicht darum, die Veranstaltung zu glorifizieren, aber das Sicherheitsbedürfnis jedes Teilnehmers muss einfach fordern, dass sich einige Sportfreunde nicht auf unbekanntes, nicht gefahrloses Wasser setzen und dies nicht beherrschen. Es ergibt sich überall einmal die Möglichkeit, im Sommer zu üben, und die vielen Wehre, die wir bei uns allerorts zu umtragen haben, können meist genutzt werden, um sich hier und da fünf Minuten ins Unterwasser zu stellen (im Boot natürlich) und mit der Strömung zu spielen. Das alte Buch "Kanusport" , Sportverlag Berlin 1963, vermittelt ausreichende theoretische Kenntnisse, die man sich aneignen muss.

Auf den ersten Fahrten im Frühjahr muss jedes gute Kehrwasser genutzt werden. Die erfahrenen Fahrer tun dies immer und halten sich damit über Jahrzehnte fit und in Übung (der älteste Teilnehmer war 73 Jahre alt). Als wir 1974 zu unserer ersten großen Tour in Rumänien waren, haben wir uns ein ganzes Jahr intensiv darauf vorbereitet.

Besonders dieses Jahr fiel mir auf, wie viele Freunde große Schwierigkeiten hatten. Ein Teil der Bootsschäden geht auch darauf zurück, und kalt, sehr kalt ist es, wenn man im Schmelzwasser ohne Taucheranzug schwimmen muss. Bei vielen Fahrten habe ich ähnlich fehlende Routine auch an Brücken und Wehren erlebt. Die Sportler aus den Nordbezirken sollten nur an die DKSV-Saalefahrt denken und daran, wie viele Faltboote sich in Rudolstadt und weiter stromab um die Brückenpfeiler gewickelt haben. Und dies nur, weil die Strömung unterschätzt wurde.

Wildwasserfahren setzt die dafür spezielle Bootsbeherrschung genauso voraus, wie bei Fahrten auf schiffbaren Gewässern die Kenntnis der Binnenwasserstraßen-Verkehrsordnung.

Unser Sport ist ein Volkssport wie Laufen, Skilauf und Leistungswandern. In diesen Sportarten ist eine Qualifizierung für Spitzenveranstaltungen zum Standard geworden. Bei Läufen über 40 und mehr Kilometer gibt es seit Jahren für Zwischendistanzen Limitzeiten, andere Läufe setzen die Teilnahme an Qualifizierungsveranstaltungen voraus.

Unsere kleinen Flüsse und Bäche in der DDR haben alle eine Wildwasserstufe nicht über WW I-III, doch auch dies erfordert eine solide Ausbildung, an fahrerischem Können. Es sollte keiner die Erlebnisse ausschmücken und aufwerten. Dem internationalen Maßstab entsprechend, finden wir in der ČSSR und Rumänien allerorts Flüsse, wo WW III eine Durchschnittsbewertung darstellt. Wer dort schweres Wildwasser sucht, findet es bestimmt, es übersteigt aber auch das, was wir hier als Volkssport verstehen wollen. Alle Interessenten am Erzgebirgsring 1987, es sollten wieder viele sein, bitte ich, meine Gedanken zu beherzigen. Andere sollten auch für Elbe und Saale ihre Schlüsse ziehen. Wenn es gelingt, dass jeder die oben angesprochenen Kenntnisse zu den Wildwassertagen ins Erzgebirge mitbringt, werden er oder sie selbst mehr Freude haben, und es können für die Bergungsmannschaft diverse spektakuläre Aktionen vermieden werden.


Quelle

Dieser Artikel stammt von Horst Meyner, Saara, und erschien in der Zeitschrift "Der Kanusport. Mitteilungsblatt des Deutschen Kanu-Sport-Verbandes der Deutschen Demokratischen Republik", 33. Jahrgang, Heft 6/1986, S. 4 f. Der Text wurde unverändert aus der Zeitschrift übertragen, lediglich die neue deutsche Rechtschreibung wurde berücksichtigt.

Vielen Dank an Horst Meyner für seine Genehmigung zur Veröffentlichung im Faltbootwiki.


Siehe auch folgende Artikel


Literatur

  • Karl-Heinz Wozniak (Hrsg.): Kanu-Sport. Ein Lehrbuch für Trainer, Übungsleiter und Aktive. Sportverlag Berlin (Ost) 1963 (Diese in 2. Auflage 1972 und später noch mehrfach verlegte "Anleitung für Renn-, Slalom- und Wildwasserfahrer" des Hallenser Olympia-Kanurenntrainers und Kanuslalom-Meisters war die Bibel der Sport- und Wildwasserpaddler der DDR.)


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