Auf der Mecklenburger Seenplatte (Schimandl 2005)

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Inhaltsverzeichnis

Auf der Mecklenburger Seenplatte

Mit Faltboot und Canadier auf Müritz & Co.

Von Ferdi Schimandl, Altenburg


Es war während der internationalen Donaufahrt (TID), als ich meinen langjährigen Paddelfreunden vom schönen Mecklenburg erzählte, dem Land der 1000 Seen und Paradies für Wasserwanderer. Einige von ihnen hatten zwar schon eine beachtliche Anzahl von Gewässern im In- und Ausland in ihre Fahrtenbücher eingetragen hatten, die reizvollen Landschaften der Mecklenburger und Brandenburger Seen waren ihnen aber noch unbekannt. Um das zu ändern, verabreden wir uns zu einer zehntägigen Gepäckfahrt von Kratzeburg über Wesenberg, Rätzsee, Mirow, Alte Fahrt, Müritz, Vilzsee, Rheinsberg nach Neustrelitz. Der Wassersportverein "Einheit" Neustrelitz (WSV) ist der Treffpunkt für den Start zu unserer Gepäckfahrt.

Zur Einsatzstelle am Käbelicksee gelangen wir im Pendelverkehr. Alle Autos werden auf dem Gelände des WSV abgestellt, Horst aus Neustrelitz bringt uns per PKW mit Bootsanhänger zur Einsetzstelle. Das erste Packen der Boote für eine Gepäckfahrt dauert erfahrungsgemäß immer etwas länger, deshalb habe ich für heute nur wenige Kilometer zum Paddeln eingeplant. Um elf Uhr fährt unser kleiner Konvoi in den sonnenüberfluteten See hinaus.

Am Rande des rundlich geformten Käbelicksees mit linksseitig ansteigenden Waldufern und auf der jungen Havel, die sich zwischen Wiesen und Wäldern windet, blühen die ersten See- und Teichrosen des Jahres.

Das erste große Hindernis ist die für Bootsfahrer gesperrte Flussstrecke nach der Straßenbrücke , ehemalige Granziner Mühle. Eine 700 Meter lange Gleisumfahrung endet vor dem Pagelsee und erleichtert den Transport der schweren Boote erheblich.

Es ist zwölf Uhr, der Hunger meldet sich. In wenigen Minuten bedeckt die Platte des massiven Holztisches am Rastplatz ein "Kaltes Büffet". Hier treffen wir Radfahrer und die erste Gruppe Bootsfahrer, letztere sind in Richtung Kratzeburg unterwegs.

An der Bootsschleppe bei Babke ist alles verstopft; der Ausstieg, der Gleisrost und der Fluss. Eine große Jugendgruppe, geführt von zwei Lehrern, lernt hier auf der obersten Havel das Paddeln. Nach unserer Meinung - nach der aber niemand fragt - ist das nicht die richtige Flussstrecke für so viele Anfänger. Sie behindern sich gegenseitig und auch uns. Immer wieder stehen die großen Canadier quer im schmalen Flussbett. Die kleinen Jungen und Mädchen haben sichtlich große Schwierigkeiten, ihre Boote auf Kurs zu halten. Zu allen Widrigkeiten, denen die jungen Leute ausgesetzt sind, fällt jetzt auch noch Regen aus dicken Wolken.

Die Bootsschleppe ist für längere Zeit durch die Jugendlichen blockiert, da hilft nur Umtragen. Zwei kräftige Jungs helfen mir über den kurzen Erdwall, sie sind trotz der für sie ungewohnten Schwierigkeiten hilfsbereit und guter Laune.

Wir lösen uns nur langsam aus dem Wirrwarr von Booten und jungen Menschen, erreichen freies Wasser und sind froh, keine Boote mehr vor uns zu sehen.

Der schmale Graben, der zum Zeltplatz "Hexenwäldchen" am Jamelsee führt, hat heute genügend Wasser. Ein Gebotsschild fordert zum Aussteigen und Treideln der Boote auf. Vom hohen Ufer aus ist das gar nicht so einfach.

Den kleinen Jamelsee haben wir schnell überquert. Das sandige Ufer ist für das Anlanden der Einerboote ideal. Die zwei Canadier machen am Bootssteg fest.

Beim ersten Zeltaufbau regnet es schön gleichmäßig, wir ertragen es mit Geduld und hoffen auf eine trockene Gaststube. Doch Fehlanzeige, die gibt es hier nicht. In der kleinen Verkaufsstelle kommen wir bei der Anmeldung vorübergehend ins Trockene. Die großen Sonnenschirme davor schützen zwar vor Regen, aber nicht vor dem kalten Wind.


Im Stau

Pudelnass und frierend kommen nach gut zwei Stunden die Jugendlichen am Zeltplatz an. Auch sie bauen Zelte auf und machen dabei mächtig viel Lärm. Doch bald herrscht Ruhe um uns, nur das monotone Geräusch der Regentropfen auf dem Überzelt begleitet uns hinüber in das Nichts des Schlafes.

Unsere Zelte stehen günstig in der Morgensonne, da schmeckt und das Frühstück besonders gut, der kühle Regennachmittag von gestern ist bald vergessen. Toni fühlt sich wohl im See, ich geselle mich zu ihm, das Wasser ist im ersten Moment etwas kühl, doch bald schwimmen wir um die Wette. Die Jugendgruppe sitzt noch beim Frühstück, während wir um zehn Uhr unsere Boote über den Sandstrand in das Wasser des Sees schieben. Die naturnahe Landschaft an der oberen Havel liegt bis zum Useriner See im Bereich des Müritz-Nationalparks.

Nach der Schleusung (Zwenzow) empfängt uns der Große Labussee mit starkem Wind. Es ist gut, dass wir nur ein kurzes Stück bis zum Ausfluss der Havel zu paddeln haben. Die Boote tanzen ganz schön in den hohen Wellen, die uns von der Seite her bedrängen. Über die große Wasserfläche hat der Wind freien Lauf in Richtung Nordufer, wir kommen den Holzstangen der Reusen gefährlich nahe.

Auch der Woblitzsee ist aufgewühlt und wir müssen zügig paddeln, um voran zu kommen. Um 15 Uhr erreichen wir den Sportboothafen vor dem Ort Wesenberg. Am geräumigen Wasserwander-Rastplatz bauen wir heute bei Sonnenschein unsere Zelte auf. Die Hafenmeisterin, eine freundliche Frau, berät uns bei der Auswahl einer Gaststätte für den Abend. Wir bezahlen die Platzgebühren und bekommen noch den Schlüssel für das kleine Haus mit den Duschen und Toiletten. Nach einem abendlichen Spaziergang durch das ländliche Städtchen lassen wir den abwechslungsreichen Wasserwandertag in der empfohlenen Gaststätte ausklingen.

Heute ist es wieder angenehm warm und die Sonne scheint vom blauen Himmel. Die Schleuse Wesenberg liegt schon hinter uns, wir paddeln In der Schwaanhavel, wieder ein Stück Natur pur Vom Boot aus fotografiere ich den "Frühstücksplatz" eines Fischotters am Ufer. Frische Fußspuren, Fischschuppen und Reste von Gräten sind das untrügliche Zeichen, dass hier vor kurzem ein Otter seine Beute verzehrt hat.

Das Umsetzen der Boote vom Plätlinsee, am Ende des Ortes Wustrow über die Straße zum kleinen, tiefer liegenden See schaffen wir problemlos. Der Bootssteg zum Einsetzen ist neu beplankt, der Wasserstand davor ausreichend.

Wie eine große Schüssel voller blühender Seerosen liegt der See vor uns Nur ein schmaler Streifen auf der rechten Seite ist nicht so dicht bewachsen, Wir paddeln behutsam und staunend an der Pracht der gelb gefüllten, weißen Blütenkelche vorbei. Die anschließende, von bizarren Erlenstämmen und bemoosten Wurzeln gesäumte, schmale Durchfahrt zum Klenzsee vervollständigt den paradiesischen Eindruck, den diese Landschaft bei uns hinterlässt.

Über den Gobenowsee erreichen wir den Rätzsee. Unter dem Zeichen" C 68" ist der FKK-Campingplatz in der Wasserwanderkarte eingezeichnet. Bewirtschaftet wird er durch die "Haveltourist" GmbH. Ich begebe mich zur Rezeption und erledige die Anmeldung Auf der Zeltwiese gleich hinter dem Anlegesteg bauen wir auf. Für mich interessant, dass immer noch der sächsische Dialekt, wie schon vor dreißig und mehr Jahren, bei den Campern überwiegt. Geändert und wesentlich verbessert haben sich die sanitären Anlagen, die auf allen Plätzen von "Haveltourist" vorbildlich und technisch auf dem neuesten Stand sind.

Abends gehen wir Männer, natürlich und wie uns der Herrgott geschaffen hat, in das Wasser; auf einem FKK-Campingplatz etwas Selbstverständliches. Den schönen Sonnenuntergang über dem gegenüberliegenden Seeufer genießen wir noch vom Bootssteg aus, bevor uns die Mücken in die Zelte treiben.


Überraschende Entdeckung

Den lang gestreckten Rätzsee durchpaddeln wir in morgendlicher Frische. Das Umsetzen an der Fleether Mühle geht schnell und ohne Probleme. Anschließend am Vilzsee kommt Regen auf, der sich vor Mirow zum Wolkenbruch entwickelt. Vor den Windböen , die uns den Regen ins Gesicht treiben, versuchen wir uns zwischen den Büschen und unter Bäumen am Ufer zu schützen. Trotz dichter Baumkronen und Regenschirmen werden wir nass und kühlen merklich ab. Deshalb paddeln wir schon bald im strömenden Regen weiter. Für heute habe ich den Zeltplatz an der Jugendherberge eingeplant und achte deshalb nicht auf das Ufer in Mirow. So paddeln wir unverdrossen im dichten Regen, als Franz plötzlich ruft: "Da drüben vor der Gaststätte sehe ich ein Schild mit der Aufschrift 'Zeltplatz'!" Wir sind in Höhe des Freibades von Mirow, wo meines Wissens nach nie ein Zeltplatz war. Ob den Franz "Erlkönig'sche" Visionen plagen? Nein, jetzt sehe ich es auch. Da steht wirklich ein Schild mit der besagten Aufschrift.

Wir landen am Badestrand und werden von einem freundlichen Mann zum neu angelegten Zeltplatz, gleich links neben der Strandgaststätte, verwiesen. Im immer noch strömenden Regen macht der Zeltaufbau wirklich keinen Spaß. Ganz schnell bereiten wir alles für die kommende Nacht im Zelt vor. Jetzt aber im Eilschritt zur lockenden Gaststätte. Ist das ein herrliches Gefühl, endlich im Trockenen zu sein! Unsere nassen Regenanoraks dürfen wir nahe am Heizkörper aufhängen. Wir sind äußerst zufrieden mit der Bewirtung und froh, die restlichen Stunden des Regentages ein Dach über dem Kopf zu haben. Möge es da draußen auch nach Weltuntergang aussehen, wir lassen uns das gute Essen und die frischen Getränke wohl schmecken. Sehr spät, aber gut beschirmt, erreichen wir unsere Zelte und liegen bald in den mollig warmen Schlafsäcken.

Den sonnigen Vormittag verbringen wir mit geplantem Einkauf und einem Bummel durch den Schlosspark. Vor uns liegt die so genannte "Alte Fahrt" zur Müritz.

Es ist immer wieder ein wahrer Hochgenuss, diese Strecke zu paddeln. Alle sind begeistert, denn auch hier gibt es Seerosen in Fülle. Wir hören Kraniche und sehen einen kreisenden Seeadler hoch am Himmel. Ein Schwanen paar mit Jungen schwimmt zwischen unseren Booten und wartet auf Futter. Franz hat Bedenken, die nächsten Tage hungern zu müssen, denn Borjana füttert und füttert. Hier im Zentrum der Seenplatte haben sich die Schwäne an die Bootfahrer gewöhnt und akzeptieren diese als eine zusätzliche Futterquelle. Wir erleben das in den nächsten Tagen noch öfter.

Ich denke an frühere Jahre, als wir Junge führenden Schwänen nach Möglichkeit aus dem Wege gingen. So mancher Paddler wurde von ihnen angegriffen, nicht alle kamen nur mit einem Schrecken davon.


Zerstörte Idylle

Bei der Einfahrt in das Naturschutzgebiet filmt Karl aus Ybbs das Hinweisschild und kommentiert in das Mikrofon seiner Videokamera: "Jo wos is' n dös für a Zeich'n, sieht aus wi'a Kotz". Erst beim Näherkommen erkennt er die stilisierte Eule, die hier das Naturschutzgebiet ankündigt.

Meine Ankündigung einer Essenspause an der Umtragestelle Bolter Mühle war zu optimistisch. Ich konnte ja nicht wissen, wie der früher zum Lagern ideale, grasbedeckte Übergang heute aussieht. Durch das (eigentlich verbotene) Heranfahren von Geländewagen zum Zwecke des Ab- und Beladens großer Boote hat sich alles verändert. So mancher verantwortungslose Freizeitkapitän machte aus dem einst schönen Lagerplatz eine zerfurchte, vom Wasser durchsetzte, schlammige Rutschbahn. Um 15 Uhr erreichen wir die Ausfahrt zur Müritz. Ein weiter Blick über den See tut sich vor uns auf, nur mäßige Wellen umspülen die Boote. Schon nach wenigen hundert Metern landen wir am Sandstrand vor dem Campingplatz (C15) "Bolter Ufer". Der Blick über den größten Binnensee Deutschlands ist faszinierend. Wir haben eine ausgezeichnete Sicht, der helle Monsterbau des ehemaligen FDGB-Ferienheimes "Klink" ist gut zu erkennen. Beim abendlichen Spaziergang in Richtung Bolter Kanal erfreuen wir uns an der Vielseitigkeit der Naturlandschaft am Seeufer. Auf dem Campingplatz gibt es zwar viele Dauerzelter und Wohnwagen; am etwas abseits liegenden Platz für Bootswanderer und Radfahrer ist es aber relativ ruhig. Von der Zunft der Pedalritter zelten auch einige neben uns. Das Gebiet um die Müritz kann man ideal vom Fahrrad aus erkunden.

Petrus ist auf unserer Seite, wir paddeln bei mäßigem Wind und wiegenden Weilen in den See hinaus. Seine Mächtigkeit wird uns voll bewusst, auch wenn wir nur eine kurze Strecke, vom Bolter Kanal zur Enge an der Kleinen Müritz, auf seinem klaren Wasser unterwegs sind.

Eine fast unübersehbare Anzahl von kleinen Segelbooten hat sich hier zur Regatta versammelt. Ein schöner Anblick, die vielen weißen Segel über dem grünen Wasser umhüllt vom azurblauen Himmel. Über die Kleine Müritz und den Sumpfsee erreichen wir den sieben Kilometer langen Schifffahrtskanal, an dessen Ende wir die Mirower Schleuse passieren.

Hinter der Straßenbrücke legen wir auf der rechten Seite an einem der Bootsstege vor der Fischgaststätte an. Geräucherter Aal und Lachs, dazu Brötchen und Bier, wer kann da schon widerstehen. Es fällt uns nicht leicht, die Schlemmerstunde zu beenden und unsere Boote wieder südwärts zu steuern.

Der Zeltplatz am Zotzensee sagt uns nicht zu. Den Zeltplatz am Vilzsee erreichen wir dann auch erst am späten Nachmittag. Hier nehmen wir die ebenen Plätze ein, die etwas erhöht zwischen hohen Fichten für Wasserwanderer reserviert sind. Dieser Zeltplatz wird seit Jahren von einer Campergemeinschaft privat verwaltet. Der Platzwart erzählt uns vom Überlebenskampf gegen die Großunternehmer. Er rechnet mit baldiger Schließung des Platzes. Die fadenscheinige Begründung - unzureichende Trinkwasserqualität - ist seiner Meinung nach nur ein Vorwand, die billigere Konkurrenz loszuwerden. Es wäre schade um den schönen Wasserwander-Rastplatz, der so günstig am Wasserkreuzweg zwischen den Seen liegt. Interessant für uns ist die Zutraulichkeit der sonst recht scheuen Blesshühner. Die Frau des Platzwartes füttert sie mit verschieden großen Brotstückchen. Die Blesshuhnmutter frisst die großen Stücke selbst, die kleinen verfüttert sie an ihre Jungen. Wir beobachten staunend, fotografieren und filmen.

Uns gefällt es hier, unter den dichten Bäumen wird es früher dunkel, so dass wir am Holztisch vor unseren Zelten zum Abendessen Kerzen aufstellen, die eine anheimelnde Atmosphäre ausstrahlen. Es ist wieder einmal ein zauberhafter Abend. Das Rauschen des Waldes, vermischt mit dem Plätschern des Wassers und der letzten Vogelschreie im Schilfgürtel, dazu die flackernden Kerzen, die wir bis zum Stumpf abbrennen lassen.


Begegnung mit dem Reichtum

"Auf nach Rheinsberg" ist am nächsten Tag unsere Losung. Wir paddeln ein Stück auf der Schifffahrtsstraße und werden in Diemitz und Canow zügig geschleust. Ab dem Pälitzsee zeigen unsere Bootsspitzen wieder nach Süden. Wir überqueren die Landesgrenze nach Brandenburg, doch unabhängig von der Landeszugehörigkeit bleibt die Landschaft und die Natur gleich schön.

Im Ort Zechliner Hütte machen wir Mittagspause. Die Gaststätten locken, doch Karl und ich bleiben am überdachten Holztisch neben dem Bootslandeplatz. Während wir das Mitgebrachte verzehren, kommen Boote aller Klassen an unserem Rastplatz vorbei.

Bei der Weiterfahrt im Hüttenkanal lässt der" Reichtum" grüßen: Ein so genannter "Marina"-Stützpunkt ist hier im Entstehen. Hotels, Reihenhäuser, Bungalows, eine große Hafenanlage und, und, und, warten auf finanzkräftige "Naturliebhaber". Wenn hier einmal alles belegt ist, dann adé, du beschauliches Wasserwandern! Der Kanal wird zu einer Wasserautobahn, vielleicht muss man später auch sechsspurig in die Landschaft eingreifen. Die Millioneninvestitionen fragen nicht nach dem Erhalt der Naturlandschaft, sie müssen sich "rechnen", auch wenn wieder einmal ein schönes Stück Deutschland verloren geht.

Wir sind unterwegs in Richtung Rheinsberg und erleben wahrscheinlich zum letzten Mal die noch intakte Landschaft. Das eben Gesehene versuchen wir zu verdrängen. Es gibt ihn noch, den Wasserwander-Rastplatz am Rheinsberger See. Es ist ein Naturzeltplatz unter hohen Buchen und Kiefern, mit Dreisitzer-Herzhäuschen und Wasserpumpe, vor vier Jahren während unserer Oldietour entdeckten wir ihn.

Am flachen Seeufer können wir im nur knietiefen Wasser bequem aussteigen. Der sandige Seeboden fällt ganz allmählich in die Tiefe ab. Die bekannte Remus-Insel ist ein Blickfang mitten im See.

Wir sehen keine Zelte, der Platz ist noch leer. Für heute sind wir wahrscheinlich die einzige Wasserwander-Gruppe , die sich hier niederlassen will. Nahe am Ufer zwischen Baumriesen und kleinen Büschen findet jeder von uns ein heimeliges Plätzchen für sein Zelt. "Wirklich paradiesisch", meint der Toni.

Es ist noch früh am Nachmittag, wir lassen die Paddel ruhen und begeben uns auf Schusters Rappen zum Wanderweg, der nach Rheinsberg führt. Erst durch dichten Wald, später in Ufernähe, erreichen wir nach einer Stunde den Obelisk auf der Höhe gegenüber dem Schloss Rheinsberg. Hier verweilen wir und lassen den großartigen Ausblick auf den Grienericksee und das Schlossensemble auf uns einwirken. Die tief stehende Nachmittagssonne lässt das Schloss goldfarben aufleuchten, es spiegelt sich im Wasser und wird vom blauen Himmel eingerahmt. Wir besichtigen die gepflegten Parkanlagen mit historischer Substanz und machen einen Abstecher zum Rhinabfluss, unterhalb der Straßenbrücke.

Im Ort Rheinsberg trennen sich unsere Wege, jeder sucht das für ihn Interessanteste auf. Später sind wir am Tisch vor einer Gaststätte wieder vereint und ich mahne zum Aufbruch.

Am Zeltplatz angekommen, naht der Sonnenuntergang. Für ein Foto bringe ich das Stativ mit Fotoapparat in die günstigste Position und stelle kleine Blende mit langer Belichtungszeit ein. In der abendlichen Ruhe hören wir plötzlich lautes Flügelschlagen und sehen zwei Schwäne, die sich längs des Ufers im Wasser verfolgen. Es geht hin und her, laut klatschen ihre Flügel auf das Wasser, der Verfolger gibt nicht auf. Ich mache vom Stativ aus Aufnahmen, die nicht vorgesehen waren. Doch ganz plötzlich kommen die beiden an Land und direkt auf mich zu. Schnell ein Foto, bevor ich die Kamera rettend zur Seite springe. - Die Aufnahme zeigt zwar nur ein unscharfes Gewirr von Flügeln und Hälsen, ist aber für mich einmalig. - Doch die Vorstellung geht weiter. Der Jäger treibt den Gejagten zwischen den dicken Baumstämmen bis zum dichten Unterholz und packt dort den sehr geschwächten Unterlegenen mit einem festen Schnabelbiss am langen Hals. Wir sehen verwundert dem tierischen Drama zu und reagieren erst, als Karl ruft: "Der bringt den ja um!" Nur mit Mühe und einigen Stockschlägen können wir den Angreifer von seiner ruchlosen Tat abbringen. Wieder auf dem Wasser zeigt sich der Verfolger flügelschlagend und stolz in voller Größe, er entschwindet aus unserem Gesichtsfeld. Der Unterlegene dagegen zieht sichtlich geschwächt dicht am Ufer in die entgegengesetzte Richtung. So ist eben die Natur, die kein Mitleid kennt.


Auf zur letzten Etappe

Ich bringe mein Stativ mit Fotoapparat wieder in Position, denn jetzt ist es soweit, die Sonne berührt am gegenüber liegenden Seeufer den Waldhorizont und verglüht als rot schimmernder, langer Lichtstreifen im See.

Eigentlich war der Große Pälitzsee unser nächstes Tagesziel. Doch der im Prospekt angepriesene Campingplatz (C54) ist für Wasserwanderer eine Zumutung. Verwöhnt von den bisherigen Zeltplätzen und noch unter dem Eindruck des Naturplatzes am Rheinsberger See kommt der nur über einen kahlen Steilhang zugängige, unebene und nur aus nacktem Waldboden bestehende Platz, reserviert für Wasserwanderer, für uns nicht in Frage. Da noch keine Zelte stehen, ist der Eindruck recht trostlos. Es ist erst Mittagszeit, wir einigen uns zur Weiterfahrt bis zum Drewensee.

Das Wetter ist super und Fritz paddelt, wie so oft, weit vor uns. Am Wangnitzsee, wo Aus- und Einfahrt der Havel fast auf gleicher Höhe liegen, sehe ich Fritz schon draußen auf dem See, gefolgt von den beiden Canadierbooten. Pfeifen und lautes Rufen haben keinen Erfolg. Sie merken erst, als es nicht mehr weiter geht und wir ihnen nicht folgen, dass ihre Richtung nicht stimmt.

Wieder vereint landen wir etwas später am Drewensee, Campingplatz (C10). Schon seit vielen Jahren ist die Zeltwiese, gleich am flachen Ausstieg, für Wasserwanderer vorgesehen. Eine Feuerstelle, Holztische, Bänke und eine große ebene Grasfläche erwarten uns. Kein Vergleich mit dem Angebot von heute Mittag am Pälitzsee. Rezeption und Sanitärtrakt sind vorbildlich. Brötchenbestellung für morgen früh kann ich bei der Anmeldung abgeben. Am Abend sitzen wir um das Lagerfeuer, das in der Nähe unserer Zelte brennt.

Der Frühnebel löst sich nur langsam auf, die Morgensonne hat es schwer, sich durchzusetzen. Das Wasser vor dem flachen Sandstrand ist ideal zum Baden.

Eine Glocke ruft zum Brötchenholen, der Lieferant bietet im mobilen Verkaufsstand fast alles, was Camper so brauchen. Hier gibt es keine Einkaufsprobleme.

Nach einem ausgiebigen Frühstück setzen wir die Boote am langen Bootssteg in den Drewensee ein. Vor uns liegt die letzte Etappe unserer Tour.

Nur ein kurzes Stück ist es vom Zeltplatz aus zur Havel, auf der wir flussaufwärts paddeln, was wir aber kaum merken, denn das Flussgefälle zwischen den vielen Seen ist äußerst gering.

An der Mündung der Schwaanhavel vorbei, wo wir vor sechs Tagen abzweigten, erreichen wir über die Schleuse Wesenberg den Woblitzsee. Dieser leuchtet tiefblau, wie der Himmel über uns. Dazu die blütenweißen Kumuluswolken und die bunten Boote, das sind wieder einmal Super-Fotomotive.

An der Einmündung zum Kammerkanal sitzen wie üblich Schwäne. Seine künstliche Entstehung durch Menschenhand ist dem Kanalverlauf nicht mehr anzumerken. Nach unserer letzten Schleusung in Voßwinkel paddeln wir im Kanal zum Zierker See, an dem unser Ziel liegt, der Bootssteg des WSV Neustrelitz.

Das Entladen und Säubern der Boote sowie das Trocknen der Zelte beschäftigen uns den restlichen Nachmittag. Walter, Karl und Fritz verabschieden sich, noch voll unter den Eindrücken ihrer ersten Mecklenburgtour stehend, mit einem herzlichen Ahoi! Zur nächsten TID in zehn Tagen werden wir wieder gemeinsam paddeln.

Am Abend fährt uns Horst vom WSV nach Userin zur Vylym-Hütte , dem kleinen Tiermuseum des Naturschutz-Experten Bernd Schmidt. Außer einem Videofilm über einen zahmen Fischotter, bekommen wir viele Präparate von einheimischen Tieren, vor allem Vögel zu sehen, die unser Gastgeber selbst präpariert und ausgestopft hat. Zitat von Bernd Schmidt: "Paddler sind keine Belastung für die Natur, solange sie sich normal und nach den Regeln des Naturschutzes bewegen."

Als Fazit unserer zehntägigen Mecklenburgtour zitiere ich den Reporter Stefan Böhme aus Schwerin: "Wasserwandern scheint doch mehr zu sein als nur Bootfahren!"


Kurz-Info

Etappen

  • 1. Käbelicksee / Kratzeburg - Jamelsee / Zeltplatz Hexenwäldchen C13: 17 km
  • 2. Woblitzsee / Wesenberg WW-Rastplatz: 18 km
  • 3. Rätzsee / Zeltplatz C28: 16 km
  • 4. Mirow / Zeltplatz C39: 18 km
  • 5. Müritz Ostufer / Zeltpl. C15: 16 km
  • 6. Vilzsee / Zeltplatz C44: 26 km
  • 7. Rheinsberger See / WW-Rastplatz (ehem. C98): 20 km
  • 8. Ziernsee / Zeltplatz C46: 24 km
  • 9. Drewensee / Zeltplatz C10: 18 km
  • 10. Zierker See / WSV "Einheit" Neustrelitz: 20 km


Literatur

  • Wasserwanderatlas Mecklenburger Gewässer (1:100.000), Kompass Verlag, 4. Aufl. 2005
  • Tourenatlas Wasserwandern TA 6, Jübermann-Verlag (1:75.000), 2. Aufl. 2004
  • Wassersport-Wanderkarte 6 Deutschland-Nordost 1 :450.000 mit Mecklenburger Seen 1:100.000, Jübermann-Verlag, 6. Aufl. 2004
  • Martin, Karlheinz: Kanuwandern in Mecklenburg- Vorpommern
  • DKV-Gewässerführer Ostdeutschland, 3. Aufl., DKV 2003


Adressen

Wassersportverein Einheit Neustrelitz e.V.
Zierker Nebenstraße 31
17235 Neustrelitz
Tel: 03981 / 204 338

Hier Abstellen der PKWs, evtl. Übernachtung in der Touristen-Unterkunft und Bootstransport zum Käbelicksee.


Quelle

Dieser Artikel stammt von Ferdinand Schimandl, Altenburg, und erschien in der Zeitschrift "Kanu-Sport" 5/2005, S. 8-14. Der Text wurde (ohne Schimandls Fotos) aus der Zeitschrift unverändert übertragen und lediglich die Schreibweise der Ortsnamen mit dem Autoatlas verglichen. Offenkundige Rechtschreibfehler wurden stillschweigend korrigiert. Die Gliederung und die Hervorhebungen im Text entsprechen dem Original. Eine Aktualisierung der Fakten auf heutigen Stand (veränderte Camping-/Wasserwanderrastplätze, neue Anlegeverbote usw.) wurde nicht durchgeführt. Neue Fahrtberichte der letzten Jahre werden gerne entgegengenommen!

Vielen Dank an Ferdinand Schimandl für seine Genehmigung zur Veröffentlichung im Faltbootwiki.


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